Nollaig Shona Dhuit!
von Nicola Baumann
Kurzbeschreibung
Wie alle Familien, so breiten sich auch Murphy und Connor auf den kommenden Weihnachtsabend vor. Jedoch wären es nicht die Brüder MacManus, wenn dabei alles so laufen würde, wie es geplant gewesen war …
GeschichteFamilie / P12 / Gen
23.12.2013
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Nollaig Shona Dhuit!
„Verdammt, jetzt halt doch einfach diesen scheiß Baum gerade!“
„Mach es doch selber, wenn Du meinst, es besser zu können! Idiot!“
Connor versuchte verzweifelt den Stamm des kleinen Tannenbaums in dem dafür vorgesehenen Ständer festzuschrauben, während sein Bruder, Murphy, den Baum halten sollte. Aber obwohl der Baum nicht einmal sonderlich groß war, so zeigte sich doch wieder deutlich, dass die Brüder zwei linke Hände hatten, wenn es um solche Vorhaben ging.
„Beeil Dich, Connor! Ich bekomm sonst noch einen Krampf im Arm!“
„Hör auf zu jammern und halt das scheiß Ding gerade, sonst wird das nie etwas! Du wolltest doch diesen Baum haben, ich hab von Anfang an gesagt, dass so etwas nicht nötig ist. Ich hab gesagt, wir brauchen so etwas nicht, haben das die letzten Jahre auch nicht gehabt.“
„Wenn Du nur immer an etwas rummaulen kannst. Ich will einfach einen Baum zu Weihnachten, Punkt, aus, fertig.“
„Dann halt ihn auch gerade, sonst schmeiß ich das Teil aus dem Fenster, da kannst Du Dich aber drauf verlassen.“
„Du wanderst dann aber hinterher, aber ganz sicher.“
Connor schnaubte übertrieben hörbar. Murphy nervte ihn schon die ganzen letzten Tage mit dem Thema „Weihnachtsbaum“ und es war Connor immer noch ein Rätsel, warum sein Zwillingsbruder dieses Jahr derart darauf bestand, dass sie sich in ihre Wohnung einen Baum stellen sollten. Das hatten sie noch nie getan und es war auch noch nie ein Thema gewesen.
„Fertig, kannst loslassen.“
Murphy ließ vorsichtig den Baum los, stieg von dem Stuhl herunter, auf welchem er gestanden hatte und betrachtete sich das Ergebnis.
„Der steht eins A, absolut gerade, Connor.“
„Klar, ich hab den ja auch aufgestellt.“
„Wir brauchen jetzt aber noch etwas zum Draufhängen. Kerzen, Kugeln, Engel und solche Sachen.“
„Ganz ehrlich, Du hast doch ’ne Macke. Ich renn doch jetzt nicht los und gebe dutzende von Dollars aus und lauf mir gleichzeitig noch die Füße wund. Und das nur, weil Du dieses Jahr Deinen Sentimentalen hast.“
„Dann lass es. Ich kann auch alleine gehen, wenn es Dich so ankotzt, etwas für mich zu machen, dann besorg ich die Sachen alleine. Gar kein Problem.“
Connor sah seinen Bruder an und versuchte dessen Gesichtsausdruck zu deuten. War er denn jetzt wirklich beleidigt? Wegen eines dummen Weihnachtsbaums? So langsam verstand Connor die Welt nicht mehr. Murphy hatte sich derweil seine Jacke genommen und den kleinen Küchenschrank geöffnet, in welchem sich die Kaffeedose mit den Ersparnissen befand. Connor und Murphy waren keine reichen Menschen, seit sie ihre Aufgabe im Namen des Herrn begonnen hatten und die Straßen vom Abschaum der Menschheit säuberten, konnten sie ihrem Job in der Fleischfabrik nicht mehr regelmäßig nachgehen. Nicht nur aus Gründen der Zeit, sondern auch, weil ständig einer der beiden Brüder verletzt war und sie in deutliche Erklärungsnot gekommen wären, wenn sie so zur Arbeit erscheinen würden. Jetzt war das Geld noch knapper, als es dies vorher schon gewesen war. Natürlich, die Angehörigen der Mafia, welche sie aus dem Weg räumten, hatten in der Regel immer genügend Geld bei sich, oder in ihrem Unterschlupf versteckt. Manchmal nahmen sich Connor und Murphy davon auch etwas, immer dann, wenn es bei ihnen gar nicht mehr ausreichte, aber in der Regel lebten sie nach dem Motto, sich nicht an diesem Abschaum zu bereichern. Deshalb wanderte auch der größte Teil des Geldes in den Opferstock der Kirche. Die Menschen von denen dieses Geld stammte, hatten so viel Leid und Elend über andere gebracht, dass wenigstens ihr Geld noch etwas Gutes vollbringen sollte. Aber auch, wenn diese Einstellung nobel war, so brachte sie Connor und Murphy kein Brot auf den Tisch und auch ihre kleine Wohnung wollte bezahlt werden.
„Du gibst jetzt aber nicht wirklich unser letztes Geld für Weihnachtsbaumschmuck aus, oder? Du hast schon eine Menge für diesen dummen Dampfkochtopf und den anderen Mist ausgegeben. Und das für etwas, das sowieso nichts werden wird.“
Connor meinte diese Frage absolut ernst, denn Murphy vergriff sich eben an ihrem Notgroschen, an dem Geld, welches sie wirklich für Notfälle zusammen gespart hatten.
„Ich besorg wieder Geld, also mach Dir nicht ins Hemd deswegen. Und natürlich wird das was, ich finde der Plum-Pudding sieht doch schon gut aus.“
Jetzt realisierte Connor, dass es seinem Bruder wirklich ernst mit dieser Sache war, warum, verstand er immer noch nicht, aber es war überdeutlich, dass Murphy beleidigt war.
„Dir ist diese Sache wirklich wichtig, oder?“
„Ja.“
„Warum? Warum, Murphy? Ich kapier’s nicht. Seit wann machst Du so einen Aufstand um solche Sachen? Wir sind doch sowieso heute Abend und morgen nicht da. Heute Abend gehen wir zur Heiligen Messe und morgen sind wir bei Smecker zum Weihnachtsessen eingeladen.“
„Weil es halt so ist, es ist mir halt wichtig.“
Connor musste einsehen, dass er so wohl nicht das erfahren würde, was er gerne wissen wollte. Aber wenn sein Bruder schon ihr ganzes Geld ausgeben wollte, dann würde er selber dabei sein. Schon vor einer Woche war Murphy alleine losgezogen und war mit einem Dampfkochtopf und allen möglichen Zutaten zurück gekommen. Connor war beinahe vom Sofa gefallen, als er das gesehen hatte. Murphy hatte sich wirklich in den Kopf gesetzt, einen typisch irischen Weihnachtspudding zu machen und diesen dann mit zu Smecker und dessen Freund zu nehmen. Connor hatte lauthals gelacht, als Murphy die Zutaten zusammenrührte, dann den Pudding ansetzte und ihn wieder und wieder aufkochte. Murphy konnte genauso gut kochen, wie es Connor konnte: Überhaupt nicht. Kurz hatte Connor sogar Bedenken, dass Murphy die kleine Küche abbrennen lassen würde und er war sich auch sehr sicher, dass das, was sein Zwillingsbruder da angesetzt hatte, mit Sicherheit nicht essbar sein würde. Connor konnte sich gut daran erinnern, wie ihre Mutter früher in der Adventszeit Plum-Pudding gemacht hatte, wie viel Arbeit dies war, aber auch, wie gut dieser schmeckte. Schon als Kinder hatten Connor und Murphy ein kleines Stück davon versuchen gedurft, mit sehr viel Sahne, denn der Alkoholgehalt war nicht zu unterschätzen gewesen.
„Du musst nicht mitkommen, Du nörgelst sowieso die ganze Zeit an Allem rum.“
„Halt die Klappe, Murph, und lass es uns hinter uns bringen. Heute ist der Vierundzwanzigste, da sind mehr Leute unterwegs, als an vier Samstagen zusammen.“
Connors Worte sollten sich bewahrheiten, es war wirklich jeder auf der Straße, der irgendwie das Haus verlassen konnte. Doch Murphy hatte beim Einkaufen einen Enthusiasmus entwickelt, der Connor wirklich staunen ließ. Wortlos trottete er also seinem Zwillingsbruder hinterher. Dieser steuerte zielstrebig eines der großen Kaufhäuser an und kämpfte sich dann durch die Masse an Menschen.
„Da hinten gibt es Weihnachtsschmuck, siehst Du?“
„Sicher seh’ ich das, Murph, bin ja nicht blind.“
Die nicht vorhandene Begeisterung in Connors Stimme, ließ Murphy kurz das Gesicht verziehen, jedoch nahm er sich vor, dies zu ignorieren und in Richtung der Abteilung für Weihnachtsdekoration zu laufen. Dort angekommen, nahm er eine Packung an Christbaumschmuck nach der anderen in die Hand und beschaute jede genau.
„Welche Farben sollen wir denn nehmen?“
Connor zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung, mir egal. Nur nicht zu bunt, wollen ja nicht, dass unsere Bude wie ein Puff aussieht.“
„Was hältst Du von diesen rostroten und goldenen Kugeln und dazu Strohsterne und Strohengel? Oben auf die Spitze diesen Glasstern?“
Connor nickte nur, hoffend, dass sie dieses Getümmel von Menschen bald wieder verlassen konnten. Eigentlich fand er Murphys Auswahl gar nicht schlecht, irgendwie erinnerte ihn das an zu Hause, daran, wie ihre Mutter früher den Baum geschmückt hatte, auch sie hatte eine Vielzahl von Strohanhängern verwendet, jedoch waren diese selbstgemacht und nach und nach in den Jahren entstanden. Murphy hatte die Kugeln, den Glasstern und die Strohanhänger in einen Einkaufskorb getan und stand nun vor den Lichterketten und Kerzen.
„Was meinst Du, Connor, sollen wir echte Kerzen, oder eine Lichterkette nehmen?“
„Ganz klar Lichterkette. Sonst fackelt uns wirklich noch die Bude ab. Aber so eine helle da, keine bunte. Blaue und grüne Lichter zu den Kugeln sehen scheiße aus.“
Murphy packte eine lange Lichterkette mit künstlichen Kerzen ein und schaute sich noch etwas um.
„Reicht jetzt, oder? So viel bekommen wir sonst gar nicht auf den Baum drauf, Murph.“
„Stimmt und wir müssen auch noch zu O’Melley.“
„Was willst Du denn da?“
Brian O’Melley besaß einen kleinen, irischen Laden, unweit von der Wohnung, in welcher Murphy und Connor lebten.
„Ich brauch für das Essen bei Smecker morgen noch Cosaques und für uns noch eine Weihnachtskerze fürs Fenster.“
„Sag mal, meinst Du nicht, dass Du es jetzt langsam übertreibst? Smecker und sein Freund sind keine Iren, was wollen die denn mit Christmas Crackern?“
„Ich finde es eine nette Idee …“
Connor verdrehte die Augen, verkniff sich aber den spitzen Kommentar, welches ihm auf der Zunge lag, wohl wissend, dass dies wahrscheinlich sowieso nichts gebracht hätte. Auch in O’Melleys kleinem Laden hielt Connor sich zurück, er trug einfach die Tüten, die sich durch Murphys Einkaufswahn angesammelt hatten und versuchte eine stoische Ruhe zu behalten, sich aber seinen Teil zu denken.
Wieder in der Wohnung stellte Murphy als erstes die Weihnachtskerze mit den drei Dochten ins Fenster, schaltete den Herd wieder ein, um den Weihnachtspudding noch einmal aufzukochen und begann dann die Tüten auszupacken. Connor öffnete den Deckel des Dampfkochtopfes, nahm sich einen Löffel, probierte von dem, was Murphy da zusammengebraut hatte und verzog dann das Gesicht. Er wusste genau, wie es zu schmecken hatte, aber das, was sich in dem Topf vor ihm befand, hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem, was ihre Mutter an Weihnachten aufgetischt hatte.
„Murph, bei aller Liebe, aber wenn Du das hier morgen mit zu Smecker nehmen möchtest, dann sind wir wegen Körperverletzung dran.“
„So schlecht ist der Pudding nicht, mach es besser.“
„Muss ich nicht, ich behaupte gar nicht, dass ich es kann. Aber Du kannst es eben auch nicht.“
„Du musst es ja nicht essen …“
„Jetzt sei doch nicht schon wieder eingeschnappt, wirklich, langsam gehst Du mir auf die Nerven. Du kannst nicht kochen und schon gar nicht so etwas. Sieh es einfach ein.“
Connor konnte sich gerade noch ducken, sonst hätte ihn die leere Verpackung von einigen Christbaumkugeln am Kopf getroffen, denn Murphy hatte, als Reaktion auf Connors Kritik, diese mit voller Wucht in seine Richtung geworfen.
„Arschloch! Na warte!“
Mit einem Satz war Connor bei Murphy, verpasste ihm einen Stoß und nur Sekunden später fanden sich die Brüder auf dem Boden wieder und rauften wild miteinander. Connor versetzte Murphy einen Hieb in die Magengegend und nutzte dann den Moment, im welchen Murphy nach Luft rang, um diesen auf den Rücken zu drehen und sich auf seine Leiste zu setzen. Dabei drückte er die Hände und Arme seines Bruders auf den Boden, jedoch wehrte sich dieser mit aller Kraft.
„Gibst Du auf?“
„Niemals!“
Murphy versuchte seinen Zwillingsbruder von sich runter zu stoßen, jedoch mit dürftigem Erfolg. Connor lachte, während er seinen Griff verstärkte.
„Gib auf. Hast eh keine Chance.“
„Geh runter von mir! Vollhonk! Trottel!“
„Nur wenn Du sagst, dass Du aufgibst und ich der Stärkere bin.“
„Davon träumst Du!“
„Dann bleib ich hier sitzen. Dein Bauch ist bequem. Könntest mal abnehmen, die Fettschicht an Deinem Bauch ist wirklich heftig.“
Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, begann Connor auf Murphy leicht hoch und runter zu hüpfen, dabei grinste er hämisch, jedoch nicht bösartig. Murphy hingegen, dessen Laune nicht die beste war, wehrte sich weiter und sein Blick verriet, dass er es auch alles andere als lustig fand. Connor verdrehte die Augen, ließ seinen Bruder los und stand auf.
„Spaßbremse. Ich lass Dich mit Deinem Baum alleine, ich muss noch was besorgen gehen.“
„Klar, verzieh Dich ruhig. Ich schmücke den Baum auch ohne Dich, dann hab ich wenigstens keinen, mit einem so miesepetrigen Gesicht hier.“
„Genau. Ich bin bald wieder da und bitte, Murph: Brenn die Bude nicht ab, die brauchen wir noch.“
„Verzieh Dich.“
Das lies Connor sich nicht zwei Mal sagen, kurze Zeit später hatte er die Wohnung verlassen und Murphy widmete sich zuerst seinem Pudding und dann der Dekoration des Baumes.
Etwas über zwei Stunden später schloss Connor die Türe zu ihrer Wohnung auf und stockte in seinem Gehen in dem Moment, als er den Innenraum der Ein-Zimmer-Wohnung sah.
„Bei allen Heiligen, was ist denn hier passiert? Sieht aus, als wäre ein Tornado durch unsere Wohnung gefegt.“
Connor schloss hinter sich die Türe und versuchte seinen Bruder zu entdecken, jedoch war dieser nicht zu sehen. Was er jedoch sah, war ein umgestürzter Weihnachtsbaum, eine riesige Wasserlache, die von dem umgestürzten Christbaumständer her rührte, Christbaumschmuck, der auf dem Boden verteilt lag, einen zerbrochenen Glasstern, der eigentlich auf der Spitze des Baumes thronen sollte und eine völlig durcheinander geratene Lichterkette. Für einen kurzen Augenblick fühlte sich Connor unwohl, denn er wusste nicht genau, wie er dieses Chaos einordnen sollte. Er zog seine Jacke aus, warf sie achtlos auf das Sofa und rief nach seinem Bruder.
„Murphy! Wo bist Du? Vom Baum erschlagen? Komm raus, Brüderchen!“
Auch wenn es Connor selbst lachhaft vorkam, so warf er doch einen kurzen Blick zu dem Baum und schielte darunter, nicht, dass aus dem Spaß wirklich ernst geworden war und Murphy darunter lag, warum auch immer. Jetzt realisierte Connor, dass in ihrem kleinen Badezimmer Licht brannte und da die Möglichkeiten in der Wohnung nicht besonders vielseitig waren, schlussfolgerte er, dass sich sein Bruder wohl dort aufhalten würde. Als er das Badezimmer betrat, sah er Murphy zwischen Dusche und Toilette am Boden sitzen, eine Zigarette im Mund und neben ihm der Topf, in welchem sich einmal der Pudding befunden hatte, der aber nun leer zu sein schien.
„Scheiß Baum, scheiß Plum-Pudding, scheiß Dekoration und besonders: Scheiß Weihnachten!“
„Was ist den passiert?“
Connor merkte deutlich die Wut in Murphys Stimme, aber dort war noch etwas anderes: Enttäuschung. Deshalb setzte er sich neben seinen Bruder auf den Boden, zündete sich ebenfalls eine Zigarette an und schaute zu ihm.
„Na, was soll schon passiert sein? Was denkst Du? Ich stand auf dem beschissenen Stuhl, hatte schon alles auf dem Baum drauf und wollte diesen Glasstern auf die Spitze setzen. Dann hab ich das Gleichgewicht verloren, hab mich versucht am Baum festzuhalten und bin zusammen mit diesem Ding auf den Boden gekracht. Und ich hab den dämlichen Pudding auch versucht, der hat wirklich zum Kotzen geschmeckt. Also ist er das Klo runter gewandert. Jetzt gibt es keinen Baum, keinen Plum-Pudding und Weihnachten fällt aus.“
Connor gab sich alle Mühe ein Lachen zu unterdrücken, als er sich vorstellte, wie sein Bruder zusammen mit dem Weihnachtbaum zu Boden ging und diesen unter sich begrub, es gelang ihm jedoch nicht gänzlich. Dafür erntete er von Murphy einen tödlichen Blick.
„Jetzt komm schon, Murph. Das ist doch kein Weltuntergang. Den Baum kann man ja wieder hinstellen, wenn es Dir so wichtig ist. Wird schon genug heil geblieben sein, Strohsterne zerbrechen ja nicht. Und der Pudding … naja, wenigstens hast Du es versucht. Der Wille zählt, auch wenn das Ergebnis wirklich widerlich war.“
„Ja, hack nur drauf rum. Jetzt hast Du Deinen Willen, Du wolltest das Alles sowieso von Anfang an nicht.“
„Mach mal ’nen Punkt, Murphy. Ich hab nie gesagt, Du sollst Dich auf den Baum werfen. Ich versteh nur immer noch nicht, warum Dir das dieses Jahr so wichtig ist.“
„Weil … ach Scheiße, Con. Ich wollt einfach, dass es ein bisschen ist wie früher, als Mom noch da war. Ich wollt einfach, dass Weihnachten dieses Jahr wieder etwas wie Weihnachten ist, so, wie wir es als Familie noch hatten. Außer Dir und mir gibt es ja keinen mehr und da dachte ich, es wäre vielleicht schön, wenn es bei uns auch etwas wie nach Familie aussieht. Die ganzen letzten Monate haben wir den menschlichen Müll von der Straße geräumt, haben uns gegenseitig danach wieder zusammen geflickt, sind los gerannt und haben irgendeinen Job gemacht, damit wir die Miete bezahlen können und was auf dem Tisch steht. Ich wollt einfach, dass es jetzt, über Weihnachten, bei uns auch etwas festlich ist und aussieht … naja, wie ein Zuhause. Und Du hast Mutters Plum-Pudding ja geliebt und da wollte ich den eben machen. Ich dachte, so schwer kann es ja nicht sein. Hat aber wirklich abscheulich geschmeckt, keine Ahnung, was ich da falsch gemacht hab.“
Connor legte seinem Bruder den Arm über die Schultern.
„Komm mal mit.“
Murphy sah Connor kurz an, stand dann aber, genau wie dieser, auf. Danach folgte Murphy seinem Zwillingsbruder in den Wohnraum. Connor ging zu seiner Jacke auf dem Sofa, neben welcher eine Tüte stand. Diese hob Connor hoch und hielt sie Murphy direkt vor die Nase.
„Was ist das?“
„Schau rein, dann siehst Du es.“
Murphy holte aus der Tüte eine große Schüssel, stellte diese auf den Wohnzimmertisch und öffnete sie. Zuerst besah er sich den Inhalt, dann schaute er zu seinem Bruder. Kurz wusste er nicht, was er sagen sollte, doch dann entschied er sich dazu, zu Connor zu gehen und diesen in eine Umarmung zu ziehen.
„Danke. Aber woher …“
„Naja, ich hab Deinen Pudding gestern schon probiert und da war mir klar, dass der im Klo landen wird. Also hab ich bei O’Melleys angerufen und für heute Plum-Pudding bestellt. Du hast viele Qualitäten, Brüderchen, aber das mit der Küche solltest Du wirklich bleiben lassen.“
Murphy ließ Connor wieder los und grinste.
„Naja, aber wir hätten Smecker auch sagen können, dass der so schmecken muss. Wäre ihm sicher gar nicht aufgefallen.“
„Der hätte uns die Freundschaft gekündigt, sag ich Dir. Und jetzt schauen wir mal, was hier noch bei dem Baum zu retten ist. Murph, Dich kann man aber wirklich auch keine Minute alleine lassen. Schon bricht das heillose Chaos aus.“
„Sagt der, der immer besonders gute Pläne hat.“
Connor verpasste seinem Bruder eine Kopfnuss und begann dann, eine Kugel nach der anderen vom Boden aufzuheben. Wirklich viele waren nicht heile geblieben, nur gut, dass sie eine ganze Ladung Strohschmuck gekauft hatten.
Eine Stunde später stand im Wohnraum der Brüder ein schiefer Weihnachtsbaum, der den ein oder anderen Ast eingebüßt hatte, mit Strohsternen und vereinzelten Kugeln, sowie einer Lichterkette geschmückt war, bei der nicht mehr alle Lampen brannten.
„Sieht anders aus, als es bei Mom war. Aber irgendwie, Murph, finde ich, der passt zu uns.“
Connor und Murphy grinsten sich an, ja irgendwie passte der Baum zu ihnen.
„Und wenn wir schon dabei sind, auch wenn noch nicht Weihnachtsmorgen ist, hab ich noch etwas für Dich.“
Connor trat an sein Bett und zog unter dem Bett eine Kiste hervor. Dort bewahrte er einige persönliche Gegenstände auf, doch jetzt holte er eine kleine Schatulle hervor und reichte sie dann Murphy.
„Ein Weihnachtsgeschenk? Aber wir schenken uns doch sonst auch nichts. Ich hab jetzt nichts für Dich.“
„Macht nichts, konntest Du ja nicht wissen, dass ich etwas habe. Mach es schon auf, los.“
Vorsichtig öffnete Murphy die kleine Schatulle und seine Augen weiteten sich, als er den Inhalt sah. Darin befand sich ein Rosenkranz, offenbar handgearbeitet und aus dunklem Holz gefertigt.
„Der ist … oh, Connor, der ist der Hammer.“
„Ich hab mir den gleichen machen lassen. Freut mich, wenn er Dir gefällt. Nollaig shona dhuit, Brüderchen.“
„Gurab amhlaidh duit, Connor.“
Connor und Murphy umarmten sich und auch, wenn dieser Tag bisher vom Chaos regiert worden war, so fühlten die Brüder, dass sie eine Familie waren, eine Seele in zwei Körpern und ja, der Weihnachtsbaum passte wirklich zu ihnen.
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Mit diesem kurzen One Shot wünsche ich allen Lesern ein wunderschönes Weihnachten 2013, besinnliche Festtage und schöne Momente. Ich hoffe, die Weihnachtsvorbereitungen sind bei jedem besser gelaufen, als es bei Connor und Murphy der Fall war. :-)
Die Übersetzung der gälischen Worte, die sich Connor und Murphy sagen, lautet frei übersetzt so:
Schöne Weihnachten für Dich.
Dasselbe für Dich.
Ronan Keating and Moya Brennan
„Fairytale of New York“
http://www.youtube.com/watch?v=daAG5JfNNFQ
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