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In The Night The Demon Comes Alive

von Durhin
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteDrama, Freundschaft / P12 / Gen
Don Daniel Maik Painkiller
05.02.2014
05.02.2014
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2.246
 
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Aus Daniels Sicht:
Es überkam ihn wieder. So plötzlich. Von nun auf gleich. Gerade noch hatte er gelächelt. Nun lag er allein auf der Matratze und schon spürte er, wie seine Augen feucht wurden. Er versuchte dieses beklemmende Gefühl zu verdrängen, doch langsam aber sicher schnürte ihm die Angst die Kehle zu.
Er wollte keine Angst haben, doch er hatte sie. Angst vor der Zukunft. Er fühlte sich einsam. Er war unsicher. Um nicht zu sagen: Er wusste nicht, was er tun sollte und ob das, was er tat, wirklich das richtige war.

Immer hatte er das getan, was sich ihm bot, aber nie das, was er wirklich tun wollte. Denn das Problem war: Er wusste es schlicht und ergreifend nicht.
Manch einer würde nun lächeln und sich fragen, was daran denn nun das Problem war. Andere hatten wirkliche Probleme.

Ja, das wusste er selbst und es verbesserte seine Lage nicht gerade. Zu seiner ungeheuren Unsicherheit gesellte sich dadurch nur noch Scham und Schuldbewusstsein. Alle um ihn herum hatten stets ein Ziel vor Augen, wussten, was sie erreichen oder mal werden wollten. Doch er…?

Klar, er besaß ein gewisses musikalisches Talent und es machte ihm Spaß. Aber war er wirklich gut genug dafür? Würde es reichen, dass es nicht nur ein Hobby, sondern tatsächlich ein Beruf werden konnte? Auf Dauer würde er sich schließlich nicht von Luft und Liebe ernähren können.

Es bereitete ihm Angst.
Immer wieder hatte er etwas gefunden, mit dem er Zeit schinden konnte. So hatte er sein Abitur nicht gemacht, weil er es konnte und sich somit den Weg in eine bessere berufliche Ausgangssituation verschafft hatte. Nein, er hatte es aus dem einfachen Grund getan, weil er nicht wusste, was er sonst hätte tun sollen.

Er hatte Angst vor Neuem, vor dem Unbekannten und am meisten Angst hatte er davor, zu versagen. Er wollte am Ende seiner Familie nicht zur Last fallen, obwohl er wahrscheinlich genau das längst tat. Und weil er nichts mit sich anzufangen wusste, waren alle Investitionen, die seine Familie in ihn und seine Zukunft getätigt hatte, völlig umsonst.

Da war sie. Die erste Träne.
Und er wusste bereits, dass mehr folgen würden. Es blieb nie bei einer einzigen Träne.

Er fühlte sich hilflos. Mal wieder. Und jedes Mal wenn er kranke oder leidende Menschen sah, wünschte er sich, dass sie sein Leben bekommen könnten. Sie wüssten damit viel mehr anzufangen. Wieso konnte er nicht einfach… schwinden? Und all seine Lebensjahre würden auf Menschen übergehen, die zu früh zu sterben drohten, obwohl sie noch so viele, so große Pläne hatten?! Das war ein wunderbarer Plan. Der einzige, den er hatte und der doch niemals funktionieren würde.

Stattdessen lag er dort. Allein, verzweifelt. Nutzlos. Wertlos. Heulend.

Er wünschte sich jemanden an seine Seite. Jemand, der es wirklich ernst mit ihm meinte. Jemand, der ihm Halt gab. Jemand, der ihm ein stückweit zeigte, wie das Leben auch sein konnte. Jemand, auf den er sich bedingungslos verlassen konnte.

Aber da kam seine zweite große Schwäche zum Vorschein. Er schaffte es einfach nicht, wirklich Vertrauen zu jemandem zu fassen. Klar nannte er recht viele Menschen seine „Freunde“. Doch er wusste, wie flüchtig das Wort „Freundschaft“ war. Es brauchte so wenig, damit ein Freund nicht mehr ein Freund war.

Er rollte sich auf die Seite und umarmte sein Kissen fester. Er hatte schon einige Freunde gehabt. Freunde von denen er dachte, sie würden ewig bei ihm bleiben und ihren Lebensweg mit ihm beschreiten. Doch… das Leben hatte andere Pläne.

Da war es wieder… Pläne.

Er hatte immer noch keine Pläne. Und je mehr er darüber nachdachte, desto unsicherer wurde er sich. Was wollte er eigentlich mit seinem Leben anfangen?!
Eine Familie gründen? Die Karriereleiter hinaufklettern? Wollte er sein Hobby zum Beruf machen, den Schritt wagen? Nichts tun?
In seinem Kopf drehte sich alles. Ein leichtes Dröhnen kündigte bereits die Kopfschmerzen an.

Wieso musste das eigentlich immer passieren, wenn er Schlafen wollte? Nun, eigentlich konnte er es sich denken. Weil er genau dann am schwächsten war und außerdem nichts da war, was ihn vom Denken abhielt.
Da war bloß er, das große leere Bett und ein Haufen Zeit zum Nachdenken.
Nachts wurde der Dämon lebendig. Der Dämon namens "Zweifel".

Aus Maiks Sicht
Leise schlich er in das Schlafzimmer seines Freundes. Er hatte es hören können. Schließlich schlief er direkt nebenan im Wohnzimmer auf dem Sofa. Das leise Schluchzen. Es brach ihm jedes Mal aufs Neue das Herz.

Es war also wieder soweit. Es hatte ihn wieder überkommen. Und das Schreckliche daran?
Man konnte es nicht verdrängen oder gar vernichten. Diese Gedanken, die seinen Freund quälten, waren wie Unkraut: Man riss es heraus und dachte, man hätte es damit besiegt, doch in Wahrheit blieb immer etwas zurück; nur ein Samen, und das Unkraut wuchs von neuem.

Er konnte noch so oft auf seinen Freund einreden, dort blieb immer ein Restzweifel. Und dieser Restzweifel sprießte in der Dunkelheit erneut. Immer wieder.

So oft hatte er ihm bereits gesagt, dass er ein großartiger Mensch war und dass das, was er tat, gut war. Es erfreute seinen Freund einen Augenblick, ließ ihn für einen Moment strahlen. Doch dann…? Dann waren da wieder diese Restzweifel, die wieder zu riesengroßen Selbstzweifeln heranwuchsen.

Er würde ewig bei ihm bleiben, hatte er ihm geschworen. Es hatte seinen Freund ebenso erfreut. Aber bereits im nächsten Moment war da wieder diese Traurigkeit. „Nichts ist für immer.“ Und wieder war aus einem Zwergzweifel ein Zweifelriese geworden.

Vorsichtig ließ er sich auf der Bettkante nieder und damit wurde sich sein Freund seiner Anwesenheit bewusst. „Was…?!“ „Das sollte ich dich fragen“, unterbrach er ihn behutsam. Schuldbewusst senkte sein Gegenüber den Kopf. „Ich kann nichts dagegen tun“, hauchte der geschafft. Also ließ er sich neben ihm nieder. Er legte sich flach auf den Rücken, Schulter an Schulter mit seinem Freund.

Was in ihm vorging und wie es ihm ging, konnte er nur erahnen. Er wusste, dass sein Freund nur äußerst ungern darüber sprach und auch, dass er es nur schwer schaffte, all seine Gefühle und Sorgen in Worte zu fassen. Es hatte Jahre gedauert, bevor er überhaupt angefangen hatte, zu erzählen.

„Man sagt mir dann immer wieder, dass ich doch eigentlich gar keinen Grund für diese Selbstzweifel und die Angst habe. Und manchmal schafft man es damit sogar, mir genau diese für einen Moment zu nehmen. Mir einzureden, dass alles super ist. Aber dann…“
So hatte er es damals beschrieben. Zweifel hatte jeder. Das war wohl menschlich. Doch wann wurden aus Zweifeln Probleme?

Die Antwort war einfach: Wenn die Zweifel so groß und dauerhaft wurden, dass derjenige an ihnen zerbrach; sie ihn schlichtweg erdrückten.
Viele große Künstler trugen diese Zweifel mit sich, diese Angst. Ein wenig gehörten sie schließlich auch mit zum Leben dazu. Doch nicht alle schafften es, sich gegen sie zu behaupten. Das waren dann diese Momente, in denen er selbst Angst bekam. Angst, eines Tages nicht da zu sein, wenn sein Freund ihn brauchte, weil diese Zweifel wieder über ihn zu wachsen drohten.

Vielleicht war das der Grund, wieso er die letzten Nächte nicht eine einzige davon in seinem eigenem Bett oder dem Bett seiner Freundin verbracht hatte: Die dunkle Jahreszeit machte die Gedanken düsterer als ohnehin schon und sein Freund hatte wieder einen Menschen verloren, der ihm etwas bedeutet hatte.
Da niemand sonst von diesen dunklen Gedanken wusste, war es seine Aufgabe. Er musste für ihn da sein – und er tat es gern. Trotzdem war da immer wieder ein wenig Furcht: Würde er immer für ihn da sein können?

„Maik?“
„Ja?“
„Wenn ich nicht mehr da wäre, würdest du mich vermissen?“

Oh nein. Wenn er bereits über so etwas nachdachte…

„Natürlich würde ich dich vermissen! Und jetzt hör auf, auch nur darüber nachzudenken, was wäre, wenn du nicht mehr da wärst, denn du BIST da und du BLEIBST auch gefälligst da!“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hatte er sich auf die Seite gerollt und seinen Freund direkt in die Augen gesehen.

Aus Daniels Sicht
All seine Überlegungen hatten zu einem Resultat geführt: Er wusste nicht, was er tun sollte, ergo sollte er es gleich beenden. Wieso? Nun, dann konnte er weder sich selbst, noch sonst irgendjemanden enttäuschen und das wirklich Wundervollste: Er brauchte sich nie mehr Gedanken darüber zu machen, wie er seine Zukunft leben musste.

Alles wäre wirklich sehr viel einfacher.
„Wenn ich nicht mehr da wäre, würdest du mich vermissen?“
Er sah den Schock in den Augen seines Freundes. Die Panik.

„Natürlich würde ich dich vermissen! Und jetzt hör auf, auch nur darüber nachzudenken, was wäre, wenn du nicht mehr da wärst, denn du BIST da und du BLEIBST auch gefälligst da!“ Ja, es war Panik. Das konnte er nun deutlich erkennen.

Traurig schloss er seine Augen. „Ich will diese Gedanken nicht mehr haben. Aber sie kommen immer wieder, um nicht zu sagen: Eigentlich sind sie immer da. Ich kann sie nur für kurze Zeit verdrängen und dann kehren sie mit aller Macht zurück. Ich weiß, es ist so blöd. Andere Menschen leiden wirklich, haben täglich Schmerzen und kämpfen doch weiter und ich…?! Ich jammere wegen… wegen so etwas.“

Er fühlte sich elendig. Jedes Mal aufs Neue. Dass er sein Leben einfach nicht auf die Kette bekam. Doch… es gab so viele, die besser waren als er. Er war nichts Besonderes. Weder in positiver, noch in negativer Hinsicht.

Der Strudel aus dunklen Gedanken riss ihn wieder mit sich in die Tiefe. Und egal wie sehr er versuchte, dagegen anzustrampeln: Er drohte unterzugehen.

Plötzlich war da die Hand seines Freundes, die seine eigene ergriff. „Du darfst jammern so viel du möchtest. Denn jeder Mensch hat Probleme, Schwächen. Und nur weil die Probleme mancher Menschen offensichtlicher sind, heißt es nicht, dass sie dadurch automatisch auch die Schlimmsten sind.“
Er machte eine kurze Pause, wobei er ihn auf einmal zu sich heran zog und dann mit seinen Armen umschloss.

„Tust du mir einen Gefallen?“ „Ja…“, hauchte er leise. Dies war sein bester Freund – der Mensch, den er auch wirklich so bezeichnet hätte, weil er ihm am meisten bedeutete.

„Denk immer, wenn dich diese Gedanken wieder zu übermannen drohen, an all das Positive in deinem Leben: Was du schon erreicht hast, mit wem du dein Leben gemeinsam beschreiten durftest, egal wie kurz diese Zeit auch gewesen sein mag und vor allem möchte ich, dass du dich dann erinnerst, dass du einzigartig bist. Denk nicht daran, wie groß die Probleme sind und wie hilflos du dich fühlst, sondern dass du schon so viel gemeistert hast und auch diese Probleme nur eine Herausforderung für dich darstellen. Denke nicht, wie einsam du gerade bist, sondern, wen du alles kennst und wer dich schätzt, wer sich alles freut, dein Freund zu sein. Und denke auch nicht daran, dass du nichts Besonderes bist, sondern daran, dass – egal was du tust – es niemanden auf der Welt gibt, der es exakt genauso tut wie du.“

Hier lag er nun, an die Brust seines besten Freundes geschmiegt, geborgen. Jetzt und hier waren die Zweifel verdrängt – er war nicht allein. Der Acker war vorrübergehend vom Unkraut befreit. Doch waren auch all die Samenkörner mit entfernt worden? Der Dämon war verbannt, doch würde er sich auch zukünftig nachts von ihm fernhalten? Würde er mit dieser Erinnerung auch zukünftig alle Zweifel zurückdrängen können?

Klar, es lag immer auch mit an seiner eigenen Einstellung und die konnte er zumindest größtenteils mit beeinflussen. Und wenn die Zweifel erst wieder da wären, würde er auch wieder bezweifeln, dass ihn irgendwer wirklich mochte. Und er würde zwar sehen, dass niemand etwas so erledigte wie er selbst, doch er würde es deswegen nicht als „gut“ befinden. Und ganz sicher würde er auch nicht sehen, was er alles bereits erreicht hatte, sondern nur, was er noch irgendwie schaffen musste.

Wieder forderte sein Freund seine Aufmerksamkeit indem er sanft mit dem Daumen über seinen Handrücken strich. „Und der eigentliche Gefallen, den du mir tun sollst: Wenn genau das nicht klappt, dann… sprich mit jemandem. Teile deine Sorgen jemandem mit – mir zum Beispiel.“

Das konnte er nicht. Vor allem würde der sich bedanken, wenn er ihn zu jeder Tages- und vor allem Nachtzeit aus dem Bett holte. Nun, er schien seine Gedanken zu erraten: „Doch, genau das möchte ich. Dass du mich um vier Uhr nachts weckst. Dass du mich anrufst oder besuchst – wie du möchtest. Und dann möchte ich, dass du mit mir darüber sprichst, was dich bedrückt. Ich werde vielleicht nicht gleich eine Lösung zur Hand haben, aber es ist immer einfacher, nicht allein mit etwas zu stehen.“

Wieder traten Tränen in seine Augen. Dieses Mal jedoch Freudentränen. Nein, er war nicht allein.
„Ähm…?!“ Sein Freund blickte etwas unsicher auf ihn hinab. Kein Wunder: Das Shirt wurde sicherlich grad leicht feucht. „Danke!“ hauchte er jedoch bloß.

Und was sollte man sagen? Wann immer nachts der Dämon namens "Zweifel" erwachte, stellte sich ihm da ein Maik in den Weg und rief mit donnernder Stimme "Du kommst nicht vorbei!" Dann kicherte er leise in sich hinein und seine Gedanken hellten sich auf.

Und wann immer wieder diese Restzweifel zu sprießen drohten, hatte er einen Weg gefunden, sie niederzuringen. Er dachte einfach an seinen Freund, dessen Versprechen und auch daran, wie er ihn einfach nur im Arm gehalten hatte.
Er hatte vieles bereits geschafft, kannte wundervolle Menschen die er „Freund“ nennen durfte und er war einzigartig.

Nun: Es gab Menschen, die solche Tatsachen lernen mussten. Er gehörte dazu. Und Dank Maik hatte er genau das geschafft.

The end...
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