Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

London (K)nights

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama / P12 / MaleSlash
DI Gregory Lestrade Dr. John Watson Mycroft Holmes Sherlock Holmes
03.03.2013
09.04.2013
6
3.852
1
Alle Kapitel
13 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
03.03.2013 947
 
2. Nacht der Trauer

Ein Schritt nach dem Anderen. Kurzes Zögern, als er die dritte knarzende Stufe betrat. Durchatmen, sagte er sich selbst, während seine rechte Hand anfing zu zittern, seine linke aber wie in jeder Stresssituation einfach ruhig blieb. Die Hand des Soldaten, der er nicht mehr war. Sein Blick folgte der Treppe, die er eine Zeit lang hinauf gegangen war, hinunter gerannt, wenn es einen neuen Fall gab oder er einfach wütend auf – ja, er musste den Namen denken, seine Therapeutin hatte ihm gesagt, dass es helfen würde – Sherlock gewesen war. Er stützte sich bei dem nächsten Schritt gekonnt auf seinen Stock. Zwar hatte Misses Hudson ihm angeboten, ihm zu helfen, doch sie hatte selbst genug mit ihrer Hüfte zu kämpfen und John kam mit diesem Teil des posttraumatischen Stresses sehr gut zurecht, zu gut vielleicht. Langsamer als früher, aber irgendwann doch hatte er den Treppenabsatz erreicht, stand vor der vertrauten alten Tür. Er räusperte sich, als würde er im nächsten Moment mit jemandem reden müssen, doch eigentlich war es nur ein weiterer Versuch, die Fassung zu wahren.

Mit der linken, guten Hand schloss er die Tür auf, während die rechte Türknauf und Krücke gleichzeitig hielt. Durchatmen, John Watson!, redete er sich wieder ein. Seine Knie fühlten sich plötzlich butterweich an. Letztendlich war die Tür offen, doch der erwartete Blick in die Vergangenheit blieb ihm verwehrt. Die Möbel waren zum größten Teil mit weißem Stoff abgedeckt worden, aber immerhin standen sie noch dort, wo ihre Plätze gewesen waren, als John hier noch gewohnt hatte. Der trat nun zögernd ein, blinzelte, machte das Licht an. Er korrigierte seinen ersten Eindruck, denn tatsächlich sah ein Ort noch fast genauso aus, wie er ihn verlassen hatte: Der Kamin.

Ein weißer Schädel grinste ihn vom Sims an und er konnte nicht anders, als es zu erwidern. Ein Teil von ihm, der, den er die letzten Monate tief in der Arbeit als Arzt vergraben hatte, war gerade nach Hause gekommen. Wieder räusperte er sich. Eine nervöse Macke, sicherlich, doch als Veteran war ihm das gestattet. Er wandte sich von dem vertrauten Anblick ab, schritt langsam, ganz langsam und ängstlich zum Fenster. Sein Blick wanderte durch die hell erleuchtete Nacht Londons. Auch das kam ihm bekannt vor, auch wenn das Beobachten der Stadt dann doch mehr eine Angewohnheit des Detektivs gewesen war, der mit ihm hier gelebt hatte. Kurz rieb er über die leere, kalte Stelle an seiner Brust, die bei diesem Gedanken stets zu jucken begann. Erst dabei bemerkte er, dass er noch seine Jacke trug, obwohl es in dem Raum nicht kalt war. Misses Hudson hatte sicher geheizt, auch wenn es zur Zeit keine Mieter gab, war besser für die Wände. Er zog sich das hässliche, grüne Teil aus, hielt dann aber inne. Er hatte keine Ahnung, wohin er sie legen sollte. Wie zuvor die Stadt streifte sein Blick nun über die abgedeckten Möbel, ehe er tief einatmend zu dem Sofa ging. Vorsichtig zog er das staubige Tuch davon runter, drapierte seine Jacke und stand dann einfach nur da. Langsam versank er in der Betrachtung des Möbelstücks, während vor seinem Augen alles wieder auferstand, was er damit verband:

Eine Erinnerung zeigte Sherlock in seinen blauen, Satin-Morgenmantel, der zusammengerollt auf dem Sofa lag und John den Rücken zuwandte, in einer anderen wiederum lag er auf dem Rücken, den Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, seinen nackten Arm mit drei, verdammten drei Nikotinpflastern zugeklebt, eine weitere zeigte Misses Hudson, Molly Hooper und DI Gregory Lestrade an Weihnachten, wie sie Sherlocks Geigenspiel lauschten.

Benommen stellte John fest, dass er weinte. Das war seit zwei Monaten nicht mehr vorgekommen und er war stolz darauf gewesen, doch jetzt hier konnte er nicht anders. Hier waren zu viele von diesen Bildern, zu viel von ihrem Leben, ihrem gemeinsamen, gefährlichen aber glücklichem Leben. Das Jack-Union-Kissen, das auf Johns Sessel lag, als er ihn aufdeckte, der aus dem Buckingham Palace geklaute Aschenbecher auf dem kleinen Tisch, obwohl Sherlock das Rauchen aufgegeben hatte, Sherlocks Sessel. Langsam aber sicher deckte Watson alles auf, ihr ganzes gemeinsames Leben und schwankte zwischen Lachen und Weinen. Es tat gut, hier zu sein, auf eine seltsame, fremde Weise. So als würde er hierher gehören, als würde die 221b Baker Street seit über hundert Jahren ein Teil von ihm sein. Staub hier und da, ein leerer Platz, wo früher ein Kühlschrank mit Gliedmaßen als Inhalt stand.

All ihre Reinigungssachen standen noch im Badezimmer, also beschloss er hier einmal für Sauberkeit zu sorgen. Es war eine vertraute Tätigkeit in vertrauten Wänden. Er wischte den Boden, saugte den Teppich, entfernte Schmutz, Staub und alles, was nicht an diesen Ort gehörte. Das einzige Zimmer, das er nicht betrat war Sherlocks. Ein- oder zweimal war er kurz davor gewesen, die Klinke einfach herunterzudrücken, doch er hatte es nicht über sich gebracht, und hatte stattdessen weiter geputzt.

Als die Sonne über der Stadt aufging, schlief er erschöpft aber seltsam beruhigt auf dem Sofa ein. Er wusste nicht, dass er nicht unbemerkt geblieben war, dass jemand ihm beim Aufräumen und Putzen zugehört hatte. Dieser Jemand war erleichtert, dass John das Schlafzimmer nicht betrat. Es hätte nur die ganzen, letzten Monate zunichte gemacht, jeden Schmerz, den sie Beide hatten überstehen müssen, unnütz gemacht. Zittrig atmete Sherlock Holmes aus und war über alle Maße dankbar, dass John sein Zimmer nicht betreten hatte. Und wünschte sich doch irgendwo, ihm in die Augen gesehen zu haben.

________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Okay, bei dem Stichwort war ja eigentlich klar, was folgen musste und da ist es: Post-Reichenbach, aber das werdet ihr ja schon gelesen haben. Ich will mich nur noch mal für die Kommentare bedanken und dafür, dass ich 13 Favos an einem Tag bekommen hab~
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast