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Complete

von Yvaine19
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteLiebesgeschichte / P16 / Gen
13.04.2013
28.04.2013
3
21.103
 
Alle Kapitel
17 Reviews
Dieses Kapitel
6 Reviews
 
 
13.04.2013 4.997
 
Tja, was soll ich sagen? Nachdem ich quasi damit überschüttet wurde, dass im letzten Kapitel ja noch nicht wirklich alle Fragen beantwortet wurden (Sind sie verlobt oder verheiratet? - Junge oder Mädchen? - Wie sieht das Baby aus? - Wie heißt es? - Was ist mit Dean und Saskia?), habe ich ein schlechtes Gewissen bekommen und es hat mich natürlich in den Fingern gejuckt, das wieder gut zu machen. Einige von euch wissen ja schon, dass mir selbst schon die ganze Zeit Szenarien im Kopf herum geschwirrt sind und tja, ich hab versucht, das Beste rauszuholen.

Es wird keine lange Story werden, vielleicht zwei, drei Kapitel - eigentlich sollte es nur ein OS werden, aber ich hab schon selbst gemerkt, dass ich mich nicht kurz gefasst kriege *hust hust* - aber ich hoffe, dass es euch gefällt und ich damit alle offenen Fragen beantworten kann :o)

Aber vorab schonmal DANKE DANKE DANKE an alle meine treuen Leser von "Flug im Glück", ihr wisst echt gar nicht, wieviel mir das bedeutet hat und deshalb hoffe ich, dass euch dieser One-/Two-/Three-Shot euch gefallen wird.

Ganz liebe Grüße
Denise



***




Little L

Logan



Es war ein Alptraum. Die Anwesenden starrten mich an, sie schienen in der Bewegung erstarrt zu sein, ihre Münder waren weit aufgerissen, die Augen vor Überraschung riesengroß. Mein Blick wanderte zwischen ihnen hin und her und blieb an einer einzelnen Gestalt hängen, die zwischen ihnen in einem Sessel hockte und mich fast flehend ansah.
„Gott sei Dank“, murmelte mein bester Freund so leise, dass ich ihn kaum verstand. „Gott sei Dank bist du gekommen. Oh Gott, ich sterbe, ich halte das nicht aus. Ich will hier weg, ich …“
Das braunhaarige Mädchen neben ihm fiel ihm ins Wort:
„Ssscht.“ Sie stieß ihn an und ihre braunen Augen funkelten. Dann starrte sie mich an. „Typ, was machst du hier? Spinnst du? Wir sind noch nicht fertig!“ Obwohl Saskia mittlerweile wirklich oft in den USA war, waren ihre Englischkenntnisse noch immer nicht wirklich besser geworden, sie übersetzte manchmal noch immer Wort für Wort und ihre Sätze klangen daher öfters merkwürdig und abgehakt und wenn sie ein Wort nicht wusste, dann benutzte sie einfach das deutsche, was es für uns auch noch schwieriger machte, aber das interessierte sie eigentlich überhaupt nicht. Sie stemmte die Hände in die Seiten und starrte mich so strafend an, dass ich fast unwillkürlich den Kopf einzog. „Man, ihr solltet doch erst heute Abend wiederkommen, wir sind noch nicht fertig, was soll denn das? Und überhaupt, wo ist Amelie, ich krieg die Krise, oh mein Gott, ich …“
„Saskia.“ Ich versuchte, sie zu unterbrechen, doch das war manchmal ein wirklich unmögliches Unterfangen und sie ließ mich überhaupt nicht zu Wort kommen.
Meine Schwester Lindsey, die neben Saskia stand, schüttelte sich die langen blonden Haare aus den Augen und tat dann das einzig Richtige. Sie packte Saskia am Arm und schüttelte sie leicht.
„Hey, halt die Luft an, okay?“ Ihre Augen funkelten, dann sah sie mich an. Ihr Blick war genauso strafend wie der von Saskia und ich konnte genau verstehen, wie sich Dean hier im Raum gefühlt haben musste. „Logan, was soll das? Wo ist Amelie? Was macht ihr hier?“
Ich verschloss die Wohnungstür mit einem Tritt und bahnte mir einen Weg durch Dekorationsmaterial und Luftballons. Überall lachten mich Babyfiguren aus Papier oder aus Pappe an – und alles war rosa oder blau. Ich sperrte Augen und Ohren auf und ich hoffte einfach, dass irgendwo unter diesem ganzen pastellfarbenen Wahnsinn noch mein Wohnzimmer steckte. Sogar mein Klavier in der Ecke vor der großen Fensterfront hatten sie mit Kreppband umwickelt – mir rosa Kreppband! Rosa! Mein Klavier! Ich stand kurz vor einem Herzinfarkt.
„Was ich hier mache? Ich wohne hier, glaube ich.“ Entgeistert griff ich nach einem kleinen Püppchen, das auf dem Couchtisch lag. „Aber was macht ihr hier?“ Vorsichtig stieg ich über eine Kiste, aus der noch mehr Deko herausquoll, und blieb dann direkt vor meiner Schwester stehen. Ich hob den Finger und tippte ihr auf die Brust. „Was soll das alles? Was treibt ihr hier?“ Memo an mich selbst: Alle Zweitschlüssel, die wir aus irgendeinem Grund an Freunde und Familie verteilt hatten, wieder einsammeln!
Lindsey und Saskia wechselten einen betretenen Blick und ich zog die Augenbrauen zusammen. Ich ließ meinen Blick durch mein Wohnzimmer wandern und blieb an einem Banner hängen, das über der geöffneten Terrassentür hing: „Wir erwarten dich, Little L“. Und ungewollt fing ich breit an zu grinsen.
Lindsey deutete mein Grinsen sofort richtig und ihre Augen begannen zu funkeln.
„Na also, nicht mehr grummeln, kleiner Bruder, okay?“ Sie beugte sich verschwörerisch zu mir und fiel mir dann um den Hals. Sie küsste mich auf die Wange und sagte dann: „Ach man, das sollte eine Überraschung für euch werden. Na ja, eigentlich eher für Amelie, ich glaube nicht, dass du wirklich Spaß an einer Babyparty hast.“
„Babyparty?“ Ich sah Dean an und der zog die Schultern nach oben. Er sah noch immer ziemlich geschockt aus und ich konnte es ihm nicht verübeln. Die Deko in blau und rosa überall – und damit meinte ich wirklich überall – in unserem eigentlich nicht kleinen Wohnraum war schon grausam. Sogar am Terrassengeländer waren Luftballons und Luftschlangen befestigt.
„Tut mir leid, Alter, ich konnte sie nicht davon abhalten, ich hab es versucht, wirklich, aber, oh Gott, es war schrecklich, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schrecklich. Sie sind zu viert über mich hergefallen, zu viert, kannst du dir das vorstellen, das war der pure Horror, ich hatte keine Chance, sogar deine Mom, und Manuela, oh Gott, es war entsetzlich, ich musste mit Sas dieses Zeug einkaufen, ich hatte Alpträume, ich musste weinen und wir mussten alles doppelt kaufen, weil ihr euch ja nicht auskotzt, was ich nebenbei total unfair, finde, ich bin dein bester Freund, ich …“
Ich biss mir auf die Lippen, doch dann fing ich an zu lachen. Saskia hatte die Augen zu schmalen Schlitzen verzogen und auch meine Schwester starrte Dean so wütend an, dass er im Sessel immer kleiner wurde. Doch dann zuckten Saskias Mundwinkel und sie ließ sich auf Deans Schoß fallen. Sie schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn zärtlich auf die Wange.
„Und du hast es überlebt, habe ich Recht?“
Dean verzog erst keine Miene, er sah noch immer absolut fertig aus, es war eine schauspielerische Meisterleistung, doch dann musste er ebenfalls breit grinsen. Er nahm Saskia in den Arm und sie lehnte den Kopf an ihn. Aha, sie waren mal wieder in der „Frisch-Verliebt-Phase.“ Dann dauerte es bis zur nächsten Trennung nicht mehr lange – ich schätzte, dass es in spätestens zwei bis drei Wochen wieder so weit sein würde.
Im gleichen Moment hörte ich Schritte und ich drehte den Kopf. Meine Mom und Manuela polterten die Treppe herunter und Amelies Mom schwärmte in den höchsten Tönen:
„Oh Gott, ich liebe das Kinderzimmer, ist es nicht traumhaft? Und jetzt mit der Deko, ich kann es kaum erwarten, ich …“ Ihr blieben die Worte im Hals stecken, als ihr Blick auf mich fiel. Wie vom Donner gerührt blieb sie stehen und meine Mom wäre fast auf sie aufgelaufen. In meiner Phantasie sah ich sie schon beide am Fuße der Treppe liegen, doch Manuela griff nach dem Treppengeländer und fing sich gerade noch rechtzeitig ab. Beide starrten mich mit riesengroßen Augen an und ich zog eine wütende Grimasse.
„Was denn? Ihr auch noch? Ich fasse es ja nicht.“ Meine Augen blitzten und beide zogen die Köpfe ein. Wow, ich musste mich schon selbst beglückwünschen. Ich hatte es langsam aber sicher richtig drauf, auf Kommando wütend und entgeistert zu schauen. Ich verschränkte die Arme vor der Brust und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.
Meine Mom bahnte sich einen Weg durch die Luftballons, die überall auf dem Boden herum lagen und blieb dann vor mir stehen. Ich erkannte, dass sie zögerte, doch dann umarmte sie mich. Sie küsste mich auf die Wange und flüsterte dann leise:
„Lass uns den Spaß, okay? Es ist für Amelie.“
Ich bezweifelte, dass Amelie an einer Babyparty wirklich Spaß haben würde, sie war froh, wenn sie einfach nur ihre Ruhe hatte. Doch ich wollte natürlich auch kein Spielverderber sein. Ich atmete tief durch und antwortete:
„Ja, schon in Ordnung. Jetzt verstehe ich auch, warum wir unbedingt heute diesen Gutschein einlösen sollten. Ich hatte schon Probleme, Amelie überhaupt dazu zu bringen, dass wir fahren. Ihr ging es heute Morgen nicht gut.“
Betroffenheit zog über das Gesicht meiner Mom, doch dann lächelte sie wieder.
„Ihr beiden verschwindet jetzt zu der Massage, glaub mir, Logan, danach geht es ihr besser und ich wette, sie wird sich über die Party freuen. Bitte, verrate es ihr nicht, okay?“ Dann schien ihr aber etwas einzufallen. „Was machst du überhaupt hier? Warum seid ihr nicht schon auf dem Weg? Ihr kommt zu spät.“
Ich rieb mir über die Wangen.
„Tja, wir waren frühstücken – danke übrigens, tolles Restaurant und direkt am Stand. Na ja und dann wollten wir los, aber wie gesagt, Amelie geht es nicht sonderlich, ich wollte ihre Tropfen holen und …“
„Ich hole sie.“ Lindsey schob mich grob zur Seite und eilte in die Küche. Ich hatte keine Ahnung, was genau sie dort wollte, doch ich ließ sie gewähren. Ich nickte Mom zu und sprintete dann die Treppe nach oben. Im Schlafzimmer atmete ich erst einmal tief durch und fuhr mir durch die Haare. Dann griff ich nach den Tropfen, die auf Amelies Nachttischchen standen – irgend etwas rein Pflanzliches, ich bezweifelte, dass sie irgend etwas nützten, ich verstand auch nicht genau, wofür sie eigentlich gut waren, aber Amelie schwor darauf – und mein Blick blieb an dem Foto hängen, das uns beide an unserem ersten Jahrestag auf Tobago zeigte. Sie war so wunderschön. Ihre Haut war gebräunt und ihre blauen Augen funkelten wie Diamanten. Sie schmiegte sich in meine Arme und ihr Lächeln war schüchtern und strahlend. Meine süße Amelie. Ich fuhr mit dem Zeigefinger über ihre leicht geöffneten Lippen und mein Herzschlag beschleunigte sich. Gott, ich spürte selbst, dass ich gerade wie ein Trottel grinste. Mein Finger strich langsam über ihren Oberarm und über ihren Bauch und mein Herzschlag begann zu rasen. Wir erwarten dich, Little L.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter und ich fuhr zusammen.
„Meine Güte, Mom!“ Ich drehte mich zu ihr um und sie lächelte mich an. Sie sagte nichts, sie lächelte nur. Dann nahm sie mich ohne ein Wort in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. Leise murmelte sie an meinem Ohr:
„Ich bin stolz auf dich, Logan. Wirklich. Und ich wünsche euch drei alles Glück der Welt.“
Ich musste schlucken und erwiderte ihre Umarmung ein wenig hölzern. Ich räusperte mich. „Danke für alles, Mom. Amelie wird sich freuen, da bin ich mir sicher. Und ich freue mich auch.“ Denke ich, fügte ich in Gedanken noch hinzu, doch ich unterließ es wohlweislich, dies laut zu sagen.

Mit langen Schritten eilte ich aus dem Tor und umrundete dann meinen Camaro, den ich doch ein wenig schief am Bordstein abgestellt hatte. Ich liebte mein Auto und obwohl es schon einige Meilen auf dem Buckel hatte, würde ich ihn niemals verkaufen. Amelie hingegen konnte ihm nichts abgewinnen. Das harte Fahrwerk war nichts für sie und als sie zum erstem Mal das Automatikgetriebe sah, hatte sie mich entsetzt gefragt, ob ich denn nicht mit einem richtigen Auto fahren könne. Ja, die Tritte unter die Gürtellinie waren noch immer ihre Stärke. Doch als sie das erste Mal selbst mit dem Auto durch die Straßen von Los Angeles gefahren war, hatte sie doch die Vorurteile des Automatikgetriebes schätzen gelernt.
Ich schob mich hinter das Lenkrad und Amelie drehte mir den Kopf zu.
„Hey, Laufbursche“ sagte sie und strahlte mich an. Doch ihr Lächeln war gequält und mit schlechtem Gewissen erkannte ich die Schweißperlen, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten. Sofort startete ich den Wagen und die Klimaanlage schaltete sich ein.
„Hey, Motek“ murmelte ich und beugte mich zu ihr. Ich küsse sie auf die Wange und atmete tief durch. „Tut mir leid, ich, äh, ich hab sie nicht direkt gefunden.“ Ich drückte ihr das Fläschchen in die Hand und sie umklammerte es wie einen Rettungsring.
Sie sah mich verwirrt an.
„Standen sie nicht auf meinem Nachttisch? Ich hätte schwören können …“ Sie unterbrach sich und zog die Nase kraus. „Komisch. Wo waren sie denn?“
Ich ordnete mich in den zähen Vormittagsverkehr ein und schob mir dann die Sonnenbrille auf die Nase.
„Äh, äh, im, ja, im Bad. Im Badezimmer. Da, äh, auf dem Schrank.“
Amelies Blick war verwundert, doch sie schwieg. Sie drehte den Kopf nach rechts und sah aus dem Fenster. Ihre linke Hand lag auf ihrem Bauch und sie strich leicht darüber.
Ich nahm meine rechte vom Lenkrad und legte sie auf ihre.
„Wie geht’s dir, Motek? Alles in Ordnung? Du bist so bleich um die Nase, du gefällst mir nicht.“ Ich war wirklich in Sorge. Sie schlief wenig in den letzten Nächten. Immerzu warf sie sich hin und her, aber sie ließ mich auch nicht wirklich an sich heran. Es tat mir leid, dass ich ihr nicht helfen konnte, aber was sollte ich tun?
Sie drehte mir wieder den Kopf zu und lächelte mich an. Und dieses Mal war es echt und zärtlich. Sie beugte sich zu mir und lehnte ihren Kopf an meine Schulter.
„Alles gut. Mir ist nur ein wenig heiß, ich bin das doch noch nicht wirklich gewohnt. Bayern kann da hitzemäßig nicht wirklich mithalten.“ Sie schmiegte sich an mich und schloss dann die Augen. Ihr Pony, dass sie sich vor kurzem hatte schneiden lassen, fiel ihr über die Wimpern und ich musste mal wieder feststellen, wie sehr sie doch immer noch wie ein kleines Mädchen aussah. Ich drückte ihr schnell einen Kuss auf die Stirn und ich spürte, wie sie neben mir zusammen sackte. Sie atmete tief durch und ich hoffte einfach, dass sie vielleicht jetzt ein wenig schlafen konnte.

Die Strecke zum Wilshire Boulevard war nicht wirklich lang, aber trotzdem brauchten wir fast eine Stunde. Stau, rote Ampeln, Umleitungen. Amelie lag noch immer an meiner Schulter und tatsächlich war sie eingeschlafen.
Ich kannte mich hier aus, schließlich war ich hier aufgewachsen und deshalb schweiften meine Gedanken ab.
Wir waren jetzt schon über drei Jahre zusammen und ich glaube, dass ich sie jetzt noch mehr liebte als am Anfang. Meine süße kleine Amelie. Sie war noch immer absolut widersprüchlich in ihrem ganzen Wesen. Noch immer ein Arbeitstier, noch immer genau und hundertprozentig. Typisch Deutsch, wie mein Grandpa irgendwann einmal mit einem Grinsen gesagt hatte – und er musste es schließlich wissen, er war in Deutschland geboren. Und dann wiederum war sie süß, schüchtern und zurückhaltend. Ich konnte es manchmal selbst nicht glauben.
Ich blinzelte zu ihrem dunklen Schopf hinunter und drückte ihr schnell einen Kuss auf den Scheitel. Und sie gehörte zu mir. Die Sache mit dem Paparazzi in Würzburg hatte uns eng zusammengeschweißt und wir wussten beide, dass wir uns voll aufeinander verlassen konnten. Die ersten beiden Jahre unserer Beziehung waren schwierig gewesen, sehr schwierig. Wir sahen uns selten und immer, wenn ich sie bei mir hatte, wollte ich sie nicht mehr gehen lassen. Es brach mir regelrecht das Herz, wenn wir uns mal wieder an irgend einem Flughafen irgendwo auf der Welt voneinander verabschieden mussten. Und ich wusste, dass es ihr nicht anders gegangen war. Aber trotzdem wollte ich die Zeit nicht missen, denn ungewollt hatten wir unsere Beziehung auf den Prüfstand gestellt – und sie hatte zu tausend Prozent bestanden.
Und dann, vor achteinhalb Monaten? Was soll ich sagen? Ich hätte niemals gedacht, dass sie mich noch glücklicher machen könnte. Ich muss ehrlich sein, Little L war nicht geplant, wirklich nicht. Aber kaum, dass wir es beide wussten, war es richtig. Es war das, was uns beiden noch gefehlt hatte.
Wir waren zusammen in ihrer winzig kleinen Wohnung in München und ich musste noch immer grinsen, wenn ich daran dachte, wie wir beide auf dieses Fensterchen starrten und die Sekunden zählten. Und dann fiel mir Amelie schluchzend um den Hals. Und es waren Freudentränen.
Der Umzug nach L.A. musste dann schnell gehen, ich wollte sie bei mir haben und wir hatten uns dafür entschieden, dass sie zu mir nach Los Angeles ziehen würde. Es war nicht selbstverständlich für mich, dass sie ihr altes Leben fast komplett für mich aufgab und sie wusste, dass ich das eigentlich nie wieder würde gutmachen können. Doch ich würde ihr alles, was ich hatte, zu Füßen legen und darauf würde sie sich immer verlassen können. Dafür hatte sie zu viel in München für mich, für uns hinter sich gelassen.

Endlich hatte ich das Spa am Wilshire Boulevard erreicht und parkte meinen Wagen in der Tiefgarage, wo er zwischen den ganzen Limousinen und ausländischen Nobelkarossen doch ziemlich auffiel, doch das war mir egal. Amelie schlief noch immer und es tat mir leid, dass ich sie wecken musste. Wir hatten den Termin erst in einer viertel Stunde und ich lehnte mich im Sitz zurück. Ich legte ihr den Arm um die Schultern und ihr Kopf sackte an meine Brust. Langsam streichelte ich ihr über den Rücken und sie seufzte leise auf. Meine Fingerspitzen fuhren über ihren Nacken und sie murmelte leise:
„Laufbursche.“
Den Spitznamen würde ich auf immer und ewig bei ihr weg haben, ich glaube, sie hatte mich während unserer ganzen Beziehung vielleicht zwei oder dreimal mit meinem Vornamen angesprochen. Doch die Zärtlichkeit, die in ihrer Stimme mit schwang, wenn sie mich ansprach, machte den merkwürdigen Kosenamen wieder wett und ich würde ihn gegen nichts in der Welt eintauschen wollen.
Eigentlich hatten wir die Öffentlichkeit außen vor lassen wollen. Amelie hielt sich sowieso am liebsten komplett im Hintergrund. Es gab natürlich einige offizielle Fotos von uns, sie hatte mich auf Filmpremieren begleitet und sie zog diese Termine auf ihre eigene Art und Weise durch: routiniert und zu einhundert Prozent genau. Aber ich wusste genau, dass sie sich nicht wohl fühlte, wenn sie im Scheinwerferlicht stand. Sie tat es mir zu liebe – schon wieder. Die Presse liebte sie, ich meine, wie konnte man sie nicht lieben? Wann immer etwas von ihr in einem Bericht auftauchte, dann waren es Lobeshymnen über ihre höfliche und zurückhaltende Art und ich freute mich darüber. Ich war stolz auf sie.
Und eben weil die Presse sie mochte, hatten wir die Schwangerschaft nicht verheimlichen können. Es wäre wahrscheinlich in München möglich gewesen, aber hier in L.A. nicht. Nicht mit Hollywood und der Weltpresse direkt vor der Nase.
Natürlich hatte es wieder Kommentare im Internet gegeben, manche Fans hatten Hetzkampagnen gegen Amelie gestartet, aber mittlerweile konnte sie damit umgehen. Sie konnte darüber lachen, obwohl ich ihr ansah, dass es ihr weh tat. Doch mit Hilfe von Saskia, die mittlerweile fast bei Dean wohnte, bekam sie das in den Griff. Vielmehr war ich mittlerweile derjenige, der Probleme damit hatte. Oh, wenn ich könnte, wie ich manchmal wollte, dann würde ich entsprechende Schritte gegen manche Hetzerein einleiten, doch Amelie schaffte es immer, mich wieder zu beruhigen.

Die Uhr am Amaturenbrett tickte unerbittlich und ich seufzte leise. Jetzt, wo ich wusste, warum wir unbedingt aus dem Haus mussten, hatte ich noch weniger Lust auf den Termin als vorher schon. Mom und Manuela hatten uns wirklich mit Händen und Füßen dazu überreden müssen, den Termin wahrzunehmen. Es sei gut für Amelie, sie brauche jetzt dringend noch etwas Erholung vor der Geburt, sie sollte sich noch einmal entspannen – ich übrigens auch. Dass wir einfach Zeit alleine miteinander verbringen wollten, das verstanden sie irgendwie nicht.
Ich war erst vor drei Tagen von den letzten Promoterminen für Percy Jackson aus Japan zurück gekehrt und ich war selbst fertig und kaputt. Und ich wollte einfach nur Zeit mit Amelie verbringen, doch es sollte wohl nicht sein.
Ihre Eltern hatten ihren kompletten Jahres- plus Resturlaub zusammen geworfen und waren sowohl wegen der Premiere als auch natürlich wegen der Geburt nach L.A. gekommen und sie wohnten bei uns im Gästezimmer. Versteht mich nicht falsch, ich mochte ihre Eltern, wirklich, aber ich hätte Amelie auch gerne für mich alleine gehabt, nachdem wir uns fast drei Wochen nicht gesehen hatten. Allerdings war ich auch froh gewesen, dass ihre Eltern bei ihr waren, als ihr Kreislauf leicht instabil wurde. Aber irgendwie, tja, was soll ich sagen? Ich wollte nicht mit meinen Schwiegereltern in spe unter einem Dach leben.
Amelie war auch nicht sonderlich glücklich über den Ausflug gewesen, doch sie hatte sich schließlich aufgerappelt und ihre Eltern so erschöpft angelächelt, dass ich sie am liebsten eigenhändig zurück ins Bett verfrachtet hätte. Doch sie hatte sich artig für den Gutschein bedankt und hatte mich aus dem Haus bugsiert.  
Und hier waren wir jetzt, auf dem Parkplatz eines wahrscheinlich sündhaft teuren Spa und Amelie schlief tief und fest, etwas, was ihr die letzten Tage, nein, fast Wochen nicht hatte gelingen wollen. Und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Sollte ich sie wecken oder sie einfach schlafen lassen?
Gerade als ich mich dazu entschlossen hatte, den Termin einfach sausen und sie schlafen zu lassen, beugte sich ein Kopf zu meinem offenen Fenster und ich fuhr erschrocken zusammen.
„Alles in Ordnung, Sir? Kann ich Ihnen helfen?“
Amelies Kopf ruckte hoch und sie blinzelte mich aus verschlafenen Augen an.
„Was … was?“ murmelte sie auf Deutsch und ich drehte verärgert den Kopf nach links.
„Was soll denn das?“ knurrte ich wütend und der Mann hob verlegen die Schultern.
„Entschuldigen Sie bitte, Sir. Ich bin der Parkwächter. Ist alles in Ordnung?“
Ich atmete tief durch und fuhr mir umständlich durch die kurzen Haare. Natürlich musste es merkwürdig für ihn gewesen sein, dass wir das Auto nicht verlassen hatten.
„Ja, ja, natürlich. Vielen Dank. Meine, meine Freundin ist schwanger, ihr, nun ja, ihr, sie ...“
Der Mann hob sofort die Hände und er nickte Amelie höflich zu.
„Ich verstehe. Wenn ich Ihnen irgend etwas bringen kann, ich...“
Amelie lächelte ihn an und antwortete:
„Vielen Dank, das ist sehr freundlich von Ihnen, aber es ist alles in Ordnung. Es geht manchmal nicht so schnell, wie ich das gerne hätte. Aber jetzt können wir los.“ Sie strahlte mich an und ich kannte sie gut genug um zu wissen, dass ihr Lächeln wirklich echt war. Sie legte ihre Hand auf meine und ließ ihre Fingerspitzen ganz leicht über meinen Handrücken gleiten. Oh Gott, sie schaffte es noch immer, mich in den Wahnsinn zu treiben, denn sofort hob sich mein Herzschlag wieder in ungeahnte Höhen.
Der Parkwächter entfernte sich mit einer nochmaligen Entschuldigung und ich sah Amelie an.
„Bist du sicher, Motek? Willst du rein? Oder möchtest du nach Hause?“
Sie hob die Hand und strich mir leicht über die Wange. Dann legte sie die Hände auf meine Brust und lehnte sich vertrauensvoll an mich.
„Du machst dir schon wieder Sorgen, habe ich Recht? Das musst du nicht. Es wirklich alles in Ordnung. Ich bin nur müde, aber das liegt an der Hitze.“ Sie hob das Kinn und ihre großen Augen funkelten. Ihre Ponyfransen hingen über ihren langen Wimpern und ich hätte sie stundenlang anschauen können. „Komm, Laufbursche, gehen wir rein. Ich bin gespannt, was unsere Eltern sich da ausgedacht haben. Lassen wir uns verwöhnen, okay? Dir liegt doch die Promotour auch noch in den Knochen, du hast es auch nötig.“
Das war so typisch Amelie, sie machte sich sogar jetzt noch eher Gedanken um mich als um sich selbst. Ich lächelte sie zärtlich an und küsste sie dann auf die Lippen.
„In Ordnung.“

Fünf Stunden später lagen meine Hände auf ihren Schultern und sie lehnte mit dem Rücken an meinem Oberkörper. Ihre langen Haare fielen ihr feucht über die Schultern und sie stöhnte wohlig, als ich mit den Daumen über ihren Nacken fuhr. Warmes Wasser umspülte uns und ich spürte fast, wie meine Augenlider zu fielen.
Unsere Eltern hatten wirklich alles gebucht, was an Schwangerschaftswellness angeboten wurde: Massagen, Packungen, Punktionen, was-weiß-ich. Amelie war mit jeder Anwendung mehr aufgeblüht. Ihre Augen strahlten und die kleinen Seufzer, die sie immer dann von sich gab, wenn sie sich absolut wohl und zufrieden fühlte, waren Balsam für meine Seele, denn ich hatte von dem ganzen Angebot nicht wirklich etwas gehabt. Es war nämlich Sinn und Zweck, dass der Partner die meisten Anwendungen auch daheim durchführen konnte und ich geriet bei manchen Massagegriffen doch ziemlich ins Schwitzen. Und dabei war ich nun nicht wirklich unsportlich, aber mir taten die Arme doch ganz schön weh und ich spürte, dass es in meinem linken Handgelenk, dass ich mir im Frühjahr ziemlich blöde bei einem Sturz gebrochen hatte, unangenehm zwickte. Ich wage zu behaupten, dass ich mehr getan hatte als die Angestellte, die uns über die vielen Anwendungen hin begleitete. Und an Amelies verschmitztem Grinsen erkannte ich, dass sie es genau wusste.
Endlich durfte ich Feierabend machen und mit ihr zusammen in einen Whirlpool steigen. Ich ächzte leise und legte den Kopf in den Nacken.
„Und sowas nennt sich Wellness“ grummelte ich gespielt beleidigt und Amelie kicherte vor mir. Sie drehte sich um und schwang ihre Beine über meine Oberschenkel. Sie legte ihren Kopf an meine Schulter und sagte:
„Danke schön, dass du das alles mitgemacht hast. Ich glaube nicht, dass das so wirklich der Sinn des Gutscheins war, sonst hätten sie das doch nicht so gebucht. Deine Mom hat doch extra darauf bestanden, dass du auch Erholung brauchst.“ Sie hob die Hand und strich mir über die Wange.
Ich sah sie an und küsste sie dann auf die Lippen.
„Mach dir um mich keine Gedanken, alles in Ordnung.“ Vorsichtig legte ich meine Hand auf ihren runden Bauch und streichelte darüber. Ich spürte, dass sich Little L bewegte und wie als Echo auf meine Gedanken flüsterte Amelie:
„Sie ist glücklich.“ Sie legte ihre Hand auf meine und Little L stupste leicht gegen meine Handfläche.
Little L. Unsere Tochter.
Ich konnte eigentlich noch immer nicht glauben, dass sie da wirklich drin sollte. Dass darin ein kleiner Mensch heran wuchs. Unser kleiner Mensch. Versonnen streichelte ich über Amelies weiche Haut und im gleichen Moment hatte ich Deans Worte im Ohr: „Wir mussten alles doppelt kaufen, weil ihr euch nicht auskotzt.“ Ein Grinsen zog über mein Gesicht und Amelie fragte verwundert:
„Was ist los?“
Ich küsste sie auf die Stirn und antwortete dann grinsend:
„Ich glaube, wir treiben sie alle doch schon ganz schön an den Rand des Wahnsinns, weil wir ihnen nicht sagen, was es wird. Ich glaube, am schlimmsten ist es für Lindsey, sie hätte sonst wahrscheinlich schon ein komplettes Babyoutfit in den Schränken verteilt.“
Amelie gluckste fröhlich und drückte meine Hand.
„Das kann sein. Und wenn sie wüsste, dass es ein Mädchen wird, dann könnten wir in rosa Babykleidung schwimmen!“
Ja, meine Schwester war einer der Gründe mit gewesen, warum wir nicht verrieten, was es werden würde. Lindsey war großartig, ich liebte sie, wirklich. Aber sie machte mich verrückt, da sie natürlich nicht aufgab, uns zu fragen. Aber wir wollten es nicht verraten. Es sollte unsere gemeinsame Zeit mit Little L bleiben und die sollte uns niemand nehmen können.
Amelie schwieg kurz, dann lachte sie leise.
„Meine Oma kriegt das mit Little L noch immer nicht wirklich auf die Reihe. Sie hat mir vorgestern am Telefon schon wieder gesagt, dass wir unser Baby so nicht nennen können. Lidl wäre doch ein Geschäft und das ginge doch nicht.“
Ich biss mir auf die Unterlippe, doch dann prustete ich ebenfalls los. Ich hatte Amelies Oma kennen gelernt. Sie war schon um die 90 und sie verstand einfach nicht, dass mein Deutsch, obwohl ich mich wirklich bemühte, nicht gut war. Sie glaubte, ich wäre schwerhörig und deshalb brüllte sie mich jedesmal an, als wäre ich der letzte Vollidiot. Dass es natürlich an der Sprachbarriere lag, dass ich sie nicht verstand, tja, das ging nicht in ihren Kopf.
Und die Sache mit Little L... Ja, Amelie hatte mir erklärt, dass Lidl ein Lebensmitteldiscounter in Deutschland war und für ihre Oma hörte es sich wohl wirklich so an, als würden wir unsere Tochter so nennen wollen. Was natürlich Blödsinn war, niemals würde ich mein Kind nach einem Geschäft benennen!
Little L war unser kleiner persönlicher neutraler Deckname. Meine Eltern waren ja ein wenig, nun ja, eigen in ihrer Namenswahl gewesen und deshalb fingen unser aller Vornamen mit L an. Lindsey, Lucas und ich, Logan. Dazu kamen Lisa und Larry. Fünf L Lermans. Und natürlich hatte es Diskussionen mit unseren Freunden und Familien gegeben, inwieweit wir diese Tradition fortsetzen würden. Aber da wir nichts verraten wollten, hatten wir sie „Little L“ getauft. Wir hatten schon einen Namen für sie, es war Amelies Wunschname, aber wir würden ihn nicht verraten. Offiziell blieb sie Little L. Und ich war mir sicher, dass dieser Kosename auch nach der Geburt nicht verschwinden würde, zu viele Erinnerungen waren daran bereits geknüpft.

Amelie drehte sich in meiner Umarmung ein wenig und drückte ihre Stirn gegen meine Brust. Sie lachte noch immer fröhlich.
„Ja, sie versteht es einfach nicht.“ Sie drückte meine Hand und wieder spürte ich Little L's Bewegungen. „Ob sie weiß, wie sehr sie jetzt schon unser Leben durcheinander gebracht hat?“ fragte sie und sah mich fragend an.
Ich schwieg kurz, dann antwortete ich:
„Ich weiß nicht. Aber ich bin mir sicher, dass sie weiß, dass ich dich liebe. Und dass ich sie liebe.“ Ich legte ihr die Hand auf die Wange und Amelie schloss einen kurzen Moment die Augen.
„Ich liebe dich auch, Laufbursche.“ Dann hob sie den Kopf und sah mich an. Ihr Blick war ängstlich. „Werden wir das schaffen? Kriegen wir das hin?“
Mein Blick tauchte in ihren.
„Natürlich, Motek. Wir haben schon so viel geschafft. Die Sache in Würzburg, die Entfernung, alles. Und das hier schaffen wir locker, denn du bist endlich hier bei mir. Das verspreche ich dir.“
Sie schwieg kurz, dann lächelte sie mich zärtlich an. Oh, wie hatte ich dieses Lächeln vermisst, wenn sie nicht bei mir war. Es war ein so süßes kleines Lächeln, ihre Augen funkelten und sie strahlte, dass es mir warm ums Herz wurde.
„Danke, Laufbursche“ flüsterte sie, dann legte sie ihre Arme um meinen Nacken und zog mich zu sich.
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