SySec-Stories
von Ace Kaiser
Kurzbeschreibung
So, nachdem ich den "Equus Carnifex", die Siegerstory von betty0815, tatsächlich fertigbekommen habe, ist der 2. Platz meiner zweiten Verlosung fällig. Und der gute Spelllord hat sich von mir eine Science Fiction-Geschichte gewünscht und mir ein schönes Gemälde der Zukunft gemalt, bildlich gesprochen. Nur Horror will er nicht. Jedenfalls hat er mir sehr viele Eckdaten geliefert. Alles, was ich schreiben werde, basiert auf seiner Vorlage, mit Ausnahme der Personen, ihren Handlungen und dem Verlauf der Handlung, die sich dynamisch ergeben werden. Ich kann da nur sagen: Willkommen im zweiundzwanzigsten Jahrhundert bei der System Security und ihren Abenteuern.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
25.07.2013
04.10.2015
7
18.826
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Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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25.07.2013
2.752
1.
"Morgen, Sir. Wir haben... JA, WAS ZUR HÖLLE?"
Verärgert kniff ich die Augen zusammen und hielt mir beide Hände auf die Ohren. "Bitte, Enami, nicht so laut. Ich hatte einen Scheiß Tag gestern." Ich zwinkerte. "Warum halten Sie mir Ihr verdammtes Kreuz unter die Nase?"
Enami Adorest, Sergeant First Class der SystemSecurity, ließ das kleine Silberkreuz, das sie mit beiden Händen umklammerte, nur langsam wieder los. "Verzeihung, Captain, aber Sie sehen aus, als wären Sie zum Zombie mutiert. Und gegen Zombies hilft ein Kreuz."
Ich lachte und bereute es sofort wieder. Mein Körper reagierte auf die Erschütterung mit Ganzkörperschmerz. "Ein Kreuz hilft gegen Vampire, Enami, nicht gegen Zombies."
"Also geben Sie zu, dass es sie doch gibt!", beharrte die junge Frau von Neu-Fidji.
"Nein, verdammt!", donnerte ich, was ich ebenso bereute wie mein Gelächter. "Sie sind nur Fiktion! Erfindungen der Filmindustrie und der prästellaren Gesellschaft! Sie sind uns nicht ins Sonnensystem gefolgt, und schon gar nicht hierher nach Ceres! Oh, mein Kopf. Bringen Sie mir Tee, Enami, ungesüßt, und in rauen Mengen." Ich wankte auf die Tür hinter ihrem Schreibtisch zu, an dem mein Name prangte: Captain Willard Manzini, versehen mit dem unauffälligen Hinweis: Stützpunktkommandeur.
"Sir, da ist aber noch was, was ich..."
"Meine Güte, Bill, wie siehst du denn aus?", klang eine weitere Frauenstimme auf. Mit forschen Schritten näherte sich die Besitzerin, ergriff mein Kinn und musterte mich eingehend. "Ist es gestern lang geworden, oder hat dich jemand verprügelt? Wenn zweites, dann wusste er, wie er dir wehtun muss."
"Nicht so laut", zischte ich. "Nichts von beidem. Ich habe gestern nur meine BacProlax bekommen. Die hat bei mir immer unerfreuliche Nebenwirkungen. Bis eben war ich noch wegen einundvierzig Fieber Gast von Doktor Calhoun."
"Du meinst, du hast deine LivePre-Behandlung bekommen."
Ich seufzte. "Nein, Miss Gouvernor. Die ist erst in achtzehn Jahren fällig. Da werde ich neunzig. Aber leider komme ich vom Mars, und das bedeutet, dass wir mit Bakterien etwas unterversorgt sind. Ist okay, solange wir auf unserem süßen Wüstenplaneten bleiben, aber wenn wir ihn verlassen und mit euch Terranern leben wollen, brauchen wir halt den einen oder anderen zusätzlichen Trick."
Enami lachte hinter vorgehaltener Hand. "Bakterieninfusion. Wie nett."
"Ja, freuen Sie sich nur, dass Sie auf der Venus leben und eine gegenteilige Behandlung bekommen müssen, sobald Sie Ihren Lufthochdrucktempel verlassen, weil der vor Bakterien und Viren nur so wimmelt", murrte ich. "Und wo bleibt mein Tee?"
"Ist in Arbeit." Sie deutete hinter sich, wo Harry, ihre Drohne, bereits dabei war, mir eine große Kanne mit sichtlichem Vergnügen zuzubereiten. Es hätte nur noch gefehlt, dass er dazu pfiff. Aber wenigstens der Roboter nahm Rücksicht auf meine Kopfschmerzen. "Kalt, bitte. Und schnell, bitte", stöhnte ich. "Ich bin in meinem Büro. Wolltest du was von mir, Eloise Harcourt, Gouverneurin von Ceres?"
"Ja, in der Tat. Aber wenn ich dich so ansehe, schiebe ich das gerne ein paar Stunden auf. Du solltest erst mal wieder zu Kräften kommen." Skeptisch musterte sie mich. "Dass Calhoun dich weggelassen hat, grenzt ja schon an Fahrlässigkeit. Willst du nicht lieber den Tag freinehmen?"
"Und wer macht dann meine Arbeit? Womöglich jemand, der es besser kann, und - Päng - wird Bill Manzini abserviert und muss zur Erde. Oder noch schlimmer, zum Mond. Da feiern sie bald den einhundertsten Jahrestag der Erstbesiedlung. Kannst du dir vorstellen, wie ich eine fröhliche Feier organisiere?"
"Nicht wirklich, mein Bester."
Sie klopfte mir auf die Schulter, was mir ausnahmsweise keine Schmerzwellen durch den Körper jagte. Da konnten sich keine Bakterien ansiedeln. Zumindest nicht aus medizinischen Gründen.
"Ich denke, du bist hier besser aufgehoben, bei Mord, Totschlag, Raub, Plünderung, Vergewaltigung, Piratenüberfällen, Vertragsquerelen... Hatte ich Mord schon?"
"Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie deine gute Laune den Tag erhellen kann. Ist das eine Eigenschaft von allen New Yorkerinnen?", scherzte ich.
"Tee ist fertig", meldete die Drohne mit kräftiger Baßstimme, die mir sofort wieder Kopfschmerzen bereitete.
"Kalt, bitte, Harry. Kalt."
"Bin schon dabei, Commander", flötete er gut gelaunt. Mit Hilfe seiner Servos absorbierte er die Wärme aus der Flüssigkeit, bis sie Außentemperatur erreicht hatte. Also weißer Tee. Andere Sorten hätten länger ziehen müssen. "Und ab in Ihr Büro, Commander."
"Danke, Harry.
Also, Eloise, da du mich so ausmaßend lobst, denkst du nicht, dass mein Platz da drin ist?"
"Dazu habe ich noch was zu sagen, Sir!", ereiferte Sergeant Adorest.
"Nanu? Seit wann tragen Sie ein Kreuz, Sergeant? Ich dachte, Ihr Venusianer seid alle Buddhisten", murmelte die Gouverneurin verwundert.
"Das Kreuz hilft gegen Zombies!"
"Vampire, verdammt! Oh, mein Kopf... Willst du mit reinkommen und dabei zuschauen, wie ich durch den Tee wiederbelebt werde, oder hast du was zu tun?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich komme später auf einen Kaffee rein, du Zombie. Jetzt muss ich erst mal runter in den Maschinenraum. Man hat mir gesagt, dass die Deckard-Geschichte noch nicht ausgestanden ist, und..."
Ich fühlte, wie mein Magen zu hüpfen begann. Das war nicht neu für mich. Ich hatte seit dem Ende der Behandlung Würgehusten und dreimal das wieder von mir gegeben, was ich versucht hatte zu frühstücken. Genötigt vom Arzt, wider besseren Wissens. Dieses Gefühl hatte aber mit der BacProlax nichts zu tun. Als Eloise vor mir den Halt verlor und nach oben stieg, war mir klar, wo das Gefühl herkam. "Schwerkraftgenerator?"
Sie seufzte. "Schwerkraftgenerator. Die Schäden am Gerät sind so groß, dass er jederzeit ausfallen kann. Und es ist schon das Notgerät, nachdem dieser Fanatiker von den Neuen Raummenschen sowohl das Hauptaggregat, als auch das Redundanzgerät vernichtet hat, bevor deine Leute ihn aufhalten konnten."
"Kein Ruhmesblatt für meine Truppe", gestand ich.
"Keiner hätte besser und schneller handeln können. Bei gleichem Wissen." Sie klopfte mir auf die Schulter und gab langsam dem Zug der Schwerkraft von Ceres nach. Immerhin, der knapp eintausend Kilometer durchmessende Kleinplanet hatte eigene Schwerkraft. Sie lag zwar bei nicht mal fünf Prozent der Erdnorm, aber er hatte Schwerkraft.
"Danke. Ich fühle mich getröstet. Und ich soll meine Jungs und Mädels jetzt in der Schwerelosigkeit Verbrecher jagen lassen?" Ich stutzte. "Meinst du, die Springbrunnen in der Mall wurden rechtzeitig abgestellt?" Das letzte Mal, beim Deckard-Anschlag, sind etliche Leute naß geworden, weil sie mit herumfliegenden Blasen aus Wasser kollidiert sind, die aus den Brunnen aufgestiegen waren.
"Das ist Sache der zivilen Verwaltung, Captain. Fang du mal schön weiter deine Verbrecher."
"Hier, Ma'am, für Ihre Haare", sagte Adorest und reichte der Gouverneurin drei Haargummi.
"Danke, sehr umsichtig, Sergeant." Sie nahm die Haargummis und bändigte damit ihr langes Goldhaar, das sie bedingt durch die geringe Schwerkraft regelrecht umfloss. So aber wurde es ein Zopfähnliches Gebilde. "Dich kann nichts entstellen, was, Eloise?", scherzte ich.
"In meiner Jugend habe ich nur Pferdeschwanz getragen. Hat mir immer sehr gut gestanden. Nicht jeder kann mit Kurzhaarschnitt so gut aussehen wie dein Sergeant, Bill. Und da meine Jugend im Gegensatz zu deiner Jugend noch keine fünfzig Jahre her ist, kann ich mich da auch noch sehr gut dran erinnern."
"Ja, was auch immer. Ich nehme an, der Termin im Maschinenraum ist jetzt wichtiger denn je."
"Ja, leider. Und es dauert mindestens vier Tage, bis vom Mars ein neuer Generator eintreffen wird. Und damit ist der weder installiert, noch testgefahren und erst recht nicht im Dauerbetrieb."
Sie schwebte zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Werde schnell wieder fit und vergiss nicht unseren Kaffee nachher."
"Ich doch nicht", sagte ich in treuherzigem Tonfall. "Sergeant, erinnern Sie mich an dieses Versprechen mit der Gouverneurin."
"Jawohl, Sir."
Wir lachten. Eloise stieß sich ab und schwebte in Richtung Tür. Man merkte ihr an, dass sie nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation steckte. "Dreifyß, kommst du? Bill, bis nachher."
"Jawohl, Ma'am." Ihre persönliche Drohne stieß sich ebenfalls ab und folgte ihr. Schlimme Zeiten für Ceres, wenn die Gouverneurin nicht ohne eigene Kampfdrohne vor die Tür gehen konnte. Noch schlimmere Zeiten, wenn Verrückte propagierten, die Menschheit müsse in Schwerelosigkeit aufwachsen und in Schwerelosigkeit leben, um echte Weltraummenschen zu werden.
"Tee ist serviert, Sir. Aber Ihr Gast hätte lieber einen heißen Kaffee", meldete Harry.
Ich musterte die entfernt humanoide Konstruktion aus Stahl, Buntmetall und Polymer-Produkten. "Mein Gast?"
"Das wollte ich Ihnen doch die ganze Zeit sagen, Captain. Doktor Bruhns ist da. Er hat hier schon gewartet, bevor wir auf Tag gegangen sind."
"Noch bevor die Kunstsonne hochgefahren hat?" Ich runzelte die Stirn. Das waren drei Stunden. Und der gute Doktor war normalerweise kein Ausbund an Geduld. "Was will er?"
"Hat er mir nicht gesagt. Will er nur mit dem Stützpunktkommandeur besprechen."
"Na, dann..."
Ich schwebte in mein Büro und schloss die Tür hinter mir. "Guten Morgen, Hans."
"Guten Mor... Gestern gesoffen, oder was?" Der Wissenschaftler erhob sich, um mir entgegen zu kommen. Dabei verlor er den Halt und stieg in die Höhe. "Schon wieder?"
"So ist das halt, wenn man terroristischen Fanatikern erlaubt, Techniker in der Maschinenhalle zu werden", sagte ich, schwebte neben den Sessel und drückte den Mann wieder hinein. "Sicher, dass Sie den Kaffee wollen? Den können Sie nur aus einer Niederdrucktasse trinken."
"Doch, ja. Ich hatte heute noch kein Koffein."
Ich schwebte zu meinem Platz herüber, setzte mich und öffnete die Karaffe mit dem Tee. Mit einem Löffel trennte ich einen Teil ab und zog ihn hoch. Die Blase, die dadurch entstand, parkte ich etwa in Mundhöhe vor mir. Schwerelosigkeit hatte etwas Gutes. Und bevor die geringe Schwerkraft den Tee auf dem Boden verteilte, hatte ich bequem zehnmal reagiert.
Ich trank einen Schluck aus der Blase, weil es mir guttat.
"Nachdurst? Kein Wunder, Commander", spottete er.
Ärgerlich sah ich ihn an. "Von wegen Nachdurst. Dann hätte ich ja wenigstens was von gehabt. Stattdessen gab es BacProlax für mich."
"Eieieieieiei. War es schlimm?"
"Geht so", meinte ich und winkte ab. "Nur sehr hohes Fieber, Würgereiz und Erbrechen. Ich glaube, ich gewöhne mich langsam dran."
Ich faltete die Hände auf dem Schreibtisch zusammen. Zugleich stemmte ich die Beine in den Tisch, wodurch mir die Schwerelosigkeit ziemlich egal sein konnte. "Doc, was führt Sie zu mir?"
"Nichts Gutes jedenfalls." Er räusperte sich. "Ich habe Ihnen die Daten rübergeschickt, Commander."
Stirnrunzelnd aktivierte ich meinen Arbeitsplatz. Ein Arbeitshologramm entstand. Ich navigierte zu meinem Eingangsfach und entnahm ihm die elektronische Post. Das Übliche. Schichtpläne, Beschwerden, Dienstpost, Anregungen, Drohungen, Morddrohungen, vollkommen normal. Dann fand ich den Absender, den ich suchte. Der Brief bestand aus einer Videodatei, die fünf Minuten nur eines zeigte: Einen Lichtpunkt. "Und was sehe ich hier gerade, Hans?"
Der Schwarzafrikaner aus dem Bundesstaat Südafrika-Kap zog die Stirn kraus. "Das weiß ich selbst nicht so genau. Die astronomische Abteilung hat es vorgestern entdeckt, und erst heute hat man sich bequemt, mir davon zu berichten. Ich habe die Abteilung erst einmal zu Stillschweigen verdonnert und wollte zuerst mit Ihnen reden - nachdem ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen habe, um meine Astronomen zu bestätigen oder zu widerlegen. Ich habe sie bestätigt."
Unter dem Video standen drei Namen. Markworth, Wu und Ibaba.
"Hans, was sehe ich hier?", fragte ich erneut.
"Auf den ersten Blick ein Objekt mit Null Komma acht neun neun acht sieben acht neun sieben sechsfacher Lichtgeschwindigkeit."
Ich pfiff anerkennend. Das war schnell. Sehr schnell. Das United Science Bureau, eingerichtet und unterhalten von den United States of the System, hatte es bisher nicht geschafft, stärkere Antriebe zu entwickeln als jene, die zuverlässige halbe Lichtgeschwindigkeit erreichten. Dabei lag es nicht unbedingt so sehr an der Beschleunigung selbst. Eher an Sicherheit, Materialbelastung und Schirmfeldtechnologie. Und daran, dass ein Objekt umso mehr Masse aufbaute, je mehr es sich der Lichtgeschwindigkeit näherte. Null komma neunfache Lichtgeschwindigkeit - wir dummen Menschen hätten keine Idee gehabt, wie wir ein solches Objekt hätten handhaben sollen. Selbst unsere Fernexpeditionen zur Centauri-Gruppe erfolgten mit halber Lichtgeschwindigkeit.
"Und was ist daran der beeindruckende Part?"
"Nun, soweit wir festgestellt haben, hat es eine Masse von achtzigtausend Tonnen. Im Ruhezustand unter einfacher Erdschwere. Jetzt ist das natürlich ein bisschen mehr."
Ich pfiff erneut. Ein solches Objekt, so schnell, wenn es die Erde traf, gab das Totalschaden. Teufel auch, ich war mir nicht mal sicher, ob das nicht auch Totalschaden für Jupiter bedeutete.
"Lassen Sie mich raten, Hans. Markworth, Wu und Ibaba haben festgestellt, dass das Ding genau auf die Erde zuhält."
"Es geht in Richtung Erde, ja, aber hat keinen direkten Kurs auf sie."
"Das ist übel, das ist wirklich übel. Wenn es zerbricht, während es die Erdbahn durchstreift, gibt das einen Schrothagel von apokalyptischer Gewalt. Danke für die Mitteilung, Hans, ich schicke die Nachricht sofort per Lichtfunk zur Erde."
"Ich bin noch nicht fertig. Es gibt nämlich noch ein Problem mehr."
"Ist ein achtzigtausend Tonnen-Vehikel mit annähernder Lichtgeschwindigkeit mit Kurs auf die Erde nicht schon Problem genug?", fragte ich verdutzt.
"Nun ja. Es gibt einen Grund dafür, dass das Objekt von allen Zielen im System ausgerechnet unsere klitzekleine, sich zudem auch noch bewegende Heimatwelt anvisiert hat."
"Anvisiert klingt gar nicht gut."
"Glauben Sie mir, Bill, ich habe keine Ahnung, ob es gut ist. Was ich aber weiß, ist, dass das Objekt in acht Tagen die Oortsche Wolke durchstoßen und in unser Sonnensystem eintreten wird. Da wird das Objekt nur noch drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit haben." Er sah mein Entsetzen mit deutlichem Vergnügen. "Ja, Bill. Das Ding wird langsamer. Genauer gesagt, es wird abgebremst. Nicht von kosmischer Materie, nicht von Nebeln oder unseren Nano-Agenten, die wir ins All hinausschießen, damit sie unsere Fernexpeditionen vorbereiten. Sondern gleichmäßig, sehr gleichmäßig. Das Objekt reduziert seine Geschwindigkeit gewollt." Er erhob sich, so gut er das in der Schwerelosigkeit konnte. "Verstehen Sie, Bill? Amanda Markworth, Carsten Wu und Kolja Ibaba haben ein außerirdisches Raumschiff entdeckt! Ihre Namen werden in den Almanach der Geschichte eingehen! Und unsere eventuell auch, wenn wir die ersten sind, die weiterverkünden, was wir gesehen haben." Er runzelte die Stirn. "Falls Sie gerade Ideen von Geheimhaltung und so haben, vergessen Sie es gleich wieder. Je näher das Objekt kommt, desto größer ist die Chance, dass auch andere Projekte es entdecken. Das Ceres-Observatorium ist nicht der einzige Fernbeobachter zur Meteoritenprävention. Und ich denke, Sie stimmen mit mir überein, dass es wenig Sinn macht, so lange zu warten, bis ein andere meldet, was wir entdeckt haben. Einmal vollkommen abgesehen von den vielen, vielen Möglichkeiten, die dieses Raumschiff bedeutet, gute wie schlechte."
Ich sah auf den integrierten Kalender meines Arbeitsholos. Der 13.10.2150 würde so oder so in die Geschichte eingehen. Ein denkwürdiger Tag. Ich aktivierte die Sprechverbindung zu Sergeant Adorest. "Enami, lassen Sie alles stehen und liegen und schaffen Sie mir die Gouverneurin her. Freundlich, aber bestimmt."
"Jawohl, Sir. Was hat sie denn ausgefressen?"
"Nichts. Aber sie wird mir den Kopf abreißen, wenn ich sie nicht so schnell wie möglich über das unterrichte, was Doktor Bruhns mir gerade erklärt hat."
"Verstanden, Sir."
Ich deaktivierte die Verbindung wieder. "Eloise muss informiert werden. Danach entscheiden wir gemeinsam. Der militärische Leiter von Ceres, die zivile Gouverneurin von Ceres und Sie, der wissenschaftliche Leiter von Ceres. Aber auf jeden Fall reserviere ich mir genügend Funkzeit zur Erde. Himmel auch, Hans, wir kriegen Besuch von Außerirdischen!"
"Ja, das war in etwa das, was ich sagen wollte, Bill", schmunzelte der Wissenschaftler. "Zugegeben, Sie haben nicht so dumm geguckt wie ich, als ich es kapiert habe."
"Na, freut mich zu hören." Ein Ereignis von ungeahnter Tragweite stand uns bevor. Und egal, ob es gut oder schlecht sein würde, es würde die Menschheit, die USS und die SySec verändern.
"Morgen, Sir. Wir haben... JA, WAS ZUR HÖLLE?"
Verärgert kniff ich die Augen zusammen und hielt mir beide Hände auf die Ohren. "Bitte, Enami, nicht so laut. Ich hatte einen Scheiß Tag gestern." Ich zwinkerte. "Warum halten Sie mir Ihr verdammtes Kreuz unter die Nase?"
Enami Adorest, Sergeant First Class der SystemSecurity, ließ das kleine Silberkreuz, das sie mit beiden Händen umklammerte, nur langsam wieder los. "Verzeihung, Captain, aber Sie sehen aus, als wären Sie zum Zombie mutiert. Und gegen Zombies hilft ein Kreuz."
Ich lachte und bereute es sofort wieder. Mein Körper reagierte auf die Erschütterung mit Ganzkörperschmerz. "Ein Kreuz hilft gegen Vampire, Enami, nicht gegen Zombies."
"Also geben Sie zu, dass es sie doch gibt!", beharrte die junge Frau von Neu-Fidji.
"Nein, verdammt!", donnerte ich, was ich ebenso bereute wie mein Gelächter. "Sie sind nur Fiktion! Erfindungen der Filmindustrie und der prästellaren Gesellschaft! Sie sind uns nicht ins Sonnensystem gefolgt, und schon gar nicht hierher nach Ceres! Oh, mein Kopf. Bringen Sie mir Tee, Enami, ungesüßt, und in rauen Mengen." Ich wankte auf die Tür hinter ihrem Schreibtisch zu, an dem mein Name prangte: Captain Willard Manzini, versehen mit dem unauffälligen Hinweis: Stützpunktkommandeur.
"Sir, da ist aber noch was, was ich..."
"Meine Güte, Bill, wie siehst du denn aus?", klang eine weitere Frauenstimme auf. Mit forschen Schritten näherte sich die Besitzerin, ergriff mein Kinn und musterte mich eingehend. "Ist es gestern lang geworden, oder hat dich jemand verprügelt? Wenn zweites, dann wusste er, wie er dir wehtun muss."
"Nicht so laut", zischte ich. "Nichts von beidem. Ich habe gestern nur meine BacProlax bekommen. Die hat bei mir immer unerfreuliche Nebenwirkungen. Bis eben war ich noch wegen einundvierzig Fieber Gast von Doktor Calhoun."
"Du meinst, du hast deine LivePre-Behandlung bekommen."
Ich seufzte. "Nein, Miss Gouvernor. Die ist erst in achtzehn Jahren fällig. Da werde ich neunzig. Aber leider komme ich vom Mars, und das bedeutet, dass wir mit Bakterien etwas unterversorgt sind. Ist okay, solange wir auf unserem süßen Wüstenplaneten bleiben, aber wenn wir ihn verlassen und mit euch Terranern leben wollen, brauchen wir halt den einen oder anderen zusätzlichen Trick."
Enami lachte hinter vorgehaltener Hand. "Bakterieninfusion. Wie nett."
"Ja, freuen Sie sich nur, dass Sie auf der Venus leben und eine gegenteilige Behandlung bekommen müssen, sobald Sie Ihren Lufthochdrucktempel verlassen, weil der vor Bakterien und Viren nur so wimmelt", murrte ich. "Und wo bleibt mein Tee?"
"Ist in Arbeit." Sie deutete hinter sich, wo Harry, ihre Drohne, bereits dabei war, mir eine große Kanne mit sichtlichem Vergnügen zuzubereiten. Es hätte nur noch gefehlt, dass er dazu pfiff. Aber wenigstens der Roboter nahm Rücksicht auf meine Kopfschmerzen. "Kalt, bitte. Und schnell, bitte", stöhnte ich. "Ich bin in meinem Büro. Wolltest du was von mir, Eloise Harcourt, Gouverneurin von Ceres?"
"Ja, in der Tat. Aber wenn ich dich so ansehe, schiebe ich das gerne ein paar Stunden auf. Du solltest erst mal wieder zu Kräften kommen." Skeptisch musterte sie mich. "Dass Calhoun dich weggelassen hat, grenzt ja schon an Fahrlässigkeit. Willst du nicht lieber den Tag freinehmen?"
"Und wer macht dann meine Arbeit? Womöglich jemand, der es besser kann, und - Päng - wird Bill Manzini abserviert und muss zur Erde. Oder noch schlimmer, zum Mond. Da feiern sie bald den einhundertsten Jahrestag der Erstbesiedlung. Kannst du dir vorstellen, wie ich eine fröhliche Feier organisiere?"
"Nicht wirklich, mein Bester."
Sie klopfte mir auf die Schulter, was mir ausnahmsweise keine Schmerzwellen durch den Körper jagte. Da konnten sich keine Bakterien ansiedeln. Zumindest nicht aus medizinischen Gründen.
"Ich denke, du bist hier besser aufgehoben, bei Mord, Totschlag, Raub, Plünderung, Vergewaltigung, Piratenüberfällen, Vertragsquerelen... Hatte ich Mord schon?"
"Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie deine gute Laune den Tag erhellen kann. Ist das eine Eigenschaft von allen New Yorkerinnen?", scherzte ich.
"Tee ist fertig", meldete die Drohne mit kräftiger Baßstimme, die mir sofort wieder Kopfschmerzen bereitete.
"Kalt, bitte, Harry. Kalt."
"Bin schon dabei, Commander", flötete er gut gelaunt. Mit Hilfe seiner Servos absorbierte er die Wärme aus der Flüssigkeit, bis sie Außentemperatur erreicht hatte. Also weißer Tee. Andere Sorten hätten länger ziehen müssen. "Und ab in Ihr Büro, Commander."
"Danke, Harry.
Also, Eloise, da du mich so ausmaßend lobst, denkst du nicht, dass mein Platz da drin ist?"
"Dazu habe ich noch was zu sagen, Sir!", ereiferte Sergeant Adorest.
"Nanu? Seit wann tragen Sie ein Kreuz, Sergeant? Ich dachte, Ihr Venusianer seid alle Buddhisten", murmelte die Gouverneurin verwundert.
"Das Kreuz hilft gegen Zombies!"
"Vampire, verdammt! Oh, mein Kopf... Willst du mit reinkommen und dabei zuschauen, wie ich durch den Tee wiederbelebt werde, oder hast du was zu tun?"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich komme später auf einen Kaffee rein, du Zombie. Jetzt muss ich erst mal runter in den Maschinenraum. Man hat mir gesagt, dass die Deckard-Geschichte noch nicht ausgestanden ist, und..."
Ich fühlte, wie mein Magen zu hüpfen begann. Das war nicht neu für mich. Ich hatte seit dem Ende der Behandlung Würgehusten und dreimal das wieder von mir gegeben, was ich versucht hatte zu frühstücken. Genötigt vom Arzt, wider besseren Wissens. Dieses Gefühl hatte aber mit der BacProlax nichts zu tun. Als Eloise vor mir den Halt verlor und nach oben stieg, war mir klar, wo das Gefühl herkam. "Schwerkraftgenerator?"
Sie seufzte. "Schwerkraftgenerator. Die Schäden am Gerät sind so groß, dass er jederzeit ausfallen kann. Und es ist schon das Notgerät, nachdem dieser Fanatiker von den Neuen Raummenschen sowohl das Hauptaggregat, als auch das Redundanzgerät vernichtet hat, bevor deine Leute ihn aufhalten konnten."
"Kein Ruhmesblatt für meine Truppe", gestand ich.
"Keiner hätte besser und schneller handeln können. Bei gleichem Wissen." Sie klopfte mir auf die Schulter und gab langsam dem Zug der Schwerkraft von Ceres nach. Immerhin, der knapp eintausend Kilometer durchmessende Kleinplanet hatte eigene Schwerkraft. Sie lag zwar bei nicht mal fünf Prozent der Erdnorm, aber er hatte Schwerkraft.
"Danke. Ich fühle mich getröstet. Und ich soll meine Jungs und Mädels jetzt in der Schwerelosigkeit Verbrecher jagen lassen?" Ich stutzte. "Meinst du, die Springbrunnen in der Mall wurden rechtzeitig abgestellt?" Das letzte Mal, beim Deckard-Anschlag, sind etliche Leute naß geworden, weil sie mit herumfliegenden Blasen aus Wasser kollidiert sind, die aus den Brunnen aufgestiegen waren.
"Das ist Sache der zivilen Verwaltung, Captain. Fang du mal schön weiter deine Verbrecher."
"Hier, Ma'am, für Ihre Haare", sagte Adorest und reichte der Gouverneurin drei Haargummi.
"Danke, sehr umsichtig, Sergeant." Sie nahm die Haargummis und bändigte damit ihr langes Goldhaar, das sie bedingt durch die geringe Schwerkraft regelrecht umfloss. So aber wurde es ein Zopfähnliches Gebilde. "Dich kann nichts entstellen, was, Eloise?", scherzte ich.
"In meiner Jugend habe ich nur Pferdeschwanz getragen. Hat mir immer sehr gut gestanden. Nicht jeder kann mit Kurzhaarschnitt so gut aussehen wie dein Sergeant, Bill. Und da meine Jugend im Gegensatz zu deiner Jugend noch keine fünfzig Jahre her ist, kann ich mich da auch noch sehr gut dran erinnern."
"Ja, was auch immer. Ich nehme an, der Termin im Maschinenraum ist jetzt wichtiger denn je."
"Ja, leider. Und es dauert mindestens vier Tage, bis vom Mars ein neuer Generator eintreffen wird. Und damit ist der weder installiert, noch testgefahren und erst recht nicht im Dauerbetrieb."
Sie schwebte zu mir und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Werde schnell wieder fit und vergiss nicht unseren Kaffee nachher."
"Ich doch nicht", sagte ich in treuherzigem Tonfall. "Sergeant, erinnern Sie mich an dieses Versprechen mit der Gouverneurin."
"Jawohl, Sir."
Wir lachten. Eloise stieß sich ab und schwebte in Richtung Tür. Man merkte ihr an, dass sie nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation steckte. "Dreifyß, kommst du? Bill, bis nachher."
"Jawohl, Ma'am." Ihre persönliche Drohne stieß sich ebenfalls ab und folgte ihr. Schlimme Zeiten für Ceres, wenn die Gouverneurin nicht ohne eigene Kampfdrohne vor die Tür gehen konnte. Noch schlimmere Zeiten, wenn Verrückte propagierten, die Menschheit müsse in Schwerelosigkeit aufwachsen und in Schwerelosigkeit leben, um echte Weltraummenschen zu werden.
"Tee ist serviert, Sir. Aber Ihr Gast hätte lieber einen heißen Kaffee", meldete Harry.
Ich musterte die entfernt humanoide Konstruktion aus Stahl, Buntmetall und Polymer-Produkten. "Mein Gast?"
"Das wollte ich Ihnen doch die ganze Zeit sagen, Captain. Doktor Bruhns ist da. Er hat hier schon gewartet, bevor wir auf Tag gegangen sind."
"Noch bevor die Kunstsonne hochgefahren hat?" Ich runzelte die Stirn. Das waren drei Stunden. Und der gute Doktor war normalerweise kein Ausbund an Geduld. "Was will er?"
"Hat er mir nicht gesagt. Will er nur mit dem Stützpunktkommandeur besprechen."
"Na, dann..."
Ich schwebte in mein Büro und schloss die Tür hinter mir. "Guten Morgen, Hans."
"Guten Mor... Gestern gesoffen, oder was?" Der Wissenschaftler erhob sich, um mir entgegen zu kommen. Dabei verlor er den Halt und stieg in die Höhe. "Schon wieder?"
"So ist das halt, wenn man terroristischen Fanatikern erlaubt, Techniker in der Maschinenhalle zu werden", sagte ich, schwebte neben den Sessel und drückte den Mann wieder hinein. "Sicher, dass Sie den Kaffee wollen? Den können Sie nur aus einer Niederdrucktasse trinken."
"Doch, ja. Ich hatte heute noch kein Koffein."
Ich schwebte zu meinem Platz herüber, setzte mich und öffnete die Karaffe mit dem Tee. Mit einem Löffel trennte ich einen Teil ab und zog ihn hoch. Die Blase, die dadurch entstand, parkte ich etwa in Mundhöhe vor mir. Schwerelosigkeit hatte etwas Gutes. Und bevor die geringe Schwerkraft den Tee auf dem Boden verteilte, hatte ich bequem zehnmal reagiert.
Ich trank einen Schluck aus der Blase, weil es mir guttat.
"Nachdurst? Kein Wunder, Commander", spottete er.
Ärgerlich sah ich ihn an. "Von wegen Nachdurst. Dann hätte ich ja wenigstens was von gehabt. Stattdessen gab es BacProlax für mich."
"Eieieieieiei. War es schlimm?"
"Geht so", meinte ich und winkte ab. "Nur sehr hohes Fieber, Würgereiz und Erbrechen. Ich glaube, ich gewöhne mich langsam dran."
Ich faltete die Hände auf dem Schreibtisch zusammen. Zugleich stemmte ich die Beine in den Tisch, wodurch mir die Schwerelosigkeit ziemlich egal sein konnte. "Doc, was führt Sie zu mir?"
"Nichts Gutes jedenfalls." Er räusperte sich. "Ich habe Ihnen die Daten rübergeschickt, Commander."
Stirnrunzelnd aktivierte ich meinen Arbeitsplatz. Ein Arbeitshologramm entstand. Ich navigierte zu meinem Eingangsfach und entnahm ihm die elektronische Post. Das Übliche. Schichtpläne, Beschwerden, Dienstpost, Anregungen, Drohungen, Morddrohungen, vollkommen normal. Dann fand ich den Absender, den ich suchte. Der Brief bestand aus einer Videodatei, die fünf Minuten nur eines zeigte: Einen Lichtpunkt. "Und was sehe ich hier gerade, Hans?"
Der Schwarzafrikaner aus dem Bundesstaat Südafrika-Kap zog die Stirn kraus. "Das weiß ich selbst nicht so genau. Die astronomische Abteilung hat es vorgestern entdeckt, und erst heute hat man sich bequemt, mir davon zu berichten. Ich habe die Abteilung erst einmal zu Stillschweigen verdonnert und wollte zuerst mit Ihnen reden - nachdem ich mir die Nacht um die Ohren geschlagen habe, um meine Astronomen zu bestätigen oder zu widerlegen. Ich habe sie bestätigt."
Unter dem Video standen drei Namen. Markworth, Wu und Ibaba.
"Hans, was sehe ich hier?", fragte ich erneut.
"Auf den ersten Blick ein Objekt mit Null Komma acht neun neun acht sieben acht neun sieben sechsfacher Lichtgeschwindigkeit."
Ich pfiff anerkennend. Das war schnell. Sehr schnell. Das United Science Bureau, eingerichtet und unterhalten von den United States of the System, hatte es bisher nicht geschafft, stärkere Antriebe zu entwickeln als jene, die zuverlässige halbe Lichtgeschwindigkeit erreichten. Dabei lag es nicht unbedingt so sehr an der Beschleunigung selbst. Eher an Sicherheit, Materialbelastung und Schirmfeldtechnologie. Und daran, dass ein Objekt umso mehr Masse aufbaute, je mehr es sich der Lichtgeschwindigkeit näherte. Null komma neunfache Lichtgeschwindigkeit - wir dummen Menschen hätten keine Idee gehabt, wie wir ein solches Objekt hätten handhaben sollen. Selbst unsere Fernexpeditionen zur Centauri-Gruppe erfolgten mit halber Lichtgeschwindigkeit.
"Und was ist daran der beeindruckende Part?"
"Nun, soweit wir festgestellt haben, hat es eine Masse von achtzigtausend Tonnen. Im Ruhezustand unter einfacher Erdschwere. Jetzt ist das natürlich ein bisschen mehr."
Ich pfiff erneut. Ein solches Objekt, so schnell, wenn es die Erde traf, gab das Totalschaden. Teufel auch, ich war mir nicht mal sicher, ob das nicht auch Totalschaden für Jupiter bedeutete.
"Lassen Sie mich raten, Hans. Markworth, Wu und Ibaba haben festgestellt, dass das Ding genau auf die Erde zuhält."
"Es geht in Richtung Erde, ja, aber hat keinen direkten Kurs auf sie."
"Das ist übel, das ist wirklich übel. Wenn es zerbricht, während es die Erdbahn durchstreift, gibt das einen Schrothagel von apokalyptischer Gewalt. Danke für die Mitteilung, Hans, ich schicke die Nachricht sofort per Lichtfunk zur Erde."
"Ich bin noch nicht fertig. Es gibt nämlich noch ein Problem mehr."
"Ist ein achtzigtausend Tonnen-Vehikel mit annähernder Lichtgeschwindigkeit mit Kurs auf die Erde nicht schon Problem genug?", fragte ich verdutzt.
"Nun ja. Es gibt einen Grund dafür, dass das Objekt von allen Zielen im System ausgerechnet unsere klitzekleine, sich zudem auch noch bewegende Heimatwelt anvisiert hat."
"Anvisiert klingt gar nicht gut."
"Glauben Sie mir, Bill, ich habe keine Ahnung, ob es gut ist. Was ich aber weiß, ist, dass das Objekt in acht Tagen die Oortsche Wolke durchstoßen und in unser Sonnensystem eintreten wird. Da wird das Objekt nur noch drei Viertel der Lichtgeschwindigkeit haben." Er sah mein Entsetzen mit deutlichem Vergnügen. "Ja, Bill. Das Ding wird langsamer. Genauer gesagt, es wird abgebremst. Nicht von kosmischer Materie, nicht von Nebeln oder unseren Nano-Agenten, die wir ins All hinausschießen, damit sie unsere Fernexpeditionen vorbereiten. Sondern gleichmäßig, sehr gleichmäßig. Das Objekt reduziert seine Geschwindigkeit gewollt." Er erhob sich, so gut er das in der Schwerelosigkeit konnte. "Verstehen Sie, Bill? Amanda Markworth, Carsten Wu und Kolja Ibaba haben ein außerirdisches Raumschiff entdeckt! Ihre Namen werden in den Almanach der Geschichte eingehen! Und unsere eventuell auch, wenn wir die ersten sind, die weiterverkünden, was wir gesehen haben." Er runzelte die Stirn. "Falls Sie gerade Ideen von Geheimhaltung und so haben, vergessen Sie es gleich wieder. Je näher das Objekt kommt, desto größer ist die Chance, dass auch andere Projekte es entdecken. Das Ceres-Observatorium ist nicht der einzige Fernbeobachter zur Meteoritenprävention. Und ich denke, Sie stimmen mit mir überein, dass es wenig Sinn macht, so lange zu warten, bis ein andere meldet, was wir entdeckt haben. Einmal vollkommen abgesehen von den vielen, vielen Möglichkeiten, die dieses Raumschiff bedeutet, gute wie schlechte."
Ich sah auf den integrierten Kalender meines Arbeitsholos. Der 13.10.2150 würde so oder so in die Geschichte eingehen. Ein denkwürdiger Tag. Ich aktivierte die Sprechverbindung zu Sergeant Adorest. "Enami, lassen Sie alles stehen und liegen und schaffen Sie mir die Gouverneurin her. Freundlich, aber bestimmt."
"Jawohl, Sir. Was hat sie denn ausgefressen?"
"Nichts. Aber sie wird mir den Kopf abreißen, wenn ich sie nicht so schnell wie möglich über das unterrichte, was Doktor Bruhns mir gerade erklärt hat."
"Verstanden, Sir."
Ich deaktivierte die Verbindung wieder. "Eloise muss informiert werden. Danach entscheiden wir gemeinsam. Der militärische Leiter von Ceres, die zivile Gouverneurin von Ceres und Sie, der wissenschaftliche Leiter von Ceres. Aber auf jeden Fall reserviere ich mir genügend Funkzeit zur Erde. Himmel auch, Hans, wir kriegen Besuch von Außerirdischen!"
"Ja, das war in etwa das, was ich sagen wollte, Bill", schmunzelte der Wissenschaftler. "Zugegeben, Sie haben nicht so dumm geguckt wie ich, als ich es kapiert habe."
"Na, freut mich zu hören." Ein Ereignis von ungeahnter Tragweite stand uns bevor. Und egal, ob es gut oder schlecht sein würde, es würde die Menschheit, die USS und die SySec verändern.