Mehr als Freunde (Bergelfen II)
von SilviaK
Kurzbeschreibung
Felsenspringer empfindet für Windfeder schon seit einiger Zeit weit mehr als nur Freundschaft. Aber Windfeders Herz hängt immer noch an Hoykar. Hat Felsenspringer überhaupt eine Chance?
GeschichteFantasy, Liebesgeschichte / P12 / Gen
18.05.2013
27.05.2013
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18.05.2013
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Wie so oft verbrachten die Bergelfen die warme Sommernacht am großen Feuer auf dem Versammlungsplatz. Blaustern schenkte Blaubeerwein aus - sie achtete sehr genau darauf, daß ihr Vorrat stets bis zu nächsten Ernte und dem ersten neuen Wein reichte.
Als Felsenspringer mit unglücklicher Miene den Trinkschlauch, der ihm gereicht wurde, an seinen Freund weitergab, wurden die ersten Fragen laut, warum er denn heute so enthaltsam sei. Zwei Raben öffnete den Mund, um sie in allen Einzelheiten darüber aufzuklären, aber der junge Jäger kam ihm zuvor. Wenn jemand über ihn herzog - dann doch wenigstens er selber! Also gab er die Geschichte von der verlorenen Wette selbst zum Besten, ließ die Scherze der anderen über sich ergehen und reichte das Messer herum, das die Bergelfen staunend betrachteten. Darüber ging die Vorgeschichte praktischerweise unter.
Windfeder, die wie fast immer neben Felsenspringer saß, verbiß sich nur noch mit Mühe das Lachen. **Du bist verrückt! Wieso erzählst du das auch noch selber?**
Felsenspringer hob eine Augenbraue. **Wieso nicht? Die Hälfte der Witze, die sie sonst da-rüber reißen, habe ich dann schon gemacht.** Er grinste. **Wer austeilt, der muß auch einstecken können. Aber nicht mehr als unbedingt nötig.**
Typisch Felsenspringer. Windfeder schüttelte amüsiert den Kopf, angelte nach dem zugespitzten Ast, an dem sie ein paar aufgespießte Erdknollen im Feuer röstete, und streifte dabei Felsenspringers Arm.
Obwohl es nur eine flüchtige Berührung gewesen war, konnte der junge Elf sie immer noch fühlen, als Windfeder den Ast schon wieder über die Flammen hielt. Sein Herz begann, schneller zu schlagen. Von einer plötzlichen Unsicherheit erfaßt, sah er zu ihr hinüber. Wie gern hätte er einfach ihre Hand festgehalten und in der seinen gespürt. Aber sein Blick fiel auch auf den Kristall, den sie um den Hals trug - den Kristall mit der Feder. Und wie so oft in den vergangenen Monden zwang er sich, seinen Gefühlen nicht zu folgen, obwohl es ihm jedesmal schwerer fiel.
Langsam wanderte das Messer in der Runde wieder zurück zu seinem Besitzer. Schneebeere betrachtete es lange und nachdenklich, bevor sie es weiterreichte. ”Sanfthand hat so etwas nie versucht”, sagte sie leise. Ihre Augen sahen traurig aus, wie immer, wenn sie von ihrem verstorbenen Gefährten sprach - und das geschah selten genug. ”Es fiel ihm schwer, die feinen Formen herauszuarbeiten.”
Morgenlied, deren jüngerer Bruder Sanfthand gewesen war, nickte stumm dazu.
”Aber Windfeder kann es”, ließ sich Nachtauge vernehmen. ”Und ich befürchtete in den letzten Sommern schon, die alten Kräfte würden in unserem Stamm aussterben.”
”Unser Vater Höhlenformer wäre dir ein guter Lehrer gewesen - aber wie ich sehe, schaffst du es auch allein, deine Kräfte zu üben”, setzte Luchsohr hinzu, während er seiner Enkelin zulächelte.
”Na sicher schafft sie das. Und wenn nicht - mich habt ihr schließlich auch noch!”, verkündete Ari. Sie machte immer auf sich aufmerksam, wenn sie befürchtete, daß man sie übersah.
Luchsohr schmunzelte, und Nachtauge wandte sich an Windfeder: ”Würdest du mir auch solch ein Jagdmesser formen?”
”Natürlich!” Windfeder freute sich über die Bitte des Anführers - sie war stolz darauf, daß ihre Kräfte gebraucht wurden. Dabei übersah sie, daß Klinges Gesichtsausdruck bei den Worten von Nachtauge und Luchsohr noch etwas unzufriedener wurde. Blaustern dagegen fiel es auf. Doch ihr Gefährte beantwortete ihre gesendete Frage nur mit einem Kopfschütteln und schwieg.
”Was habe ich dir gesagt?”, ließ sich Felsenspringer vernehmen, während er das Messer wieder einsteckte. ”Das war der erste. Du wirst zu tun haben bis zu den Schneestürmen.”
Windfeder knuffte ihn gutgelaunt. ”Nur wegen dir - Faulpelz!”
”Paß lieber auf dein Abendessen auf”, feixte der junge Jäger. ”Oder magst du es gern knusprig?”
”Oh nein!” Von den Erdknollen waren nur noch verkohlte, schwarze Reste übrig. Seufzend schob sie den Ast gänzlich ins Feuer.
”Schau nicht so!”, wehrte sich Felsenspringer, bevor sie etwas sagen konnte. ”Das da war nicht meine Schuld!”
Nach und nach wurde die fröhliche Runde immer kleiner. Zwei Raben und Felsenspringer waren die letzten auf dem Platz und löschten gemeinsam das Feuer. Als Felsenspringer seinem Vater hinauf in die Höhle folgen wollte, hielt Zwei Raben ihn zurück und drückte ihm einen Lederschlauch in die Hand.
”Sag bloß, du hast mir doch was aufgehoben?” Felsenspringer spürte deutlich, daß der Schlauch noch zu gut einem Viertel gefüllt war.
Zwei Raben zwinkerte ihm zu. ”Von Blaustern abgezweigt. Du brauchst es Klinge ja nicht auf die Nase zu binden. Aber immerhin hat Windfeder es wirklich geschafft, dir bis Sonnenuntergang ein neues Messer zu formen.” Sein Lächeln wurde breiter. ”Du bist mir einer. Erst läßt du sie den ganzen Nachmittag lang nicht aus den Augen und dann sitzt du da und vergißt die Zeit, weil du dich mit ihr unterhältst.”
”Worauf willst du eigentlich hinaus?”, fragte Felsenspringer mißtrauisch. Es gefiel ihm nicht, daß andere ihn heimlich beobachteten, während er zu sehr in Gedanken versunken war, um es zu bemerken.
Zwei Raben sah seinen Freund aufmerksam an. ”Du magst sie ziemlich gern, hab’ ich recht?”
Felsenspringer wußte nicht, was er darauf erwidern sollte. Zu niemandem hatte er bisher ein Wort darüber verloren, was er für Windfeder empfand. Aber an Zwei Rabens Blick sah er, daß es zwecklos sein würde, es abzustreiten. Und bei ihm konnte er sich darauf verlassen, daß dieses Gespräch unter ihnen beiden blieb.
”Mehr als das”, antwortete er leise und lehnte sich gegen die Felswandung, die den Platz umrahmte. Es war ein seltsames Gefühl, es einmal laut auszusprechen. Sein Blick suchte Speerers Höhle am Berghang.
”Und warum sagst du es ihr dann nicht?”
Ohne ihn anzusehen entgegnete Felsenspringer: ”Ich bin nur ein Freund für sie. Und mehr werde ich sicher nie sein.”
Zwei Raben runzelte die Stirn. Es kam selten vor, daß der junge Jäger so bedrückt klang wie bei diesen Worten. ”Woher willst du das wissen? Hat sie das zu dir gesagt?”
”Ich kann’s mir doch denken!”, entgegnete Felsenspringer heftig, während er sich herumdrehte und seinem Freund einen verärgerten Blick zuwarf. ”Wie lange ist es her, daß Hoykar starb? Nicht mehr als einen Jahreslauf! Und nun schau dir meinen Vater an! Oder Schneebeere! Oder Luchsohr! Sie haben auch ihre Erkenntnisgefährten verloren und leben seitdem allein, ohne einen neuen festen Partner. Weil es nach solch einer Verbindung nie mehr das gleiche sein wird! Glaubst du, bei Windfeder ist das anders?”
”Das kann ich nicht sagen. Aber ihre Verbindung mit Hoykar war so kurz, kaum ein paar Stunden lang. Und sie haben die Erkenntnis nicht einmal erfüllen können.”
”Eben”, knurrte Felsenspringer. ”Es hat lange genug gedauert, bis sie wieder lachen und fröhlich sein konnte. - Würdest du denn jemand anderen wählen können, wenn es Winterlicht nicht mehr gäbe?”
Zwei Raben fühlte sich unbehaglich unter dem scharfen Blick seines Freundes. Seine Worte rührten an eine Frage, die er sich selbst gestellt hatte, als Windfeder so verändert zum Stamm zurückgekehrt war. Was, wenn er Winterlicht verlieren würde? Nach dem, was er miterlebt hatte, fürchtete er im Stillen die Antwort darauf.
”So etwas denke ich nicht einmal”, erwiderte er. ”Ich weiß nicht, ob ich ... ich möchte es auch gar nicht wissen! Aber könnte es nicht sein, daß Windfeder sich danach sehnt, jemanden an ihrer Seite zu haben? Gerade weil sie Hoykar verloren hat?”
Ein Bild tauchte vor Felsenspringers innerem Auge auf - Windfeder in seinen Armen, mit einem liebevollen Lächeln, das nur ihm galt, niemandem sonst. Wunschträume! Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln vertrieb er es. ”Ihr fehlt Hoykar, auch wenn sie kaum darüber spricht. Das ist sicher!”
”Und du wirst auf der Herbstjagd nicht einmal einen Hasen treffen, weil du immer nur an sie denkst! Das ist auch sicher!” Zwei Raben stieß Felsenspringer auffordernd den Ellbogen in die Seite. ”Seit wann gibst du auf, bevor du überhaupt angefangen hast? Oder willst du vielleicht warten, bis mein Sohn auch noch ein Auge auf sie wirft?” Wieder ein schalkhaftes Lächeln. ”Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, wenn Windfeder mit meiner Familie verbunden wird. Sie ist sehr nett.”
”Das weiß ich selber!” Felsenspringer gab den Rippenstoß zurück. ”Holzformer hat genug Auswahl - Wildbach und Silbermoos sind schließlich auch noch da!”
”Trotzdem. Warte besser nicht zu lange.”
”Du hast leicht reden”, seufzte Felsenspringer. ”Du und Winterlicht, bei euch war es einfach. Ihr habt euch erkannt.”
”Na, ob das immer so einfach ist?” Zwei Raben wiegte zweifelnd den Kopf. ”Wir beide waren glücklich darüber. Aber stell dir vor, du erkennst eine Elfe, die du nicht ausstehen kannst.”
”Große Sonne, du schaffst es wirklich, einen aufzumuntern.” Felsenspringer war es sehr wohl bewußt, daß auch er damit rechnen mußte, irgendwann mit jemandem die Erkenntnis zu teilen. Und daß dieser Jemand nicht Windfeder sein würde. Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. ”Ich hoffe bloß, ich komme drum herum.”
Zwei Raben lachte. ”Das hat noch keiner geschafft.” Er zog Felsenspringer den Weinschlauch aus der Hand, öffnete ihn und hielt ihn seinem Freund hin. ”Ich habe mich doch schon seit einiger Zeit gefragt, warum du früher so versessen darauf warst, ausgerechnet Windfeder zu ärgern. Mir scheint, du wolltest bloß nicht zugeben, daß sie dir gefiel - und heute willst du es wohl immer noch nicht. Da, trink einen Schluck und denk mal drüber nach.”
”Ja”, murmelte Felsenspringer, setzte den Lederschlauch an die Lippen und nahm gleich noch einen zweiten, tiefen Zug. Dann verschloß er ihn wieder und stieß sich von der Felswandung ab. ”Gehen wir?”
Zwei Raben nickte und folgte ihm zur Treppe.
Nachdem Felsenspringer seinem Freund angenehme Träume gewünscht hatte, war er auf Zehenspitzen in die Höhle geschlichen. Eisgänger schlief schon. Leise legte Felsenspringer sich nieder. Aber er fand keinen Schlaf. Bilder von Windfeder kreisten in seinen Gedanken. Ihre dunkelblauen Augen, ihre Hand auf seinem Arm, ihr Lächeln, das sein Herz schneller schlagen ließ. Er wollte bei ihr sein, wollte ihr nah sein - nicht nur als Freund.
Aber er erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie im letzten Herbst gesagt hatte, es gäbe keinen Ersatz für Hoykar. Und daß sie so etwas gar nicht wünschte.
Aber das lag einen ganzen Jahreslauf zurück. Vielleicht hatte Zwei Raben ja Recht. Vielleicht sollte er doch ... Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß Windfeder das gleiche für ihn empfand wie er für sie. Plötzlich erwachte Furcht in ihm, er könnte die Freundschaft zerstören, die während dieser Zeit zwischen ihnen gewachsen war. War es nicht besser, noch eine Weile zu warten? Oder war gerade das falsch?
Ärgerlich drehte sich Felsenspringer auf den Rücken und starrte die Höhlendecke an. Warum mußte das alles so kompliziert sein?!
Als Felsenspringer mit unglücklicher Miene den Trinkschlauch, der ihm gereicht wurde, an seinen Freund weitergab, wurden die ersten Fragen laut, warum er denn heute so enthaltsam sei. Zwei Raben öffnete den Mund, um sie in allen Einzelheiten darüber aufzuklären, aber der junge Jäger kam ihm zuvor. Wenn jemand über ihn herzog - dann doch wenigstens er selber! Also gab er die Geschichte von der verlorenen Wette selbst zum Besten, ließ die Scherze der anderen über sich ergehen und reichte das Messer herum, das die Bergelfen staunend betrachteten. Darüber ging die Vorgeschichte praktischerweise unter.
Windfeder, die wie fast immer neben Felsenspringer saß, verbiß sich nur noch mit Mühe das Lachen. **Du bist verrückt! Wieso erzählst du das auch noch selber?**
Felsenspringer hob eine Augenbraue. **Wieso nicht? Die Hälfte der Witze, die sie sonst da-rüber reißen, habe ich dann schon gemacht.** Er grinste. **Wer austeilt, der muß auch einstecken können. Aber nicht mehr als unbedingt nötig.**
Typisch Felsenspringer. Windfeder schüttelte amüsiert den Kopf, angelte nach dem zugespitzten Ast, an dem sie ein paar aufgespießte Erdknollen im Feuer röstete, und streifte dabei Felsenspringers Arm.
Obwohl es nur eine flüchtige Berührung gewesen war, konnte der junge Elf sie immer noch fühlen, als Windfeder den Ast schon wieder über die Flammen hielt. Sein Herz begann, schneller zu schlagen. Von einer plötzlichen Unsicherheit erfaßt, sah er zu ihr hinüber. Wie gern hätte er einfach ihre Hand festgehalten und in der seinen gespürt. Aber sein Blick fiel auch auf den Kristall, den sie um den Hals trug - den Kristall mit der Feder. Und wie so oft in den vergangenen Monden zwang er sich, seinen Gefühlen nicht zu folgen, obwohl es ihm jedesmal schwerer fiel.
Langsam wanderte das Messer in der Runde wieder zurück zu seinem Besitzer. Schneebeere betrachtete es lange und nachdenklich, bevor sie es weiterreichte. ”Sanfthand hat so etwas nie versucht”, sagte sie leise. Ihre Augen sahen traurig aus, wie immer, wenn sie von ihrem verstorbenen Gefährten sprach - und das geschah selten genug. ”Es fiel ihm schwer, die feinen Formen herauszuarbeiten.”
Morgenlied, deren jüngerer Bruder Sanfthand gewesen war, nickte stumm dazu.
”Aber Windfeder kann es”, ließ sich Nachtauge vernehmen. ”Und ich befürchtete in den letzten Sommern schon, die alten Kräfte würden in unserem Stamm aussterben.”
”Unser Vater Höhlenformer wäre dir ein guter Lehrer gewesen - aber wie ich sehe, schaffst du es auch allein, deine Kräfte zu üben”, setzte Luchsohr hinzu, während er seiner Enkelin zulächelte.
”Na sicher schafft sie das. Und wenn nicht - mich habt ihr schließlich auch noch!”, verkündete Ari. Sie machte immer auf sich aufmerksam, wenn sie befürchtete, daß man sie übersah.
Luchsohr schmunzelte, und Nachtauge wandte sich an Windfeder: ”Würdest du mir auch solch ein Jagdmesser formen?”
”Natürlich!” Windfeder freute sich über die Bitte des Anführers - sie war stolz darauf, daß ihre Kräfte gebraucht wurden. Dabei übersah sie, daß Klinges Gesichtsausdruck bei den Worten von Nachtauge und Luchsohr noch etwas unzufriedener wurde. Blaustern dagegen fiel es auf. Doch ihr Gefährte beantwortete ihre gesendete Frage nur mit einem Kopfschütteln und schwieg.
”Was habe ich dir gesagt?”, ließ sich Felsenspringer vernehmen, während er das Messer wieder einsteckte. ”Das war der erste. Du wirst zu tun haben bis zu den Schneestürmen.”
Windfeder knuffte ihn gutgelaunt. ”Nur wegen dir - Faulpelz!”
”Paß lieber auf dein Abendessen auf”, feixte der junge Jäger. ”Oder magst du es gern knusprig?”
”Oh nein!” Von den Erdknollen waren nur noch verkohlte, schwarze Reste übrig. Seufzend schob sie den Ast gänzlich ins Feuer.
”Schau nicht so!”, wehrte sich Felsenspringer, bevor sie etwas sagen konnte. ”Das da war nicht meine Schuld!”
Nach und nach wurde die fröhliche Runde immer kleiner. Zwei Raben und Felsenspringer waren die letzten auf dem Platz und löschten gemeinsam das Feuer. Als Felsenspringer seinem Vater hinauf in die Höhle folgen wollte, hielt Zwei Raben ihn zurück und drückte ihm einen Lederschlauch in die Hand.
”Sag bloß, du hast mir doch was aufgehoben?” Felsenspringer spürte deutlich, daß der Schlauch noch zu gut einem Viertel gefüllt war.
Zwei Raben zwinkerte ihm zu. ”Von Blaustern abgezweigt. Du brauchst es Klinge ja nicht auf die Nase zu binden. Aber immerhin hat Windfeder es wirklich geschafft, dir bis Sonnenuntergang ein neues Messer zu formen.” Sein Lächeln wurde breiter. ”Du bist mir einer. Erst läßt du sie den ganzen Nachmittag lang nicht aus den Augen und dann sitzt du da und vergißt die Zeit, weil du dich mit ihr unterhältst.”
”Worauf willst du eigentlich hinaus?”, fragte Felsenspringer mißtrauisch. Es gefiel ihm nicht, daß andere ihn heimlich beobachteten, während er zu sehr in Gedanken versunken war, um es zu bemerken.
Zwei Raben sah seinen Freund aufmerksam an. ”Du magst sie ziemlich gern, hab’ ich recht?”
Felsenspringer wußte nicht, was er darauf erwidern sollte. Zu niemandem hatte er bisher ein Wort darüber verloren, was er für Windfeder empfand. Aber an Zwei Rabens Blick sah er, daß es zwecklos sein würde, es abzustreiten. Und bei ihm konnte er sich darauf verlassen, daß dieses Gespräch unter ihnen beiden blieb.
”Mehr als das”, antwortete er leise und lehnte sich gegen die Felswandung, die den Platz umrahmte. Es war ein seltsames Gefühl, es einmal laut auszusprechen. Sein Blick suchte Speerers Höhle am Berghang.
”Und warum sagst du es ihr dann nicht?”
Ohne ihn anzusehen entgegnete Felsenspringer: ”Ich bin nur ein Freund für sie. Und mehr werde ich sicher nie sein.”
Zwei Raben runzelte die Stirn. Es kam selten vor, daß der junge Jäger so bedrückt klang wie bei diesen Worten. ”Woher willst du das wissen? Hat sie das zu dir gesagt?”
”Ich kann’s mir doch denken!”, entgegnete Felsenspringer heftig, während er sich herumdrehte und seinem Freund einen verärgerten Blick zuwarf. ”Wie lange ist es her, daß Hoykar starb? Nicht mehr als einen Jahreslauf! Und nun schau dir meinen Vater an! Oder Schneebeere! Oder Luchsohr! Sie haben auch ihre Erkenntnisgefährten verloren und leben seitdem allein, ohne einen neuen festen Partner. Weil es nach solch einer Verbindung nie mehr das gleiche sein wird! Glaubst du, bei Windfeder ist das anders?”
”Das kann ich nicht sagen. Aber ihre Verbindung mit Hoykar war so kurz, kaum ein paar Stunden lang. Und sie haben die Erkenntnis nicht einmal erfüllen können.”
”Eben”, knurrte Felsenspringer. ”Es hat lange genug gedauert, bis sie wieder lachen und fröhlich sein konnte. - Würdest du denn jemand anderen wählen können, wenn es Winterlicht nicht mehr gäbe?”
Zwei Raben fühlte sich unbehaglich unter dem scharfen Blick seines Freundes. Seine Worte rührten an eine Frage, die er sich selbst gestellt hatte, als Windfeder so verändert zum Stamm zurückgekehrt war. Was, wenn er Winterlicht verlieren würde? Nach dem, was er miterlebt hatte, fürchtete er im Stillen die Antwort darauf.
”So etwas denke ich nicht einmal”, erwiderte er. ”Ich weiß nicht, ob ich ... ich möchte es auch gar nicht wissen! Aber könnte es nicht sein, daß Windfeder sich danach sehnt, jemanden an ihrer Seite zu haben? Gerade weil sie Hoykar verloren hat?”
Ein Bild tauchte vor Felsenspringers innerem Auge auf - Windfeder in seinen Armen, mit einem liebevollen Lächeln, das nur ihm galt, niemandem sonst. Wunschträume! Mit einem ärgerlichen Kopfschütteln vertrieb er es. ”Ihr fehlt Hoykar, auch wenn sie kaum darüber spricht. Das ist sicher!”
”Und du wirst auf der Herbstjagd nicht einmal einen Hasen treffen, weil du immer nur an sie denkst! Das ist auch sicher!” Zwei Raben stieß Felsenspringer auffordernd den Ellbogen in die Seite. ”Seit wann gibst du auf, bevor du überhaupt angefangen hast? Oder willst du vielleicht warten, bis mein Sohn auch noch ein Auge auf sie wirft?” Wieder ein schalkhaftes Lächeln. ”Nicht, daß ich etwas dagegen hätte, wenn Windfeder mit meiner Familie verbunden wird. Sie ist sehr nett.”
”Das weiß ich selber!” Felsenspringer gab den Rippenstoß zurück. ”Holzformer hat genug Auswahl - Wildbach und Silbermoos sind schließlich auch noch da!”
”Trotzdem. Warte besser nicht zu lange.”
”Du hast leicht reden”, seufzte Felsenspringer. ”Du und Winterlicht, bei euch war es einfach. Ihr habt euch erkannt.”
”Na, ob das immer so einfach ist?” Zwei Raben wiegte zweifelnd den Kopf. ”Wir beide waren glücklich darüber. Aber stell dir vor, du erkennst eine Elfe, die du nicht ausstehen kannst.”
”Große Sonne, du schaffst es wirklich, einen aufzumuntern.” Felsenspringer war es sehr wohl bewußt, daß auch er damit rechnen mußte, irgendwann mit jemandem die Erkenntnis zu teilen. Und daß dieser Jemand nicht Windfeder sein würde. Dieser Gedanke gefiel ihm überhaupt nicht. ”Ich hoffe bloß, ich komme drum herum.”
Zwei Raben lachte. ”Das hat noch keiner geschafft.” Er zog Felsenspringer den Weinschlauch aus der Hand, öffnete ihn und hielt ihn seinem Freund hin. ”Ich habe mich doch schon seit einiger Zeit gefragt, warum du früher so versessen darauf warst, ausgerechnet Windfeder zu ärgern. Mir scheint, du wolltest bloß nicht zugeben, daß sie dir gefiel - und heute willst du es wohl immer noch nicht. Da, trink einen Schluck und denk mal drüber nach.”
”Ja”, murmelte Felsenspringer, setzte den Lederschlauch an die Lippen und nahm gleich noch einen zweiten, tiefen Zug. Dann verschloß er ihn wieder und stieß sich von der Felswandung ab. ”Gehen wir?”
Zwei Raben nickte und folgte ihm zur Treppe.
Nachdem Felsenspringer seinem Freund angenehme Träume gewünscht hatte, war er auf Zehenspitzen in die Höhle geschlichen. Eisgänger schlief schon. Leise legte Felsenspringer sich nieder. Aber er fand keinen Schlaf. Bilder von Windfeder kreisten in seinen Gedanken. Ihre dunkelblauen Augen, ihre Hand auf seinem Arm, ihr Lächeln, das sein Herz schneller schlagen ließ. Er wollte bei ihr sein, wollte ihr nah sein - nicht nur als Freund.
Aber er erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie im letzten Herbst gesagt hatte, es gäbe keinen Ersatz für Hoykar. Und daß sie so etwas gar nicht wünschte.
Aber das lag einen ganzen Jahreslauf zurück. Vielleicht hatte Zwei Raben ja Recht. Vielleicht sollte er doch ... Aber er konnte sich nicht vorstellen, daß Windfeder das gleiche für ihn empfand wie er für sie. Plötzlich erwachte Furcht in ihm, er könnte die Freundschaft zerstören, die während dieser Zeit zwischen ihnen gewachsen war. War es nicht besser, noch eine Weile zu warten? Oder war gerade das falsch?
Ärgerlich drehte sich Felsenspringer auf den Rücken und starrte die Höhlendecke an. Warum mußte das alles so kompliziert sein?!