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Angela will nicht ins Bett

von Vindur
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFamilie / P6 / Gen
05.10.2013
05.10.2013
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Es war einmal ein Mädchen namens Angela.
Das Mädchen war schon seit vier Jahren auf der Welt.
Für ihr Alter war sie schon sehr groß, außerdem lieb und neugierig sagte ihre Mutter immer.

Angela musste alles, was ihr nicht bekannt war, entdecken. Ständig fragte sie „Was ist das? Was bedeutet das? Wofür ist das gut?“  Ihre Mutter antwortete immer und erzählte ihrer Tochter dann, wozu dies und jenes gut war, was das bedeutet und was es war. Wenn dem kleinen Mädchen etwas besonders imponierte, prägte sie es sich ein und zeichnete es daheim mit ihren bunten Malstiften. Sie hatte sehr viele Zeichnungen von ganz vielen verschiedenen Dingen an der Wand hängen, die sie alle selber gemalt hatte.
Ihre Mutter sagte auch, dass sie ganz stolz auf ihre große, liebe und zuckersüße Tochter war.

Doch seit der Vater von Angela nicht mehr da war, war Angela nicht mehr so zuckersüß wie behauptet wurde. Nach einem heftigen Streit verließ nämlich ihr Vater das Haus und kam nicht wieder zurück.
Das war nun schon über ein Jahr her. Seit diesem Tag weigerte Angela sich, ins Bett zu gehen.
„Ins Bett gehen ist doof. Ohne Papa will ich nicht ins Bett. Wenn ich jetzt ins Bett gehe und einschlafe, bist du morgen auch weg, Mama und dann bin ich ganz alleine. Das will ich nicht.“, jammerte sie, verschränkte die Hände und zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Angela hatte nämlich Angst, dass wenn sie aufwachen würde, auch ihre Mutter fort sei und sie dann ganz alleine in der Wohnung wäre. Dann wäre niemand für sie da, den sie gern haben und umarmen könnte, der ihr die Welt erklärte, mit ihr auf den Spielplatz ginge und Geschichten erzählte. Jeden Morgen huschte die kleine Maus zum Schlafzimmer ihrer Mama, öffnete leise die Tür und spähte durch einen Spalt hinein um zu überprüfen, ob sie nicht alleine war. Das wurde für Angela ein tägliches Ritual.  

Zunächst hielt es ihre Mutter nur für eine Phase, die vorübergeht wie ein Schnupfen, doch hält ein Schnupfen auch kein ganzes Jahr. Verzweifelt versucht ihre Mutter alles, um Angela ins Bett zu bekommen. Sie erzählte ihr Geschichten, legte sich zu ihr und einmal versprach sie ihr auch, wenn sie brav ins Bett ginge, dass sie am nächsten Tag ein Eis essen gehen würden. „Sie dürfe sich auch den größten und vollsten Eisbecher aussuchen, den die Eisdiele zu bieten hat“, das hatte sie gesagt.
Doch keine der Methoden die die Mutter anwendete, erzielte auch nur irgendeine Wirkung. Jeden Abend schlug sie die Hände erneut über den Kopf zusammen und verzweifelte an ihrer Tochter.

Angela stampfte jeden Abend aufs Neue durch das Zimmer und trampelte und schrie, als wäre sie ein ausgewachsener Elefant. Mit schwerem Schritt stieg sie dann in das Bett und fuchtelte und wuchtelte, schüttelte und rüttelte sich, damit ihre Mutter ihr nicht den Pyjama anziehen konnte. „Nein, nein, nein. Ich geh jetzt nicht ins Bett. Ich will nicht. Ich will nicht, dass du morgen auch weg bist. Dann bin ich hier ganz einsam und alleine“, schimpfte Angela und wehrte sich mit Händen und Füßen.

Die Hausschuhe die Angela trug, flogen immer knapper an der Zimmerlampe vorbei, die sie damals mit ihrem Papa ausgesucht und angebracht hatte. Die Lampe hatte die Farbe rosa und der Lampenschirm, der kugelförmig um die Glühbirne hing, hatte Blumen und zwei bunte Vögel darauf.

Das Geschäft in dem sie das gekauft hatten, kannte Angela gut. Jedesmal wenn sie an diesem großen Geschäft voller Lampen vorbei gingen, blieb sie vor der Auslage stehen, sah hinein und bewunderte die tollen Lichter und Farben.

Als sie dann die Lampe sah, die ihr von Anfang an so gut gefallen hatte, mit den zwei bunten Vögel darauf, ging sie hin, packte die Lampe und lies sich nicht mehr los.
Das Aufhängen der Lampe wurde zum großen Erlebnis. Die Werkzeuge, die dafür benötigt wurden, die Kabel und das tolle Licht das sie danach in ihrem Kinderzimmer hatte, hatte sie vorher noch nie gesehen. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd über beide Wangen.

Das bekannte Honigkuchenpferdgesicht von Angela wich schnell einer düsteren Gewitterwolke.
Sie schmollte jeden Abend aufs Neue. Ihre Mundwinkel verzogen sich immer mehr in Richtung Boden. Sie verschlug die Arme vor dem Bauch und schnaubte wie ein Pferd, das bereit war loszulaufen. Ihr Blick senkte sich zum Boden. In ihrem Gesicht verblasste die Freude und ihr Schmollmund kam wieder zum Vorschein. Nun ging das Spiel wieder von vorne los.
Wieder fing sie an zu schreien: “Nein, nein, nein. Ich gehe heute nicht ins Bett.“ Ihre Arme flogen währenddessen wie Spaghetti durch die Luft.

Manchmal fing es schon im Bad an, wenn Angela sich die kleinen Zähnchen putzte, damit sie wie Sternchen im Mund glänzten. Dann schmiss sie mit ihrem Zahnputzbecher um sich. Denn sie wusste ja, was darauf folgte. „Nein ich will und ich geh nicht ins Bett“, fing sie wieder an zu schreien. Der Badezimmerspiegel schaute ihr mit Unbehagen dabei zu, wie sie sich gegen das Traumland wehrte. Manchmal musste die Mutter den Boden aufwischen, weil Angela vor Wut das frische Wasser hinunter schüttete.
„Plitsch, Platsch, Plitsch“, machte sie immer dazu, wenn sie ihre kleinen Finger unter den Wasserhahn hielt, damit der Wasserstrahl sich in alle Richtungen verteilte. Das Schlafenlegen der kleinen Angela wurde für die Mutter von Tag zu Tag schlimmer und anstrengender.

Manchmal musste die Mutter auch heftig mit Angela schimpfen, denn so ein Verhalten gehörte sich nicht. „Schau was du gemacht hast! Jetzt ist hier alles nass und ich muss das wieder aufwischen“, schimpfte sie.
Doch Angela wusste, dass sie die Zeit, die ihre Mutter mit dem Aufwischen verbrachte, noch wachbleiben konnte und nutzte das auch aus.

Doch am Horizont war Rettung in Sicht. Der neue Freund der Mutter war nämlich Zauberer und konnte total gut mit Kindern umgehen. Eines Tages kam er zu Besuch und als Angela ins Bett musste, ging das übliche Prozedere von Vorne los. Das Mädchen  stampfte wieder wie wild durch die Wohnung und rempelte Möbel an und schwor sich und ihrer Mutter nie mehr schlafen zu gehen. Sie zog sich in ihr Zimmer zurück, zog die Decke bis unter die Nasenspitze hoch und schmollte.
„Ich geh heute nicht ins Bett schlafen. Nein, nein, nein“, brüllte sie laut bevor sie die Türe zuschlug. Es gab einen lauten Knall, den selbst die Nachbarn im unteren Stock hörten.  

Der Freund der Mutter hieß Tim.
Tim ging zur Zimmertüre, klopfte vorsichtig, bevor er sie öffnete und sah durch einen kleinen Spalt ins Zimmer. „Darf ich reinkommen?“, fragte Tim.
Angela schüttelte nur den Kopf und gab ein freches „Hmpf“ zur Antwort. Sie wollte niemanden sehen und schon gar nicht schlafen gehen.
Langsam betrat Tim den Raum, setzte sich neben das Bett und sah Angela an, die noch immer die Decke bis unter die Nase gezogen hatte.
„Was ist denn los?“, wollte Tim wissen. „Ich will nicht ins Bett und schlafen. Als ich damals eingeschlafen bin war Papa am nächsten Morgen nicht mehr da“, Angela legte eine kurze Sprechpause ein. „Und wenn ich jetzt wieder einschlafe“, fuhr das kleine Mädchen unter der Decke fort. “ Dann wird Mama auch vielleicht nicht mehr da sein. Dann bin ich ganz alleine auf der Welt“,
antwortete die kleine Angela.

Der Zauberer sah das kleine Mädchen an, überlegte kurz und sagte zu Angela: “Weißt du, was ich von Beruf bin, Angela?“
Mit großen Augen sah ihn das Mädchen an, dachte kurz nach und schüttelte den Kopf.
„Ich bin von Beruf Zauberer“, sagte Tim, der jetzt vor dem Bett kniete. „Weißt du, was Zauberer tun, Angela?“, fuhr er fort.
„Sie zaubern Sachen“, sagte Angela darauf und fragte ihn: “Kannst du machen, das Papa wieder da ist? Du bist doch ein Zauberer.“
Tim schüttelte den Kopf und erklärte ihr: “Das Kann ich leider nicht machen, dafür reichen meine Zauberkräfte nicht aus, aber ich kann dir versichern, dass deine Mama morgen noch immer da sein wird und auf dich aufpasst und sich freut, wenn du in der Früh aufstehst und sie umarmst. Ich kenne zufällig einen Zauber, der das Einschlafen total schön macht, der dir zeigt wie toll es ist. Willst du den sehen?“
Missmutig und  zurückhaltend nickte Angela, die noch immer nicht in ihrem Pyjama war und ihre Hausschuhe trug. Ihre Knie hatte sie fest unter ihr Kinn gepresst und mit ihren kleinen Händen hielt sie die Decke ganz, ganz fest.

„Also Angela, fangen wir an. Als erstes musst du unter deiner Decke hervorkommen, sonst kann ich nicht zaubern.“ Schritt für Schritt rutschte Angela unter der Decke hervor. Ihr war nicht bewusst was auf sie zukam, doch hatte sie schon einmal einen Straßenzauberer gesehen und der hatte ihr sehr gefallen. Er hatte viel zu große, rote Schuhe an und konnte die schönsten und liebsten Tiere aus Luftballons machen. Einen davon hat er sogar Angela geschenkt. Dem Ballon ging aber irgendwann die Luft aus und der Hund wurde immer kleiner, und kleiner und bekam Falten. Das gefiel ihr dann nicht und sie musste ihn in die Mülltonne werfen.

Tim war ganz ruhig und strich sich durch sein blondes Haar, als er zum nächsten magischen Schritt überging. „Als nächstes musst du mir meinen Zauberstab zurückgeben, den du genommen hast. Sonst kann ich unmöglich zaubern.“ Angela war sie keiner Schuld bewusst, sie hatte seinen Zauberstab doch nicht genommen, geschweige denn gesehen.
„Aber ich habe deinen Zauberstab doch gar nicht“, antwortete die verängstigte Angela. Der Zauberer fuhr ihr hinter den Kopf und sagte: “Aber wenn du ihn nicht genommen hast, wie kommt er dann hinter dein Ohr?“ Tim zog einen schwarzen Zauberstab hinter ihrem Ohr hervor und Angela riss die Augen auf vor Erstaunen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Ihre Hände tasteten das andere Ohr ab um zu kontrollieren ob sich dort auch etwas befand, doch zu ihrer Enttäuschung fand sie dort nichts. Sie konnte nicht glauben, was Tim gerade gemacht hatte. Wo hatte er nur den Zauberstab her? Hinter ihrem Ohr war doch nicht genug Platz dafür.

Der Zauberstab wurde ein paar Mal durch die Luft geschwenkt und dann sagte Tim zu Angela: “Jetzt müssen wir zusammen einen Zauberspruch sprechen, damit du aus deinen Hausschuhen rauskommst. Bist du bereit?“ Das kleine Mädchen nickte.
„Also Angela, sprich mir nach. Linker Hausschuh wird linkes Schühlein und rechter Hausschuh wird rechtes Schühlein.“
Sie tat es dem Zauberer gleich und sagte die Worte. Tim schwang seinen Zauberstab und der Zauber begann. Der linke Schuh fing an zu schrumpfen und wurde immer kleiner und kleiner, bis es ein „blopp“ Geräusch gab und er vollkommen vom Angelas Fuß verschwunden war. Danach verschwand auch der rechte Schuh von dem Fuß und beide tauchten sauber geordnet vor dem Bett wieder auf.
Angela schaute am Bett hinunter und konnte ihre Zehen sehen, die jetzt wie zwei Familien unter der Decke herausschauten. Jeder Zeh wackelte einmal kurz, bevor sie alle unter der Decke verschwanden.

Angela war total erstaunt und wusste nicht mehr was sie sagen sollte. So etwas Tolles hatte sie noch nie erlebt.
„Der nächste Schritt für dich ist es jetzt aufzustehen und dich auf dem Bett im Kreis zu drehen wie ein Kreisel und sag dazu die Worte, tanze, tanze, kleines Kindlein, zieh die Kleidchen aus im Nuh, leg dich hin und komm dann schnell zur Schlafesruh. “

Flott stand Angela auf, denn sie wollte wissen was als nächstes Geschah. Die Neugier nahm ihr die Angst vor dem Ungewissen und Angela fing an sich zu öffnen. Das kleine Mädchen fing an, sich im Kreis zu drehen und wurde immer schneller und schneller während sie den Satz immer wieder wiederholte. Tim schwang wieder den Stab, den er hinter dem Ohr hervorgezaubert hatte und um das Mädchen tauchte plötzlich ein weißer, nebliger Schleier auf.
Es bildete sich ein kleines, feines Wölkchen um das Mädchen, das in all ihren Lieblingsfarben leuchtete und schöne Musik dazu spielte. Die Wolke leuchtete blau, grün und dann rosa und violett. Angela lachte aus ganzem Herzen und drehte sich weiter und weiter und noch weiter, immer weiter im Kreis.
Unter dem Wölkchen tauschte das Gewand, das sie anhatte seinen Platz mit dem Pyjama, der von Angela selbst, vor ein paar Minuten noch zerknittert in die Ecke geworfen wurde. Doch nun war der Pyjama nicht mehr zerknittert sondern sah aus, als hätte ihn ihre Mutter gerade frisch vom Bügelbrett genommen und mit Behütung in ihr Zimmerchen gelegt.

Nun konnte sich das frisch eingekleidete Mädchen wieder hinlegen und unter die Decke kriechen.
Das tat Angela auch und kuschelte sich mit herzensliebe ins Bett und sah Tim mit erwartungsvollen, großen Augen an.
„So liebe Angela, wir haben es fast geschafft“, sagte Tim. „War doch überhaupt nicht schlimmer oder?“ Das Mädchen lächelte den Zauberer an und schüttelte erneut den Kopf. Angela dachte sich: “So muss Einschlafen jeden Tag sein. So schön. Jetzt freu ich mich aufs Einschlafen und habe auch keine Angst mehr.“

„Also liebe Angela, nun bekommst du noch ein wenig von meinem Zauber in die Augen, damit du gut schlafen kannst.“ Tim rieb den Daumen und den Zeigefinger aneinander und es fiel ein violettes, glänzendes Pulver herab, direkt in die Augen der kleinen Angela. Kaum berührte die erste Flocke die Augen der Kleinen, streckte und reckte sie sich, musste heftig Gähnen und riss ihren Mund auf, so weit sie nur konnte und dann, dann schlief sie ein. Ganz friedlich und ohne ein Wiederwort.

Tim stand auf und sah, dass die Mutter in der Tür stand und ihm zugesehen hatte. Verwundert fragte sie ihren Freund: “Wie hast du das geschafft? Wie hast du sie zum Schlafen gebracht?“
Der Zauberer rieb sich den letzten Rest des magischem Staubes aus den Fingern und antwortete nur: “Magie.“
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