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Bring me to life

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Schmerz/Trost / P16 / Gen
Carlo Ventresca / Patrick McKenna / Janus Mortati / Strauss
28.03.2013
07.02.2015
22
45.501
3
Alle Kapitel
36 Reviews
Dieses Kapitel
2 Reviews
 
28.03.2013 1.946
 
Soviele Leser hab ich zwar noch nicht, aber ich lade jetzt trotzdem mal das 2. Kapitel hoch.
Danke für den einen Favoeintrag (von wem auch immer) ;)

Viel Spaß und bitte hinterlasst mir ein Review, damit ich mich verbessern kann!

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2. Sede vakante

Patrick McKenna konnte sich nur noch dunkel daran erinnern, dass er in der Nacht völlig übermüdet in seine Gemächer zurückgetaumelt war. Als er schließlich aufwachte und an sich heruntersah, stellte er fest, dass er immer noch seine schwarze Priestersoutane trug, mit der er am Vorabend fluchtartig das Gebäude verlassen hatte. Er setzte sich auf und langsam kehrte die Erinnerung an gestern zurück. Er hatte den Heiligen Vater getötet! Den Papst! Weil er erpresst worden war! Er hatte keinen anderen Ausweg gesehen, denn sonst wären Tausende, wenn nicht sogar Zehntausende bei der gewaltigen Explosion ums Leben gekommen. Was sollte er nun tun? In ein paar Stunden würde die komplette Schweizer Garde in den päpstlichen Gemächern stehen, wenn sie feststellten, dass der Papst nicht zu dem Gottesdienst erschien, den er heute im Petersdom hatte abhalten sollen. Sie würde sich Zutritt verschaffen und die Leiche des Heiligen Vaters sehen. Und dann würden sie verkünden, dass das Oberhaupt der Katholischen Kirche an natürlichen Ursachen verstorben war. Unwissend, dass sein eigener Camerlengo ihn aus dem Leben gerissen hatte, die Person, die ihm am nächsten gestanden hatte. Nach dem offiziellen  Ende der Amtszeit des Heiligen Vaters würde die 9-tägige Zeit des „sede vakante“, des unbesetzten Stuhls, beginnen. Der Leichnam des Papstes würde in einem prunkvollen Zug über den Petersplatz getragen werden, bevor er in eine Gruft gelegt wurde, die den Päpsten seit hunderten von Jahren als letzte Ruhestätte diente. Nachdem die Zeit der Trauer vorüber war, würde das Konklave einberufen werden, um einen neuen Heiligen Vater zu bestimmen.

Doch warum hatten diese Menschen am Telefon, die sich als die Illuminati, eine uralte Vereinigung von Wissenschaftlern gegen die katholische Kirche, ausgegeben hatten, überhaupt die Beseitigung des alten Papstes erzwungen? Was nützte es ihnen, wenn ein neuer Pontifex auf dem Heiligen Stuhl saß? Und war es mit diesem einen Mord überhaupt vorbei? Oder mussten noch mehr Unschuldige sterben, bis das Werk des seltsamen Anrufers vollendet war? Doch diese Fragen rückten in den Hintergrund, als sich der Camerlengo bewusst wurde, dass das Blut des Oberhaupts der katholischen Kirche symbolisch an seinen Fingern haftete. Der Tote war noch dazu sein Adoptivvater gewesen, der ihn aufgenommen hatte, nachdem seine Eltern bei dem Attentat auf eine Kirche getötet worden waren. Und noch etwas stand fest: diese Drohung würde nicht ohne Folgen bleiben.

Patrick McKenna wurde jäh aus seinen Gedankengängen gerissen, als er von draußen Stimmen vernahm. Schnell warf er einen Blick auf seinen Wecker, es war 11:45 Uhr. Der Papst hätte schon vor mehr als zwei Stunden hinter dem Altar stehen sollen! Gerade, als der Camerlengo seine Tür öffnen wollte, klopfte jemand an Letztere und eine Stimme sagte: „Pater! Sie werden dringendst im päpstlichen Schlafzimmer erwartet!“ Kurz schloss Patrick die Augen, dann schlug er sie wieder auf und rief: „Ja, ich komme sofort!“ Rasch spritze er sich etwas Wasser ins Gesicht, man sollte ihm schließlich nicht ansehen, dass er zu so später Stunde noch geschlafen hatte. Mit einem kurzen Blick in den Spiegel richtete er sich seine brauen Haare und als er sein Aussehen für akzeptabel empfand, stieß er die Tür zu seinen Gemächern auf. Beinahe wäre er mit dem Sicherheitschef der Schweizer Garde, Chartrand, zusammengestoßen, der vor der Tür gestanden hatte und ihn nun am Arm fasste. Mit eindringlicher Stimme sagte er: „Sind sie sicher, dass sie das verkraften?“ Obwohl der junge Priester bereits wusste, was ihn erwarten würde, so trat doch Panik in seine grünen Augen. Dann fiel ihm wieder ein, dass es auffallen würde, wenn er nicht geschockt reagieren würde und so fragte er verwirrt: „Was…was ist denn geschehen?“ Chartrand legte ihm eine Hand auf die Schulter und erwiderte: „Kommen sie.“ Im Gehen fuhr er fort: „Wir sie ja bereits wissen, sollte der Heilige Vater heute die Messe im Petersdom abhalten. Allerdings ist er nicht erschienen und so haben wir uns Zutritt zu seinen Gemächern verschafft. Wir haben den Gläubigen gesagt, dass es Krankheitsfälle im Sicherheitspersonal gäbe, sodass es zu gefährlich für den Papst sei, den Gottesdienst trotzdem durchzuführen. Bis jetzt scheinen sie es noch zu glauben, aber bald werden sie die Wahrheit erfahren müssen.“ Er legte eine kurze Pause ein, inzwischen standen sie vor der Tür des päpstlichen Schlafzimmers. Der blonde Sicherheitschef öffnete diese und sie traten ein. „Als wir dann schließlich eintrafen, fanden wir ihn so vor.“, sagte Chartrand, als er auf das Bett deutete.

Ein eisiger Schreck durchfuhr den Camerlengo, als er seinen Vater ansah. Er hatte die Augen geschlossen und auf den ersten Blick konnte man denken, er schliefe nur. Aber wenn man genauer hinsah, erkannte man die bereits wächsern erscheinende Haut an den Händen und im Gesicht und die ungewöhnliche Blässe, die das Antlitz des Heiligen Vaters überzog.  Der Camerlengo stand wie erstarrt da, dann stürzte er an das Bett seines Adoptivvaters. Tränen sammelten sich in seinen Augen, Tränen der unendlichen Trauer- und der Schuld. Aber für die Umstehenden, die ihn mitleidig anblickten, waren es nur die der Trauer.  Er blickte auf, feuchte Spuren überzogen seine Wangen.  „Was war es?“, fragte er mit zitternder Stimme. Ein Mitglied der Garde antwortete: „Wir vermuten, dass der Heilige Vater einem Schlaganfall erlag, Pater. So wie es aussieht, musste er nicht lange leiden, er ist friedlich von uns gegangen.“ Der junge Priester nickte, obwohl er selbst nicht wusste, weshalb. Dann kniete er neben dem Bett nieder und begann leise zu beten. Chartrand nickte seinen Leuten zu und die Angehörigen der Garde verließen den Raum, um den Camerlengo mit der Trauer um seinen Vater alleine zu lassen.

*****
Noch immer harrten die Gläubigen im Petersdom aus, die hofften, den Heiligen Vater doch noch zu Gesicht zu bekommen. Einige hatten die Kirche bereits verlassen, doch die meisten bekamen mit, wie Sicherheitschef  Chartrand durch den Hintereingang trat. In Begleitung einiger Gardemitglieder schritt er zum Mikrophon, räusperte sich noch einmal und verkündete dann: „Sehr geehrte Besucher dieses Gottesdienstes, wir müssen ihnen leider mitteilen, dass heute keine Messe mehr stattfinden kann. Der Heilige Vater ist in der Nacht vermutlich  einem Schlaganfall erlegen. In wenigen Minuten wird der Camerlengo des Papstes auf den Balkon treten und das offizielle Ende der Amtszeit verkünden. Wir bedauern dies zutiefst und beten, dass der in Kürze gewählte neue Stellvertreter Gottes auf Erden ihn würdig ersetzen wird.“ Mit diesen Worten drehte er sich um und verschwand auf die gleiche Weise, wie er gekommen war. Kaum hatte er die Kirche verlassen, brach das Chaos aus. Frauen fingen an, hysterisch zu schluchzen und kleine Kinder, die nicht begriffen, warum ihre Mütter weinten, stimmten ein. Ein Mann sank auf die Knie und bekreuzigte sich, andere hielten das Holzkreuz um ihren Hals fest umklammert. Es war, als ob die Menschen einen Freund oder persönlichen Bekannten verloren hatten. Der tote Papst war sehr beliebt unter den Gläubigen gewesen, er hatte versucht, seinen Anhängern so nahe wie möglich zu sein. Er hatte Verbindungen zu anderen Religionen geschaffen und ja-er war ein fortschrittlicher Papst gewesen. Dieser Verlust war ein sehr schmerzlicher.

*****
Maria Johnson saß gelangweilt vor dem Fernseher und zappte durch die Kanäle, ohne darauf zu achten, was gesendet wurde. Die 32-jährige gelernte Journalistin hatte sich vor etwa zwei Jahren einen  Traum erfüllt, indem sie sich als Autorin von Kurzgeschichten selbstständig gemacht und sich eine kleine Wohnung am Rande von Rom gekauft hatte. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus konnte man einen großen Teil der Stadt überblicken und in der Ferne ragte der Petersdom in den Himmel auf. Schon als Kind hatte die gebürtige Britin von Italien geschwärmt und hatte ihre Eltern in jeden Ferien angebettelt, mit ihr dorthin zu fahren.  Bis vor kurzem war sie in einer Beziehung mit einem Mann gewesen, den sie seit der Grundschule gekannt hatte. Sie hatten sich in Freundschaft getrennt und oft telefonierten sie oder tauschten sich über E-Mails aus. Doch zurzeit war er geschäftlich vereist und hatte keine Zeit für lange Telefonate.

Nun also wusste Maria nicht, was sie mit ihrer freien Zeit anfangen sollte und hatte sich mit einer Tasse Kaffee vor dem Fernseher platziert. Doch plötzlich blieben ihre Augen an einer Schlagzeile hängen, die in leuchtend roter Schrift über den Bildschirm lief: „Eilmeldung: Papst verstorben; Vatikan gibt Tod des Heiligen Vater bekannt“ Augenblicklich setzte sie sich aufrecht hin und schaltete auf einen britischen Nachrichtensender. Sie sprach und verstand zwar einige Brocken Italienisch, aber nicht so gut, dass sie eine so wichtige Meldung in der Fremdsprache hätte verfolgen können. Sie war gläubige Katholikin und hatte dem Papst im vergangenen Sommer auf einer öffentlichen Audienz sogar die Hand geschüttelt.

Endlich hatte sie den gesuchten Sender gefunden. Ein rothaariger Nachrichtensprecher stand auf dem Petersplatz, im Hintergrund waren Übertragungswagen und einige andere Reporter zu erkennen, die aufgeregt durch die Gegend liefen. Maria fragte sich gerade, wie diese ganzen Presseleute so schnell vom Tod des Heiligen Vaters erfahren hatten, als der Vorhang vor dem Balkon, auf dem sonst die Ausrufung des neuen Papstes stattfand, beiseite gezogen wurde. Die Kamera zoomte auf den Balkon und man konnte sehen, wie ein Mann in einer schwarzen Priestersoutane, gefolgt von Mitgliedern der Schweizer Garde in ihren blau-gelben, historischen Uniformen nach draußen trat. Mit selbstsicheren Schritten ging er nach vorne zur Brüstung, verstellte das Mikrophon, das dort angebracht war, ein wenig und begann dann auf Englisch zu sprechen. „An alle Gläubigen dieser Welt: heute spreche ich zu ihnen, da ich eine sehr bedauernswerte Sache zu verkünden habe. Unser geliebter Heiliger Vater ist in der letzten Nacht an einem Schlaganfall verstorben.“ Kurz stockte er, da seine Stimme versagte, dann fuhr er fort: „In neun Tagen werden die Kardinäle in das Konklave einkehren, um einen neuen Heiligen Vater zu bestimmen. Möge der tote Papst Frieden finden, möge Gott ihn in sein Himmelreich aufnehmen und ihm ewiges Leben schenken. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.“, endete er schließlich. Für einen kurzen Moment ließ er seinen Blick über den gefüllten Petersplatz schweifen.

Auf eine Art faszinierte er Maria. Er war so anders, als das Bild, das man im Kopf hatte, wenn man an einen Geistlichen dachte. Seinem Aussehen nach zu urteilen, mochte er Mitte dreißig sein, seine sorgfältig gescheitelten braunen Haare waren von dem Wind, der draußen wehte, leicht zerzaust und sein Gesicht war überraschend hübsch. Die dunkle Soutane stand ihm perfekt und betonte seinen leicht muskulösen Körper. Mit einer fließenden Bewegung drehte er sich um und verschwand wieder durch die Tür des Balkons. Maria blinzelte verwirrt. An was dachte sie da nur? Schwärmte sie jetzt etwa für einen Priester? `Das ist ein Mann Gottes!´, rief sie sich ins Gedächtnis und erhob sich. Sie entschied, dass sie jetzt dringend frische Luft benötigte, weshalb sie den Fernseher ausschaltete und  in ihre Laufschuhe schlüpfte. Sie nahm ihre dünne Jacke von dem Kleiderhaken an der Wand und trat vor ihre Haustüre. Sie schlug ihren gewohnten Weg ein und grüßte freundlich ihre Nachbarin, die gerade in ihrem Garten arbeitete und wie es schien, noch nichts vom Tod des Papstes mitbekommen zu haben schien. Während des Laufens versuchte sie wie immer ihre Sorgen zu vergessen und Ideen für ihre recht gefragten Kurzgeschichten zu finden. Doch heute – ob es ihr behagte oder nicht – wanderten ihre Gedanken immer wieder auf den Balkon des Petersdoms. Zu einem bestimmten Menschen, der gerade die Vorbereitungen dafür traf, den Fischerring des toten Oberhaupts ihrer Kirche, das Symbol des Papstamtes, zu zerstören und die Gemächer des Heiligen Vaters für die Zeit des „sede vakante“ zu versiegeln.

TBC

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Danke fürs Lesen, bitte lasst mir einen Kommentar da! :)

LG; LadyofGondolin
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