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Am Ende der Straße

Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / MaleSlash
Alice Oz Vessalius Raven (Gilbert Nightray) Xerxes Break
17.03.2013
29.05.2013
5
24.967
 
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15 Reviews
Dieses Kapitel
3 Reviews
 
 
17.03.2013 2.788
 
Hallöchen ~
Hier bin ich also mit einer kleinen FF. Ein Three-Shot, um genau zu sein (zumindest ist es so geplant, aber wie ich mich kenne, wird es eh wieder länger -.-). Es ist nur ein kleiner Roadtrip, weil ich die zur Zeit so liebe, und weil meine Phantasie seit meiner 'Supernatural'-Nacht neulich irgendwie Lust hatte, da auch mal was zu fabrizieren.
Ich hoffe, das gelingt mir einigermaßen und ich würde mich sehr freuen, wenn ich per Review Rückmeldung bekommen würde :)
Ansonsten wünsche ich jetzt ganz viel Spaß beim Lesen, noch einen schönen Sonntag Nachmittag und eine nette nächste Woche! Lasst euch von Montag nicht unterkriegen, der nächste Freitag kommt bestimmt ;)
Bye! Jolly ~


P.S. Ja, natürlich ist mit 'der Sitcom' How I Met Your Mother gemeint *g*





_______________________________________________________________________________



When I come home, well I know I'm gonna be –
I'm gonna be the man who comes back home to you.

                                       And if I grow old, well I know I'm gonna be –
                                       I'm gonna be the man who's growing old with you.

But I would walk five hundret miles
and I would walk five hundret more,

                                       just to be the man who walked a thousand miles
                                       to fall down at your door.













Alles begann mit einem platten Reifen. Naja, vielleicht nicht alles, aber definitiv der lustigere Teil seiner Reise.

Hätte er das schon vorher gewusst, wäre er schon nach der ersten roten Ampel ausgestiegen und hätte dafür gedankt, dass die Ampel genau zu dem Zeitpunkt auf rot geschalten hatte und seine Abreise somit um ein paar Minuten verzögert wurde. Er hätte auch dem Taxifahrer gedankt, der so endlos langsam vor ihm her kroch, während er selbst verzweifelt versuchte, die Großstadt endlich hinter sich zu lassen. Und nicht zu vergessen, dem Lastwagenfahrer! Oh, was hätte er dem Lastwagenfahrer dafür gedankt, dass er sich so punktgenau an die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Landstraße gehalten hatte und wegen seiner Breite ein Überholen unmöglich gewesen war.

Hätte Gilbert Nightray tatsächlich vor seiner Autopanne schon gewusst, dass es sein großes Glück war, genau zu diesem Zeitpunkt an diesem Ort zu stehen und ratlos vor einem platten Reifen zu knien, er hätte dem Himmel dafür gedankt, dass alles genau so passiert war, wie es passierte.

Aber er wusste es nicht vorher und er hatte in dem Moment auch keine Ahnung davon, was sich so alles wegen einem kaputten Gummischlauch verändern konnte. Einem kaputten Gummischlauch und einem kleinen Jungen.



                                                                                                                        oOo



Mit einem zerknirschten Zähnefletschen schlug Gilbert die Heckklappe seines alten Impala Chevrolet zu. Die blendenden Sonnenstrahlen reflektierten sich in dem schwarzen Lack und machten die Mittagshitze nur noch unerträglicher. Resigniert rieb sich Gilbert mit der Hand über die Stirn und seufzte leise. Sein Kopf schmerzte, seine Kehle brannte vor Durst und auf seiner ganzen Haut hatten sich feine Schweißperlen gebildet, was kein Wunder war, wenn man bedachte, dass er in schwarzen Jeans durch die Gegend lief und sich partout weigerte, die Ärmel seines weißen Hemdes nach oben zu krempeln.

Alles nicht gerade Faktoren, die seine momentane Lage irgendwie angenehmer machen würden, und deshalb widerstand er dem Drang, gegen den kaputten Reifen zu treten und lehnte sich stattdessen gegen das erhitzte Metall des Kofferraums. Mit fahrigen Bewegungen suchte er in seiner Hosentasche nach der Zigarettenschachtel, nahm beiläufig wahr, dass er die letzte Zigarette zog und schloss mit einem weiteren Seufzen die Augen, bevor er tief inhalierte, das Nikotin in seine Lungen strömen ließ und den Kopf in den Nacken warf.

Als er die Lider wieder öffnete, nahm er zum ersten Mal den strahlend blauen Himmel über sich wahr und bemerkte, wie angenehm warm die Sonnenstrahlen eigentlich auf seiner Haut waren. Ein vorsichtiges Lächeln legte sich auf seine Lippen, aber es verschwand augenblicklich wieder, als sich der Rauch der Zigarette in sein Blickfeld schlängelte und so einen nebligen Schleier über die Welt um ihn herum legte.

Seine Gedanken drifteten ab, sprangen von einem Thema zum nächsten ohne irgendwo lange genug zu bleiben, um seine Aufmerksamkeit in Beschlag zu nehmen. Er ließ die letzten drei Stunden revue passieren. Wie er aus einem halb spontanen Entschluss heraus seine Reisetasche gepackt und in den Kofferraum des Impala geworfen und dann aus reinem Fluchtinstinkt heraus seine Wohnung, die Stadt, einfach alles hinter sich gelassen hatte.

Er bereute diese Entscheidung keineswegs, zumindest noch nicht, aber er begann durchaus daran zu zweifeln, ob sie das Vernünftigste gewesen war. Nicht, dass er jetzt noch viel daran ändern konnte, und mit einem Platten und Null Ahnung, wie man einen Reifen wechselte, schon gleich gar nicht.

Ob er sich dafür schämte, als Mann nicht zu wissen, wie man(n) einen Reifen wechselte? Ein wenig, aber es war niemand da, der ihn deswegen hätte aufziehen können. Er hatte eh nicht unbedingt viele Freunde und dem einzigen Menschen, der ihn wegen soetwas aufziehen würde, würde er hoffentlich nie wieder unter die Augen treten müssen. Dabei wollte er doch einfach nur weg, raus aus Seattle, raus aus Washington, raus aus seinem eigenen, verkorksten Leben.

Die eben noch verspürte Wut, die wie ein Feuer unter seiner Haut gebrannt hatte, erfror bei diesem Gedanken und wurde stattdessen zu eiskalter Mutlosigkeit. Sorgfältig trat er die abgebrannte Zigarette mit den Schuhen aus, fuhr sich mit seinen verschwitzen Fingern noch einmal durch die klebrigen Haare und kniete sich dann erneut neben den platten Reifen. Aber er musste sich eingestehen, dass in diesem Fall wohl alles Nachdenken nichts bringen würde. Er hatte eben nie gelernt, wie man einen Reifen wechselte und in den vielen Filmen, die er sich ansah, wurde diese spezielle Szene immer übersprungen um mit den interessanten Dingen weiter zu machen.

„Brauchst du vielleicht Hilfe?“

Erschrocken drehte sich Gilbert im Sitzen um, zu schnell, knallte mit voller Wucht gegen die geschlossene Hintertür des Impala und landete unsanft auf der Straße.

„Autsch!“, keuchte er mit schmerzverzerrtem Gesicht und rieb sich die Stelle am Hinterkopf. Schon jetzt konnte er dort eine Beule spüren.

Als das unangenehme Pochen in seinem Kopf ein wenig nachgelassen hatte, schaffte er es, seine Gedanken wieder zu fokussieren und sich nach dem Träger der Stimme umzusehen, der ihm eben Hilfe angeboten hatte.

Er staunte nicht schlecht, als er einen kleinen Jungen vor sich stehen sah, der sich leicht nach vorne beugte. Sein Gesicht war nur Zentimeter von Gils eigenem entfernt und umrahmt von den blondesten Haaren, die Gilbert je gesehen hatte. Helle Augen musterten ihn offen und freundlich, offensichtlich das Lächeln imitierend, das auf den Lippen des Jungen lag. Er trug normale knielange Shorts und ein weißes T-Shirt. Um den Hals hatte er sich locker eine rote Krawatte gebunden und auf dem Rücken schleppte er einen ziemlich großen, ziemlich schwer aussehenden Rucksack.

„Was zur...Hölle?“, brachte Gilbert nur heraus, weil sein Verstand einfach nicht nachvollziehen konnte, wie ein kleiner Junge von höchstens fünfzehn Jahren in diese Einöde gelangen konnte.

Besagter Junge kicherte belustigt und hielt ihm eine Hand hin um ihm aufzuhelfen.

„Entschuldige, habe ich dich erschreckt?“, frage der Kleine mit einem unschuldigen Grinsen. Er machte sich nicht einmal die Mühe, seine Erheiterung zu verbergen.

Immer noch irritiert griff Gilbert zögerlich nach der dargebotenen Hand und ließ sich tatsächlich hoch ziehen.

„Nein, überhaupt gar nicht. Ich rechne immer mit kleinen Jungen mitten im Nirgendwo...“, murmelte er leise vor sich hin, verkniff sich aber weitere bissige Bemerkungen.

„Haha, tut mir wirklich leid“, lachte angesprochener Junge nur und kratze sich verlegen am Kopf.„Ich bin Oz, und du?“

Einen Moment lang zögerte Gilbert, er war von Natur aus ein misstrauischer Mensch und er hatte genug Horrorfilme gesehen, um dieses Szenario einigermaßen wiederzuerkennen. Aber schließlich kam er zu dem Schluss, dass von einem kleinen Jungen in Shorts und T-Shirt keine allzu große Bedrohung ausging.

„Gilbert“, sagte er deswegen schlicht und ließ Oz' Hand los, die eifrig seine geschüttelt hatte.

„Soso, Gilbert also. Freut mich wirklich, dich kennenzulernen!“

Zufrieden wippte er auf den Füßen hin und her, während ein kleines Schmunzeln auf seinen Lippen auftauchte. Dann drückte er sich an einem immer noch vollkommen überrumpelten Gilbert vorbei und kniete sich an seiner statt vor den kaputten Reifen. Fachmännisch musterte er das lädierte Gummi und nickte hin und wieder verstehend.

Mit zusammengezogenen Augenbrauen beobachtete Gilbert, wie Oz sich fachmännisch an seinem Auto zu schaffen machte und zielstrebig den Kofferraum öffnete.

„Hast du da irgendwo ein Radkreuz drinnen?“, fragte er mit gedämpfter Stimme, als er sich in die Öffnung lehnte, die Füße ein paar Zentimeter über dem Boden baumelnd.

„Ähm...ein was?“, hakte Gilbert verwirrt nach und errötete vor Verlegenheit, als Oz' leises Kichern aus der Kofferraumklappe zu hören war.

„Na, ein Radkreuz! Du weißt schon, so ein Metallkreuz, das man zum Reifenwechseln braucht“, erklärte der Junge geduldig und hielt im selben Moment triumphierend besagten Gegenstand in die Luft. „Sowas wie das hier“, ergänzte er zu seiner Erklärung.

Die Röte auf Gilberts Wangen wurde noch eine Spur dunkler und er richtete den Blick beschämt zu Boden. Das war aber auch peinlich, dass er sich als erwachsener Mann von einem kleinen Jungen beim Reifenwechseln helfen lassen musste und sich auch noch so dämlich dabei anstellte.

Oz hingegen schien vollkommen in seinem Element zu sein, denn er kramte schon munter weiter im Kofferraum des Impala herum und gab nicht Ruhe, ehe er nicht auch den Wagenheber und das Ersatzrad gefunden hatte. Mit einem listigen Blitzen in den Augen legte er alles auf die Straße und drehte sich dann zu Gilbert um, der sich unglaublich nutzlos vorkam.

„Ich mache dir einen Vorschlag“, sagte Oz siegessicher. „Ich wechsle dir deinen Reifen und dafür nimmst du mich ein Stück in deinem schicken Wagen mit, 'kay?“

Überrascht hob Gilbert seinen Blick und starrte Oz vollkommen überfordert an. Dann wanderte sein Blick weiter zu dem kaputten Reifen, der das schöne Gesamtbild seines Impala zerstörte, und dann über die endlos weite Leere aus trockenen Feldern, durch die sich die schmale Landstraße schlängelte. Resigniert seufzte Gilbert.

„Habe ich denn überhaupt eine andere Wahl?“

„Nope“, war die schlichte Antwort und mit einem breiten Grinsen öffnete Oz die Hintertür des Autos und warf seinen Rucksack auf die Sitzbank. „Schmeiß schon mal die Klimaanlage an, ich bin schneller fertig, als du 'Vielen Dank, Master Oz' sagen kannst!“

Und jetzt musste auch Gilbert ein halbes Grinsen unterdrücken. So irreal ihm die Situation im Moment auch vorkam, fürs Erste konnte er nichts anderes tun, als sie zu akzeptieren. Oder auf den nächsten Jungen warten, der ihm einen Reifen wechseln konnte und zufällig hier vorbei kam...



                                                                                                                       oOo



Selbstbewusst hatte es sich Oz auf dem Beifahrersitz des Impala bequem gemacht und drehte angestrengt an den Knöpfen des Radios herum. Er stoppte, als einer der schier endlosen Sender gerade I'm Gonna Be von den Proclaimers brachte und begann sofort mit zu summen.

Gilbert kannte den Song auch, zu seiner Schande aber nur aus einer der vielen Sitcoms, die er sich immer zusammen mit -
Er verbot sich selbst, den Gedanken weiter zu denken und krallte stattdessen seine Hände in das Lenkrad.

Schon seit einer Weile fuhren er und Oz die Landstraße entlang. Der kaputte Reifen war erstaunlich schnell gewechselt – Oz schien davon wirklich eine Ahnung zu haben – und da beide der Mittagshitze nur liebend gerne in die Kühle der Klimaanlage entkommen wollten, waren sie danach sofort und ohne langes Geplänkel losgefahren.

Die Zeit von da an hatte Gilbert damit verbracht, sich genug Mut zuzureden, Oz endlich auf die Dinge anzusprechen, die ihn interessierten. Und jetzt, wo auch der Kleine endlich ein wenig zur Ruhe gekommen zu sein schien (Gilbert hatte sehr wohl bemerkt, dass er die ersten zwanzig Minuten vollkommen angespannt in dem viel zu großen Sitz saß und immer wieder zu ihm rüber linste), traute er sich endlich, die offensichtlichste Frage zu stellen.

„Also, Oz...wie kommt es, dass ein fünfzehnjähriger Junge ganz allein mitten in der Pampa zur Stelle ist, wenn erwachsene Männer Hilfe beim Reifenwechseln brauchen?“

Als er angesprochen wurde, zuckte Oz leicht zusammen, als wäre er, genau wie Gilbert, in Gedanken versunken gewesen, aber er hatte sich schnell wieder gefasst. Der abwesende Ausdruck auf seinem Gesicht blieb und er starrte nachdenklich aus dem Fenster, einen Ellenbogen an die Tür gelehnt.

„Sechzehn“, verbesserte er, „und ich bin auf dem Weg zu meiner Freundin, die leider ziemlich weit weg von mir wohnt. Weil ich mir die Busfahrt nicht ganz leisten kann, trampe ich den Rest.“

Etwas in seiner Stimme erweckte sofort Gilberts Misstrauen. So, als hätte Oz nicht alles erzählt und vielleicht sogar den wichtigsten Teil der Geschichte weg gelassen. Aber er wollte nicht weiter in den Jungen eindringen, immerhin ging es ihn nicht wirklich etwas an und er konnte nicht erwarten, gleich die gesamte Lebensgeschichte erzählt zu bekommen.

Deshalb nickte er nur und widmete sich wieder voll und ganz der Straße. Er wusste, dass er nicht der beste Fahrer war und zu einem rasanten Fahrstil neigte, er sollte sich also nicht zu sehr von der Geschichte eines Sechzehnjährigen ablenken lassen. Vor allem nicht, wenn dieser Sechzehnjährige mit ihm in einem Auto saß.

„Jetzt bist du dran!“, sagte Oz plötzlich und schien von einem Moment auf den anderen richtig heiter zu sein. Der nachdenkliche Ausdruck war von seinem Gesicht abgefallen und seine grünen Augen schienen wieder vor kindlicher Euphorie zu glühen. „Erzähl mir, was ein mysteriöser Zwanzigjähriger mit einem kaputten Reifen, den er offensichtlich nicht selbst wechseln kann, in der Pampa macht!“

„Vierundzwanzig“, war es jetzt an Gilbert, das geschätzte Alter zu korrigieren und ein kleiner Teil in ihm war stolz darauf, für jünger geschätzt zu werden, als er eigentlich war. Trotz exzessivem Zigarettenkonsum!

„Und ich bin abgehauen, nachdem ich ich meinem besten Freund meine Liebe gestanden habe.“

Noch ehe er wirklich über die Worte nachdenken konnte, waren sie ihm schon über die Lippen gerutscht und hingen jetzt wie eine stumme Bedrohung über der Grenze, die Oz und er instinktiv zwischen sich gezogen hatten. Die Grenze, den anderen nicht zu sehr an den eigenen Gefühlen teilhaben zu lassen, ihn nicht mit den eigenen Problemen zu belasten, auch, wenn ein vorurteilsfreier und objektiver Fremder ihnen vielleicht hätte helfen können.

„Oho“, kicherte Oz, aber dieses Mal war seine Heiterkeit so offensichtlich aufgesetzt und von einer solchen Anspannung durchtränkt, dass es selbst Gilbert auffiel. Was Oz gerade tat, war der verzweifelte Versuch, wieder Distanz in ihr Gespräch zu bekommen. „Das hört sich ja nach einer richtigen Romanze an! Willst du nicht darüber reden, Gil?“

Der übertrieben fröhliche Ton und der Spitzname am Ende bestätigten Gilberts Vermutung und er bereute seine Worte von eben fast schon ein wenig. Obwohl es ihm wirklich gut getan hatte, diese Tatsache endlich einmal auszusprechen. Sie selbst zu hören hat es wirklicher gemacht.

Er hatte Break tatsächlich gesagt, dass er ihn liebte. Gut gemacht, Gilbert Nightray, damit hast du die einzige Freundschaft ruiniert, die dir wirklich wichtig war.

„Wahre Männer reden nicht über ihre Gefühle“, erwiderte er und schaffte es gerade noch, den zynischen Unterton aus seiner Stimme zu nehmen.

„Wahre Männer können aber auch Reifen wechseln!“, lachte Oz neben ihm, sichtlich erleichtert, dass Gilbert die Grenze kein zweites Mal überquert hatte.

Ganz kurz nur zuckte es um Gilberts Mundwinkel.

„Punkt für dich“, sagte er und löste seine verkrampften Finger ein wenig vom Lenkrad während Oz das Radio lauter drehte.



                                                                                                                       oOo



Wäre das hier ein Film, dachte Gilbert, würden sie jetzt in den Sonnenuntergang hinein fahren.
Sie würden endlose Gespräche über ihre Probleme führen und am Ende feststellen, dass sie mehr gemeinsam hatten, als die Tatsache, dass sie im selben Auto saßen und zufällig in dieselbe Richtung mussten. Sie würden alle negativen Gedanken und Gefühle hinter sich lassen, ihnen einfach davon fahren, wie es von Anfang an Gilberts Absicht gewesen war.

Dann wäre das hier das Ende.

Oz würde nie bei seiner Freundin ankommen, er würde einfach immer weiter fahren. Er müsste auch nicht weiter trampen und vielleicht an die falschen Typen geraten. Er könnte in Gilberts Auto bleiben, sicher vor der Welt. Vielleicht würde ihm das genügen.
Und Gilbert...Gilbert müsste nie wieder zurück nach Seattle, der Regen-Stadt, sondern er könnte einfach weiter fahren, in seinem klimatisierten Auto sitzen und sich dem Horizont nähern. Er müsste nie wieder Break unter die Augen treten, nie mit der Schuld leben, ihre Freundschaft zerstört zu haben. Vielleicht würde auch ihm das genügen.

Aber das hier ist kein Film, dachte Gilbert, und eine dunkle Bitterkeit schlüpfte in seine Gedanken hinein. Das hier war die Realität, das war die Wirklichkeit, und er hatte die Freundschaft zu Break zerstört, so wie Oz vielleicht an die falschen Typen geraten würde.
Sie redeten auch nicht über ihre Probleme, sondern ließen das Radio die Stille zwischen ihnen ausfüllen. Aber vor allem, vor allem fuhren sie nicht in den Sonnenuntergang hinein, sondern in die hoch erhobene Mittagssonne.

Und das hier war nur der Anfang.
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