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Kurzbeschreibung
GeschichteSci-Fi, Liebesgeschichte / P12 / Gen
Botschafter Soval Hoshi Sato
11.08.2013
31.08.2013
18
114.512
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11.08.2013 6.824
 
Kapitel 4:


Dröhnend heulten die Triebwerke des irdischen Raumschiffs, als es zur Landung ansetzte. Dabei wirbelte es den Staub auf, den die Frühjahrswinde auf die Landeflächen geweht hatten. Soval stand in der Flughalle und wartete auf Hoshi. Er fand es höflicher, seine Kollegin selbst in Empfang nehmen, als sie abholen zu lassen. Das Raumschiff hatte nun aufgesetzt und der Staub lichtete sich langsam. Nun dauerte es nicht mehr lange. Noch heute wollte das Forschungsschiff Ka'Lir mit Hoshi und Soval an Bord nach Ran'Kashar aufbrechen.
Alle Vorbereitungen waren abgeschlossen, Proviant und Ausrüstung waren bereits an Bord, fehlten nur noch Hoshi und Soval. Sie würde bestimmt gleich aussteigen, und er fühlte dabei eine gewisse Unruhe in seinem Innern. Erstaunlich, er war wirklich aufgeregt. Ein eigenartiges Gefühl und er empfand es zu einem gewissen Teil sogar als lästig, denn es bescherte ihm Herzklopfen. Um seine innere Ruhe wieder zu finden, schloss er kurz die Augen und atmete ganz gleichmäßig. Es dauerte nur ein paar Momente, dann war er wieder völlig ausgeglichen. Er spürte deutlich, dass seine Emotionen jetzt stärker als sonst hervor traten, doch es war ihm noch ein leichtes sie zu kontrollieren. Noch! Er wusste sehr genau, dass dies mit jeder Woche, die er dem Höhepunkt näher kam, schwieriger werden würde. Doch er war darauf vorbereitet und er erwartete diese Herausforderung sogar sehr gelassen. Schließlich war das Pon Farr auch eine Prüfung seiner selbst.

Die vulkanische Luft war ungewohnt warm und sie war sehr trocken, das bemerkt Hoshi gleich, als sie ausgestiegen war. Doch das störte sie nicht, was ihr aber sehr unangenehm auffiel war die höhere Gravitation und die dünnere Atmosphäre, die auf diesem Planeten herrschten. Sie war nur wenige Schritte gelaufen und spürte schon deutlich die Anstrengung. Gut, sie war auch mit zwei großen Taschen bepackt. Ihr übriges Gepäck wurde zu ihrem Glück vom Bordpersonal in das andere Raumschiff umgeladen. Das was sie bei sich trug, waren nur ein paar Kleider und Persönliches, was sie für die knappe Woche Reise benötigte.
Sie sah sich um, denn sie wusste, dass Soval sie in Empfange nehmen wollte, doch noch war er nirgends zu sehen. Sie musste allerdings auch zugeben, dass hier ein ziemlicher Trubel herrschte und man jemanden leicht übersehen konnte.
»Ich schätze mit nur einer Tasche tun Sie sich leichter.« Hoshi wandte sich um und sah Soval direkt in die Augen. Zum Teufel, sie hatte diesen Vulkanier doch eben in der Empfangshalle stehen gesehen, auf die Idee dass das Soval war, kam sie allerdings nicht. Er schmunzelte. »Sie haben mich übersehen.«
Sie erwiderte verlegen sein Schmunzeln. »Nein, übersehen habe ich sie keinesfalls. Ich habe sie schlicht nicht erkannt, weil ich immer noch Schwierigkeiten habe Ihr jetziges Erscheinungsbild mit Ihrem Namen in Einklang zu bringen. Irgendwie erwarte ich immer noch den Kurzhaarschnitt und die Walle-Robe.« Hoshis Irrtum war umso verständlicher, weil Soval heute nur normale Freizeitkleidung statt eines Anzuges trug und damit wie jeder andere wirkte, der sich hier in der Empfangshalle aufhielt.
Soval nahm eine der Taschen an sich. »Nun, dann haben Sie jetzt drei Monate Zeit sich daran zu gewöhnen«, dann gab er ihr die Hand. »Schön dass Sie hier sind. Hatten Sie einen guten Flug?«
»Naja, so lala.« Er ging los und Hoshi folgte ihm. »Die Unterkunft war ganz okay, da bin ich auch nicht anspruchsvoll, aber diese Schrottschüssel beginnt bei Warp drei schon auseinander zu brechen. Fragen Sie nicht welche Töne die Wände von sich geben, wenn dieses Schiff Warp fünf fliegt. Ruhige Nächte hatte ich keine, das versichere ich Ihnen.«
»Sie leiden immer noch unter Flugangs?« Soval schenkte ihr einen aufmunternden Blick, doch Hoshi erwiderte diesen nur kurz. Es war ihr schon etwas peinlich, dass sogar Soval von Ihrer Flugangst wusste, aber was sollte sie machen? So war es eben und ein wirkliches Geheimnis war es nun auch wieder nicht, dass sie Raumschiffen gar nicht zugetan war. Als die Enterprise das erste Mal Warp fünf flog, wurde sie sogar auf der Brücke etwas hysterisch. Nun gut hysterisch wurde sie jetzt natürlich nicht mehr, aber unwohl war ihr auch nach zwölf Jahren noch, besonders wenn man in einer Schrottschüssel saß, die ruckelte und quietschte. Soval hielt ihr eine der Ausgangstüren auf. »Die Ka'Lir wird völlig ruhig fliegen, das versichere ich Ihnen.«
»Schön zu wissen.« Sie verließen den Raumhafen Richtung Shuttlerampen und Hoshi sah zum ersten Mal etwas von Vulkans rauer Schönheit. Die Gebirge, die Wüsten, es wirkt unwirtlich und dennoch unglaublich faszinierend. »Fliegen wir eigentlich gleich los, oder sehe ich außer dem Raumhafen noch etwas von Vulkan.« Hoshi hatte Mühe in der dünneren Atmosphäre laut zu sprechen und sie musste auch sehr gegen den Wind anreden, der gewaltig an ihnen zerrte.
Soval blieb stehen und sah sie etwas überrascht an, dann strich er sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich gelöst hatte. »Nein, wir fliegen mit einen Shuttle direkt zur Ka'Lir.« Er kräuselte die Stirn. »Sie waren noch nie auf Vulkan?« fragte er dann und ging den gewundenen Weg zu den Shuttlerampen weiter.
Hoshi schüttelte den Kopf: Nein, sie war noch nie hier. »Ich habe Vulkan immer nur aus dem Orbit gesehen.«
»Das ist sehr schade. Hätte ich das gewusst, wäre es mir eine Ehre gewesen Ihnen meinen Planeten zu zeigen.« Hoshi spürte deutlich, dass Soval es bedauerte ihrem Wunsch jetzt nicht mehr nachkommen zu können.
»Ich wollte nicht aufdringlich sein«, erklärte sie dann. »Als Japanerin bin ich dazu erzogen worden auf eine Einladung zu warten und mich nicht selbst einzuladen, verstehen sie?« Soval nickte, denn diese Zurückhaltung kannte er von seiner Kultur auch. »Ich hätte niemals darum gebeten.« Außerdem ging sie davon aus, dass sie als Mensch hier nicht all zu erwünscht sein würde. Vulkanier waren sehr verschlossen und ihre Kultur war voller Geheimnisse. Hoshi konnte sich nicht vorstellen, dass sie diese mit Menschen zu teilen pflegten, es entsprach einfach nicht ihrer Natur.
Doch Soval schien das anders zu sehen. »Wenn wir von Ran'Kashar zurückkehren habe ich noch fast zwei Wochen Urlaub. Ich lade Sie ganz herzlich ein, mein Gast zu sein. Sofern Sie nicht gleich wieder zurück zur Erde möchten.«
Hoshi strahlte übers ganze Gesicht. »Ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihr Angebot gerne annehme.« Sie lachte. »Ich hoffe nur, dass Sie mich nach drei Monaten noch ertragen können.«
»Nun, wir werden sehen, es ist noch eine lange Zeit bis dahin.«
Hoshi lachte. »In der Tat, ja. Wer von Ihren Leuten nimmt eigentlich noch an der Expedition teil?«
»Nur wir beide«, er sah sie erstaunt an. »Hatte ich das nicht erwähnt?« Sie schüttelte mit großen Augen den Kopf. »Nun, dann wissen Sie es jetzt. Lediglich alle vier Wochen wird uns ein Frachter mit Nahrungsmitteln versorgen.« Hoshi blickte entsetzt drein und Soval spürte deutlich, dass ihr zunehmend unwohler wurde. »Stellt das ein Problem für Sie dar«, fragte er vorsichtig.
Sie schüttelte energisch den Kopf. »Nein, natürlich nicht«, beteuerte sie dann voller Überzeugung, doch dem Vulkanier antwortete sie etwas zu schnell. Er erkannte ihre Unsicherheit ohne sie anzusehen, aber er wies sie nicht darauf hin. Es wäre unangebracht gewesen sie noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Hoshi hätte das auch niemals zugeben, schließlich wollte sie Soval nicht beleidigen … sofern man einen Vulkanier überhaupt beleidigen konnte. »Wissen sie«, versuchte sie dann zu erklären. »Es, es ist nur etwas beängstigend so ganz allein. Ich hoffe sie halten es überhaupt so lange mit einer Menschenfrau aus.«
Am liebsten wäre sie umgedreht und wieder zurückgeflogen. Himmel, wenn sie das gewusste hätte, sie wäre niemals mitgekommen. Sie ging ja davon aus, dass es hier eine ganze Mannschaft geben würde und nicht nur sie und ihn. Jetzt hatte sie das was sie sich nur in ihren Alpträumen vorzustellen wagte. Sie war mutterseelenallein mit einem Vulkanier, sie die größte Xenophobikerin im Dienste der bemannten, interstellaren Raumfahrt. Wunderbar, genau das hatte sie sich immer gewünscht. Wo war Daniels mit seinen Zeitreisen, wenn man ihn brauchte.
»Seien sie unbesorgt«, hallte Soval frohlockend … zumindest klang es ihn ihren Ohren so. »Ich wusste worauf ich mich einlasse.«
Schön für dich, ich wusste es nicht!, knurrte sie in Gedanken und hätte ihn am liebsten geschüttelt, weil er eine so wichtige Information schlicht unter den Tisch fallen ließ. »Sie müssen wissen, dass ich ein sehr emotionaler Mensch bin und dass ich das nicht so unterdrücken kann.«
Doch Soval schockierte das wenig. Er blieb gelassen. »Das verlangt auch niemand von Ihnen.« Dann sah er sie aufmunternd an. »Hoshi, seien Sie einfach ganz entspannt. Wir kommen schon miteinander aus«, damit schulterte er ihre Tasche neu und stieg ins Shuttle. Probleme sah er keine.
Hoshi hingegen einen ganzen Sack voll. »Wenn Sie das sagen.« Sie nahm ihre Tasche und folgte ihm, aber wohler war ihr dennoch nicht zumute. Wenn sie ehrlich war, fürchtete sie auch eher, dass sie sich an Sovals Verhalten störte und nicht umgekehrt. Wenn sie daran dachte wie genervt sie manchmal von ihrer Kollegin T'Pol war und wie sehr sie sich zusammenreißen musste, um nichts zu sagen, dann konnte sie eigentlich froh sein, dass sie in Person nur einen Vulkanier begleitete und nicht zehn mehr. Vielleicht gab es doch einen Gott der sie liebte, denn momentan fühlte sie sich schon etwas verlassen.

Nach einem etwa zehnminütigen Flug landeten sie auf dem Shuttledeck des Forschungsschiffes Ka'Lir. Es war ein typisches, vulkanisch Raumschiff der Surak - Klasse. Seine Höchstgeschwindigkeit war Warp sechs. Hoshi mochte diese Schiffe sehr. Sie waren ästhetisch gesehen wirklich sehr ansprechend, und mit ihrer schlanken Form und dem wunderschönen Warpring ums Heck für sie die schönsten der Föderation. Sie fand es sogar schade, dass die Techniker der Erde für ihre eigenen Schiffe solch plumpe Warpgondeln entwarfen. Nicht dass sie die Enterprise nicht auch ansprechend fand, aber die vulkanischen Schiffe waren anmutiger und sie war froh endlich auch mal eines von innen sehen zu dürfen. Erstaunlicherweise, war ihr das in ihrer Laufbahn als Offizier immer verwehrt geblieben.

Sie war sehr angetan. Ganz wie sie es erwartet hatte, waren Formen und Farben im Innern denen sehr ähnlich, die sie auch aus der vulkanischen Architektur kannte. Die Erbauer legten offenbar nicht nur Wert auf Funktionalität, sondern auch auf Ästhetik. Surak, seine Lehren und die Philosophie der Logik waren hier allgegenwärtig. Sie zeigten sich im Design genauso wie im Aufbau des Schiffes.

Soval und Hoshi wurden vom Captain des Schiffes höchstpersönlich begrüßt. Sie fühlte sich geehrt, obwohl sie wusste, dass dies nur an Soval lag. Wäre er ein anderer, unwichtigerer Vulkanier, hätte sie wahrscheinlich einer der Mannschaft begrüßt. So aber genoss sie den Ruhm in Sovals Begleitung und war doch froh, einen so bedeutenden Mann an ihrer Seite zu haben. Captain Varon führte Soval und Hoshi zu ihren Quartieren. Wie bei Vulkaniern üblich hielt er sich nicht lange auf, denn man ließ dem Gast gerne Zeit sich in aller Ruhe zu akklimatisieren. Doch bevor er ging richtete er die Bitte an Soval, dass er und Hoshi, ihm heute Abend beim Dinner Gesellschaft leisten sollten. Eine Einladung die natürlich gerne Angenommen wurde, denn es war sowohl auf vulkanischen, als auch auf irdischen Schiffen eine Ehre mit dem Captain zu speisen. Hoshi war nur neugierig, wie dieses Dinner verlaufen würde, denn ihr kamen nur drei Möglichkeiten in den Sinn: Stumm, hoch logisch oder doch relativ normal. Wenn sie daran dachte wie oft sie versucht hatte T'Pol in ein Gespräch zu verwickeln und wie selten das von Erfolg gekrönt war, war sie auf heute Abend wirklich sehr gespannt.

Soval nickte ihr kurz zu, dann verabschiedete er sich mit dem Hinweis auf das Abendessen und betrat sein Quartier. Hoshi ebenso und sie staunte nicht schlecht, als sich das Schott hinter ihr schloss. Diesen Luxus hatte nicht einmal Captain Archer auf der Enterprise gehabt und sie fragte sich zu Recht, ob Soval immer so exklusiv reiste. Von der gehobenen, sehr wertvollen Ausstattung mal abgesehen, verfügte sie über einen Vorraum, einen Wohnraum und einen Schlafraum, sowie über einen etwas kleineren Meditationsraum und ein Badezimmer. Sie war begeistert und sie begann mehr und mehr die Vorteile zu genießen mit einem ehemaligen Botschafter zu reisen. Ein solcher Luxus erwartete sie nicht jeden Tag und eine solche Aufmerksamkeit auch nicht. Im Gegenteil. Für sie war es eher ungewöhnlich mit den Kapitänen der Schiffe persönlich in Kontakt zu kommen, geschweige denn mit ihnen zu speisen. Selbst mit Archer hatte sie nur ein oder zwei Mal diniert, und ihn kannte sie schon lange vor der Enterprise. Für Soval war es offenbar Alltag und mit Sicherheit auch nichts mehr Besonderes. Vielleicht war es ihm mittlerweile sogar etwas lästig. Sie schmunzelte bei dem Gedanken, denn er hätte dafür ihr vollstes Verständnis. Jedes Mal die Pflicht ein interessierter Gast zu sein, konnte einem auf die Dauer auch ermüden. Doch noch profitierte sie von der Extravaganz, die sie hier erwartete und sie freute sich auf das Abendessen mit dem Captain und Soval.

Hoch Logisch! Hoshi ahnte es schon, aber sie fand es überaus interessant zwei Vulkanier in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten. Captain Varon war ein exzellenter Gastgeber. Er bezog Hoshi immer in ihre Gespräche mit ein, selbst dann, als sie sich viel lieber in stiller Zurückhaltung üben wollte. Soval hatte das erkannt, im Gegensatz zu Varon, der so damit beschäftigt war Hoshi zu unterhalten, dass er gar nicht bemerkte wie er sie überforderte. Doch sie meisterte die Situation mit Bravour und heimste sich sogar das Lob ein, ein sehr fähiger und logischer Kopf zu sein. Na ja, Mathematik war eben auch nur eine Sprache und Sprachen waren ihr Fachgebiet. Ein Umstand den selbst Dr. Phlox schon bedauerte, als er sie in der Dekontaminationskammer festhalten wollte. Selbst im Fieberwahn, infiziert mit einer äußerst gefährlichen Krankheit, knackte sie nach wenigen Minuten den Algorithmus des Verschlüsselungscodes und entfloh.

Das Dinner mit dem Captain dauerte allerdings nur eine gute Stunde. Lange, gesellige Abende, wie es an Bord der Enterprise üblich war, kannten Vulkanier in der Regel nicht, zumindest hatte Hoshi nie erlebt, dass T'Pol sehr viel länger als nötig blieb. Sie war meist die erste, die auf einem Fest verschwunden war und sie ging normalerweise auch immer recht früh zu Bett. Allerdings war sie auch immer die erste, die morgens taufrisch in der Messe saß. Regelmäßiger und ausreichender Schlaf waren schon von Vorteil, selbst für eine Spezies die weniger zu schlafen pflegte als Menschen.

Hoshi schritt von Soval begleitet den Korridor zu ihren Quartieren entlang. Es war noch recht früh und eigentlich hatte sie noch lange nicht vor zu Bett zu gehen, doch was sollte sie mit dem angebrochenen Abend anfangen? Soval würde bestimmt nur noch meditieren und sich dann schlafen legen, warum sollte er es auch anders machen als T'Pol?
»Gehen Sie jetzt gleich zu Bett.« Mit dieser Frage holte Soval Hoshi aus den Gedanken.
Sie sah ihn groß an. »Nein, ich ähm, ich wollte vielleicht noch etwas lesen.«, stammelte sie und war völlig verwirrt. Konnte er Gedanken lesen? Sie wusste von den telepathischen Fähigkeiten der Vulkanier, aber dass sie die auch auf Menschen anwenden konnten, war ihr neu … und es erschreckte sie, denn die Gedanken ihrer Kollegin im Frühjahr wollte sie nicht gelesen haben und es wäre ihr auch äußerst peinlich wenn Soval das hatte. »Warum fragen Sie.«
»Nun, ich gehe für gewöhnlich etwas später zu Bett und da es auch Ihnen noch zu früh zu sein scheint, könnten wir doch schon ein paar Dinge wegen Ran'Kashar besprechen. Ich habe topographische Aufzeichnungen, die wir einmal durchgehen sollten.«
Wie konnte Hoshi auch nur einen Moment lang denken, dass Soval an ihrer Gesellschaft interessiert war? Nein, er wollte arbeiten. Ganz toll! »Ich weiß nicht, ob mein Kopf heute Abend noch zum Arbeiten zu gebrauchen ist. Dafür hat mich Captain Varon doch etwas zu sehr angestrengt.«
Soval schenkte ihr einen erheiterten Blick. »Sie würden es sich einfacher machen, indem Sie einfach ablehnen, Miss Sato!«
Hoshi durchfuhr ein Stich. Irgendwie konnte sie mit seiner Offenheit weniger gut umgehen als sie dachte, oder war es ihr nur peinlich, weil er schneller begriff, als ihr lieb war. Nun gut, er sagte in Brasilien ja schon, dass er langes Drumherumgerede hasste. Vielleicht sollte sie dies das nächste Mal einfach berücksichtigen. »Aber Sir«, begann sie, nur um ganz sicher zu gehen. »Nennt man das nicht Insubordination?«
Hier gab es wohl noch großen Aufklärungsbedarf, wie Soval jetzt feststellen musste. Hoshi war wirklich sehr charmant, aber auch sehr unsicher im Umgang mit ihm und das musste aufhören. Es erschien ihm logisch ein persönliches Gespräch zu suchen um Unsicherheiten ab- und Vertrauen aufzubauen. »Ich schlage vor das diskutieren wir bei einer Tasse Tee in meinem Quartier.« Er wies mit einer Hand zum Schott.
Hoshi schluckte, das ging ihr jetzt doch etwas zu schnell, aber kneifen konnte sie nicht. »Ähm, gern, aber ich würde mir vorher gerne noch etwas Bequemeres anziehen.«
Soval nickte zustimmend. »Nur zu, ich erwarte Sie in meinem Quartier.«
»Dann bis gleich.«

Sie wandte sich ab und betrat ihre Unterkunft. Als sich das Schott geschlossen hatte ließ sie sich erst einmal auf die Sitzgruppe im Wohnraum fallen. Was hatte sie da nur angestellt? Warum sagte sie nicht einfach „ja gerne“, als Soval noch etwas arbeiten wollte, statt ihm irgendwie auf Umwegen mitzuteilen, dass sie eigentlich heute Abend keine Lust mehr hatte. Außerdem wie stand sie jetzt da? Er hatte sich eine Mitarbeiterin gewünscht, die mitarbeitet und nicht beim ersten Anzeichen von Arbeit lustlos daneben steht und ihm womöglich noch zuschaut. Nun, sie hatte ja gleich Gelegenheit das richtig zu stellen. Mit diesem Gedanken erhob sie sich, zog eine bequeme Hose und ein leichtes Shirt an und verließ ihr Quartier wieder.

Soval hatte bereits Tee aufgesetzt und beschloss die Gelegenheit ebenfalls zu nutzen, um sich etwas frisch zu machen und was Bequemeres anzuziehen. Er wusste, dass Menschenfrauen im Allgemeinen sehr viel Zeit für körperliche Pflege aufwendeten und es demnach noch einige Zeit dauern konnte bis Hoshi in seinem Quartier eintraf. Also ließ er keine Eile aufkommen und wechselte in aller Ruhe die Kleidung. Auf das Oberteil verzichtete er zunächst, denn er wollte seine Haare noch einmal durchkämmen und neu zum Zopf binden. Doch gerade als er nach dem ledernen Haarbändchen griff, ertönte der Türmelder. War das etwa doch schon Miss Sato? Er glaubte das eigentlich nicht, denn es waren höchsten zehn Minuten vergangen. Doch wer sollte es sonst sein? Schnell schlüpfte er in sein Oberteil und ging zum Schott. Er verzichtete allerdings darauf die Knopfleiste zu schließen, da dies zu lange dauern würde und öffnete einfach so die Tür. Tatsächlich, vor ihm stand Hoshi … mit riesengroßen Augen.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte er, obwohl er ahnte was der Grund ihres Staunens war. Offenes Oberteil, offene Haare – so hatte sie wahrscheinlich noch nie einen Vulkanier zu Gesicht bekommen und ihn schon gar nicht. Doch wenn sie drei Monate zusammen auf einem Planeten verbringen wollten, dann musste sie um einiges offener werden. Ein nackter, männlicher Oberkörper durfte sie dann nicht mehr so schockieren, auch wenn es der Seine war.
Hoshi schluckte und es dauerte einige kurze Momente, bis sie wieder Herrin ihrer Sinne war. »Tut mir leid, ich war wohl etwas abgelenkt«, sagte sie ehrlich und Soval grinste. Das hatte er auch gemerkt.
»Kommen Sie bitte herein und nehmen Sie Platz. Ich bin gleich fertig.« Hoshi nickte und betrat den Wohnraum, während Soval noch einmal das Badezimmer aufsuchte.

Sein Quartier schien dem von Hoshi sehr ähnlich zu sein, es war nur etwas anders aufgeteilt. Also wurde wirklich kein Unterschied zwischen ihr und ihm gemacht, sehr erstaunlich. Sie setzte sich auf die Sitzgruppe und bemerkte die Kanne mit dem Tee und zwei Tassen auf dem Tisch. Die Kanne stand auf einem Stövchen und die beiden Tassen auf je einer Servierte. Zucker und Löffel lagen geordnet daneben. Soval war offenbar auch privat sehr sorgfältig, etwas dass sie von ihm vielleicht lernen konnte, denn sie war die Fürstin des Chaos. Ob er wirklich wusste, was er sich mit ihr antat. Sie lachte innerlich, Gottlob war sie in ihrer Arbeit wenigstens extrem ordentlich, das vereinfachte vieles. Sie lehnte sich etwas zurück und lauschte den Klängen der Musik, die im Hintergrund lief. Sie war recht leise eingestellt und Hoshi hatte sie zuerst auch gar nicht bemerkt. Doch umso überraschter war sie, als sie erkannte, dass es Jazz war. Sehr ungewöhnlich, denn gerade Jazz war eine Musik die keinem logischen Muster folgte. Es war eine Musik voll von Herz und Seele, eine Musik voll Temperament und Lust – eigentlich genau das Gegenteil von dem was die vulkanische Philosophie lehrte. Aber vielleicht waren Syrraniten da anders? Dennoch fand sie es erstaunlich, und sie fragte sich augenblicklich mit welchen Überraschungen sie bei diesem Mann noch rechnen musste? Der Schreck von eben war ihr eigentlich schon genug, obwohl sie gestehen musste, dass sie seinen athletischen Oberkörper äußerst reizvoll fand. Besonders mit dem effektvollen Anhänger, den er an einer silbernen Kette um den Hals trug. Diese Kette war ihr auch früher schon aufgefallen, denn sie lugte manchmal am Kragen hervor, gerade wenn er statt einer Robe einen normalen Anzug unter dem Umhang trug, doch zur Gänze hatte sie diesen Schmuck noch nie gesehen. Bis heute und sie war begeistert von dem geschmackvollen Schmuckstück.
Wie aufs Stichwort betrat Soval den Wohnraum. Seine Haare waren noch immer offen und fielen ihm locker, in großen Wellen über die Schultern. Hoshi war sehr angetan davon und sie ertappte sich bei dem Gedanken irgendwann einmal mit beiden Händen in dieses wundervolle, kräftige Haar hineinfassen zu dürfen. Es interessierte sie einfach wie es sich anfühlte.
»Stört Sie die Musik? Ich kann sie gerne ausmachen.« Sovals Frage holte sie jäh aus den Gedanken.
Sie schüttelte den Kopf. »Lassen Sie nur, ich mag Jazz ebenfalls.«
»Das ist gut« Er wirkte erleichtert. »Dann kann ich sie auf Ran'Kashar ja gelegentlich spielen.« Hoshi nickte zustimmend, ja das war ihr sehr recht und jetzt da sie wusste, dass er irdischer Musik nicht abgeneigt war, würde sie ihm auch mal etwas aus ihrer Sammlung vorspielen. Er setzte sich zu ihr und schenkte den Tee ein. »Ich habe an irdischen Tees leider nur Pfefferminze hier, der Rest ist bei meinem Gepäck. Ich hoffe das ist in Ordnung.«
»Ja durchaus.« Sie lächelte. »Es gibt auch einige vulkanische Sorten, die ich sehr mag. T'Pol gab mir des Öfteren welche zum Probieren.«
»Das glaube ich gerne, sie ist bekennende Teetrinkerin. Als sie in der irdischen Botschaft noch zu meinem Stab gehörte, sah man sie nahezu immer mit einer Tasse in der Hand.«
»Wie lange waren Sie eigentlich Botschafter auf der Erde?«, wollte Hoshi dann wissen, denn genau wusste sie es gar nicht.
»Fünfunddreißig Jahre.« Er wurde ausfühlicher. »Es war eine schöne Zeit und manchmal vermisse ich sie auch. Doch ich habe viel erreicht, jetzt wird es Zeit, dass ich etwas Ruhe finde.«
»Indem Sie auf einem Planeten Inschriften erforschen?« Hoshi lachte auf. »Ja, das würde ich in der Tat auch „ausruhen“ nennen.«
»Ausruhen auf vulkanische Art«, korrigierte er erheitert. »Alte Schriften fand ich schon immer sehr faszinierend, daher hege ich ein persönliches Interesse.« Er trank einen Schluck. »Dennoch muss ich offen gestehen, dass meine Ambitionen zu dieser Mission nicht sehr hoch waren. Ich wollte einen meiner Mitarbeiter schicken.«
»Und warum sind Sie jetzt dennoch hier?« Die Frage war berechtigt.
»Es gab Argumente, die mich überzeugten. Allen voran mein Vorgesetzter, der diese Untersuchungen nur in den allerbesten Händen wissen wollte, in den Unseren nämlich.« Er stellte die Tasse zurück und sah Hoshi dann ernst an. »Sagen Sie«, wechselte er das Thema und sie ahnte, dass es nicht ihr Lieblingsthema werden würde. »Wieso zeigen Sie mir gegenüber manchmal eine solche Unsicherheit? Sie geben sich doch jetzt auch ganz ungezwungen. Ich verstehe nicht woran das liegt. Ist es meine Person, mein verändertes Äußeres? Was ist der Grund?«
Hoshi wurde schlagartig rot und sie wusste nicht einmal warum. Offenbar war es ihr peinlich so direkt darauf angesprochen zu werden. »Ich weiß nicht, Sir. Sie… Sie waren mal Botschafter und in meinen Augen sind Sie ein sehr verdienter, ehrenvoller Mann.« Sie holte tief Luft. »Sir, ich habe einfach größte Achtung vor Ihnen«, offenbarte sie dann und hoffe, dass dies als Erklärung genügte.
»Das ist ja schön, und schmeichelt mir auch, aber so viel Heldenverehrung hindert uns beide am effektiven arbeiten.« Er schenkte ihr einen aufmunternden Blick. »Ich weiß Ihren hohen Respekt zu schätzen, Hoshi, doch ich bin nicht Ihr Vorgesetzter. Wir sind nur Kollegen und arbeiten hier gemeinsam, gleichberechtigt!« betonte er. »Verstehen Sie das?« Sie nickte. »Und wenn Sie nach einem langen Tag keine Lust mehr haben irgendwelche Aufzeichnungen mit mir durch zu sehen, dann sagen Sie das einfach. Das ist keine Insubordination, sondern einfach nur ehrlich. Meine Art zu arbeiten ist anders, als die der Menschen und ich vergesse das gerne.«
»Ich werde es mir merken.« Hoshi versuchte etwas zu lächeln, doch sie war immer noch etwas unsicher. Er wusste ja gar nicht was er da von ihr verlangte. Der Respekt, den sie vor diesem Mann hatte, war unglaublich hoch. Sich mit ihm auf einer Ebene zu befinden wäre ihr nie in den Sinn gekommen.  
»Oh, da ist noch etwas. Ich habe bemerkt, dass Sie es bewusst vermeiden mich beim Namen zu nennen. Welchen Grund hat das?«
Ein äußerst erstaunter Blick traf Soval. »Das ist Ihnen aufgefallen?« Er hob nur die Brauen, das genügte als Antwort und Hoshi sah etwas betreten drein. »Wissen Sie, Sie sind kein Botschafter mehr und mir gehen ehrlich gesagt die Titel aus. Ich weiß nicht wie ich Sie ansprechen soll.«
»Mit Soval! So lautet mein Name. Kein Botschafter, kein Titel, kein Sir, einfach Soval, das genügt! Und bei Ihnen bestehe ich darauf, damit Sie sich daran gewöhnen.« Er lachte kurz und meinte dann. »Jedes „Sir“ bestrafe ich mit einer Woche Tellerwaschen!«
Hoshi weitete die Augen, denn sie sah sich die ganzen drei Monate in der Küche stehen. Es war ihr, als müsse sie den Präsidenten der Föderation beim Vornamen nennen und das war sehr, sehr gewöhnungsbedürftig für sie, doch Soval schien das völlig anders zu sehen. Der Punkt war nämlich der: Vulkanier besaßen nur einen Namen und das schränkte die Auswahl an möglichen Anreden enorm ein. Er hatte also allen Grund auf diese Ansprache zu bestehen. Auch wenn er gerade ganz offen mit ihr scherzte, was für einen Vulkanier schon ungewöhnlich genug war, ließ er keinerlei Ausflüchte zu. Hoshi blieb wohl nicht anderes übrig und das wusste auch Soval.
Er zwinkerte ihr zu und hielt dann fast schon versöhnend die Kanne hoch. »Noch Tee?« Hoshi nickte zustimmend, nur um darüber hinweg zu täuschen wie unangenehm die ganze Situation für sie war.

Schweigend nippte sie dann an ihrem Tee. Das konnte ja heiter werden und diese Bitte, genaugenommen war es eher eine Order, musste sie erst einmal verarbeiten, um sich damit anfreunden zu können. Augerechnet bei Soval sollte sie auf eine formelle Anrede, einen Titel, verzichten? Das konnte nur ein schlechter Traum sein. Ein Themenwechsel musste her, ganz dringend. Sie hatte disbezüglich auch eine Idee, doch könnte die Frage, die ihr dazu in den Sinn kam, offenbaren, dass sie vorhin, als er so leicht bekleidet die Tür öffnete, zu genau hingeschaut hatte.
»Sie wirken unruhig, stimmt etwas nicht?«
Soval konnte den Gemütszustand seines Gegenübers offenbar sehr gut erahnen und Hoshi seufzte innerlich. Es war ein besserer Menschenkenner, als sie es ihm zutraute. »Na ja«, drückte sie sich um die Frage. »Als Sie vorhin die Tür öffneten …. Sie … Sie tragen eine Kette und der Anhänger ist sehr ansprechend.«
Sovals Lächeln wuchs. »Sie möchten die Bedeutung wissen?« Hoshi nickte, auch wenn sie gar nicht wusste, dass der Anhänger überhaupt eine Bedeutung hatte. Doch soweit hätte sie bereits denken müssen; Soval würde nichts ohne hinreichenden Grund tragen. Vor allem Schmuck nicht. Das wäre unlogisch. Er holte die Kette hervor, öffnete sie und gab sie ihr in die Hand. Erstaunlich wie warm sich der Anhänger anfühlte. Nun konnte sie dieses wundervolle Stück zum ersten Mal aus der Nähe ansehen. Er war bildschön! Eine flache, goldene, kreisrunde Scheibe mit einem silbernen Dreieck, in dessen Spitze ein klarer Stein eingearbeitet war. Es war wohl eine Art vulkanische Rune. Sie hatte das Symbol schon öfter gesehen, doch die Bedeutung kannte sie nicht. »Dieses nennt man IDIK«, sagte Soval kurz. »Kennen Sie die Bezeichnung?« Hoshi schüttelte den Kopf. »Nun, die Initialen stehen für „Infinite Divergenz in infiniter Kombination“. Es bezeichnet einen Teil von Suraks Lehren, seine Philosophie einer nie endenden Entwicklung, von Leben. Diese Lehre besagt, dass unter gleichen Vorrausetzungen, dennoch unterschiedliche Ergebnisse auftreten können. Das Leben sei ein Fluss im ständigen Wandel und richte sich nicht nach Gesetzmäßigkeiten.«
»Aha, klingt … logisch«, bemerkte sie dann. »Ich glaube bei uns würde man das „Chaostheorie“ nennen, oder?«
Soval überlegte kurz und dann nickte er zustimmend. »In gewisser Weise … ja! Doch diese Theorie definiert, wenn man so will, nur einen kleinen Teil von Suraks Philosophie. Es ist sehr viel mehr und selbst die Logik ist nur ein Teil vom Ganzen.« Er nahm vorsichtig ihre Hand, in der sie den Anhänger hielt und fuhr dann mit einem Finger die dreieckige Form darauf nach. »Diese Form ist das Sinnbild des heiligen Berges Seleya. Der Stein steht für unsere Sonne und die runde Scheibe für ihren Schein, welcher auch das Sinnbild von Suraks Erleuchtung, während der Zeit des Erwachens, darstellt.«
Damit kannte Hoshi sich nun wieder aus, allein durch die Übersetzungen des Kir'Sharas, schließlich entstanden Suraks Lehren während dieser „Zeit des Erwachens“. »Es ist ein wundervolles Schmuckstück«, schwärmte sie sichtlich angetan. »Und ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich die Zeit nahmen, mir die Hintergründe zu erläutern.« Sie gab ihm die Kette zurück und er legte sie auch gleich wieder an. »Wissen Sie, ich sah dieses Symbol zum ersten Mal, als T'Pol ein solches ihrer Tochter über das Krankenbettchen hing, aber da habe ich nicht zu fragen gewagt.« Das war verständlich, denn dieses Kind war das traurige Ergebnis einer rücksichtslosen, fanatischen Splittergruppe. Sie propagierten die Reinheit der menschlichen Rasse und erschufen das Mädchen nur, um zu demonstrieren wie abscheulich ein mögliches Mischlingskind sei. Leider bezahlte die kleine Elizabeth diese Demonstration mit dem Leben. Ihre Physiologie, die aus Charles Tuckers menschlicher- und T'Pols vulkanischer DNA bestand, war zu unterschiedlich zum Überleben.
Soval hatte die Geschehnisse vor Jahren selbst miterlebt und es traf ihn, wie viele andere der Föderationsgründer sehr, als dieses kleine, unschuldige Wesen sterben musste, nur um die Argumente eines Wahnsinnigen zu untermauern. »Nun, an Ihrer Stelle hätte ich ebenso geschwiegen. Es muss sowohl für Commander Tucker, als auch für T'Pol eine sehr schwere Zeit gewesen sein.«
»Ja, die war es auch«, stimmte Hoshi zu und sie schwiegen einen Moment. »Trägt eigentlich jeder Vulkanier ein solches Schmuckstück?«
»Nein, auch wenn es die Versinnbildlichung der reinen Logik darstellt, so hat das Tragen des IDIK meist einen tiefgreifenden Grund.«
Jetzt war ihre Neugier geweckt, denn diesen Grund hätte sie schon gerne gewusst. »Und welcher Grund ist das bei Ihnen?«
»Eine Prüfung … eine sehr spezielle Prüfung meiner mentalen Fähigkeiten. Der vulkanische Name dieses Zeichens lautet auch Kol'Ut-Shan und bezeichnet sehr genau den Sinn der Prüfung.«
Hoshi übersetzte ohne darüber nachzudenken. » Kol'Ut-Shan … reine Logik?«
Soval nickte und er war aufs Neue erstaunt wie gut Hoshi seine Sprache beherrschte, denn der Ausdruck war sehr alt und wurde in der Art nicht mehr verwendet. »Richtig, reine Logik.«
Aber genau wegen diesem alten Ausdruck ahnte Hoshi gleich worum es ging, denn über vulkanische Bräuche hatte sie sich eingehend informiert, bevor sie auf diese Mission ging. Es erschien ihr sinnvoll. »Sie reden vom Kolinahr, kann das sein?«
Soval blickte erstaunt auf. »Das ist richtig! Sie kennen das Kolinahr?« Damit hatte er nun absolut nicht gerechnet, denn dieses Ritual wurde sehr selten durchgeführt und die Prüfung war entsprechend schwierig.
Hoshi jedoch nickte zustimmend. »Ich dachte es kann nichts schaden, wenn ich mich vor unserer Abreise mit ein paar vulkanischen Gebräuchen vertraut mache und dazu zählte auch das Kolinahr. Nur…« Sie sah Soval kritisch an. »Mit der Durchführung dieses Rituals entsagt man allen Emotionen um die Vervollkommnung des Geistes zu erreichen und sein Leben fortan einzig der Logik zu widmen. Man besteht die Prüfung auf gar keinen Fall, wenn man die nötige, geistige Stärke dazu nicht besitzt.«
»Korrekt«, stimmte Soval zu. »Sie wundern sich, weil ich dennoch Emotionen zeige, nicht?« Sie nickte und sie fragte sich warum er den Anhänger trug. Lediglich als Erinnerung, oder weil er die Prüfung des Kolinars auch bestand. Doch er erklärte es sogleich. »Ich legte die Prüfung ab, kurz bevor ich als Botschafter zur Erde beordert wurde. Damals hielt ich noch an meinem alten Glauben fest und um ehrlich zu sein flüchtete ich mich auch in die Logik, um einen furchtbaren Schicksalsschlag zu überwinden. Es gelang sehr gut und ich bestand diese Prüfung auch. Doch mit den Jahren erkannte ich, dass ein Leben in vollkommener Logik zwar von meinen Vorgesetzten und Familienmitgliedern sehr geachtet wurde, mich aber nicht erfüllte. Ich suchte Jahrelang nach einem Weg beides zu vereinen, aber erst mein jetziger Glaube erlaubte mir einen akzeptablen Mittelweg zu beidem zu finden.« Er drückte den Anhänger gegen seine Brust und es wirkte, als wolle er ihn beschützen. »Mittlerweile ist er nur noch eine Erinnerung. An das Kolinahr, aber vor allen daran, was ich mit dem Kolinahr zu überwinden versuchte.«

Hoshi hätte gerne gewusst, was da so furchtbares passiert war, dass er sich von jeglicher Emotion lossagen wollte. Doch sie ahnte, dass er darüber nicht reden wollte. Er hätte es längst getan, wenn es ihm wichtig wäre. Soval im Gegenzug war dankbar um ihre Zurückhaltung, denn das wollte er ihr eigentlich nicht erzählen. Zumindest jetzt nicht, vielleicht später irgendwann, wenn sie sich etwas besser kannten.

Eine gute Stunde später war sie wieder in ihrem Quartier. Dafür dass Soval ihr ein wenig den Kopf gewaschen hatte, war sie ihm im Nachhinein sogar dankbar. Er wollte einfach nur als ganz normale Person angesehen werden, weil ihm das andere einfach zu anstrengend war. Diese hohe Persönlichkeit war er schon lange nicht mehr und er legte keinen Wert auf Sonderbehandlungen oder irgendwelche Förmlichkeiten, auch wenn er sich viel Respekt verdient hatte. Wahrscheinlich hätte er auch darauf verzichtet, wenn er noch Botschafter gewesen wäre, allein nur um in Ruhe arbeiten zu können. Hoshi schmunzelte, das machte ihn irgendwie sehr menschlich, so wie vieles an ihm. Soval hatte sich wirklich sehr gewandelt. Er scherzte, er lachte, er wurde auch mal ärgerlich, … ja er war emotional und dennoch auch rational, logisch eben. Sie war angenehm überrascht. Wenn alle die Suraks wahrem Pfad folgten so waren, hatte sie eine Gruppe unter den Vulkaniern gefunden, mir der sie zu recht kommen könnte. Mal abwarten, wie sich das Arbeiten mit diesem Mann gestalten würde, denn vor Überraschungen war sie bei ihm offenbar nie sicher.

Da es mittlerweile fast zehn Uhr geworden war, beschloss sie zu Bett zu gehen um am anderen Morgen, der bei den Vulkaniern hier an Bord sicher sehr früh begann, wieder fit zu sein. Doch sie war immer noch etwas zu aufgedreht und ihr Geist ließ den Abend beständig Revue passieren, selbst als sie schon im Bett lag. Vor allem sah sie immer wieder Soval in der Tür seines Quartieres vor sich. Nicht wegen dem offenen Hemd oder der überraschend dicht beharrten Brust. Nein, das hatte sie tatsächlich weniger schockiert, aber wegen den offenen Haaren. Sie konnte sich gerade noch ein „Wow“ unterdrücken, obwohl Soval darüber wahrscheinlich eher geschmunzelt hätte. Im Gegensatz zu ihr selbst. Sie hätte sich das wahrscheinlich nicht so schnell verziehen. Vor allem, weil sie ihm damit zu deutlich gezeigt hätte, dass sie sein jetziges Erscheinungsbild, für sein fortgeschrittenes Alter, sehr attraktiv fand. Sie wunderte sich, dass sie so viele Gedanken an ihn verschwendete, denn sie hegte kein persönliches Interesse, doch allmählich dämmerte es ihr. Der Grund waren wiederum seine Haare, nicht weil sie für Vulkanier so untypisch lang waren, nein, es war das, was sie in Menschenaugen, genauer gesagt in Hoshis Augen aus ihm machten: Sie verliehen ihm etwas Elfenhaftes. Sie begann leise zu lachen und ja, es war wirklich so, die langen Haare, die spitzen Ohren, so sahen in ihrer Kindheit die Elfenfiguren aus, mit denen sie immer spielte. Soval war ein Elf, ganz klar, so musste es sein. Sie lächelte erheitert. Wenige Minuten später fand dann auch sie die Ruhe, um endlich einzuschlafen.

Hoshi verbrachte die nächsten zwei Tage fast ausschließlich mit Lesen auf ihrem Quartier. Die topographischen Besonderheiten der Region in der sie landen würden, hatte sie mit Soval schon am ersten Morgen besprochen. Sogar die Einsatzpläne der Mannschaft, die ihnen beim Errichten des Camps helfen würden, standen schon fest und sonst gab es für sie und auch für Soval noch nichts zu tun. Die Ruhe vor dem Sturm, dachte sie und irgendwie schien sie damit auch Recht zu behalten. Allein wenn sie daran dachte, dass sie innerhalb von zwei Tagen das gesamte Camp auf die Beine stellen wollten, bekam sie es schon mit der Angst zu tun. Vier Aluminiumeinheiten die mit Zelten verlängert wurden, darunter auch ihre Wohneinheiten, ein hydroponisches Gewächshaus und ein Gerätehaus. Es war einiges aufzubauen und sie hoffte, dass es auf Ran'Kashar nicht so heiß war, wie auf Vulkan, denn im Gegensatz zu den Vulkaniern war sie als Mensch an ein solch heißes Klima nicht gewöhnt, auch wenn sie in Brasilien arbeitete. Wie sie im Gespräch mit Soval herausfand war Ran'Kashar ein Wüstenplanet der Mingshara-Klasse. Ähnlich wie Vulkan, jedoch weitgehend unerforscht. Die einzigen Wasservorkommen waren in weitläufigen Kavernensystemen in den Bergen. Auch die Höhle mit den Schriftzügen war eine jener, die Wasser führte. An Getier gab es lediglich einige Echsen und Käferartiges, welches einem Menschen oder Vulkanier aber nicht gefährlich werden konnte.

Der Türsummer ging und nach einer kurzen Aufforderung betrat Soval ihr Quartier. Sie war erstaunt ihn zu sehen, denn sein Besuch war eher unüblich. Vor allem in der seltsamen Kleidung, die er trug. Eine sehr weite Stoffhose, ähnlich einem Hosenrock und darüber ein Hemd, welches lediglich in den Seiten gebunden wurde. Es erinnerte Hoshi an einen Kampfanzug, einen Gi, wie er in ihrer Sprache genannt wurde, und sie behielt recht.
»Ich wollte sie zu ein wenig Leibesertüchtigung einladen«, sagte er und nahm die Hände auf den Rücken. »Wenn sie nicht etwas besseres zu tun haben.«
»Gern!« Hoshi sah ihn erfreut an. »Und an was genau hatten sie gedacht?«
»Suus Mahna, das ist eine vulkanische Kampfkunst«, erklärte er kurz und nahm eine Abwehrposition ein, um seine Worte zu unterstützen.
»Ja, ich kenne Suus Mahna, dank T'Pol.« Sie legte ihr Padd beiseite und erhob sich. »Dann warten sie doch bitte einen Augenblick. Ich ziehe mir nur etwas Passendes an. Dann können wir beginnen.« Sie begab sich ins Schlafzimmer und schlüpfte in ihren Karateanzug. Mal sehen was Soval dazu sagt.

Sie war stolz darauf mit ihm trainieren zu dürfen, denn sie wusste bereits von T'Pol, dass Soval ein ausgezeichneter Meister dieses Fachs war. Ihn einmal in Aktion zu erleben, war schon sehr, sehr lange ihr Wunsch. Mit einem Meister zu trainieren war immer eine große Ehre, sie empfand das auch so, wenn sie einem ihrer Karatemeister gegenüber stand. Es war Respekt und Ehrfurcht zu gleich. Leider konnte sie mit Soval auf der Enterprise nie trainieren. Es war ihr zum Einen untersagt ihn deswegen zu behelligen und zum anderen wäre es unangebracht gewesen, weil er als Botschafter andere Dinge zu erledigen hatte. Sie hoffte daher immer, dass T'Pol vielleicht mal so weit dachte und ihn zu einer Trainingsstunde überredete, denn dann hätte auch sie daran teilnehmen dürfen. Doch den Gefallen tat sie ihr leider nie.

Sie trat in den Wohnraum und präsentierte sich stolz, doch Soval wirkte eher etwas enttäuscht. »Oh, sie üben bereits eine Kampfkunst aus?«
»Zwei um genau zu sein.« gestand Hoshi dann. »Ich mache Aikido und Karate, wobei ich in Karate aber am weitesten bin, da ich schon den dritten Dan inne habe.«
»Oh, das sagt mir wenig.«, gestand Soval. »Ich bin Meister der sechsten Stufe und berechtigt einen Schüler auszubilden, aber …«, sagte er dann bedauernd. »Wenn Sie bereits zwei Künste ausüben, braucht es keine dritte.« Sicher hatte er recht, doch Hoshi sah, dass er schon ziemlich betrübt wirkte.
»Warum… «, schlug sie dann vor. »Warum lernen wir nicht von einander? In den Grundtechniken von Suus Mahna hat mich T'Pol bereits unterwiesen, es bedarf bei mir nur einer kleinen Auffrischung. Und wenn Sie es wünschen und Interesse haben, würde ich Sie dann in Karate anlernen und mit den Grundtechniken, die übrigens sehr ähnlich sind, beginnen.«
»Nun, dann „Vekaahr“.« Er verbeugte sich. »Bin ich heute der Schüler und Sie der Lehrer.«
Hoshi tat es ihm gleich. »Es heißt übrigens „Oz“«, sagte sie dann und Soval sah verwirrt auf. »Der Ausdruck „Danke“. Im Japanischen sagt man Oz. Auch im Kampfsport.«
»Ich verstehe. Nun dann „Oz“!« Sie verbeugten sich noch einmal voreinander, dann suchten sie den Trainingsbereich auf, der für die Offiziere hier an Bord extra eingerichtet wurde. Soval erwies sich als gelehriger und ehrgeiziger Schüler. Seine Bewegungen waren kraftvoll und voller Anmut und Präzision. Mit einem solchen Schüler machte es Spaß zu trainieren und Hoshi freute sich schon darauf mit ihm gemeinsam eine Kata zu laufen.
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