Die ewige Lektion von Ebbe und Flut
von Feael Silmarien
Kurzbeschreibung
Keine Reviews zu bekommen ist deprimierend. Noch deprimierender ist es, wenn dieser Fall nach einer regelrechten Reviewflut eintritt. Ich bin seit 2005 hier auf FF.de angemeldet und hatte daher ausreichend Zeit, die Gefühle, die von Reviews ausgelöst werden, an mir selbst genau zu beobachten. Hier das (vorläufige) Ergebnis.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
18.08.2013
18.08.2013
1
1.712
3
18.08.2013
1.712
Die ewige Lektion von Ebbe und Flut
Keine Reviews zu bekommen ist deprimierend. Noch deprimierender ist es, wenn dieser Fall nach einer regelrechten Reviewflut eintritt. Ich bin jetzt seit 2005 hier auf FF.de angemeldet und hatte daher ausreichend Zeit, die Gefühle, die von Reviews ausgelöst werden, an mir selbst genau zu beobachten.
Natürlich ist mein subjektives Gefühlsleben nicht das Maß aller Dinge. Aber ich habe an mir festgestellt - und so mag es auch anderen gehen -, dass nicht nur Qualität und Quantität der Reviews zu einer konkreten Geschichte für positive Gefühle eine Rolle spielen, sondern auch die eigene Einstellung gegenüber der entsprechenden Geschichte sowie die aktuelle reviewtechnische Gesamtsituation des Profils.
Ich bin schon durch viele Gefühlsphasen gegangen:
Als ich meine ersten FFs veröffentlicht habe - das war noch 2004, als ich FF.de noch nicht kannte - war ich ein 14-jähriges Mädchen, das über jede Art von Rückmeldung begeistert war. Von Flames bin ich damals zum Glück verschont geblieben, überhaupt wurde ich viel gelobt. Das hat mich sehr motiviert. Und irgendwann, nach einer Reihe von FFs, über deren Logik man sich totlachen könnte, begann ich ziemlich bewusst, an mir zu arbeiten.
Während mein Niveau im "Herr der Ringe"-Fandom stetig wuchs, lebte ich meine girlieschen Bedürfnisse im "Inuyasha"-Fandom aus, indem ich zwei Mary Sues schrieb, beide nach dem gleichen Schema: Oberfluffiger Leckerbissen Sesshoumaru (*sabber!!* ich gestehe, ich bin immer noch Fangirl ;) ) verliebt sich in eine Menschenfrau (jo, klar, Sesshy tut das ja auch andauernd [Ironiemodus aus]), allerdings stirbt sie am Ende und er trägt eine gewisse Mitschuld daran. Joar. Mit einer Sesshoumaru-Romanze sind einem im "Inuyasha"-Fandom ja ohnehin unzählige Leser garantiert. Und die beiden Mary Sues sind noch heute sehr erfolgreich, wenn ich mir so die Klicks und die Favoriteneinträge in den Stats anschaue und mich erinnere, wie User von anderen Plattformen, die ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar nicht kannte, mich als die Autorin der beiden FFs wiedererkannten und mir mitteilten, dass sie die Geschichten gerne gelesen hatten.
Allerdings waren es diese beiden Fanfictions, bei denen ich mich erstmals deprimiert gefühlt habe, und zwar durch Reviews. Bevor ich sie auf FF.de gepostet habe, waren sie auf mehreren anderen Plattformen online, und kein Review ist über "supiii schraib schnell weida!!!!1111" hinausgegangen. Es war gewissermaßen ein Kulturschock. Mein primäres Fandom war nun mal "Herr der Ringe", und da habe ich immer intelligente Reviews bekommen, in denen auf die Geschichte eingegangen wurde. Bei den Kreischreviews hingegen begann ich mich ernsthaft zu fragen, ob die Reviewer meine Geschichten überhaupt gelesen haben und ob meine FFs wirklich so grottig sind, dass ich nur solche anspruchslosen Leser verdient habe.
Meine Abneigung gegen Kreischreviews hielt lange an. Doch lassen wir dieses Thema kurz ruhen und kehren ins "Herr der Ringe"-Fandom zurück ...
Ich habe als Autorin von mehrkapiteligen Geschichten angefangen, entwickelte mich mit der Zeit aber zu einer ziemlichen Ficlet-Autorin. Und reviewtechnisch spielt die Kapitelanzahl eine große Rolle:
Eine mehrkapitelige FF braucht seine Zeit, was bedeutet, dass man ein Interesse daran hat, dass die Leser länger dabeibleiben und im Idealfall regelmäßig Reviews hinterlassen; daher versucht man, die Leser an die Geschichte irgendwie zu "fesseln" (im Idealfall natürlich mit guten Kapiteln), denn es droht eben die Gefahr, dass Leser abspringen. Bei Ficlets hingegen ist die Veröffentlichung einmalig. Man wirft seine Geschichte in den Raum und weiß ganz genau, dass sie nie wieder ganz oben in der Kategorie stehen wird, dass sie in sich abgeschlossen ist und dass man pro Leser nur maximal ein Review bekommt. Niemand springt ab oder verliert mittendrin das Interesse (zumindest ist es nicht so, dass man es merkt ;) ). Die Story ist einmal geschluckt - und entweder gefällt sie oder sie gefällt nicht. Als Autor hat man keinen Einfluss mehr auf das weitere Schicksal eines Ficlets (außer dass man es löschen kann, versteht sich). - Und das ist Freiheit! Bei mehrkapiteligen FFs hat man als mehr oder weniger reviewgeiler Autor den Stress, dass man stets hofft, noch möglichst viel "Saft" aus der FF gepresst zu bekommen. Bei einem Ficlet ist man glücklich und zufrieden, wenn man seine 2-4 Reviews bekommen hat, und dann ist die Sache gegessen.
Über Jahre hinweg erlebte ich den Stress mit mehrkapiteligen FFs so gut wie gar nicht. Ich hatte ein recht "chilliges" Review-Gefühlsleben ohne Ängste, das neue Kapitel könnte weniger Reviews bekommen. Ich hielt mich für ausgereift. Ich dachte, ich wäre nicht reviewgeil.
Bis ich mit der Realität konfrontiert wurde.
Denn wenn man mal, nach langer, langer Zeit, endlich wieder etwas postet, das über ein Kapitel hinausgeht, ist es aus mit der Ruhe. Dann ist man wieder am Bibbern und Hoffen, und das ... Also ich bin immer noch kein großer Fan davon, mehrkapitelige FFs zu veröffentlichen. Natürlich könnte ich die ganze FF auf einen Schlag hochladen (da bei mir nur abgeschlossene Sachen online gehen), aber erstens wäre mir das zu viel Aufwand für einen Tag, und zweitens schlägt hier das kapitalistische Denken zu: Zu viele Kapitel auf einmal schrecken viele Leser ab, die FF wird von mehr Usern gesehen, wenn sie regelmäßig im oberen Teil der Indexseite steht, und wenn zwischen den Kapiteln Pausen sind, dann neigen die Leser mehr dazu, einzelne Kapitel zu reviewen und somit insgesamt mehr Reviews zu hinterlassen als bei einem einzigen Gesamtreview.
Das ist immer so eine Gratwanderung mit der Reviewgeilheit. Auf der einen Seite stimmt es schon, dass man im Idealfall "cool" sein und sich von wenigen Reviews nicht beirren lassen sollte; außerdem schreibt man ja für Spaß und sowieso für sich selbst, bla bla ... Das Problem hierbei ist: Man möchte - nein, man braucht eben Rückmeldungen, man muss wissen, ob die Story etwas taugt, in welcher Richtung man noch arbeiten sollte, was gut ankommt und was weniger gut ... Und je mehr Rückmeldungen, desto besser. Reviewgeilheit ist nicht nur der krampfhafte Wunsch nach Anerkennung, sondern auch (je nach Autor in erster Linie) der Wunsch nach konstruktiver Kritik und Verbesserung. Wenn man hingegen nicht weiß, ob man überhaupt wahrgenommen wird, ist es wirklich schwer, "cool" zu bleiben.
Und wenn man einmal mit einem (oftmals vermeintlichen) Mangel an Reviews konfrontiert wurde, freut man sich - und hier greifen wir ein zurückgestelltes Thema wieder auf - auch über Kreischreviews. Man erkennt ihren Wert, ihre sehr, sehr positive Botschaft; man lernt, sie zu schätzen. Sich über die Qualität von Reviews aufzuregen ist ein Privileg der Verwöhnten.
So weit, so gut. Jedoch habe ich auch eine Erfahrung gemacht, die ich doch etwas ... verstörend finde: komplette Apathie. Bei all dem Gejammer von Reviewmangel ist es kaum zu glauben, aber ebenfalls Realität: dass Reviews einem tatsächlich völlig egal sind. Dies trifft - bei mir zumindest - bei zwei Typen von Geschichten ein: Bei Geschichten, zu denen ich ohnehin schon sehr viele Reviews bekommen habe (man ist einfach "gesättigt" und meint, dass alles Wesentliche und Interessante zur Geschichte ohnehin bereits gesagt wurde), und bei ganz besonderen Geschichten, die mehr sind als Geschichten, die mit Seele und Schmerz geschrieben wurden statt mit Herzblut. Ich kann es kaum beschreiben. Es sind eben Geschichten, die nicht nur geschrieben werden wollen, sondern die auf der Seele brennen wie ein Schrei, der herausgelassen werden muss, die nicht erfunden werden und auch nicht von selbst entstehen, sondern einfach da sind. Es müssen nicht Geschichten aus dem eigenen Leben sein. Aber sie sind die persönlichsten Dinge, die man je geschrieben hat. Es sind Geschichten, die einen definieren, die das eigene Leben einfangen. Das sind keine "Babies", die man in Liebe aufgezogen hat. Das sind Klumpen, die man brutalst aus sich herausgerissen hat. Von denen man weiß, dass sie pure, kristallklare Wahrheit sind, von denen man weiß, dass sie so sein müssen, wie sie sind, von denen man weiß, dass sie kaum besser sein können. Es können abenteuerliche Geschichten sein, düstere, geheimnisvolle, lustige. Doch niemand außer einem selbst besitzt die Kompetenz, ihre Qualität zu beurteilen.
Diese Einstellung klingt vielleicht arrogant, aber ... Doch, ich freue mich über Reviews, schaue gerne, wie die Geschichten wahrgenommen werden. Aber ich kann bei diesen FFs auch ohne Feedback leben. Es sind nämlich Geschichten, die man tatsächlich ausschließlich für sich selbst geschrieben hat. Ganz anders als Geschichten, die man einfach aus Spaß, zur Übung und/oder fürs Publikum schreibt.
Man kann ganz apathisch sein und gleichzeitig total reviewgeil. Ganz je nach Story. Bei den einen Stories über den Mangel an Feedback deprimiert sein und bei den anderen völlig gleichgültig. Reviewgeilheit ist nicht immer der "Makel" eines Autors insgesamt.
Jedoch kann ein Autor insgesamt vorübergehend der Reviewgeilheit verfallen. Denn wir Menschen sind nun mal so geschaffen, dass wir nichts akzeptieren können, wie es ist. Wir stellen Normen auf. Wir bilden uns ein, es gäbe Regelmäßigkeiten. Wir denken, das, was wir haben, wäre natürlich und selbstverständlich. Und wenn etwas plötzlich anders ist, sind wir zu recht verstört.
Ist man es gewohnt, ca. sechs Reviews pro Kapitel zu bekommen, ist es nur verständlich, dass man deprimiert ist, wenn man nur zwei bekommt. Denn gewissermaßen kommt unser Weltbild ins Wanken, und solche Dinge tun von Natur aus weh. Bleibt es jedoch bei nur zwei Reviews, wird man sich irgendwann daran gewöhnen (müssen) und es als neue Norm akzeptieren. Umso mehr ist man dann aus dem Häuschen, wenn es plötzlich wieder sechs sind. Dann bekommt man wieder weniger, ist deprimiert, dann wieder mehr ...
Kurzbeschreibungen, Genres, Hauptcharaktere und Fandoms bringen unterschiedlich viele Reviews ein. Die Reviews werden mehr oder weniger, je nach Jahreszeit, Wochentag und Uhrzeit. Und oft genug ist die Reviewanzahl schlicht und ergreifend dem Zufall überlassen. Ein stetes, kaum vorhersehbares Auf und Ab der Reviews und Gefühle. Man denkt, man hätte schon alles erlebt und wäre unempfindlich - jedoch nur, bis die nächste Wende kommt. Bis man mal wieder ganz deprimiert alle fünf Minuten seine Stats aktualisiert. Bis man mal wieder von Reviews überschwemmt wird. Bis man mal wieder die Alerts nur ganz unbeeindruckt zur Kenntnis nimmt. Bis man mal wieder überglücklich durch sein Zimmer hüpft.
Bis man sich mal wieder von einer anderen Seite erlebt.
--------------------------------------------------------------------
Dieser Text existiert jetzt übrigens auch in englischer Sprache. Falls ihr die Übersetzung mal brauchen solltet, hier ist der Link: http://www.philosophy-of-art.com/2015/10/artists-and-feedback-eternal-lecture-of.html .
Keine Reviews zu bekommen ist deprimierend. Noch deprimierender ist es, wenn dieser Fall nach einer regelrechten Reviewflut eintritt. Ich bin jetzt seit 2005 hier auf FF.de angemeldet und hatte daher ausreichend Zeit, die Gefühle, die von Reviews ausgelöst werden, an mir selbst genau zu beobachten.
Natürlich ist mein subjektives Gefühlsleben nicht das Maß aller Dinge. Aber ich habe an mir festgestellt - und so mag es auch anderen gehen -, dass nicht nur Qualität und Quantität der Reviews zu einer konkreten Geschichte für positive Gefühle eine Rolle spielen, sondern auch die eigene Einstellung gegenüber der entsprechenden Geschichte sowie die aktuelle reviewtechnische Gesamtsituation des Profils.
Ich bin schon durch viele Gefühlsphasen gegangen:
Als ich meine ersten FFs veröffentlicht habe - das war noch 2004, als ich FF.de noch nicht kannte - war ich ein 14-jähriges Mädchen, das über jede Art von Rückmeldung begeistert war. Von Flames bin ich damals zum Glück verschont geblieben, überhaupt wurde ich viel gelobt. Das hat mich sehr motiviert. Und irgendwann, nach einer Reihe von FFs, über deren Logik man sich totlachen könnte, begann ich ziemlich bewusst, an mir zu arbeiten.
Während mein Niveau im "Herr der Ringe"-Fandom stetig wuchs, lebte ich meine girlieschen Bedürfnisse im "Inuyasha"-Fandom aus, indem ich zwei Mary Sues schrieb, beide nach dem gleichen Schema: Oberfluffiger Leckerbissen Sesshoumaru (*sabber!!* ich gestehe, ich bin immer noch Fangirl ;) ) verliebt sich in eine Menschenfrau (jo, klar, Sesshy tut das ja auch andauernd [Ironiemodus aus]), allerdings stirbt sie am Ende und er trägt eine gewisse Mitschuld daran. Joar. Mit einer Sesshoumaru-Romanze sind einem im "Inuyasha"-Fandom ja ohnehin unzählige Leser garantiert. Und die beiden Mary Sues sind noch heute sehr erfolgreich, wenn ich mir so die Klicks und die Favoriteneinträge in den Stats anschaue und mich erinnere, wie User von anderen Plattformen, die ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gar nicht kannte, mich als die Autorin der beiden FFs wiedererkannten und mir mitteilten, dass sie die Geschichten gerne gelesen hatten.
Allerdings waren es diese beiden Fanfictions, bei denen ich mich erstmals deprimiert gefühlt habe, und zwar durch Reviews. Bevor ich sie auf FF.de gepostet habe, waren sie auf mehreren anderen Plattformen online, und kein Review ist über "supiii schraib schnell weida!!!!1111" hinausgegangen. Es war gewissermaßen ein Kulturschock. Mein primäres Fandom war nun mal "Herr der Ringe", und da habe ich immer intelligente Reviews bekommen, in denen auf die Geschichte eingegangen wurde. Bei den Kreischreviews hingegen begann ich mich ernsthaft zu fragen, ob die Reviewer meine Geschichten überhaupt gelesen haben und ob meine FFs wirklich so grottig sind, dass ich nur solche anspruchslosen Leser verdient habe.
Meine Abneigung gegen Kreischreviews hielt lange an. Doch lassen wir dieses Thema kurz ruhen und kehren ins "Herr der Ringe"-Fandom zurück ...
Ich habe als Autorin von mehrkapiteligen Geschichten angefangen, entwickelte mich mit der Zeit aber zu einer ziemlichen Ficlet-Autorin. Und reviewtechnisch spielt die Kapitelanzahl eine große Rolle:
Eine mehrkapitelige FF braucht seine Zeit, was bedeutet, dass man ein Interesse daran hat, dass die Leser länger dabeibleiben und im Idealfall regelmäßig Reviews hinterlassen; daher versucht man, die Leser an die Geschichte irgendwie zu "fesseln" (im Idealfall natürlich mit guten Kapiteln), denn es droht eben die Gefahr, dass Leser abspringen. Bei Ficlets hingegen ist die Veröffentlichung einmalig. Man wirft seine Geschichte in den Raum und weiß ganz genau, dass sie nie wieder ganz oben in der Kategorie stehen wird, dass sie in sich abgeschlossen ist und dass man pro Leser nur maximal ein Review bekommt. Niemand springt ab oder verliert mittendrin das Interesse (zumindest ist es nicht so, dass man es merkt ;) ). Die Story ist einmal geschluckt - und entweder gefällt sie oder sie gefällt nicht. Als Autor hat man keinen Einfluss mehr auf das weitere Schicksal eines Ficlets (außer dass man es löschen kann, versteht sich). - Und das ist Freiheit! Bei mehrkapiteligen FFs hat man als mehr oder weniger reviewgeiler Autor den Stress, dass man stets hofft, noch möglichst viel "Saft" aus der FF gepresst zu bekommen. Bei einem Ficlet ist man glücklich und zufrieden, wenn man seine 2-4 Reviews bekommen hat, und dann ist die Sache gegessen.
Über Jahre hinweg erlebte ich den Stress mit mehrkapiteligen FFs so gut wie gar nicht. Ich hatte ein recht "chilliges" Review-Gefühlsleben ohne Ängste, das neue Kapitel könnte weniger Reviews bekommen. Ich hielt mich für ausgereift. Ich dachte, ich wäre nicht reviewgeil.
Bis ich mit der Realität konfrontiert wurde.
Denn wenn man mal, nach langer, langer Zeit, endlich wieder etwas postet, das über ein Kapitel hinausgeht, ist es aus mit der Ruhe. Dann ist man wieder am Bibbern und Hoffen, und das ... Also ich bin immer noch kein großer Fan davon, mehrkapitelige FFs zu veröffentlichen. Natürlich könnte ich die ganze FF auf einen Schlag hochladen (da bei mir nur abgeschlossene Sachen online gehen), aber erstens wäre mir das zu viel Aufwand für einen Tag, und zweitens schlägt hier das kapitalistische Denken zu: Zu viele Kapitel auf einmal schrecken viele Leser ab, die FF wird von mehr Usern gesehen, wenn sie regelmäßig im oberen Teil der Indexseite steht, und wenn zwischen den Kapiteln Pausen sind, dann neigen die Leser mehr dazu, einzelne Kapitel zu reviewen und somit insgesamt mehr Reviews zu hinterlassen als bei einem einzigen Gesamtreview.
Das ist immer so eine Gratwanderung mit der Reviewgeilheit. Auf der einen Seite stimmt es schon, dass man im Idealfall "cool" sein und sich von wenigen Reviews nicht beirren lassen sollte; außerdem schreibt man ja für Spaß und sowieso für sich selbst, bla bla ... Das Problem hierbei ist: Man möchte - nein, man braucht eben Rückmeldungen, man muss wissen, ob die Story etwas taugt, in welcher Richtung man noch arbeiten sollte, was gut ankommt und was weniger gut ... Und je mehr Rückmeldungen, desto besser. Reviewgeilheit ist nicht nur der krampfhafte Wunsch nach Anerkennung, sondern auch (je nach Autor in erster Linie) der Wunsch nach konstruktiver Kritik und Verbesserung. Wenn man hingegen nicht weiß, ob man überhaupt wahrgenommen wird, ist es wirklich schwer, "cool" zu bleiben.
Und wenn man einmal mit einem (oftmals vermeintlichen) Mangel an Reviews konfrontiert wurde, freut man sich - und hier greifen wir ein zurückgestelltes Thema wieder auf - auch über Kreischreviews. Man erkennt ihren Wert, ihre sehr, sehr positive Botschaft; man lernt, sie zu schätzen. Sich über die Qualität von Reviews aufzuregen ist ein Privileg der Verwöhnten.
So weit, so gut. Jedoch habe ich auch eine Erfahrung gemacht, die ich doch etwas ... verstörend finde: komplette Apathie. Bei all dem Gejammer von Reviewmangel ist es kaum zu glauben, aber ebenfalls Realität: dass Reviews einem tatsächlich völlig egal sind. Dies trifft - bei mir zumindest - bei zwei Typen von Geschichten ein: Bei Geschichten, zu denen ich ohnehin schon sehr viele Reviews bekommen habe (man ist einfach "gesättigt" und meint, dass alles Wesentliche und Interessante zur Geschichte ohnehin bereits gesagt wurde), und bei ganz besonderen Geschichten, die mehr sind als Geschichten, die mit Seele und Schmerz geschrieben wurden statt mit Herzblut. Ich kann es kaum beschreiben. Es sind eben Geschichten, die nicht nur geschrieben werden wollen, sondern die auf der Seele brennen wie ein Schrei, der herausgelassen werden muss, die nicht erfunden werden und auch nicht von selbst entstehen, sondern einfach da sind. Es müssen nicht Geschichten aus dem eigenen Leben sein. Aber sie sind die persönlichsten Dinge, die man je geschrieben hat. Es sind Geschichten, die einen definieren, die das eigene Leben einfangen. Das sind keine "Babies", die man in Liebe aufgezogen hat. Das sind Klumpen, die man brutalst aus sich herausgerissen hat. Von denen man weiß, dass sie pure, kristallklare Wahrheit sind, von denen man weiß, dass sie so sein müssen, wie sie sind, von denen man weiß, dass sie kaum besser sein können. Es können abenteuerliche Geschichten sein, düstere, geheimnisvolle, lustige. Doch niemand außer einem selbst besitzt die Kompetenz, ihre Qualität zu beurteilen.
Diese Einstellung klingt vielleicht arrogant, aber ... Doch, ich freue mich über Reviews, schaue gerne, wie die Geschichten wahrgenommen werden. Aber ich kann bei diesen FFs auch ohne Feedback leben. Es sind nämlich Geschichten, die man tatsächlich ausschließlich für sich selbst geschrieben hat. Ganz anders als Geschichten, die man einfach aus Spaß, zur Übung und/oder fürs Publikum schreibt.
Man kann ganz apathisch sein und gleichzeitig total reviewgeil. Ganz je nach Story. Bei den einen Stories über den Mangel an Feedback deprimiert sein und bei den anderen völlig gleichgültig. Reviewgeilheit ist nicht immer der "Makel" eines Autors insgesamt.
Jedoch kann ein Autor insgesamt vorübergehend der Reviewgeilheit verfallen. Denn wir Menschen sind nun mal so geschaffen, dass wir nichts akzeptieren können, wie es ist. Wir stellen Normen auf. Wir bilden uns ein, es gäbe Regelmäßigkeiten. Wir denken, das, was wir haben, wäre natürlich und selbstverständlich. Und wenn etwas plötzlich anders ist, sind wir zu recht verstört.
Ist man es gewohnt, ca. sechs Reviews pro Kapitel zu bekommen, ist es nur verständlich, dass man deprimiert ist, wenn man nur zwei bekommt. Denn gewissermaßen kommt unser Weltbild ins Wanken, und solche Dinge tun von Natur aus weh. Bleibt es jedoch bei nur zwei Reviews, wird man sich irgendwann daran gewöhnen (müssen) und es als neue Norm akzeptieren. Umso mehr ist man dann aus dem Häuschen, wenn es plötzlich wieder sechs sind. Dann bekommt man wieder weniger, ist deprimiert, dann wieder mehr ...
Kurzbeschreibungen, Genres, Hauptcharaktere und Fandoms bringen unterschiedlich viele Reviews ein. Die Reviews werden mehr oder weniger, je nach Jahreszeit, Wochentag und Uhrzeit. Und oft genug ist die Reviewanzahl schlicht und ergreifend dem Zufall überlassen. Ein stetes, kaum vorhersehbares Auf und Ab der Reviews und Gefühle. Man denkt, man hätte schon alles erlebt und wäre unempfindlich - jedoch nur, bis die nächste Wende kommt. Bis man mal wieder ganz deprimiert alle fünf Minuten seine Stats aktualisiert. Bis man mal wieder von Reviews überschwemmt wird. Bis man mal wieder die Alerts nur ganz unbeeindruckt zur Kenntnis nimmt. Bis man mal wieder überglücklich durch sein Zimmer hüpft.
Bis man sich mal wieder von einer anderen Seite erlebt.
--------------------------------------------------------------------
Dieser Text existiert jetzt übrigens auch in englischer Sprache. Falls ihr die Übersetzung mal brauchen solltet, hier ist der Link: http://www.philosophy-of-art.com/2015/10/artists-and-feedback-eternal-lecture-of.html .