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Schwarzfeuer (Bergelfen III)

von SilviaK
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Fantasy / P12 / Gen
09.06.2013
18.06.2013
6
21.967
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09.06.2013 3.014
 
Die Sonne berührte die Baumwipfel, als Schwarzfeuer erwachte. Die Elfe hatte schlecht geschlafen, war immer wieder aufgeschreckt. Einmal, um sich zu vergewissern, daß Stürmer nicht leblos und starr wie im Traum neben ihr lag. Und öfter noch, um dem zwingenden Blick eines braunen Augenpaares zu entgehen. Seufzend erhob sie sich, fuhr sich mit den Fingern durch die wirren Locken. Seltsam, daß sie den Jäger immer noch in ihren Gedanken spürte.
Stürmer bemerkte ihre Bewegungen. Er hob die Lider und wollte sich ebenfalls aufrichten, doch Schwarzfeuer hieß ihn, liegenzubleiben. Vorsichtig löste sie den Verband. Die Wunde blutete nicht mehr. Schwarzfeuer lächelte erleichtert und legte neues Fieberkraut auf.
Ja, es würde heilen. Dein Glück, Bogenschütze.
Stürmer japste leise, leckte ihre Hand und schien ihr beruhigend zuzublinzeln. Schwarzfeuer lachte. Sie legte ihre Wange an das warmen Rückenfell.
Noch einmal liefen die Ereignisse dieses Tages vor Schwarzfeuers Augen ab. Sie erschauerte, als ein Nachhall der Gefühle, die mit dem Moment des Erkennens verbunden waren, in ihr erwachte. Seit ihre Sorge um Stürmer nicht mehr Vorrang hatte, wurde der leise Ruf in ihr immer lauter, drängender. Doch der Gedanke an Felsenspringer hinterließ auch ein Gefühl von Erbitterung und Hilflosigkeit.
Schwarzfeuer runzelte die Stirn, beobachtete, wie ihr Wolf nach einem um Erlaubnis heischenden Seitenblick aufstand und zum Bach trottete. Er legte sich nieder, um zu trinken. Es schmerzte ihn, den Hals mehr als nötig zu bewegen.
Auch Schwarzfeuers Kehle war trocken. Sie hockte sich neben ihren Wolfsfreund und schöpfte das Wasser mit der Hand. Hunger verspürte sie immer noch nicht. Es war etwas anderes, das an ihr nagte.
Als sie ihrem Spiegelbild in die dunkelgrünen Augen sah, verzog sie das Gesicht. Ein Blick - und es ist besiegelt. Diesen Ausspruch hatte sie noch nie gemocht. Nichts band sie an diesen menschengroßen Jäger. Nichts außer einer Entscheidung der Elfennatur - und einem Verlangen, das sie nur aus freiem Willen empfinden und erwidern wollte. Nicht einmal Bärenkralle gelang es sonst, sie zu etwas zu bringen, das sie nicht wollte - oder dessen Notwendigkeit sie nicht einsah.
‘Halte dich nicht für stärker, als du bist’, mahnte eine Stimme in ihrem Kopf. ‘Du mußt dem Ruf des Erkennens folgen - genauso wie er. Ob es euch nun paßt oder nicht.’
Mit einem wütenden Knurren zerschlug Schwarzfeuer ihr Spiegelbild in aufgeregte Wellen, konnte die Wahrheit dieses Gedankens aber weder leugnen noch verdrängen. Aber sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken. Nicht, bevor das Wichtigste getan war. Ihr Wolfsfreund kam zuerst. Auch wenn sie keinen Hunger hatte - Stürmer brauchte frisches Fleisch, um bei Kräften zu bleiben. Und da er im Moment nicht selbst jagen konnte, würde sie es für ihn tun.
Doch sie schien heute vom Pech verfolgt zu sein. Nichts, das größer war als ein Baumflinkchen, ließ sich in diesem Wald blicken. Gerade, als Schwarzfeuer belustigt überlegte, wieviele Baumflinkchen sie wohl erlegen müßte, um Stürmer halbwegs satt zu bekommen, stieß sie auf ein Wildlager, das fluchtartig verlassen worden war. Sie trat näher, um die Spuren genauer zu untersuchen, entdeckte ein wenig Blut auf dem Gras und die Abdrücke von Stiefeln. Zwei Paar. Eines davon ein mittlerweile fast vertrauter Anblick.
Schwarzfeuer kniff verärgert die Augen zusammen. Da waren ihr wohl Felsenspringer und sein Freund zuvorgekommen. Ob sie sich noch in der Nähe aufhielten?
Plötzliche Neugier ließ Schwarzfeuer die Suche nach Wild beiseiteschieben. Die Dämmerung war kaum vorüber, sie hatte noch die ganze Nacht und das Morgengrauen dafür Zeit. Ehe sie es sich versah, folgte sie schon den Spuren der beiden Jäger, fest entschlossen, nur zu beobachten und sich auf keinen Fall sehen zu lassen.
Es war dunkel, als Schwarzfeuer die Lichtung erreichte, auf der die beiden Elfen Halt gemacht hatten. Aber sie war leer - nichts deutete mehr auf ihre Anwesenheit hin außer einer kalten Feuerstelle, die mit Erde bedeckt war, und den Abdrücken zweier Lagerstätten. Das Gras hatte sich schon fast wieder aufgerichtet. Die Elfen mußten die Lichtung schon vor Sonnenuntergang verlassen haben.
Schwarzfeuer stand wie vom Blitz getroffen. Ihr Blick huschte über die nachtdunkle Wiese. Die Stille schnitt ihr plötzlich ins Herz.
‘Sie sind weg? Aber er - er kann doch nicht einfach...’
Plötzlich zitterten Schwarzfeuer die Knie, sie ließ sich ins Gras sinken, verwirrt und fassungslos. ‘Wie kann er einfach fortgehen?! Wir haben uns erkannt! Kann - kann es sein, daß er nicht weiß, was mit denen geschieht, die sich verweigern?’
Schwarzfeuer überlief es kalt. Sie grub die Zähne in die Unterlippe, erinnerte sich an Läufer und Sternblüte aus ihrem Stamm. Niemand hatte etwas geahnt, bis Sternblüte während einer Jagd ohnmächtig zusammenbrach. Die beiden dachten gar nicht daran, dem Erkennen Folge zu leisten. Sie mochten sich genauso wenig wie zwei Wölfe, die um den Rang des Rudelführers stritten. Der ganze Stamm begann, sich um ihre Gesundheit zu sorgen, als sie kaum mehr etwas zu sich nahmen, abmagerten, immer reizbarer wurden und sich nicht mehr auf das konzentrieren konnten, was sie gerade taten.
Und sich bei allem dennoch nie aus den Augen ließen.
Erst ein unmißverständlicher Befehl von Bärenkralle bewegte sie zum Einlenken. Und wohl auch die Furcht vor dem, was noch folgen könnte. Obwohl niemand es genau wußte, hieß es, am Ende einer solchen Verweigerung stünde der Tod.
Das alles war nur ein paar Monde vor dem Tag geschehen, als Schwarzfeuer ihren Stamm verließ. Es hatte sie erschreckt, die Veränderung der beiden zu beobachten. Sie wünschte sich, so etwas nie, niemals durchmachen zu müssen. Seitdem haßte sie diese eine Regel, die man nicht brechen oder umgehen konnte.
Drohte ihr jetzt das gleiche wie Läufer und Sternblüte, wenn Felsenspringer nicht zurückkehrte? Und ihm dabei auch?
In Schwarzfeuer verkrampfte sich alles. Was hatte sie zu ihm gesagt? Dann geh doch! Ich bin gespannt, wie lange du es aushältst, dich dem Erkennen zu widersetzen!
”Oh, Idiot!”, fauchte sie, meinte damit mehr sich selbst als den Jäger. ”Hat er das etwa ernst genommen?”
So sehr es ihr auch widerstrebte - sie mußte ihm nach, mußte mit ihm reden. Die Spuren im Dunkeln zu verfolgen war für sie kein Problem. Aber bald mußte es geschehen, bevor die Pflanzen sich wieder aufrichteten und der Geruch verflog.
Und Stürmer...?
‘Tut mir leid, mein Freund’, dachte sie schweren Herzens, als sie sich erhob. ‘Du mußt dich ein wenig gedulden. Ich bin zurück, sobald ich kann.’

Auf dem Weg zum Jagdlager war Felsenspringer in Gedanken versunken und sprach kaum ein Wort. Zwei Raben blieb nicht lange verborgen, daß seinen Freund etwas beschäftigte. ”Was ist los, Felsen? Was geht dir im Kopf herum?”, fragte er, als sie eine kurze Rast einlegten.
”Nichts”, antwortete Felsenspringer - etwas zu schnell, als daß Zwei Raben es glaubhaft fand. Felsenspringer fühlte sich unbehaglich unter seinem forschenden Blick - und dem darauf folgenden Grinsen. ”Oder sollte ich fragen - wer?”
Wußte er etwa...?! Mühsam verbarg Felsenspringer sein Erschrecken, schaute Zwei Raben an, sah das Lächeln, das um seine Mundwinkel spielte.
”Ich kenne dich doch. Du vermißt Windfeder, habe ich recht? Sie ist ja diesmal nicht bei den Sammlern und Trägern dabei.”
Felsenspringer konnte nur nicken. Seit dem Morgen sehnte er sich mehr als sonst nach seiner Gefährtin - und war gleichzeitig froh darüber, daß sie im Berglager geblieben war. Ihre Anwesenheit hier hätte alles nur noch schwieriger gemacht.
Zwei Raben klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter und schmunzelte: ”Du siehst sie ja bald wieder. Ehrlich - ich hätte nie gedacht, daß ihr zwei es ohne Erkennen so lange miteinander aushaltet ...”
”Was hat das denn damit zu tun?”, wollte Felsenspringer mit leichter Entrüstung in der Stimme wissen. Dann bemerkte er das Funkeln in Zwei Rabens Augen und verstand, daß sein Freund ihn nur aufziehen wollte. ”Ach, hör schon auf, ohne Erkennen würdest du bestimmt noch einsam und allein in deiner Höhle hocken”, rächte er sich, nutzte die Stichelei, um zu verbergen, was in ihm vorging.
Zwei Raben warf ihm einen belustigt-verärgerten Blick zu. ”Da bist du dir sicher? Hm, ist ja interessant, endlich mal zu erfahren, was du so von mir hältst.”
”Du weißt schon, wie ich das meine”, sagte Felsenspringer und knuffte ihn in die Seite.

Das Jagdlager befand sich in einem Rund dichtverzweigter Bäume, nahe eines schmalen, schnellen Flußlaufes. Früher hatten die Jäger und Sammler der Bergelfen es nur im Herbst aufgesucht, um sich für den Winter mit allem, was sie aus den Vorgebirgswäldern brauchten, zu versorgen. Aber in den letzten Sommern waren vor allem die Jäger immer öfter heruntergekommen. Die alte Furcht vor Menschen, die durch das Gebiet ziehen mochten, erwies sich als unbegründet und geriet immer mehr in Vergessenheit.
Heute war, wie jeden Herbst, fast der ganze Stamm im Jagdlager versammelt, und die fröhliche Begrüßung ließ Felsenspringer das Geschehene für eine Weile vergessen. Bald saßen er und Zwei Raben mit den anderen in der Runde am Feuer, sahen erwartungsvoll zu, wie Blaustern und Klinge ein Reh über den Flammen brieten, und lauschten den Erzählungen über die vergangenen zwei Tage. Die Jäger, angeführt von Nachtauge, dem Ältesten des Stammes, waren mehr als erfolgreich gewesen. Auch die Tragekörbe der Sammlerinnen waren gut gefüllt.
”Ich fürchte fast, wir müssen den Weg zweimal gehen, um alles hinaufzutragen”, meinte Nachtauge mit einem Blick zur Vorratshöhle, die Ari und Windfeder vor einiger Zeit in den Waldboden geformt hatten.
Felsenspringer blickte Klinge über den Rehbraten hinweg an. Er hatte in der Vorratshöhle die Beute von Klinges Schlingfallen gesehen und war fast erschrocken darüber. So viel hatte er nach ihrem mageren Fang nicht erwartet. ”Meinst du nicht, daß du es mit den Fallen ein bißchen übertreibst? Noch so ein Tag – und in diesem Wald gibt es keinen einzigen Hasen mehr. Das ist auch nicht gerade der Sinn einer Jagd.”
”Jetzt übertreibst du aber ein bißchen”, verteidigte sich Klinge mit einem Stirnrunzeln. ”Deswegen habe ich die Fallen ja so weit entfernt voneinander gestellt. Ich weiß so gut wie du, daß es weder uns noch dem Wald nützt, wenn wir zuviel Tiere erlegen!”
”Ja, schon gut”, lenkte Felsenspringer ein. Er war immer noch in einer etwas gereizter Stimmung.
”Weißt du noch, wie du dich damals in dieser Lederschlinge verfangen hast?”, fragte Klinge plötzlich. Zwei Raben verschluckte sich beinahe und setzte hastig den Trinkschlauch ab, seine Augen funkelten belustigt.
Felsenspringer verbiß sich ein Lachen. Die Erinnerung stand ihm deutlich vor Augen. ”Oh ja, diese Astfalle, die einen in die Luft reißt. Vielen Dank, ich weiß es noch! An einem Bein hängend zwischen Himmel und Erde!” Der dunkelhaarige Klinge erwiderte seinen gespielt zornigen Blick mit einem wissenden Grinsen. ”Du hättest mich aber auch vorwarnen können, wo du deine Fallen ausprobierst!”
”Das war ein Test, wie scharf deine Augen sind, großer Jäger!”, amüsierte sich Klinge. ”Ein herrliches Bild. Wollt ihr es noch einmal sehen?”
Felsenspringers Miene verfinsterte sich etwas. Ein Test – das hatte Klinge damals auch behauptet, nachdem er es in einem offenen Senden abends am Feuer zum Besten gab. Felsenspringer wußte nicht, über wen er sich mehr ärgern sollte - über sich selbst, weil er die Falle übersehen hatte, oder über Klinge, der nicht daran dachte, ihn auf sie aufmerksam zu machen, und auch noch den halben Stamm an seinem Mißgeschick teilhaben ließ. Aber dann hatte er selbst darüber lachen müssen. Heute verspürte er jedoch wenig Lust, sich die alten Sticheleien noch einmal anzuhören.
”Ich sollte mir wohl auch einmal einen Test für dich ausdenken”, drohte Felsenspringer mit einem gewinnenden Lächeln. ”Und außerdem ... wäre es nicht langsam an der Zeit, daß wir dich Schlinge nennen – statt Klinge?”
”Da bin ich aber dagegen!”, protestierte Klinge. Blaustern lachte leise, drückte ihrem Gefährten ein Messer in die Hand und maß ihn mit einem neckenden Blick. ”Hier, Schlinge, mach dich nützlich und schneid‘ den Braten an. Ich kann diese hungrigen Augen nicht mehr sehen!”
”Jetzt fängst du auch noch an!”, stöhnte der Fallensteller, warf dann einen wenig begeisterten Blick zu Felsenspringer, der mit seiner kleinen Rache ganz zufrieden war.
Zwei Raben, die Arme um seine Gefährtin Winterlicht gelegt, grinste seinen Freund an. *Er zieht dich zu gern immer wieder damit auf, was?*
*Hmm. Aber ich weiß auch noch sehr genau, wie du und ich ihn das letzte Mal dafür in den See geworfen haben.*
*Was ihm irgendwie gar nicht gefallen hat*, erinnerte sich Zwei Raben und zwinkerte Felsenspringer zu. Der Jäger lachte in sich hinein, lehnte sich zurück und hielt mitten in der Bewegung inne, als ein geschlossenes Senden ihn erreichte – so unerwartet, daß er zusammenfuhr, und so schmerzlich vertraut, daß er am liebsten stumm geblieben wäre.
*Schwarzfeuer?*, fragte er nach einem Moment der Überraschung ebenfalls geschlossen, richtete sich wieder auf und starrte suchend in das dichte Unterholz.

Schwarzfeuer war es nicht schwergefallen, den Spuren zu folgen. Immerhin jagte ihr Stamm bei Nacht. Doch lange, bevor sie jemanden sah, hörte sie die Geräusche schnell fließenden Wassers - und auf einmal stieg ihr ein seltsamer Geruch in die Nase.
Verbranntes Fleisch!
Die Wolfsreiterin blieb stehen, angewidert verzog sie das Gesicht. Felsenspringer hatte sich geirrt. Es gab Menschen in diesen Wäldern! Und die Spuren führten direkt darauf zu!
Schwarzfeuer erschrak. Wenn er und sein Begleiter nun in Gefahr waren? Sein Stamm schien die Fünffingrigen kaum zu kennen und wähnte sich in Sicherheit! Sie war zwar eine Kämpferin - aber allein, noch dazu ohne Stürmer, der sie unterstützen konnte. Aber sie hatte nicht zum ersten Mal mit Menschen zu tun. Die waren manchmal so plump und schwerhörig, daß ein geübter Wolfsreiter sich anschleichen und im Finstern neben sie stellen konnte, ohne bemerkt zu werden.
*Felsenspringer?*, sendete sie besorgt in die Dunkelheit hinein, nahm den Bogen von der Schulter und setzte lautlos einen Fuß vor den anderen, auf den Ring aus dichtbelaubten Bäumen zu, hinter dem sich das Feuer verbergen mußte. Seltsam - es roch hier gar nicht nach Menschen. Sollte etwa...
Schwarzfeuer sah Flammen zwischen den Ästen hindurchschimmern, hörte leises Lachen und Worte - in ihrer eigenen Sprache! Sie atmete erleichtert auf, froh darüber, sich getäuscht zu haben. Gleichzeitig vernahm sie die überraschte Antwort des Jägers.
*Wer bist du?*, erklang plötzlich noch eine Stimme in ihrem Kopf.
Schwarzfeuer fuhr herum, sah sich einer Gestalt gegenüber, größer als sie, die fast geräuschlos nähertrat. Anscheinend lagerten außer Felsenspringer und seinem Freund noch andere an diesem Feuer.
Was jetzt? Zurück in die Dunkelheit? Sie hatte sich doch nicht zeigen wollen! Aber nun  tauchten zwei weitere Gestalten aus dem Baumrund auf, offenbar von der Elfe, die sie entdeckt hatte, herbeigerufen.
Schwarzfeuer seufzte. Sie senkte den Bogen, den sie gespannt gehalten hatte, und blieb, wo sie war. *Wer seid ihr?*, fragte sie anstelle einer Antwort.
*Bergelfen. Mein Name ist Nachtauge - ich bin der Anführer und Stammesälteste.* Sein Senden war klar und vertrauenerweckend. Der Elf, der die Spitze seines Speeres zu Boden richtete, war stämmig und kräftig, etwas kleiner als die anderen, was ihn Schwarzfeuer gleich ein wenig sympathisch machte. Er maß sie mit einem langen, scharfen Blick, musterte ihre Waffen und ihre Kleidung - fast so, als vergliche er sie mit etwas, das er in Erinnerung hatte. Die Elfe mit den rotbraunen Locken hielt einen prall gefüllten Wasserschlauch in den Händen und sah neugierig auf sie herab. Und der zweite Elf, sehr groß, mit kantigen Zügen, die Schwarzfeuer an Felsenspringer erinnerten, blieb stumm und aufmerksam an ihrer Seite. Leise Schritte erklangen, als noch jemand eilig das Baumrund umschritt und näherkam.

Felsenspringer hatte noch mit seiner Verblüffung zu kämpfen, als Nachtauge plötzlich aufsprang und seinen Speer ergriff. *Wildbach hat eine fremde Elfe entdeckt*, informierte er seine Stammesgefährten, forderte Eisgänger mit einer Kopfbewegung zum Mitkommen auf und eilte zur Lücke zwischen den Bäumen, um in den Wald hinauszulaufen. Eisgänger berührte seinen Sohn an der Schulter. ”Du auch!”, flüsterte er und war schon davon, dem Anführer nach.
Ohne einen Blick in die verdutzten Gesichter folgte ihm Felsenspringer ein paar Augenblicke später. Sein Herz schlug schneller. Schwarzfeuer... Was tat sie hier? Weshalb war sie gekommen? Durfte er sich anmerken lassen, daß er sie kannte?
Da stand sie auch schon, den Bogen in den Händen, abwartend und forschend den Blick auf die unbekannten Elfen gerichtet. Als sie ihn sah, schien sie etwas sagen zu wollen - schwieg dann aber, die Augen etwas schmaler als noch vor Sekunden.
Nachtauge drehte sich zu ihm um, sendete eine Frage: *Sie ist keine Gleiterin - oder? Du kennst diese besser als wir anderen.*
*Nein, keine Gleiterin*, antwortete er sofort, bemerkte das leichte Stirnrunzeln Schwarzfeuers, die wohl ahnte, daß die beiden Bergelfen Gedanken über sie austauschten. Und es schien ihr nicht gerade zu gefallen, daß sie sie nicht verstand.
*Wissen sie es?*, sendete sie, an Felsenspringer gewandt.
*Nein*, gestand er und senkte den Blick.
Schwarzfeuer war nicht erstaunt - sie hatte nichts anderes erwartet nach den nicht besonders glücklichen Begebenheiten dieses Tages. Und doch - sie war bereit gewesen, für diesen Bogenschützen gegen irgendwelche Menschen anzutreten! Na gut, davon wußte er ja nichts. Ein wenig Enttäuschung und Ärger schwangen trotzdem in ihrer Antwort mit:
*Wir kennen uns also nicht.*
”Wie nennt man dich? Und zu welchem Stamm gehörst du?”, fragte Nachtauge nun direkt.
”Ihr Name ist Schwarzfeuer”, antwortete Felsenspringer, bevor die Wolfsreiterin zu Wort kam. Es war ihm zuwider, seinen Leuten mehr zu verschweigen als unbedingt nötig. Und ihr gegenüber wäre es auch nicht fair gewesen. ”Wir ... sind uns heute schon einmal begegnet.”
Die Wolfsreiterin war von seiner Eröffnung genauso überrascht wie seine drei Stammesgefährten. ”Warum hast du uns nichts davon gesagt?”, wollte Nachtauge erstaunt wissen.
”Auf meinen Wunsch”, sprang Schwarzfeuer dem Jäger bei. Sie verspürte auch wenig Lust, den ihr fremden Elfen alles andere erklären zu müssen. ”Ich war ... unschlüssig. Aber meine Neugier hat gesiegt. Du fragtest nach meinem Stamm. Ich bin Wolfsreiterin.”
”Wolfs-Reiter?” Der schlanke, große Elf runzelte fragend die Stirn. Jetzt, wo Felsenspringer neben dem Älteren stand, war die Ähnlichkeit der beiden in Gesicht und Gestalt offensichtlich. Mit Sicherheit, dachte Schwarzfeuer, sind es Vater und Sohn.
”Ja. Aber mein Wolfsfreund ist nicht hier. Ich habe ihn bei meinem Lager gelassen, bevor ich aufbrach, um mir das eure anzusehen. Ihr seid Jäger. Ich wollte nicht riskieren, daß ihr ihn verletzt - irrtümlicherweise.”
Felsenspringer quittierte Schwarzfeuers Bemerkung mit einem schmaläugigen Blick, schwieg aber dazu. Schwarzfeuer lächelte zynisch. Den Seitenhieb hatte sie sich nicht verkneifen können.
”Wir haben lange niemanden mehr von unserer Art getroffen”, ergriff Nachtauge wieder das Wort. ”Möchtest du mit zu unserem Feuer kommen?”
”Nun - warum nicht?”
‘Solange ihr mich mit verbranntem Fleisch verschont’, dachte Schwarzfeuer. Vielleicht ergab sich bald eine bessere Gelegenheit, mit Felsenspringer zu reden.
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