Normal.?
von Aenia
Kurzbeschreibung
Ein ganz stinknormales Mädchen, das ganz stinknormal aussieht, will ein ganz stinknormales Leben führen. Aber wie das immer so ist, kommt es nie so, wie man es gern will. Ob das nun schlecht ist oder nicht, wird sich erst zeigen. Nur leider dauert das "sich zeigen" bei Lydia sehr lange. Genaugenommen um die 11 Jahre. Und 10 Jahre lang hat sie die Illusion des "Normalen" sogar fast aufrecht erhalten können. Doch dann steht da Logan vor ihrer Tür und will seine 10-jährige Tochter sehen. (Ein Neuversuch der Kurzbeschreibung- liegt mir echt nicht besonders. ;D)
GeschichteDrama / P12 / Gen
02.06.2013
31.05.2014
37
96.983
1
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Dieses Kapitel
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02.06.2013
7.243
Es ist etwas seehr lang und ich kann es leider nicht ändern. Aber lasst euch nicht verschrecken- die nächsten Kapitel sind deutlich kürzer. ;D Das kursiv gedruckte ist nicht unbedingt nötig zu lesen..es gibt eher einen Einstieg in die Charaktere und so weiter.. Aber wenn euch das zu lang ist, könnt ihr, wie gesagt, das kursiv gedruckte weglassen. ;D
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Prolog
„Mama...du sollst mir kein Roman erzählen!“ stöhnte meine kleine Tochter. Gelangeweilt stützte sie ihren Kopf mit der Hand ab und drehte ihre Tasse auf dem Küchentisch im Kreis. Ich verdrehte die Augen und ignorierte ihre Bemerkung: „Nach 10 Minuten sah ich sie um die Ecke biegen.“
„Wen?“ hakte sie nach.
„Hörst du wohl zu?" lachte ich, "Ich bin doch gerade dabei, es zu erzählen.“
„Schon gut.." murmelte sie, "Ich höre.“
Ich nickte und fuhr fort: „Florian und an seiner Hand du. Ich lief über die Straße, euch entgegen. Du konntest schon laufen und sprechen- du warst ja schon 2.“
„Warte..warte!" rief sie auf und ihre blauen Augen blitzten, "Wie alt warst du Mama?“
„18.“
„Und du sagst, ich war schon 2?“ sie runzelte verwirrt die Stirn.
„Ja?“ hakte ich nach und musste schon schmunzeln, als ich mitbekam, dass sie endlich begriff.
„Dann hast du mich mit 16 bekommen?!!" rief sie entgeistert aus, "Warum hast du mir das nie erzählt?! Und Florian? Der ist mein Vater?!!“
„Bleib doch mal ruhig!!“ rief ich lachend. Sie war inzwischen aufgesprungen und griff mich an den Schultern. Sie war grade 10 geworden, und das ist das Alter, wo sie anfangen Fragen zu stellen. Ich kam also nicht mehr drum rum, Antworten zu geben. Vorsichtig drückte ich sie zurück auf den Küchenstuhl, woraufhin ich mich wieder zurück an die Arbeitsfläche lehnte. Entspannt schlürfte ich meinem Kaffee.
„Trink dein Kakao.“ sagte ich.
Doch stattdessen drängte sie mich weiter: „Mama, los, sag! Ist das wahr?“
„Ja, ich war 16. Aber dein Vater ist nicht Florian.“
Sie atmete erleichtert auf und meinte lächelnd: „Gut so. Ich wüsste nicht, wie ich damit klar kommen sollte, dass mein Patenonkel mein Vater ist..“
„Nun ja, er ist es ja nicht.“ gab ich zurück.
„Ja. Und jetzt los! Erzähl weiter! Wer ist mein Vater? Er muss auf jeden Fall reich sein, wie sonst könntest du so ein riesiges Haus bezahlen nur mit einem Einkommen einer Erzieherin?“
„Warum konntest du nicht dumm geboren sein, hä?" gluckste ich, "Von dem Geld hätte ich dich in ein Internat stecken sollen!“
Wir lachten und ich verschüttete fast meinen Kaffee.
„Aber jetzt wirklich! Erzähl!“ drängelte sie.
„Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Und dann lächelte ich Florian zu und gab ihn einen Kuss auf die Wange.“
„Wart ihr zusammen, Mama?“
„Nein..wir..haben uns nur gut verstanden. Und da er in die Schule ging, die deinem Kindergarten näher war, bat ich ihn dich abzuholen und dich zu mir zu begleiten. Natürlich durfte er auch mit nach Fürstenberg kommen. Daraus wurde dann eine tiefe Freundschaft. Und schließlich beschloss ich, dass er so etwas wie die Vaterrolle übernehmen sollte, da deiner ja nicht im Land war.“
„Nicht im Land? Ist er ein Ausländer?!!“
„Ähm...ja.“ Und weiter ging ich nicht auf die Frage ein, sondern erzählte weiter: „Ich nahm dich also auf den Arm und Florian an die Hand und wir gingen Richtung Auto. Dabei mussten wir an einer Menge Schüler vorbeigehen, die gerade auf ihren Bus warteten. Dabei zog ich Unmengen von Blicke auf uns, besonders von den Schülern meiner Jahrgangs-Stufe. Es gab nur wenige, die tolerierten, dass ich bereits ein Kind hatte. Die meisten Blicke waren also eher missbilligend und unfreundlich. Es war nicht leicht für mich auf einmal von so vielen Leuten, besonders Mädchen, nicht gemocht zu werden. Ich redete mir immer wieder ein, dass die Meinung der anderen egal sei und allein das zählte, was mich glücklich machte. Und ich war mit dir glücklich! Ich konnte gar nicht glücklicher sein! Du warst ein Geschenk Dora.“
„Ja, genau. Deswegen heiße ich Theodora.“ stellte sie fest.
Ich nickte lächelnd: „Genau.“
„Und weiter?“
Die Türklingel unterbrach mich, woraufhin mein Blick zur Uhr wanderte.
„Pünktlich wie immer.“ bemerkte ich, stellte die Tasse ab und ging zur Tür, um den Gast zu empfangen.
„Mama halt! Warte!" rief Theodora, "Wie geht’s denn weiter!“
„Schuldige, kann ich dir die Geschichte ein anderes Mal weiter erzählen?“ fragte ich und deutete auf die Tür. Sie verdrehte die Augen und sagte: „Na gut..“ Ich beugte mich runter und küsste sie auf die Stirn. „Hab dich lieb, Theodora.“
„Ich dich auch, Mama.“ Sie lächelte und hüpfte die große Treppe im Eingangsbereich zu ihrem Zimmer herauf. Dabei wehten ihre langen dunklen Locken, was mich unweigerlich an ihren Vater erinnerte. Als es klopfte drehte ich mich um und ließ den Gast herein.
„Es ist eiskalt, verdammt! Warum hast mich so lange warten lassen!?“ schimpfte Elise.
„Ich freu mich auch dich zu sehn.“ lachte ich. Elise verdrehte die Augen und umarmte mich. Während sie ihren beschneiten Mantel auszog fragte ich sie: „Wo hast du denn deine Kinder und deinen Mann gelassen?“
„Die wollte heute unbedingt in den Park! Furchtbar, oder? Es sind – 15 Grad? Und die wollen spielen gehen!“
„Und dein Mann macht das einfach so mit?“ lachte ich.
„Der hat ja keine andere Wahl. Sie kommen nachher nach. Ich denk mal so um fünf.“
„Ok..gut zu wissen. Möchtest du einen Kaffee? Oder vielleicht einen heißen Kakao? Ich weiß ja, dass du immer noch keinen Koffein magst.“
Sie rieb sich die Hände und grinste: „Oh ja! Das währe jetzt super!“
Wir gingen also in die Küche. Ich stellte eine Tasse Milch in die Mikrowelle und Elise setzte sich auf den Stuhl, wo schon Dora gesessen hatte. Sie kippte die Tasse ein wenig an, um sehen zu können, was drinnen ist.
„Hier hat wohl schon jemand einen Kakao getrunken, was?“ sagte sie.
„Ja, ich hab ihr erzählen müssen, wer ihr Vater ist.“
Ich ging zu ihr und setzte mich ihr gegenüber. Dann rief ich laut: „Theodooooraaa!!!“
Und da kam sie schon die Treppe herunter gepolterte und in die Küche geschlittert.
„Tu das nicht! Sonst fällst du irgendwann noch hin.“ Ermahnte ich sie und reichte ihr die Tasse.
„Tu ich nicht! Ich kann das!“ sie nahm die Tasse entgegen und kippte sich die halbe Tasse schon kalt gewordenen Kakao hinter.
„Hi Dora.“ Sagte Elise. Dora stellte die Tasse ab und grinste mit einem Schoko-Bart Elise an: „Tante Elise!!“ Sie ging auf sie zu und drückte sie. Isi beugte sich zu ihr runter und wischte ihren Mund sauber.
„Oh, hatte ich schon wieder einen Bart?“ fragte Dora. Isi und ich sahen uns an und lachten.
„Was?“ fragte Dora.
„Ach nichts.“ meinte Isi, „Und? Was hast du heute gemacht?“
„Naja, ich war in der Schule, bin nach Hause gekommen, habe was gegessen, habe gelesen und mit Paulchen geschmust, war draußen und hab mit Enni gespielt, habe Lisa getroffen und wir haben einen Schneemann gebaut und an unserem Iglo gebaut und dann war ich hier drin und Mama hat angefangen eine Geschichte zu erzählen und dann kamst du und hast sie unterbrochen.“ Dora sah Elise schräg an, diese sagte dann: „Oh, das tut mir Leid. Aber deine Mama wird sie dir bestimmt weiter erzählen, oder?“
Sie sah mich an und ich nickte ihr lächelnd zu.
„Viel hast du heut gemacht. Und? Machst du jetzt Hausaufgaben?“
Elise sah mich grinsend an und ich schlürfte grinsend an meinem Kaffee. Auch Isi mochte es andere zu ärgern.
„Neeeiiiin. Tante Isi! Jetzt sind doch Ferien! Da muss ich doch keine Hausaufgaben machen!“
„Ach ja! Das habe ich ja ganz vergessen!!“ los Elise wie gedruckt. Dora rollte mit den Augen und stupste sie an. „Wie kannst du das vergessen! Du hast doch selber 3 Kinder die in die Schule gehen! Und noch dazu zwei die in den Kindergarten gehen!“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Hm, dann geh ich mal wieder hoch, ja?“ sie sah mich fragend an. Ich nickte ihr zu. Und als sie weg war machte es auch schon „Ding“. Ich mischte ihr mit dem Pulver den Kakao zusammen und wir gingen ins Wohnzimmer. Schnaufend ließ sich Elise in den Sessel fallen und fuhr sich mit der Hand durch die dunkelblonden Haare. Ich stellte ihr den Kakao hin und versuchte den Ofen anzuheizen, was nicht so recht funktionierte. Doch schließlich gelang es mir. Ich setzte mich auf das Sofa und starrte ins Feuer.
„Und? Wie war dein Tag?“ murmelte Elise und schlürfte an dem Kakao.
Ich zog ein Bein auf das Sofa und murmelte: „Naja, eigentlich ganz ok. Ein Kind hat sich mit der Schere geschnitten, aber nicht sehr tief. Das einzige Problem war heute Dora.“
„Du meinst, wegen ihres Vaters?“
„Ja.." nickte ich und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, "Eigentlich habe ich gehofft, sie nimmt es einfach hin, ohne zu fragen. Aber das war ja nun nicht so.“
„Wirst du ihr die Wahrheit sagen?“
Ich sah Elise lange und nachdenklich an. „Ich belüge mein Kind nicht, Isi.“ Dann sah ich wieder in die Flammen, „Das weißt du.“
„Sicher..“
„Aber ich werde es lang genug aufschieben." lachte ich, "Ich glaube sie ist noch nicht dazu bereit, die Wahrheit zu vertragen. Ich weiß nicht, wie sie damit umgehen wird.“
„Und wie willst du das anstellen?“
„Ich erzähle alles. Ab der 7. Klasse und überspringe die 10. Erst ganz am Ende werde ich es ihr erzählen. Ich hoffe sie ist dann schon elf.“
Ich grinste Isi an. Die fing an zu lachen: „Du willst ein ganzes Jahr lang eine Geschichte erzählen?“
Ich zuckte die Schultern und schlürfte an meinem Kaffee. „Ich weiß es nicht. Meinst du, sie ist schon dazu bereit?“
„Vielleicht. Das kann man nie wissen. Es könnte auch gut sein, dass sie mit 16 noch nicht dazu bereit ist.“ stellte Elise fest. Ich schnaufte und ließ mich stöhnend zurückfallen: „Naja, ich werde das schon irgendwie packen.“
„Ja, das weiß ich.“
„Hm...und wie war dein Tag?“
„Er war...anstrengend? Er ist immer anstrengend...ich freu mich aber schon aufs Arbeiten.“ Sie grinste mich an. Ich schüttelte den Kopf: „Das werde ich nie verstehen.“
„Tja...bist du schon mit deinem Roman weitergekommen?“
„Hm...es ist schlecht." stellte ich stumpf fest, musst aber im nachinein grinsen.
„Hör auf das zu sagen! Es ist nicht schlecht!“ rief sie aus.
„Aber auch nicht gut!“
„Es ist speziell.“
„Ja.“ lachte ich.
„Dein erstes Buch hat sich aber gut verkauft! Du hast doch eine Menge verdient!“
„Und alles gespendet!“
Elise zuckte die Schultern: „Ist doch gut! Du kriegst doch genug Geld. Das hattest du nicht nötig.“
Ich grinste: „Ja. Zum Glück hat Theodora einen reichen Vater.“
„Zum Glück hat ein reicher Mann sich in dich verliebt.“ gab sie zurück. Ich reagierte nicht darauf- es schmerzte noch zu sehr.
„Tut mir Leid.“ sagte Isi.
„Ach quatsch. Das geht schon.“ murmelte ich.
„Warum erlaubst du ihm nicht einfach, Dora zu sehn?“
„Das hatten wir doch schon.“
„Aber er ist ihr Vater!" rief sie aus, "Er hat das Recht sie zu sehen! Du hast Glück, dass er dich wohl immer noch liebt, sonst hätte er sich das bestimmt schon längst eingeklagt.“
Ich sah sie an und lächelte: „Tja. Er darf sie trotzdem nicht sehn.“
„Dann siehst du ihn auch nie wieder!“
Ich musste mit den Tränen ringen und rief: „Ich weiß!! Aber soll ich aus Egoismus Doras Leben versauen?!!“
„Sie wird ihn sowieso irgendwann selbst suchen!“ rief Elise schon fast verzweifelt aus. Wir hatten schon so oft solche Art Gespräche.
„Dann ist es so, aber dann wird sie auch alt genug sein. Und jetzt lassen wir das Thema, ja?“ sagte ich. Nach einer Pause, die wir zusammen gemurmelt unter einer Decke saßen und in die Flammen starrten, fragte ich Isi lachend: „Kannst du dich noch an den Winter 2012 erinnern?“
„Was war denn da?“
"Da wurde ich doch schwanger!" lachte ich.
"Achso jah!"
"Ja.." lachte ich, "Schade, dass er nicht ein ganz normaler Junge war."
"Mann- meinst du. Er war 21."
"Und ich 16."
"Ja." sie nickte und vermied es, mich anzusehen.
"Ist das ein Vorwurf, Isi?" gluckste ich.
"Nein, nein..es ist nur komisch, oder? Das ist doch illegal."
"Hm...ich hatte nichts dagegen. Und du weißt echt nicht mehr, wie wir ihn kennengelernt haben?"
"Nein.."
"Wie?!" rief Theodora, die hinter der Ecke vorkam und auf uns zu sprintete.
"Verdammt.." murmelte ich. Ich setzte mich aufrecht hin. Ich wusste, dass sie jetzt keine Ruhe mehr geben würde, bis sie es wusste. Ich hob sie aufs Sofa und deckte sie mit zu.
"Du willst es also jetzt erzählen?" fragte Elise.
"Ja, warum nicht. Aber Dora- ich werde keinen Namen nennen, ok? Das kommt erst später, ja?"
"Ok.." murrte sie. Ich lächelte, nahm sie in den Arm und fing an zu erzählen.
"Bevor du geboren wurdest, war ich in der 10. Klasse. In diesem Jahr fuhren wir nach Amerika und machten dort unseren Abschluss."
"Wieso das?" fragte Dora verwirrt.
"Nun ja, deine Tante und ich wollten unbedingt nach Amerika und damals im Winter, hatten wir die Gelegenheit dazu, nach Amerika zu fliegen. Das war..naja.." Ich grinste und ließ es bei dieser Erklärung. Der Rest war nämlich Täuschung und Schummelei.
"Wir kamen an und gingen erst einmal in eine Schule in New York. Als dann Winterferien waren, wollten wir uns mal Hollywood ansehn. Und da trafen wir ihn."
"Ach ja...." machte Elise schließlich. Ich verdrehte die Augen und erzählte weiter: "Naja, wir beide waren ziemlich abgelenkt und achteten nicht darauf, wo wir hin liefen. Wir sahen uns um oder aufs handy. Und als ich gerade mit meinem handy beschäftigt war, rempelte ich jemanden an. Mein handy fiel auf den Boden. Ich meckerte ziemlich hefitg und sah den Mann nicht mal an. Aber bevor ich mein handy aufheben konnte, tat er es. Ich nahm es entgegen, ohne aufzusehen. Elise, die neben mir stand, stieß mich die ganze Zeit an, bis ich genervt fragte, was sie wolle. Sie zeigte auf den Mann und ich hätte mein handy fast noch einmal fallen gelassen. Vor uns stand dein Vater! Er hatte eine Sonnenbrille auf, aber ich wusste genau, welche Augenfarbe er hatte, da ich ein Fan von ihm war."
"Er ist ein Star?!!" fragte Dora aufgeregt.
"Ja.." sagte ich grinsend.
"Wie sieht er aus?!"
"Ähm...damals waren seine Haare dunkel und etwas länger, als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte. Er ist relativ groß, aber wahrscheinlich kam es mir nur so vor, weil ich klein bin. Wie gesagt, hat er blaue Augen und sein Körper ist ..ähm..er ist nicht zu durchtrainiert, aber er hat schon Muskeln. Hilft dir das weiter?"
"Nicht unbedingt. Das könnte jeder sein." murrte sie. Elise und ich lachten.
"Erzähl weiter!"
"Ok...also, er lächelte mich an und ich hatte sofort ein fürchterliches Kribbeln im Bauch, es war nicht schön- es war furchtbar extrem. Er entschuldigte sich bei mir und sagte: "Lass mich wissen, ob dein Handy noch funktioniert."
Er gab mir einen Zettel und ging. Ich konnte mich gar nicht bewegen und war starr vor Schreck. Ich hatte nämlich gerade den Schauspieler getroffen, in den ich immer verknallt gewesen war und der hatte mir auch noch seine Nummer gegeben. Als er um die Ecke gebogen war, fingen Elise und ich kreischend auf und ab zu hüpfen- halt so typisch Mädchen." lachte ich, "Ich schrieb die Nummer mit einem Stift auf meinen Arm, weil ich Angst hatte, den Zettel zu verlieren. Dann sprinteten wir zurück zu unserer Wohnung und dort schrieb ich sie in mein Tagebuch- das hatte ich immer dabei. Angerufen hatte ich ihn nicht- ich war zu feige. Und dann ging die Schule los und da Isi und ich ein gutes Abschlusszeugnis haben wollten, büffelten wir wie die Irren, was sich ja auch gelohnt hatte!"
Ich hob meine Hand und Elise und ich machten ein High-5.
"Und dann hab ich ihn angerufen." sagte Isi.
"Genau. Weil ich zu feige war und nicht im Stande war, mit ihm zu reden. Es war wirklich furchtbar. Dann lief 'ne Weile gar nichts..."
"Bis sie dann eine SMS von ihm bekam.." bemerkte Elise.
"Jap. Ich bekam eine SMS von ihm, in der ich zu einer Feier eingeladen wurde. Nach langem Hin und Her gingen wir dann doch zur Party. Wir bestellten uns ein Taxi und dann ging es los. Ich war so aufgeregt, dass ich mich sogar übergab! Ich hatte mich wirklich nicht mehr unter Kontrolle und meine Hände waren am ständigen Zittern. Mein Herz raste und mein Atem war eher schlecht. Mir ging es echt miserabel, aber deine Patentante schleppte mich trotzdem dort hin."
"Zum Glück! Sonst wärst du jetzt nicht da, Dora!" rief sie belustigt aus.
"Hä?" machte Dora.
"Erklär ich dir gleich." murmelte ich und tätschelte ihr den Kopf, "Wir kamen also mit einer Stunde Verspätung an. Es war eine Villa und die Party lief schon. Man konnte die Musik bis Draußen hören! Rein zu kommen war recht leicht. Wir mussten nur sagen, dass wir eine Einladung von deinem Vater bekommen hatten. Der Mann ließ dann deinen Vater holen. Dora.. " Ich musste beid er Erinnerung eine Pause machen, "..es war wie in einem Traum, oder einem Film! Da wird ja alles mit Musik untermalt und das macht ja bestimmte Szenen gerade aus, die Musik die im Hintergrund läuft. Und wow..Wie er aus der Masse trat. Die Hände in den Taschen, ein Lächeln auf den Lippen...und das alles mit einem Lied von Eminem im Hintergund. Mein Herz krachte! Es setzte nicht aus, oder machte einen Satz oder zerriss, wie es die gewöhnlichen Beschreibungen sind, nein. Es krachte! Mein Magen krampfte und meine Augen lächzten nach seinen. Hm..ja...und dann waren da noch meine Beine.." sagte ich lachend, "Die wollten anscheinend unbedingt laufen- weglaufen. Elise hielt mich fest, während ich fast brutal gegen deine Patentante ankämpfte. Als er dann vor uns stand, da konnte ich mich dann gar nicht bewegen. Deine Patentante musste mich mitzerren, während ich auf seinen Hinterkopf starrte. Und dann waren wir drin. Es war laut, es war voll, es war durcheinander...abends, nein, morgens um halb 5 verschwanden wir dann und waren nicht einmal die letzten. Dein Vater hatte uns mit verschiedenen Leuten bekanntgemacht. Ich kann mich gar nicht mehr an sie erinnern, ich weiß nur noch, dass Selena Gomez dabei war.."
"Was?!" schrie meine Tochter. Ich konnte ein Grinsen nicht verhindern und sagte: "Jaja, da staunste, wa? Deine Patentante war fast den gesamten Abend bzw. Morgen bei ihr und hat sich mit ihr unterhalten, während ich ganze 2 Mal mit deinem Vater tanzte und den Rest nur dumm rum saß und trank, um die Gefühle wegzuschwemmen. War nicht die beste Idee und dir rate ich auch nicht dazu, Dora. Ich hatte einen furchtbaren Kater danach!"
"Kater?" fragte sie verwirrt.
"Da hat man Kopfschmerzen, einem ist übel und man ist überempfindlich auf Licht und Geräusche..naja..nicht sehr angenehm. Die Party war also kein...Höhepunkt in meinem Leben."
Elise ergriff das Wort: "Deine Mutter war danach zu nichts mehr zu gebrauchen. Hing nur rum, aß nichts, machte nichts außer lernen. Sie schlief nicht mal. Und als beste Freundin fühlte ich mich dazu verpflichtet, deiner Mutter zu helfen." Sie musste lachen: "Ich rief deinen Vater an, Dora. Es war furchtbar peinlich!! Ich habe mich sooo sehr geschämt!"
"Was hast du denn gemacht?!" fragte Dora aufgeregt. Ich saß nur da und grinste vor mich hin.
"Ich habe ihn dafür angemeckert, dass es deiner Mutter so schlecht geht."
"Ok? Und? Wie reagierte er darauf?" fragte Dora.
"Er wollte mit deiner Mutter reden." erklärte Elise, "Am Telefon zuerst und dann erzählte mir deine Mutter nach dem Gespräch mit ihm, dass er sich mit ihr treffen wolle. Als sie sich die ersten Male trafen, war ich immer dabei gewesen. Dadurch lief das Ganze aber nicht sehr gut, sie redeten kaum miteinander. Am dritten Tag, was auch das dritte Treffen war, ließ ich sie allein gehen, was ihr sehr missfiel. Ich sagte es ihr am Morgen des Tages und sie redete den Tag lang nicht mehr mit mir. Kein Wort. Sie war wirklich bockig." Sie musste wieder lachen und grinste. Ich auch, aber ich musste meine Tränen zurückhalten, als ich daran erinnert wurde, was sie gleich erzählen würde.
"Sie..ähm..sie kam glücklich wieder. Sie strahlte, aber erzählte nichts! Sie trafen sich die nächsten zwei Wochen, der Oktober war fast vorbei. An einem Morgen ging es ihr dann beschissen..ähh!" Elise sah mich geschockt an, "Ich meine nicht gut! Ihr ging's nicht gut!" fügte sie hastig hinzu, "Sie übergab sich, war blass..Ich ließ sie an einem Tag allein, weil ich mit einem Jungen verabredet war. Als ich abends wieder kam, saß deine Mutter weinend auf dem Bett und Musik von Linkin Park war laut aufgedreht. Ich machte die Musik aus und setzte mich neben sie. Sie lächelte und gleichzeitig liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich fragte sie, was los sei. Und da zeigte sie mir den Schwangerschaftstest. Er war positiv. Es vergingen Tage, in denen sie sehr viel weinte und sehr viel lachte. Schließlich überredete ich sie, es ihren Eltern zu sagen. Es war....kompliziert. Aber das ist eine andere Geschichte..Dann rief sie deinen Vater an und verabredete sich mit ihm. Er reagierte zuerst geschockt, er wollte es nicht wahrhaben, aber dann war er sehr erwachsen. Er freute sich und verbrachte fast jeden Tag mit ihr und ..." sie machte eine Pause und strich Dora lächelnd über die Wange," Und mit dir, Dora. Er war sehr liebevoll und freute sich schon auf dich, obwohl er wusste, dass deine Mutter vor deiner Geburt nach Deutschland fliegen würde. Das Schuljahr ging vorbei und wir flogen zurück. Dein Vater konnte bei deiner Geburt nicht dabei sein, aber er besuchte dich als Baby. Irgendwann wurdest du älter und deine Mutter wollte nicht, dass er dich besucht. Sie hatte Angst um dich, Dora. Naja, es war sehr traurig. Seine Eltern stritten sich...aber dann wurde alles halbwegs gut. Du bekommst ja Post von ihm! Geschenke! Und auch deine Mutter hat noch Kontakt mit ihm, so ist es nicht.."
Es war grauenhaft still- keiner sagte ein Wort, auch Dora nicht. Sie starrte mich nur an- der Blick unergründlich. Zum Glück klingelte es und Florian kam mit seinen Kindern an.
Meine Tochter fragte mich nicht mehr nach ihrem Vater, ich wusste nicht warum. Aber sie verhielt sich normal und daher dachte ich mir nichts dabei. Es vergingen Wochen und die Weihnachtsferien vergingen und die Winterferien waren auch vorbei.
Dora befand sich gerade in der Schule, als es an der Tür klopfte. Ich stellte meinen Kaffee ab, es war gerade mal 10.00 Uhr. Ich ging zur Tür und sah durch den Spion. Ich schreckte ein paar Schritte zurück und stolperte dann verwirrt wieder nach vorn, um ein zweites mal hindurch zu sehen. Ich konnte nicht fassen wen ich sah. Außer Atem drehte ich mich um und lehnte mich gegen die Tür, als wäre er ein Einbrecher und ich wollte ihn aufhalten. Es klopfte noch einmal.
„Komm schon! Mach auf!“ rief er. Er gab keine Ruhe, eine geschlagene viertel Stunde standen wir uns, nur durch eine Tür getrennt gegenüber. Als er schon anfing zu brüllen, riss ich schließlich die Tür auf. Er hatte gerade seine Faust gehoben, um wieder an die Tür zu klopfen. Als er mich entdeckte, grinste er mich an.
„Was..machst du hier?“ stammelte ich.
„Ich wollte dich sehen. Nein..eigentlich wollte ich Theodora sehen.“
Ich schlang meine Arme um die Taille. Kalte Winterluft wehte mir entgegen.
„Darf ich reinkommen?“ fragte er.
„Ich weiß nicht.“
Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich 16 war. Das heißt, nicht persönlich. Ich hatte nur alle paar Monate Kontakt mit ihm, über die Briefe, die er regelmäßig schrieb. Er starrte auf den Boden. Ich sah, dass er nicht gerade glücklich über meine Antwort war. Aber was erwartete er? Ein freundlich Hallo und dazu einen Kuss? Er hatte eine Freundin. Das wusste jeder, er war ja inzwischen ziemlich bekannt geworden. Und jetzt stand er vor meiner Tür, wollte seine Tochter sehen und hatte nicht mal den Mumm, der Welt zu sagen, dass es uns überhaupt gibt. Ich wusste nicht mal, ob seine Freundin davon wusste.
„Ich bin ziemlich lange..ähm..gereist.“
Ich ersparte ihm die Mühe deutsch zu sprechen und antwortete auf englisch, auch wenn mir das sehr schwer fiel. Es fiel mir immer noch leichter als ihm deutsch zu sprechen.
„Ähm, ok. Komm rein.“
Er kam auf mich zu und ich wich zur Seite aus. Hinter ihm schloss ich die Tür.
„Du hast ein schönes Haus.“ sagte er lächelnd.
„Ja. Und ein großes Gelände. Das kann ich aber kaum "meins" nennen.“ murmelte ich tonlos. Es sollte nicht lustig sein. Trotzdem lachte er und ich konnte nicht anders, als zu lächeln.
„Danke..“ flüsterte ich dann noch. Ich empfand es für notwendig- er hatte es ja schließlich bezahlt.
Es war merkwürdig ihn vor mir stehen zu sehen. Seine Haare waren kürzer, aber auch nicht so kurz, wie schon einmal. Es war eine gute Länge. Seine Augen blitzten blau auf und ich konnte ein paar Bartstoppeln sehen. Er sah noch immer fürchterlich jung aus und kaum verändert- es verursachte einen Krampf in meinem Magen, doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Er zog seinen schwarzen Wintermantel aus und hing ihn über meine. Er hatte einen einfarbigen, stinknormalen blauen Pullover an, mit einer schwarzen Jeans. Er drehte sich zu mir und verzog seinen Mund zu einem schiefem Lächeln. Dann steckte er seine Hände in die Hosentaschen und sah mich so an. Schließlich sagte ich: „Lass das.“ Es war kaum hörbar, selbst für mich nicht. Und es war eigentlich auch nicht gedacht, dass er es hörte, aber er zog die Augenbrauen zusammen und fragte: „Was?“
Sofort antwortete ich: „Was? Was denn? Ich hab nichts gesagt.“
Mit den Worten stolzierte ich an ihm vorbei in die Küche. Ich verfluchte mich dafür, dass ich heute frei hatte und nur in Jogginghose und weitem Pulli rumlief, während der Vater meiner Tochter in meiner Küche stand. Ich versuchte ihm aus dem Weg zu gehen und nicht ins Gesicht zu sehen. Mir war richtig unbehaglich. Ich mochte ihn ja immer noch. Sehr sogar. Höflichkeitshalber fragte ich: „Möchtest du was trinken, was essen?“
„Nein, Danke. Ich möchte nur reden.“
„Dann rede..“ ich schnappte mir meine Kaffeetasse und lehnte mich gegen die Arbeitsfläche der Küche.
„Ähm...“ machte er und kam auf mich zu. Ich bekam ein bisschen Panik und sagte schnell, während ich schon am Gehen war: „Lass uns doch in die Stube. Da ist es bestimmt bequemer.“
Als er mir ohne Kommentar folgte, warf ich einen Blick auf die Uhr, die über der Tür zum Flur hing. In drei Stunden würde Elise mit ihren Kindern und Dora kommen. Bis dahin musste ich ihn soweit neu kennengelernt haben, dass ich mir sicher war, dass er Dora sehen durfte. Es hört sich brutal an, seinem Kind den Vater zu verweigern und andersherum auch, aber es war notwendig. Eigentlich - dann kam er und jetzt war er hier und ich konnte ihn ja nicht einfach wegschicken.
Ich setzte mich auf das Sofa und er setzte sich neben mich. Ich rutschte bis ans letzte Ende.
„Was ist mit dir?“ fragte er tonlos und sah mich abwartend an. Unschuldig fragte ich: „Was denn? Mit mir ist nichts.“
„Du verhältst dich, als wäre ich giftig.“
„Möchtest du 'ne Umarmung?“ fragte ich scherzhaft.
„Ich habe dich lange nicht mehr gesehen, weißt du?“
„10 Jahre.“ verbesserte ich.
„Ja, 10 Jahre.“
„Ja.“
„Ja.“ sagte er und starrte auf den Boden. Lange starrte er. Und müde sah er aus.
„Was ist los?“ fragte ich schließlich. Ich stand auf und ging zum Kamin um ihn anzumachen. Ich rief ihn zu mir, sich hier her zu setzten, sonst würde der Kamin nichts bringen. Er saß also in dem Sessel vor dem Kamin und ich auf dem kleinen Sofa.
Er starrte in die Flammen, dann sah er mich an und sagte: „Läuft grad nicht gut.“
Ich legte den Kopf schief und sah ihn fragend an: „Was läuft nicht gut?“
Er schnaufte und zog die Augenbrauen hoch: „Ähm. Alles!“
„Und deswegen bist du hergekommen.“
Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf: „Nicht NUR deswegen. Ich fand, es wurde mal Zeit, meine Tochter kennen zu lernen.“
„Und da kommst du einfach unangemeldet her?“
„Ich wusste ja nicht, dass du so ein großes Problem mit mir hast!“ er wurde etwas laut und als er mich wütend ansah, wich ich seinem Blick aus.
„Ich habe kein Problem damit. Naja, doch schon. Aber nicht so wie du denkst!“
„Was denke ich denn?“ sagte er schnippisch.
„Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, habe ich glaube nur Angst davor..“ sagte ich und starrte in die Flammen.
„Vor was?“
„In etwa drei Stunden wird Elise mit ihren Kindern und mit meiner..ähm, unserer Tochter kommen. Und dann sitzt du hier und..und..das ist merkwürdig. Was wirst du tun?“
Er sah mich an und wartete, bis ich zurück sah. Dann zuckte er mit den Schultern. Er stand auf und ich stand auch auf. Wir blieben eine Weile stehen.
„Warum stehen wir?“ lachte ich. Ich bekam keine Antwort. Stattdessen kam er auf mich zu und umarmte mich. Ich stand stockstarr da und bewegte mich nicht. Mein Gesicht lag auf seiner warmen Brust und meine Nase roch, gegen meinen Willen, seinen schönen Duft. Sein Gesicht lag auf meiner Schulter und seine Arme schlangen sich besitzergreifend um meinen Körper.
„Was tust du?“ fragte ich vorsichtig und leise. Ich hatte Angst das meine Stimme brach und ein Zittern konnte ich nicht vermeiden. Er löste seinen Griff und sah mich mit seinem schiefem Lächeln an. Seine Augen sahen traurig aus: „Ich habe dich vermisst.“ Er stand immer noch sehr dicht an mir dran und nahm meine Hände. Als er noch näher kam, wich ich aus und sah ihn empört an: „Wie kann das sein! Du hast 'ne Freundin! Ist sie nicht sogar ein Model?! Wie kannst du dann überhaupt an eine wie mich denken?!“
Er sah mich ernst und auch traurig an. Dann sagte er nach kurzer Stille: „Ich habe an nichts anderes mehr gedacht..“
„Hör auf! Hör auf..das kannst du nicht machen..“ rief ich verzweifelt aus.
„Was?“
„Mir Hoffnungen zu machen, ok? Du..du kommst hier einfach rein, nach 10 Jahren! Und meinst einfach mal so sagen zu können, dass ich dir nicht aus dem Kopf ging?! Als nächstes kommt noch, dass du mich immer noch liebst! PAH! Was sagt deine Freundin dazu? Weiß sie von deiner Tochter?! Von Dora? Hast du es überhaupt mal erwähnt, dass du eine Tochter hast?!“
„Ja! Habe ich!" rief er, "Hast du mal erwähnt, von wem sie ist?!“
„NEIN! Und das ist auch was ganz anderes!" schrie ich wütend. Ich starrte in die Flammen, weil ich ihn nicht ansehen konnte, während ich seinen Blick auf meinem Gesicht spürte. Dann fragte ich leise: „Was hat sie gesagt?“
„Wer...“
„Deine Freundin, als sie von mir und Dora erfuhr.“
Ich sah ihn an, er starrte auch in die Flammen und steckte seine Hände in die Hosentaschen: „Sie hat Schluss gemacht.“
„Das tut mir Leid..“ sagte ich und sah auch wieder in die Flammen. Innerlich lächelte ich.
„Nein..nein. Muss es dir nicht. Es gab sowieso viele Schwierigkeiten...naja. Irgendwann hätte ich dann wohl Schluss gemacht.“
„Was für Schwierigkeiten?“
Als ich seinen Blick sah, verstand ich.
Ich saß jetzt seit 3 Stunden mit ihm zusammen und prüfte ihn. Er hatte Urlaub. Ein paar Wochen und danach würde er hier in Deutschland, also in Berlin, ein Interview haben. Er wollte so viel Zeit mit Theodora verbringen, wie er nur konnte. Das wollte er schon immer, nur ich stand ihm immer im Weg. Gleich würde sie kommen, Theodora. Also stand ich auf und ging, ohne etwas zu sagen. Ich empfing sie, ohne dass sie klingeln mussten. Die kleinen begrüßten mich und stürmten die Treppe rauf, in Doras Zimmer. Danach folgte Elise und ihr Mann. Ich begrüßte sie mit einem Lächeln und einer Umarmung. Theodora folgte ihnen. Ich beugte mich zu ihr runter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Es war alles perfekt, niemand bemerkte etwas. Zuerst würde ich es wohl Elise sagen. Ich schickte Dora also nach Oben: "Kümmerst du dich ein wenig um die kleinen? Ich muss mit Elise reden."
Dora stimmte zu und verschwand. Elises Mann setzte sich in das Esszimmer und las Zeitung. Elise sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und fragte: "Was ist los."
"Ähm.." stammelte ich und zerrte sie am Unterarm weiter.
"Pass auf. Ich hab das überhaupt nicht erwartet und nun weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich könnte also sehr gut deine Hilfe gebrauchen."
"Wovon sprichst du?" fragte Isi.
Bevor sie weiter in das Wohnzimmer laufen konnte, hielt ich sie auf. Ich flüsterte: "Guck! In der Bibliothek..."
Isi lugte vorsichtig um die Ecke und sah mich mit großen Augen an: "Ist das etwa.."
"Ja...." unterbrach ich sie: "Verstehst du mich jetzt?"
Sie nickte ernst. Kurz darauf grinste sie mich an und kicherte: "Das ist ja so cool!"
Ich bemerkte, dass wir uns nicht wirklich verändert haben, seit wir 16 geworden sind. Nur die Prioritäten haben sich ein wenig verändert. Obwohl bei mir auf jeden Fall schon immer die Familie an oberster Stelle stand. Als Elise anfing zu hüpfen, musste ich sie zurückhalten. Ich raunte ihr zu: "Was meinst du? Soll ich ihm Dora gleich vorstellen?"
"Naja...was willst du denn sonst mit ihm machen. Ihn im Keller verstecken?"
Ich musste gestehen, dass ich erst überlegte, bevor ich sagte: "Ach quatsch, das wäre ja dumm."
Ich lugte dann noch einmal um die Ecke. Er stand seitlich am Regal gelehnt und blätterte gerade in einem Buch. Dora stand einige Schritte hinter ihm und starrte ihn an.
"Verdammt" flüsterte ich. Ich wollte die Situation erst einmal beobachten und sehen, was passierte, bevor ich eingreifen würde. Sie steckte ihre Hände in die Hosentaschen und sah auf den Boden. Ein Schauer überkam mich, als ich die Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Vater erkannte. Ihre Haare verdeckten ihr Gesicht, ich konnte also nicht erkennen, was in ihr vor ging.
"Dora..." hauchte ich vorsichtig. Elise stand hinter mir und zupfte an meinem Ärmel. Ständig fragte sie: "Was? Was ist da los? Lydi..ist Dora da? Was siehst du?"
Ich ignorierte sie. Dora sah auf. Sie sah mich erst erstaunt, dann enttäuscht und dann wütend an. Ihr Blick erfüllte mich mit großer Angst. Ich winkte sie zu mir und sie kam. Ich zog sie hinter die Wand, sodass ihr Vater nichts mitbekam und bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie: "Da steht Logan Lerman."
Ich nickte und wollte es erklären, doch sie schüttelte den Kopf und sagte: "Mama, ich weiß, was das soll. Warum sollte ein Schauspieler in unserem Haus stehen, wenn es nichts zu bedeuten hätte?"
Ich sah sie erwartungsvoll an, während sie wieder die Hände in die Hosentaschen steckte und auf den Boden starrte: "Logan Lerman ist mein Vater?" Es war weniger eine Frage, als eine Feststellung. Sie sah mich wieder an, schüttelte enttäuscht den Kopf und sah mich vorwurfsvoll an: "Du konntest mir nicht sagen, dass ein Filmstar mein Vater ist? Und noch dazu Logan? Du wusstest genau, wie ich zu ihm stehe."
Ich war verblüfft. So etwas von einem 10-jährigen Mädchen zu hören, wirkte merkwürdig. Die Wortwahl, der Satzbau. Allein, dass sie erkannt hatte, dass er ihr Vater war, war schon überwältigend. Noch dazu war sie nicht ausgerastet, obwohl sie ein Fan von ihm war. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut und zum ersten mal konnte ich dem Blick meiner Tochter nicht standhalten.
Elise setzte zu einem Satz an, als Logan um die Ecke kam. Wie sie sich gegenüberstanden. Es war schon fast gruselig. Beide die Hände in den Taschen, beide dunkle Haare, beide strahlend blaue Augen. Dora hatte mehr Ähnlichkeit mit ihm, als ich es gedacht hatte. Ich sah, wie nervös er war. Er kaute auf seiner Unterlippe. Und auch Dora trat von einem Fuß auf den anderen. Sie starrten sich stumm an. Ich wollte sie Situation retten und sagte: "Dora? Darf ich dir deinen Vater vorstellen?"
Dora reichte ihm die Hand und sagte, ohne jede Gefühlsregung im Gesicht oder in der Stimme: "Guten Tag."
Logan nahm zitternd ihre Hand entgegen und sagte: "Hi, ich bin .."
"Ich weiß wer du bist. Du bist Logan Lerman. Aber nicht mein Vater."
Ich war geschockt. Ich starrte Logan an. Er sah traurig aus. Tottraurig. Ich wollte etwas sagen, aber Dora sah mich an und sagte: "Ich habe keinen Vater, hatte auch nie einen und werde nie einen haben, Mutter."
Mit diesen Worten verschwand sie. Und auch Elise begriff die Situation und verschwand. Ich stand allein mit ihm an der Ecke in der Küche.
Er lächelte mich an, ich wusste, es war kein echtes Lächeln. Dann kam er auf mich zu. Ich ließ ihn an mich heran, ich fühlte mich wie eingerostet. Er küsste mich auf die Stirn, dann sagte er: "Tschüss, ich verschwinde."
Bevor ich begriff und ihn aufhalten konnte, war er schon aus dem Haus. Ich ballte meine Hände und rannte mit verwirrten Gefühlen rauf zu Doras Zimmer. Vor ihrer Tür standen die Kinder von Elise, trommelten an ihre Tür und baten sie, herein zu lassen.
"Was ist los?"
"Sie hat uns ausgesperrt." jammerten die Kinder. Ich schickte sie nach unten und ging in Doras Zimmer. Sie hatte nicht abgeschlossen, sie war ja auch nicht da. Danach ging ich ins Bad, sie stand vor dem Fenster und hielt ein Foto in den Händen, während sie nach Draußen sah. Ohne, dass ich was sagte, bemerkte sie mich und sagte: "Weißt du, er hatte mich immer interessiert, weil ich so viele Ähnlichkeiten zwischen uns festgestellt hab. Ich fand das cool so zu sein, wie ein Star. Und jetzt weiß ich, das ich nicht nur Ähnlichkeiten mit ihm habe, sondern so bin wie er." Sie machte eine Pause. Dann sagte sie laut, schon fast schreiend: "Weil er mein Vater ist! Weil ich seine Tochter bin!!!"
Tränen liefen mir die Wangen hinunter. Ich hatte meine Tochter noch nie so gesehen. So verbittert, so traurig, so hilflos. Sie wirkte wie eine erwachsene Frau und nicht mehr wie das kleine, lebendige Mädchen, dass ich heute morgen in die Schule schickte. Ich ging auf sie zu und legte meine Hände auf ihre Schultern. Das Foto in ihren Händen zeigte Logan. Ich wischte ihre Tränen aus dem Gesicht, während er das Gartentor aufmachte, es hinter sich zu zog und ohne zurück zu sehen zwischen den Nachbarhäusern verschwand.
Sie wischte sich selbst die Tränen von den Wangen, löste sich von ihrer Mutter und rannte aus dem riesigen Haus, dabei ignorierte sie die anderen. Sie fühlte sich merkwürdig, was sie gesagt hatte, wie sie reagiert hatte. Als wäre es jemand anderes gewesen. Es war eiskalt, trotzdem rannte sie die beschneiten ewig langen Hügel herunter zur Straße, um ihm zu folgen. Es war völlig falsch von ihr und sie wollte ihn ja kennen lernen, das wollte sie wirklich!
„Theodora!“ rief ihre Mutter, „Bleib stehen! Theodora, verdammt! Wo willst du hin?!“
Doch sie antwortete nicht und blieb auch nicht stehen. Ohne auf ihre Mutter zu reagieren, rannte sie weiter, schloss das Tor hinter sich und rannte in Richtung Stadt, wo Logan verschwunden war. Sie suchte alles ab. Sie konnte ihn aber nicht sehen. Ihr stetiger Atem brachte Rhythmus in ihr Laufen und sie hätte ewig so weiter rennen können. Ihre Mutter hingegen war unsportlich und daher konnte sie ihr nicht so leicht folgen. Zum Glück.
Trotz der Leute in der Stadt, rief sie: „Log..ähh..Papa!!“ sie wollte ihn eigentlich nicht Vater nennen, aber in der jetzigen Situation wäre es wohl dumm gewesen, ihn beim Namen zu nennen. Jeder heutzutage, wenigstens, dass der Name zu einem Schauspieler gehörte. Es kam keine Antwort. Sie blieb stehen, völlig aus der Puste, sie sah sich kurz um, rannte dann weiter und beschloss die Straßenseite zu wechseln. Sie achtete kaum auf die stark befahrene Straße. Sie war selbst Schuld, dachte sie sich. Stock steif blieb sie geschockt auf der Straße stehen und sah einem hupendem Auto entgegen. Die Bremsen quitschten und das Licht des Autos raubte ihr die Sicht. Plötzlich wurde sie zur Seite gezerrt. Sie drehte sich der Person entgegen und fiel ihr entgegen. Die Person, die ein Mann war, wie sie erkannte, stolperte rücklings auf die andere Spur. Wieder quitschte es. Ihre Sicht verbesserte sich und sie konnte ein Gesicht erkennen. Logan. Ohne, dass sie es verhindern konnte, stieß sie ihn, mit ihrem Schwung, weiter vorwärts, vor das gerade bremsende Auto. Er war am Fallen und sie mit ihm. Sein Gesicht war starr. Sie spürte eine Hand, die ihren Kopf gegen seine Brust drückte und einen Arm, der ihren Körper umschlang. Im nächsten Moment spürte sie einen harten Aufschlag, dann wurden sie hoch auf das Auto geschleudert und fielen wieder zurück auf den Boden. Sie lag auf ihm. Das alles musste rasend schnell passiert sein. Sie empfand es jedoch so, als wären es Minuten gewesen. Blinzelnd richtete sie sich auf, in dem sie sich erst von seinem Körper rollte und sich dann hinkniete. Seine Augen waren geschlossen und an seiner Stirn trat Blut aus.
Erst jetzt entfuhr ihr ein Schrei. Tränen liefen ihr erneut über die immer noch nassen Wangen und sie legte ihren Kopf auf seine Brust, betend, dass er wieder aufwachte.
Ich blieb schnaufend und fluchend an der ersten Hausecke stehen.
„Verdammt Theodora…“
Ich hörte wie Reifen quitschten und rannte panisch weiter.
„Dora?“ ich ging mit einem mulmigen Gefühl auf die dichte Menschengruppe zu. Ich knetete meine Hände. Ich hörte Dora schreien und unwillkürlich rannte ich trotz lahmender Beine weiter.
„Lasst mich durch! Dora?“
Ich schob eine Menge Leute grob beiseite, nicht bedacht darauf ihnen nicht weh zu tun.
„Dora?“ sagte ich immer wieder und spitzte die Ohren um eine Antwort hören zu können. Schließlich hatte ich die Menschenmenge durchdrungen und sah nun auf Logan und Dora hinunter. Zu erst war ich geschockt und konnte mich nicht bewegen, doch dann hockte ich mich neben Dora hin, die den leblosen Logan umschlang. Ich nahm vorsichtig ihre Hand und wollte sie von seinem Körper nehmen, doch ich hatte keine Chance.
„Dora..komm schon! Ruft mal jemand einen Arzt? Was steht ihr hier so rum?!!“
Ich wurde aggressiv. Und an alle dem war er Schuld. Mein Schwarm, der Vater meiner Tochter, der Retter meiner Tochter. Der, der da bewusstlos lag und mein Leben durcheinander brachte.
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Prolog
„Mama...du sollst mir kein Roman erzählen!“ stöhnte meine kleine Tochter. Gelangeweilt stützte sie ihren Kopf mit der Hand ab und drehte ihre Tasse auf dem Küchentisch im Kreis. Ich verdrehte die Augen und ignorierte ihre Bemerkung: „Nach 10 Minuten sah ich sie um die Ecke biegen.“
„Wen?“ hakte sie nach.
„Hörst du wohl zu?" lachte ich, "Ich bin doch gerade dabei, es zu erzählen.“
„Schon gut.." murmelte sie, "Ich höre.“
Ich nickte und fuhr fort: „Florian und an seiner Hand du. Ich lief über die Straße, euch entgegen. Du konntest schon laufen und sprechen- du warst ja schon 2.“
„Warte..warte!" rief sie auf und ihre blauen Augen blitzten, "Wie alt warst du Mama?“
„18.“
„Und du sagst, ich war schon 2?“ sie runzelte verwirrt die Stirn.
„Ja?“ hakte ich nach und musste schon schmunzeln, als ich mitbekam, dass sie endlich begriff.
„Dann hast du mich mit 16 bekommen?!!" rief sie entgeistert aus, "Warum hast du mir das nie erzählt?! Und Florian? Der ist mein Vater?!!“
„Bleib doch mal ruhig!!“ rief ich lachend. Sie war inzwischen aufgesprungen und griff mich an den Schultern. Sie war grade 10 geworden, und das ist das Alter, wo sie anfangen Fragen zu stellen. Ich kam also nicht mehr drum rum, Antworten zu geben. Vorsichtig drückte ich sie zurück auf den Küchenstuhl, woraufhin ich mich wieder zurück an die Arbeitsfläche lehnte. Entspannt schlürfte ich meinem Kaffee.
„Trink dein Kakao.“ sagte ich.
Doch stattdessen drängte sie mich weiter: „Mama, los, sag! Ist das wahr?“
„Ja, ich war 16. Aber dein Vater ist nicht Florian.“
Sie atmete erleichtert auf und meinte lächelnd: „Gut so. Ich wüsste nicht, wie ich damit klar kommen sollte, dass mein Patenonkel mein Vater ist..“
„Nun ja, er ist es ja nicht.“ gab ich zurück.
„Ja. Und jetzt los! Erzähl weiter! Wer ist mein Vater? Er muss auf jeden Fall reich sein, wie sonst könntest du so ein riesiges Haus bezahlen nur mit einem Einkommen einer Erzieherin?“
„Warum konntest du nicht dumm geboren sein, hä?" gluckste ich, "Von dem Geld hätte ich dich in ein Internat stecken sollen!“
Wir lachten und ich verschüttete fast meinen Kaffee.
„Aber jetzt wirklich! Erzähl!“ drängelte sie.
„Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Und dann lächelte ich Florian zu und gab ihn einen Kuss auf die Wange.“
„Wart ihr zusammen, Mama?“
„Nein..wir..haben uns nur gut verstanden. Und da er in die Schule ging, die deinem Kindergarten näher war, bat ich ihn dich abzuholen und dich zu mir zu begleiten. Natürlich durfte er auch mit nach Fürstenberg kommen. Daraus wurde dann eine tiefe Freundschaft. Und schließlich beschloss ich, dass er so etwas wie die Vaterrolle übernehmen sollte, da deiner ja nicht im Land war.“
„Nicht im Land? Ist er ein Ausländer?!!“
„Ähm...ja.“ Und weiter ging ich nicht auf die Frage ein, sondern erzählte weiter: „Ich nahm dich also auf den Arm und Florian an die Hand und wir gingen Richtung Auto. Dabei mussten wir an einer Menge Schüler vorbeigehen, die gerade auf ihren Bus warteten. Dabei zog ich Unmengen von Blicke auf uns, besonders von den Schülern meiner Jahrgangs-Stufe. Es gab nur wenige, die tolerierten, dass ich bereits ein Kind hatte. Die meisten Blicke waren also eher missbilligend und unfreundlich. Es war nicht leicht für mich auf einmal von so vielen Leuten, besonders Mädchen, nicht gemocht zu werden. Ich redete mir immer wieder ein, dass die Meinung der anderen egal sei und allein das zählte, was mich glücklich machte. Und ich war mit dir glücklich! Ich konnte gar nicht glücklicher sein! Du warst ein Geschenk Dora.“
„Ja, genau. Deswegen heiße ich Theodora.“ stellte sie fest.
Ich nickte lächelnd: „Genau.“
„Und weiter?“
Die Türklingel unterbrach mich, woraufhin mein Blick zur Uhr wanderte.
„Pünktlich wie immer.“ bemerkte ich, stellte die Tasse ab und ging zur Tür, um den Gast zu empfangen.
„Mama halt! Warte!" rief Theodora, "Wie geht’s denn weiter!“
„Schuldige, kann ich dir die Geschichte ein anderes Mal weiter erzählen?“ fragte ich und deutete auf die Tür. Sie verdrehte die Augen und sagte: „Na gut..“ Ich beugte mich runter und küsste sie auf die Stirn. „Hab dich lieb, Theodora.“
„Ich dich auch, Mama.“ Sie lächelte und hüpfte die große Treppe im Eingangsbereich zu ihrem Zimmer herauf. Dabei wehten ihre langen dunklen Locken, was mich unweigerlich an ihren Vater erinnerte. Als es klopfte drehte ich mich um und ließ den Gast herein.
„Es ist eiskalt, verdammt! Warum hast mich so lange warten lassen!?“ schimpfte Elise.
„Ich freu mich auch dich zu sehn.“ lachte ich. Elise verdrehte die Augen und umarmte mich. Während sie ihren beschneiten Mantel auszog fragte ich sie: „Wo hast du denn deine Kinder und deinen Mann gelassen?“
„Die wollte heute unbedingt in den Park! Furchtbar, oder? Es sind – 15 Grad? Und die wollen spielen gehen!“
„Und dein Mann macht das einfach so mit?“ lachte ich.
„Der hat ja keine andere Wahl. Sie kommen nachher nach. Ich denk mal so um fünf.“
„Ok..gut zu wissen. Möchtest du einen Kaffee? Oder vielleicht einen heißen Kakao? Ich weiß ja, dass du immer noch keinen Koffein magst.“
Sie rieb sich die Hände und grinste: „Oh ja! Das währe jetzt super!“
Wir gingen also in die Küche. Ich stellte eine Tasse Milch in die Mikrowelle und Elise setzte sich auf den Stuhl, wo schon Dora gesessen hatte. Sie kippte die Tasse ein wenig an, um sehen zu können, was drinnen ist.
„Hier hat wohl schon jemand einen Kakao getrunken, was?“ sagte sie.
„Ja, ich hab ihr erzählen müssen, wer ihr Vater ist.“
Ich ging zu ihr und setzte mich ihr gegenüber. Dann rief ich laut: „Theodooooraaa!!!“
Und da kam sie schon die Treppe herunter gepolterte und in die Küche geschlittert.
„Tu das nicht! Sonst fällst du irgendwann noch hin.“ Ermahnte ich sie und reichte ihr die Tasse.
„Tu ich nicht! Ich kann das!“ sie nahm die Tasse entgegen und kippte sich die halbe Tasse schon kalt gewordenen Kakao hinter.
„Hi Dora.“ Sagte Elise. Dora stellte die Tasse ab und grinste mit einem Schoko-Bart Elise an: „Tante Elise!!“ Sie ging auf sie zu und drückte sie. Isi beugte sich zu ihr runter und wischte ihren Mund sauber.
„Oh, hatte ich schon wieder einen Bart?“ fragte Dora. Isi und ich sahen uns an und lachten.
„Was?“ fragte Dora.
„Ach nichts.“ meinte Isi, „Und? Was hast du heute gemacht?“
„Naja, ich war in der Schule, bin nach Hause gekommen, habe was gegessen, habe gelesen und mit Paulchen geschmust, war draußen und hab mit Enni gespielt, habe Lisa getroffen und wir haben einen Schneemann gebaut und an unserem Iglo gebaut und dann war ich hier drin und Mama hat angefangen eine Geschichte zu erzählen und dann kamst du und hast sie unterbrochen.“ Dora sah Elise schräg an, diese sagte dann: „Oh, das tut mir Leid. Aber deine Mama wird sie dir bestimmt weiter erzählen, oder?“
Sie sah mich an und ich nickte ihr lächelnd zu.
„Viel hast du heut gemacht. Und? Machst du jetzt Hausaufgaben?“
Elise sah mich grinsend an und ich schlürfte grinsend an meinem Kaffee. Auch Isi mochte es andere zu ärgern.
„Neeeiiiin. Tante Isi! Jetzt sind doch Ferien! Da muss ich doch keine Hausaufgaben machen!“
„Ach ja! Das habe ich ja ganz vergessen!!“ los Elise wie gedruckt. Dora rollte mit den Augen und stupste sie an. „Wie kannst du das vergessen! Du hast doch selber 3 Kinder die in die Schule gehen! Und noch dazu zwei die in den Kindergarten gehen!“
Sie zuckte mit den Schultern.
„Hm, dann geh ich mal wieder hoch, ja?“ sie sah mich fragend an. Ich nickte ihr zu. Und als sie weg war machte es auch schon „Ding“. Ich mischte ihr mit dem Pulver den Kakao zusammen und wir gingen ins Wohnzimmer. Schnaufend ließ sich Elise in den Sessel fallen und fuhr sich mit der Hand durch die dunkelblonden Haare. Ich stellte ihr den Kakao hin und versuchte den Ofen anzuheizen, was nicht so recht funktionierte. Doch schließlich gelang es mir. Ich setzte mich auf das Sofa und starrte ins Feuer.
„Und? Wie war dein Tag?“ murmelte Elise und schlürfte an dem Kakao.
Ich zog ein Bein auf das Sofa und murmelte: „Naja, eigentlich ganz ok. Ein Kind hat sich mit der Schere geschnitten, aber nicht sehr tief. Das einzige Problem war heute Dora.“
„Du meinst, wegen ihres Vaters?“
„Ja.." nickte ich und verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln, "Eigentlich habe ich gehofft, sie nimmt es einfach hin, ohne zu fragen. Aber das war ja nun nicht so.“
„Wirst du ihr die Wahrheit sagen?“
Ich sah Elise lange und nachdenklich an. „Ich belüge mein Kind nicht, Isi.“ Dann sah ich wieder in die Flammen, „Das weißt du.“
„Sicher..“
„Aber ich werde es lang genug aufschieben." lachte ich, "Ich glaube sie ist noch nicht dazu bereit, die Wahrheit zu vertragen. Ich weiß nicht, wie sie damit umgehen wird.“
„Und wie willst du das anstellen?“
„Ich erzähle alles. Ab der 7. Klasse und überspringe die 10. Erst ganz am Ende werde ich es ihr erzählen. Ich hoffe sie ist dann schon elf.“
Ich grinste Isi an. Die fing an zu lachen: „Du willst ein ganzes Jahr lang eine Geschichte erzählen?“
Ich zuckte die Schultern und schlürfte an meinem Kaffee. „Ich weiß es nicht. Meinst du, sie ist schon dazu bereit?“
„Vielleicht. Das kann man nie wissen. Es könnte auch gut sein, dass sie mit 16 noch nicht dazu bereit ist.“ stellte Elise fest. Ich schnaufte und ließ mich stöhnend zurückfallen: „Naja, ich werde das schon irgendwie packen.“
„Ja, das weiß ich.“
„Hm...und wie war dein Tag?“
„Er war...anstrengend? Er ist immer anstrengend...ich freu mich aber schon aufs Arbeiten.“ Sie grinste mich an. Ich schüttelte den Kopf: „Das werde ich nie verstehen.“
„Tja...bist du schon mit deinem Roman weitergekommen?“
„Hm...es ist schlecht." stellte ich stumpf fest, musst aber im nachinein grinsen.
„Hör auf das zu sagen! Es ist nicht schlecht!“ rief sie aus.
„Aber auch nicht gut!“
„Es ist speziell.“
„Ja.“ lachte ich.
„Dein erstes Buch hat sich aber gut verkauft! Du hast doch eine Menge verdient!“
„Und alles gespendet!“
Elise zuckte die Schultern: „Ist doch gut! Du kriegst doch genug Geld. Das hattest du nicht nötig.“
Ich grinste: „Ja. Zum Glück hat Theodora einen reichen Vater.“
„Zum Glück hat ein reicher Mann sich in dich verliebt.“ gab sie zurück. Ich reagierte nicht darauf- es schmerzte noch zu sehr.
„Tut mir Leid.“ sagte Isi.
„Ach quatsch. Das geht schon.“ murmelte ich.
„Warum erlaubst du ihm nicht einfach, Dora zu sehn?“
„Das hatten wir doch schon.“
„Aber er ist ihr Vater!" rief sie aus, "Er hat das Recht sie zu sehen! Du hast Glück, dass er dich wohl immer noch liebt, sonst hätte er sich das bestimmt schon längst eingeklagt.“
Ich sah sie an und lächelte: „Tja. Er darf sie trotzdem nicht sehn.“
„Dann siehst du ihn auch nie wieder!“
Ich musste mit den Tränen ringen und rief: „Ich weiß!! Aber soll ich aus Egoismus Doras Leben versauen?!!“
„Sie wird ihn sowieso irgendwann selbst suchen!“ rief Elise schon fast verzweifelt aus. Wir hatten schon so oft solche Art Gespräche.
„Dann ist es so, aber dann wird sie auch alt genug sein. Und jetzt lassen wir das Thema, ja?“ sagte ich. Nach einer Pause, die wir zusammen gemurmelt unter einer Decke saßen und in die Flammen starrten, fragte ich Isi lachend: „Kannst du dich noch an den Winter 2012 erinnern?“
„Was war denn da?“
"Da wurde ich doch schwanger!" lachte ich.
"Achso jah!"
"Ja.." lachte ich, "Schade, dass er nicht ein ganz normaler Junge war."
"Mann- meinst du. Er war 21."
"Und ich 16."
"Ja." sie nickte und vermied es, mich anzusehen.
"Ist das ein Vorwurf, Isi?" gluckste ich.
"Nein, nein..es ist nur komisch, oder? Das ist doch illegal."
"Hm...ich hatte nichts dagegen. Und du weißt echt nicht mehr, wie wir ihn kennengelernt haben?"
"Nein.."
"Wie?!" rief Theodora, die hinter der Ecke vorkam und auf uns zu sprintete.
"Verdammt.." murmelte ich. Ich setzte mich aufrecht hin. Ich wusste, dass sie jetzt keine Ruhe mehr geben würde, bis sie es wusste. Ich hob sie aufs Sofa und deckte sie mit zu.
"Du willst es also jetzt erzählen?" fragte Elise.
"Ja, warum nicht. Aber Dora- ich werde keinen Namen nennen, ok? Das kommt erst später, ja?"
"Ok.." murrte sie. Ich lächelte, nahm sie in den Arm und fing an zu erzählen.
"Bevor du geboren wurdest, war ich in der 10. Klasse. In diesem Jahr fuhren wir nach Amerika und machten dort unseren Abschluss."
"Wieso das?" fragte Dora verwirrt.
"Nun ja, deine Tante und ich wollten unbedingt nach Amerika und damals im Winter, hatten wir die Gelegenheit dazu, nach Amerika zu fliegen. Das war..naja.." Ich grinste und ließ es bei dieser Erklärung. Der Rest war nämlich Täuschung und Schummelei.
"Wir kamen an und gingen erst einmal in eine Schule in New York. Als dann Winterferien waren, wollten wir uns mal Hollywood ansehn. Und da trafen wir ihn."
"Ach ja...." machte Elise schließlich. Ich verdrehte die Augen und erzählte weiter: "Naja, wir beide waren ziemlich abgelenkt und achteten nicht darauf, wo wir hin liefen. Wir sahen uns um oder aufs handy. Und als ich gerade mit meinem handy beschäftigt war, rempelte ich jemanden an. Mein handy fiel auf den Boden. Ich meckerte ziemlich hefitg und sah den Mann nicht mal an. Aber bevor ich mein handy aufheben konnte, tat er es. Ich nahm es entgegen, ohne aufzusehen. Elise, die neben mir stand, stieß mich die ganze Zeit an, bis ich genervt fragte, was sie wolle. Sie zeigte auf den Mann und ich hätte mein handy fast noch einmal fallen gelassen. Vor uns stand dein Vater! Er hatte eine Sonnenbrille auf, aber ich wusste genau, welche Augenfarbe er hatte, da ich ein Fan von ihm war."
"Er ist ein Star?!!" fragte Dora aufgeregt.
"Ja.." sagte ich grinsend.
"Wie sieht er aus?!"
"Ähm...damals waren seine Haare dunkel und etwas länger, als ich sie zum letzten Mal gesehen hatte. Er ist relativ groß, aber wahrscheinlich kam es mir nur so vor, weil ich klein bin. Wie gesagt, hat er blaue Augen und sein Körper ist ..ähm..er ist nicht zu durchtrainiert, aber er hat schon Muskeln. Hilft dir das weiter?"
"Nicht unbedingt. Das könnte jeder sein." murrte sie. Elise und ich lachten.
"Erzähl weiter!"
"Ok...also, er lächelte mich an und ich hatte sofort ein fürchterliches Kribbeln im Bauch, es war nicht schön- es war furchtbar extrem. Er entschuldigte sich bei mir und sagte: "Lass mich wissen, ob dein Handy noch funktioniert."
Er gab mir einen Zettel und ging. Ich konnte mich gar nicht bewegen und war starr vor Schreck. Ich hatte nämlich gerade den Schauspieler getroffen, in den ich immer verknallt gewesen war und der hatte mir auch noch seine Nummer gegeben. Als er um die Ecke gebogen war, fingen Elise und ich kreischend auf und ab zu hüpfen- halt so typisch Mädchen." lachte ich, "Ich schrieb die Nummer mit einem Stift auf meinen Arm, weil ich Angst hatte, den Zettel zu verlieren. Dann sprinteten wir zurück zu unserer Wohnung und dort schrieb ich sie in mein Tagebuch- das hatte ich immer dabei. Angerufen hatte ich ihn nicht- ich war zu feige. Und dann ging die Schule los und da Isi und ich ein gutes Abschlusszeugnis haben wollten, büffelten wir wie die Irren, was sich ja auch gelohnt hatte!"
Ich hob meine Hand und Elise und ich machten ein High-5.
"Und dann hab ich ihn angerufen." sagte Isi.
"Genau. Weil ich zu feige war und nicht im Stande war, mit ihm zu reden. Es war wirklich furchtbar. Dann lief 'ne Weile gar nichts..."
"Bis sie dann eine SMS von ihm bekam.." bemerkte Elise.
"Jap. Ich bekam eine SMS von ihm, in der ich zu einer Feier eingeladen wurde. Nach langem Hin und Her gingen wir dann doch zur Party. Wir bestellten uns ein Taxi und dann ging es los. Ich war so aufgeregt, dass ich mich sogar übergab! Ich hatte mich wirklich nicht mehr unter Kontrolle und meine Hände waren am ständigen Zittern. Mein Herz raste und mein Atem war eher schlecht. Mir ging es echt miserabel, aber deine Patentante schleppte mich trotzdem dort hin."
"Zum Glück! Sonst wärst du jetzt nicht da, Dora!" rief sie belustigt aus.
"Hä?" machte Dora.
"Erklär ich dir gleich." murmelte ich und tätschelte ihr den Kopf, "Wir kamen also mit einer Stunde Verspätung an. Es war eine Villa und die Party lief schon. Man konnte die Musik bis Draußen hören! Rein zu kommen war recht leicht. Wir mussten nur sagen, dass wir eine Einladung von deinem Vater bekommen hatten. Der Mann ließ dann deinen Vater holen. Dora.. " Ich musste beid er Erinnerung eine Pause machen, "..es war wie in einem Traum, oder einem Film! Da wird ja alles mit Musik untermalt und das macht ja bestimmte Szenen gerade aus, die Musik die im Hintergrund läuft. Und wow..Wie er aus der Masse trat. Die Hände in den Taschen, ein Lächeln auf den Lippen...und das alles mit einem Lied von Eminem im Hintergund. Mein Herz krachte! Es setzte nicht aus, oder machte einen Satz oder zerriss, wie es die gewöhnlichen Beschreibungen sind, nein. Es krachte! Mein Magen krampfte und meine Augen lächzten nach seinen. Hm..ja...und dann waren da noch meine Beine.." sagte ich lachend, "Die wollten anscheinend unbedingt laufen- weglaufen. Elise hielt mich fest, während ich fast brutal gegen deine Patentante ankämpfte. Als er dann vor uns stand, da konnte ich mich dann gar nicht bewegen. Deine Patentante musste mich mitzerren, während ich auf seinen Hinterkopf starrte. Und dann waren wir drin. Es war laut, es war voll, es war durcheinander...abends, nein, morgens um halb 5 verschwanden wir dann und waren nicht einmal die letzten. Dein Vater hatte uns mit verschiedenen Leuten bekanntgemacht. Ich kann mich gar nicht mehr an sie erinnern, ich weiß nur noch, dass Selena Gomez dabei war.."
"Was?!" schrie meine Tochter. Ich konnte ein Grinsen nicht verhindern und sagte: "Jaja, da staunste, wa? Deine Patentante war fast den gesamten Abend bzw. Morgen bei ihr und hat sich mit ihr unterhalten, während ich ganze 2 Mal mit deinem Vater tanzte und den Rest nur dumm rum saß und trank, um die Gefühle wegzuschwemmen. War nicht die beste Idee und dir rate ich auch nicht dazu, Dora. Ich hatte einen furchtbaren Kater danach!"
"Kater?" fragte sie verwirrt.
"Da hat man Kopfschmerzen, einem ist übel und man ist überempfindlich auf Licht und Geräusche..naja..nicht sehr angenehm. Die Party war also kein...Höhepunkt in meinem Leben."
Elise ergriff das Wort: "Deine Mutter war danach zu nichts mehr zu gebrauchen. Hing nur rum, aß nichts, machte nichts außer lernen. Sie schlief nicht mal. Und als beste Freundin fühlte ich mich dazu verpflichtet, deiner Mutter zu helfen." Sie musste lachen: "Ich rief deinen Vater an, Dora. Es war furchtbar peinlich!! Ich habe mich sooo sehr geschämt!"
"Was hast du denn gemacht?!" fragte Dora aufgeregt. Ich saß nur da und grinste vor mich hin.
"Ich habe ihn dafür angemeckert, dass es deiner Mutter so schlecht geht."
"Ok? Und? Wie reagierte er darauf?" fragte Dora.
"Er wollte mit deiner Mutter reden." erklärte Elise, "Am Telefon zuerst und dann erzählte mir deine Mutter nach dem Gespräch mit ihm, dass er sich mit ihr treffen wolle. Als sie sich die ersten Male trafen, war ich immer dabei gewesen. Dadurch lief das Ganze aber nicht sehr gut, sie redeten kaum miteinander. Am dritten Tag, was auch das dritte Treffen war, ließ ich sie allein gehen, was ihr sehr missfiel. Ich sagte es ihr am Morgen des Tages und sie redete den Tag lang nicht mehr mit mir. Kein Wort. Sie war wirklich bockig." Sie musste wieder lachen und grinste. Ich auch, aber ich musste meine Tränen zurückhalten, als ich daran erinnert wurde, was sie gleich erzählen würde.
"Sie..ähm..sie kam glücklich wieder. Sie strahlte, aber erzählte nichts! Sie trafen sich die nächsten zwei Wochen, der Oktober war fast vorbei. An einem Morgen ging es ihr dann beschissen..ähh!" Elise sah mich geschockt an, "Ich meine nicht gut! Ihr ging's nicht gut!" fügte sie hastig hinzu, "Sie übergab sich, war blass..Ich ließ sie an einem Tag allein, weil ich mit einem Jungen verabredet war. Als ich abends wieder kam, saß deine Mutter weinend auf dem Bett und Musik von Linkin Park war laut aufgedreht. Ich machte die Musik aus und setzte mich neben sie. Sie lächelte und gleichzeitig liefen ihr Tränen über die Wangen. Ich fragte sie, was los sei. Und da zeigte sie mir den Schwangerschaftstest. Er war positiv. Es vergingen Tage, in denen sie sehr viel weinte und sehr viel lachte. Schließlich überredete ich sie, es ihren Eltern zu sagen. Es war....kompliziert. Aber das ist eine andere Geschichte..Dann rief sie deinen Vater an und verabredete sich mit ihm. Er reagierte zuerst geschockt, er wollte es nicht wahrhaben, aber dann war er sehr erwachsen. Er freute sich und verbrachte fast jeden Tag mit ihr und ..." sie machte eine Pause und strich Dora lächelnd über die Wange," Und mit dir, Dora. Er war sehr liebevoll und freute sich schon auf dich, obwohl er wusste, dass deine Mutter vor deiner Geburt nach Deutschland fliegen würde. Das Schuljahr ging vorbei und wir flogen zurück. Dein Vater konnte bei deiner Geburt nicht dabei sein, aber er besuchte dich als Baby. Irgendwann wurdest du älter und deine Mutter wollte nicht, dass er dich besucht. Sie hatte Angst um dich, Dora. Naja, es war sehr traurig. Seine Eltern stritten sich...aber dann wurde alles halbwegs gut. Du bekommst ja Post von ihm! Geschenke! Und auch deine Mutter hat noch Kontakt mit ihm, so ist es nicht.."
Es war grauenhaft still- keiner sagte ein Wort, auch Dora nicht. Sie starrte mich nur an- der Blick unergründlich. Zum Glück klingelte es und Florian kam mit seinen Kindern an.
Meine Tochter fragte mich nicht mehr nach ihrem Vater, ich wusste nicht warum. Aber sie verhielt sich normal und daher dachte ich mir nichts dabei. Es vergingen Wochen und die Weihnachtsferien vergingen und die Winterferien waren auch vorbei.
Dora befand sich gerade in der Schule, als es an der Tür klopfte. Ich stellte meinen Kaffee ab, es war gerade mal 10.00 Uhr. Ich ging zur Tür und sah durch den Spion. Ich schreckte ein paar Schritte zurück und stolperte dann verwirrt wieder nach vorn, um ein zweites mal hindurch zu sehen. Ich konnte nicht fassen wen ich sah. Außer Atem drehte ich mich um und lehnte mich gegen die Tür, als wäre er ein Einbrecher und ich wollte ihn aufhalten. Es klopfte noch einmal.
„Komm schon! Mach auf!“ rief er. Er gab keine Ruhe, eine geschlagene viertel Stunde standen wir uns, nur durch eine Tür getrennt gegenüber. Als er schon anfing zu brüllen, riss ich schließlich die Tür auf. Er hatte gerade seine Faust gehoben, um wieder an die Tür zu klopfen. Als er mich entdeckte, grinste er mich an.
„Was..machst du hier?“ stammelte ich.
„Ich wollte dich sehen. Nein..eigentlich wollte ich Theodora sehen.“
Ich schlang meine Arme um die Taille. Kalte Winterluft wehte mir entgegen.
„Darf ich reinkommen?“ fragte er.
„Ich weiß nicht.“
Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit ich 16 war. Das heißt, nicht persönlich. Ich hatte nur alle paar Monate Kontakt mit ihm, über die Briefe, die er regelmäßig schrieb. Er starrte auf den Boden. Ich sah, dass er nicht gerade glücklich über meine Antwort war. Aber was erwartete er? Ein freundlich Hallo und dazu einen Kuss? Er hatte eine Freundin. Das wusste jeder, er war ja inzwischen ziemlich bekannt geworden. Und jetzt stand er vor meiner Tür, wollte seine Tochter sehen und hatte nicht mal den Mumm, der Welt zu sagen, dass es uns überhaupt gibt. Ich wusste nicht mal, ob seine Freundin davon wusste.
„Ich bin ziemlich lange..ähm..gereist.“
Ich ersparte ihm die Mühe deutsch zu sprechen und antwortete auf englisch, auch wenn mir das sehr schwer fiel. Es fiel mir immer noch leichter als ihm deutsch zu sprechen.
„Ähm, ok. Komm rein.“
Er kam auf mich zu und ich wich zur Seite aus. Hinter ihm schloss ich die Tür.
„Du hast ein schönes Haus.“ sagte er lächelnd.
„Ja. Und ein großes Gelände. Das kann ich aber kaum "meins" nennen.“ murmelte ich tonlos. Es sollte nicht lustig sein. Trotzdem lachte er und ich konnte nicht anders, als zu lächeln.
„Danke..“ flüsterte ich dann noch. Ich empfand es für notwendig- er hatte es ja schließlich bezahlt.
Es war merkwürdig ihn vor mir stehen zu sehen. Seine Haare waren kürzer, aber auch nicht so kurz, wie schon einmal. Es war eine gute Länge. Seine Augen blitzten blau auf und ich konnte ein paar Bartstoppeln sehen. Er sah noch immer fürchterlich jung aus und kaum verändert- es verursachte einen Krampf in meinem Magen, doch ich versuchte es mir nicht anmerken zu lassen. Er zog seinen schwarzen Wintermantel aus und hing ihn über meine. Er hatte einen einfarbigen, stinknormalen blauen Pullover an, mit einer schwarzen Jeans. Er drehte sich zu mir und verzog seinen Mund zu einem schiefem Lächeln. Dann steckte er seine Hände in die Hosentaschen und sah mich so an. Schließlich sagte ich: „Lass das.“ Es war kaum hörbar, selbst für mich nicht. Und es war eigentlich auch nicht gedacht, dass er es hörte, aber er zog die Augenbrauen zusammen und fragte: „Was?“
Sofort antwortete ich: „Was? Was denn? Ich hab nichts gesagt.“
Mit den Worten stolzierte ich an ihm vorbei in die Küche. Ich verfluchte mich dafür, dass ich heute frei hatte und nur in Jogginghose und weitem Pulli rumlief, während der Vater meiner Tochter in meiner Küche stand. Ich versuchte ihm aus dem Weg zu gehen und nicht ins Gesicht zu sehen. Mir war richtig unbehaglich. Ich mochte ihn ja immer noch. Sehr sogar. Höflichkeitshalber fragte ich: „Möchtest du was trinken, was essen?“
„Nein, Danke. Ich möchte nur reden.“
„Dann rede..“ ich schnappte mir meine Kaffeetasse und lehnte mich gegen die Arbeitsfläche der Küche.
„Ähm...“ machte er und kam auf mich zu. Ich bekam ein bisschen Panik und sagte schnell, während ich schon am Gehen war: „Lass uns doch in die Stube. Da ist es bestimmt bequemer.“
Als er mir ohne Kommentar folgte, warf ich einen Blick auf die Uhr, die über der Tür zum Flur hing. In drei Stunden würde Elise mit ihren Kindern und Dora kommen. Bis dahin musste ich ihn soweit neu kennengelernt haben, dass ich mir sicher war, dass er Dora sehen durfte. Es hört sich brutal an, seinem Kind den Vater zu verweigern und andersherum auch, aber es war notwendig. Eigentlich - dann kam er und jetzt war er hier und ich konnte ihn ja nicht einfach wegschicken.
Ich setzte mich auf das Sofa und er setzte sich neben mich. Ich rutschte bis ans letzte Ende.
„Was ist mit dir?“ fragte er tonlos und sah mich abwartend an. Unschuldig fragte ich: „Was denn? Mit mir ist nichts.“
„Du verhältst dich, als wäre ich giftig.“
„Möchtest du 'ne Umarmung?“ fragte ich scherzhaft.
„Ich habe dich lange nicht mehr gesehen, weißt du?“
„10 Jahre.“ verbesserte ich.
„Ja, 10 Jahre.“
„Ja.“
„Ja.“ sagte er und starrte auf den Boden. Lange starrte er. Und müde sah er aus.
„Was ist los?“ fragte ich schließlich. Ich stand auf und ging zum Kamin um ihn anzumachen. Ich rief ihn zu mir, sich hier her zu setzten, sonst würde der Kamin nichts bringen. Er saß also in dem Sessel vor dem Kamin und ich auf dem kleinen Sofa.
Er starrte in die Flammen, dann sah er mich an und sagte: „Läuft grad nicht gut.“
Ich legte den Kopf schief und sah ihn fragend an: „Was läuft nicht gut?“
Er schnaufte und zog die Augenbrauen hoch: „Ähm. Alles!“
„Und deswegen bist du hergekommen.“
Er zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf: „Nicht NUR deswegen. Ich fand, es wurde mal Zeit, meine Tochter kennen zu lernen.“
„Und da kommst du einfach unangemeldet her?“
„Ich wusste ja nicht, dass du so ein großes Problem mit mir hast!“ er wurde etwas laut und als er mich wütend ansah, wich ich seinem Blick aus.
„Ich habe kein Problem damit. Naja, doch schon. Aber nicht so wie du denkst!“
„Was denke ich denn?“ sagte er schnippisch.
„Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, habe ich glaube nur Angst davor..“ sagte ich und starrte in die Flammen.
„Vor was?“
„In etwa drei Stunden wird Elise mit ihren Kindern und mit meiner..ähm, unserer Tochter kommen. Und dann sitzt du hier und..und..das ist merkwürdig. Was wirst du tun?“
Er sah mich an und wartete, bis ich zurück sah. Dann zuckte er mit den Schultern. Er stand auf und ich stand auch auf. Wir blieben eine Weile stehen.
„Warum stehen wir?“ lachte ich. Ich bekam keine Antwort. Stattdessen kam er auf mich zu und umarmte mich. Ich stand stockstarr da und bewegte mich nicht. Mein Gesicht lag auf seiner warmen Brust und meine Nase roch, gegen meinen Willen, seinen schönen Duft. Sein Gesicht lag auf meiner Schulter und seine Arme schlangen sich besitzergreifend um meinen Körper.
„Was tust du?“ fragte ich vorsichtig und leise. Ich hatte Angst das meine Stimme brach und ein Zittern konnte ich nicht vermeiden. Er löste seinen Griff und sah mich mit seinem schiefem Lächeln an. Seine Augen sahen traurig aus: „Ich habe dich vermisst.“ Er stand immer noch sehr dicht an mir dran und nahm meine Hände. Als er noch näher kam, wich ich aus und sah ihn empört an: „Wie kann das sein! Du hast 'ne Freundin! Ist sie nicht sogar ein Model?! Wie kannst du dann überhaupt an eine wie mich denken?!“
Er sah mich ernst und auch traurig an. Dann sagte er nach kurzer Stille: „Ich habe an nichts anderes mehr gedacht..“
„Hör auf! Hör auf..das kannst du nicht machen..“ rief ich verzweifelt aus.
„Was?“
„Mir Hoffnungen zu machen, ok? Du..du kommst hier einfach rein, nach 10 Jahren! Und meinst einfach mal so sagen zu können, dass ich dir nicht aus dem Kopf ging?! Als nächstes kommt noch, dass du mich immer noch liebst! PAH! Was sagt deine Freundin dazu? Weiß sie von deiner Tochter?! Von Dora? Hast du es überhaupt mal erwähnt, dass du eine Tochter hast?!“
„Ja! Habe ich!" rief er, "Hast du mal erwähnt, von wem sie ist?!“
„NEIN! Und das ist auch was ganz anderes!" schrie ich wütend. Ich starrte in die Flammen, weil ich ihn nicht ansehen konnte, während ich seinen Blick auf meinem Gesicht spürte. Dann fragte ich leise: „Was hat sie gesagt?“
„Wer...“
„Deine Freundin, als sie von mir und Dora erfuhr.“
Ich sah ihn an, er starrte auch in die Flammen und steckte seine Hände in die Hosentaschen: „Sie hat Schluss gemacht.“
„Das tut mir Leid..“ sagte ich und sah auch wieder in die Flammen. Innerlich lächelte ich.
„Nein..nein. Muss es dir nicht. Es gab sowieso viele Schwierigkeiten...naja. Irgendwann hätte ich dann wohl Schluss gemacht.“
„Was für Schwierigkeiten?“
Als ich seinen Blick sah, verstand ich.
Ich saß jetzt seit 3 Stunden mit ihm zusammen und prüfte ihn. Er hatte Urlaub. Ein paar Wochen und danach würde er hier in Deutschland, also in Berlin, ein Interview haben. Er wollte so viel Zeit mit Theodora verbringen, wie er nur konnte. Das wollte er schon immer, nur ich stand ihm immer im Weg. Gleich würde sie kommen, Theodora. Also stand ich auf und ging, ohne etwas zu sagen. Ich empfing sie, ohne dass sie klingeln mussten. Die kleinen begrüßten mich und stürmten die Treppe rauf, in Doras Zimmer. Danach folgte Elise und ihr Mann. Ich begrüßte sie mit einem Lächeln und einer Umarmung. Theodora folgte ihnen. Ich beugte mich zu ihr runter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Es war alles perfekt, niemand bemerkte etwas. Zuerst würde ich es wohl Elise sagen. Ich schickte Dora also nach Oben: "Kümmerst du dich ein wenig um die kleinen? Ich muss mit Elise reden."
Dora stimmte zu und verschwand. Elises Mann setzte sich in das Esszimmer und las Zeitung. Elise sah mich mit zusammengezogenen Augenbrauen an und fragte: "Was ist los."
"Ähm.." stammelte ich und zerrte sie am Unterarm weiter.
"Pass auf. Ich hab das überhaupt nicht erwartet und nun weiß ich nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich könnte also sehr gut deine Hilfe gebrauchen."
"Wovon sprichst du?" fragte Isi.
Bevor sie weiter in das Wohnzimmer laufen konnte, hielt ich sie auf. Ich flüsterte: "Guck! In der Bibliothek..."
Isi lugte vorsichtig um die Ecke und sah mich mit großen Augen an: "Ist das etwa.."
"Ja...." unterbrach ich sie: "Verstehst du mich jetzt?"
Sie nickte ernst. Kurz darauf grinste sie mich an und kicherte: "Das ist ja so cool!"
Ich bemerkte, dass wir uns nicht wirklich verändert haben, seit wir 16 geworden sind. Nur die Prioritäten haben sich ein wenig verändert. Obwohl bei mir auf jeden Fall schon immer die Familie an oberster Stelle stand. Als Elise anfing zu hüpfen, musste ich sie zurückhalten. Ich raunte ihr zu: "Was meinst du? Soll ich ihm Dora gleich vorstellen?"
"Naja...was willst du denn sonst mit ihm machen. Ihn im Keller verstecken?"
Ich musste gestehen, dass ich erst überlegte, bevor ich sagte: "Ach quatsch, das wäre ja dumm."
Ich lugte dann noch einmal um die Ecke. Er stand seitlich am Regal gelehnt und blätterte gerade in einem Buch. Dora stand einige Schritte hinter ihm und starrte ihn an.
"Verdammt" flüsterte ich. Ich wollte die Situation erst einmal beobachten und sehen, was passierte, bevor ich eingreifen würde. Sie steckte ihre Hände in die Hosentaschen und sah auf den Boden. Ein Schauer überkam mich, als ich die Ähnlichkeit zwischen ihr und ihrem Vater erkannte. Ihre Haare verdeckten ihr Gesicht, ich konnte also nicht erkennen, was in ihr vor ging.
"Dora..." hauchte ich vorsichtig. Elise stand hinter mir und zupfte an meinem Ärmel. Ständig fragte sie: "Was? Was ist da los? Lydi..ist Dora da? Was siehst du?"
Ich ignorierte sie. Dora sah auf. Sie sah mich erst erstaunt, dann enttäuscht und dann wütend an. Ihr Blick erfüllte mich mit großer Angst. Ich winkte sie zu mir und sie kam. Ich zog sie hinter die Wand, sodass ihr Vater nichts mitbekam und bevor ich etwas sagen konnte, meinte sie: "Da steht Logan Lerman."
Ich nickte und wollte es erklären, doch sie schüttelte den Kopf und sagte: "Mama, ich weiß, was das soll. Warum sollte ein Schauspieler in unserem Haus stehen, wenn es nichts zu bedeuten hätte?"
Ich sah sie erwartungsvoll an, während sie wieder die Hände in die Hosentaschen steckte und auf den Boden starrte: "Logan Lerman ist mein Vater?" Es war weniger eine Frage, als eine Feststellung. Sie sah mich wieder an, schüttelte enttäuscht den Kopf und sah mich vorwurfsvoll an: "Du konntest mir nicht sagen, dass ein Filmstar mein Vater ist? Und noch dazu Logan? Du wusstest genau, wie ich zu ihm stehe."
Ich war verblüfft. So etwas von einem 10-jährigen Mädchen zu hören, wirkte merkwürdig. Die Wortwahl, der Satzbau. Allein, dass sie erkannt hatte, dass er ihr Vater war, war schon überwältigend. Noch dazu war sie nicht ausgerastet, obwohl sie ein Fan von ihm war. Ich fühlte mich unwohl in meiner Haut und zum ersten mal konnte ich dem Blick meiner Tochter nicht standhalten.
Elise setzte zu einem Satz an, als Logan um die Ecke kam. Wie sie sich gegenüberstanden. Es war schon fast gruselig. Beide die Hände in den Taschen, beide dunkle Haare, beide strahlend blaue Augen. Dora hatte mehr Ähnlichkeit mit ihm, als ich es gedacht hatte. Ich sah, wie nervös er war. Er kaute auf seiner Unterlippe. Und auch Dora trat von einem Fuß auf den anderen. Sie starrten sich stumm an. Ich wollte sie Situation retten und sagte: "Dora? Darf ich dir deinen Vater vorstellen?"
Dora reichte ihm die Hand und sagte, ohne jede Gefühlsregung im Gesicht oder in der Stimme: "Guten Tag."
Logan nahm zitternd ihre Hand entgegen und sagte: "Hi, ich bin .."
"Ich weiß wer du bist. Du bist Logan Lerman. Aber nicht mein Vater."
Ich war geschockt. Ich starrte Logan an. Er sah traurig aus. Tottraurig. Ich wollte etwas sagen, aber Dora sah mich an und sagte: "Ich habe keinen Vater, hatte auch nie einen und werde nie einen haben, Mutter."
Mit diesen Worten verschwand sie. Und auch Elise begriff die Situation und verschwand. Ich stand allein mit ihm an der Ecke in der Küche.
Er lächelte mich an, ich wusste, es war kein echtes Lächeln. Dann kam er auf mich zu. Ich ließ ihn an mich heran, ich fühlte mich wie eingerostet. Er küsste mich auf die Stirn, dann sagte er: "Tschüss, ich verschwinde."
Bevor ich begriff und ihn aufhalten konnte, war er schon aus dem Haus. Ich ballte meine Hände und rannte mit verwirrten Gefühlen rauf zu Doras Zimmer. Vor ihrer Tür standen die Kinder von Elise, trommelten an ihre Tür und baten sie, herein zu lassen.
"Was ist los?"
"Sie hat uns ausgesperrt." jammerten die Kinder. Ich schickte sie nach unten und ging in Doras Zimmer. Sie hatte nicht abgeschlossen, sie war ja auch nicht da. Danach ging ich ins Bad, sie stand vor dem Fenster und hielt ein Foto in den Händen, während sie nach Draußen sah. Ohne, dass ich was sagte, bemerkte sie mich und sagte: "Weißt du, er hatte mich immer interessiert, weil ich so viele Ähnlichkeiten zwischen uns festgestellt hab. Ich fand das cool so zu sein, wie ein Star. Und jetzt weiß ich, das ich nicht nur Ähnlichkeiten mit ihm habe, sondern so bin wie er." Sie machte eine Pause. Dann sagte sie laut, schon fast schreiend: "Weil er mein Vater ist! Weil ich seine Tochter bin!!!"
Tränen liefen mir die Wangen hinunter. Ich hatte meine Tochter noch nie so gesehen. So verbittert, so traurig, so hilflos. Sie wirkte wie eine erwachsene Frau und nicht mehr wie das kleine, lebendige Mädchen, dass ich heute morgen in die Schule schickte. Ich ging auf sie zu und legte meine Hände auf ihre Schultern. Das Foto in ihren Händen zeigte Logan. Ich wischte ihre Tränen aus dem Gesicht, während er das Gartentor aufmachte, es hinter sich zu zog und ohne zurück zu sehen zwischen den Nachbarhäusern verschwand.
Sie wischte sich selbst die Tränen von den Wangen, löste sich von ihrer Mutter und rannte aus dem riesigen Haus, dabei ignorierte sie die anderen. Sie fühlte sich merkwürdig, was sie gesagt hatte, wie sie reagiert hatte. Als wäre es jemand anderes gewesen. Es war eiskalt, trotzdem rannte sie die beschneiten ewig langen Hügel herunter zur Straße, um ihm zu folgen. Es war völlig falsch von ihr und sie wollte ihn ja kennen lernen, das wollte sie wirklich!
„Theodora!“ rief ihre Mutter, „Bleib stehen! Theodora, verdammt! Wo willst du hin?!“
Doch sie antwortete nicht und blieb auch nicht stehen. Ohne auf ihre Mutter zu reagieren, rannte sie weiter, schloss das Tor hinter sich und rannte in Richtung Stadt, wo Logan verschwunden war. Sie suchte alles ab. Sie konnte ihn aber nicht sehen. Ihr stetiger Atem brachte Rhythmus in ihr Laufen und sie hätte ewig so weiter rennen können. Ihre Mutter hingegen war unsportlich und daher konnte sie ihr nicht so leicht folgen. Zum Glück.
Trotz der Leute in der Stadt, rief sie: „Log..ähh..Papa!!“ sie wollte ihn eigentlich nicht Vater nennen, aber in der jetzigen Situation wäre es wohl dumm gewesen, ihn beim Namen zu nennen. Jeder heutzutage, wenigstens, dass der Name zu einem Schauspieler gehörte. Es kam keine Antwort. Sie blieb stehen, völlig aus der Puste, sie sah sich kurz um, rannte dann weiter und beschloss die Straßenseite zu wechseln. Sie achtete kaum auf die stark befahrene Straße. Sie war selbst Schuld, dachte sie sich. Stock steif blieb sie geschockt auf der Straße stehen und sah einem hupendem Auto entgegen. Die Bremsen quitschten und das Licht des Autos raubte ihr die Sicht. Plötzlich wurde sie zur Seite gezerrt. Sie drehte sich der Person entgegen und fiel ihr entgegen. Die Person, die ein Mann war, wie sie erkannte, stolperte rücklings auf die andere Spur. Wieder quitschte es. Ihre Sicht verbesserte sich und sie konnte ein Gesicht erkennen. Logan. Ohne, dass sie es verhindern konnte, stieß sie ihn, mit ihrem Schwung, weiter vorwärts, vor das gerade bremsende Auto. Er war am Fallen und sie mit ihm. Sein Gesicht war starr. Sie spürte eine Hand, die ihren Kopf gegen seine Brust drückte und einen Arm, der ihren Körper umschlang. Im nächsten Moment spürte sie einen harten Aufschlag, dann wurden sie hoch auf das Auto geschleudert und fielen wieder zurück auf den Boden. Sie lag auf ihm. Das alles musste rasend schnell passiert sein. Sie empfand es jedoch so, als wären es Minuten gewesen. Blinzelnd richtete sie sich auf, in dem sie sich erst von seinem Körper rollte und sich dann hinkniete. Seine Augen waren geschlossen und an seiner Stirn trat Blut aus.
Erst jetzt entfuhr ihr ein Schrei. Tränen liefen ihr erneut über die immer noch nassen Wangen und sie legte ihren Kopf auf seine Brust, betend, dass er wieder aufwachte.
Ich blieb schnaufend und fluchend an der ersten Hausecke stehen.
„Verdammt Theodora…“
Ich hörte wie Reifen quitschten und rannte panisch weiter.
„Dora?“ ich ging mit einem mulmigen Gefühl auf die dichte Menschengruppe zu. Ich knetete meine Hände. Ich hörte Dora schreien und unwillkürlich rannte ich trotz lahmender Beine weiter.
„Lasst mich durch! Dora?“
Ich schob eine Menge Leute grob beiseite, nicht bedacht darauf ihnen nicht weh zu tun.
„Dora?“ sagte ich immer wieder und spitzte die Ohren um eine Antwort hören zu können. Schließlich hatte ich die Menschenmenge durchdrungen und sah nun auf Logan und Dora hinunter. Zu erst war ich geschockt und konnte mich nicht bewegen, doch dann hockte ich mich neben Dora hin, die den leblosen Logan umschlang. Ich nahm vorsichtig ihre Hand und wollte sie von seinem Körper nehmen, doch ich hatte keine Chance.
„Dora..komm schon! Ruft mal jemand einen Arzt? Was steht ihr hier so rum?!!“
Ich wurde aggressiv. Und an alle dem war er Schuld. Mein Schwarm, der Vater meiner Tochter, der Retter meiner Tochter. Der, der da bewusstlos lag und mein Leben durcheinander brachte.