Beautifully Tragic
von WitchesOfOz
Kurzbeschreibung
Elphaba und Galinda diskutieren miteinander. Über den Sinn des Lesens, Sarkasmus und einiges andere, bis es Galinda zu viel wird und sie im Bad verschwindet. Dort allerdings gerät sie in eine äußerst missliche Lage, aus der nur Fräulein Elphaba sie befreien kann - mit fatalen Folgen... Gemeinsame Geschichte von FellowOzian und WickedWitchOfTheWest - Virtuelle Cookies für diejenigen, die erraten, wer welchen Absatz geschrieben hat :D
GeschichteDrama, Freundschaft / P16 / Gen
Elphaba Thropp
Fiyero Tigelaar/Tiggular
Glinda/Galinda Upland of the Upper Uplands
28.02.2013
19.11.2016
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28.02.2013
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Qualvolle Stunden
Galinda rieb sich mit einem Seufzen den schmerzenden Rücken, streckte die Beine und begab sich sogleich wieder in eine kniende Position zurück. Sie war versucht gewesen, den Saum ihres Nachthemds, dessen Falten unangenehm in ihre Schenkel gedrückt hatten, zu glätten, doch nun hatte sie diesen nur noch fester zwischen ihrer Ferse und dem Knie gespannt – beinah wie ein Segeltuch. Mit zwei Fingern strich sie einige blonde Locken aus ihren Augen, die dem Pferch hinter ihrem Ohr entkommen waren und sie bewegte weiter unaufhörlich in kreisenden Bewegungen das Handtuch über den Fliesenboden. Die Fasern des Handtuchs verschlangen die Pfützen, sogen sie auf, verzehrten sie unbarmherzig, als wären sie eine herrliche Speise. Sie labten sich direkt gierig daran. Sie sogen sich voll, bis das Handtuch schwer und nass war und beim besten Willen nicht mehr von dem Wasser aufnehmen konnte. Mit einem Stöhnen zwang sich Galinda auf die Beine, trat herüber zur Wanne und wrang das vollgesoffene Handtuch darüber aus, sodass es die Nässe gurgelnd wieder ausspie. Und das Wasser troff herab in die Wanne, durchschnitt den weißen, schimmernden Schaum, der sich darin noch türmte und es floss hin zum Abfluss, worin es mit einem kläglichen Plätschern versank. Dabei riss es mehr und mehr von den nunmehr kleiner gewordenen Bergen aus Schaum und Seifenbläschen mit sich in die Tiefe. Galindas Hände drückten kräftig in den Stoff des Handtuches, pressten das Wasser aus den Fasern – und dabei benetzte es Galindas Finger, lief an ihren Handgelenken hinunter, sammelte sich an ihrem Ellbogen und in der Armbeuge und tropfte wieder auf die Fliesen herab. Galinda beobachtete die kleinen Rinnsale, die sich auf der Innenseite ihrer Unterarme jagten, die sanft ihre weiche, weiße Haut hinab glitten. Nichts taten sie ihr. Nur die nassen Spuren hinterließen sie auf ihrer Haut. Spuren, die sogleich wieder eintrockneten und nicht irgendwie auf ihre einstige Anwesenheit schließen ließen.
Behutsam legte Galinda das feuchte Handtuch über ihre Arme, trug es durch die Stube, als wäre es ein Leichentuch und sie warf es über den Fenstersims, wo über Nacht ihre Bettdecke die Backsteinmauer hinab gehangen war. Sie holte die Decke ein und sie betastete den Stoff, der nun vollends getrocknet war. Sie breitete die Tagesdecke wieder über ihr Bett und sie kehrte zurück ins Badezimmer. Dort mussten noch einige abschließende Dinge erledigt werden, bevor auch Elphaba es wieder gefahrlos betreten konnte. Galinda spülte den restlichen Schaum aus der Wanne und zu guter Letzt hob sie die Tür vom Boden und lehnte sie an die Wand – bloß um dem Raum die wüste Note zu nehmen. Doch als sie den Wasserhahn aufschraubte, um sich die Hände zu waschen, hielt sie inne. Wasser. Ein dicker, schäumender, gluckernder Strahl Wasser. Galinda schüttelte den Kopf. Sie tauchte die Finger unter den Wasserstrahl – nichts geschah, nichts als dass sie nass wurde. Absurd. Töricht. Wasser war nichts als ein Reinigungsmittel, ein Erfrischungsgetränk; das Blut von Oz. Und während Galinda sich die Hände einseifte und die Schaumberge beobachtete, die sich aufzutürmen begannen, schweiften ihre Gedanken weiter ab – ab zu Elphaba. Das Wasser gewann plötzlich mehr an Bedeutung. Nur war sie in keiner Weise bemächtigt, sich zu erklären, weshalb.
Galinda warf einen weiteren Blick in den Spiegel. Sie drehte eine elegante Pirouette, die Haar und Kleid aufwirbelte und sie lächelte. Sie war zufrieden mit sich. Das schlichte, blasse Gelb des Kleides schmeichelte ihrem goldblonden Haar, das sie zurückgesteckt trug und die weiten Rüschen und Raffungen des Rockes ließen sie elfenhaft erscheinen. Sie drehte sich um und schwebte wahrhaft auf die Tür zu. Wenn sie doch bloß nicht zum Unterricht müsste...
***
In der Zwischenzeit kamen Elphaba langsam die ersten Zweifel an ihrem Vorhaben. Das morgendliche Licht, das durch die Fenster hereinfiel, brannte in ihren gereizten Augen, als wäre es die Mittagssonne in der Wüste, die Oz umschloss, jedes Wort, das gesprochen wurde, erschien ihr dröhnend laut und pulsierte in ihrem Kopf nach. Sie bekam nur sporadisch mit, wovon die heutige Vorlesung handelte, und musste sich alle Mühe geben, Madame Charetts gelegentliche irritierte Blicke zu ignorieren, wenn ihr die Feder aus den Fingern glitt oder der Arm, auf den sie ihren Kopf gestützt hatte, fast vom Tisch rutschte.
Als sie schließlich mit einem lauten Poltern versehentlich das Buch ihres Sitznachbarn vom Tisch stieß, schien Madame Charett die Geduld zu verlieren.
»Ja, um Oz' Willen, Fräulein Elphaba, was ist denn heute nur los mit Ihnen? Ich kann ja akzeptieren, wenn Sie nicht auf den Unterricht achten, das ist schließlich Ihre Sache, aber müssen Sie dabei wirklich ein derartiges Getöse veranstalten?«
Der ganze Saal drehte sich in gespannter Stille zu ihr um, und Elphaba fühlte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss, der sich daraufhin verwirrend leicht und losgelöst anzufühlen schien. Madame Charett verschwamm vor ihren Augen.
»Entschuldigen Sie, Madame«, murmelte Elphaba mit einem erstickten Husten und senkte den Blick auf den Tisch. »Ich... ich bin heute nicht ganz... auf der Höhe. Ich w-werde von nun an besser aufpassen.«
Die Professorin seufzte. Sie war ein solches Verhalten von Fräulein Elphaba nicht gewohnt, beschloss aber, es für diesmal durchgehen zu lassen. Das Mädchen war heute aber auch unnatürlich blass, geradezu weiß sah ihr Gesicht aus, und die ganze Stunde über schon schien sie mit einem Hustenreiz zu kämpfen.
»Vielleicht bleiben Sie mit einer derartigen Erkältung nächstes Mal lieber im Bett liegen«, riet sie wohlwollend, ohne allerdings mehr als ein unverständliches Murmeln zur Antwort zu erhalten. Kopfschüttelnd wandte sie sich wieder dem Unterricht zu.
Den Rest der Stunde über bewegte Elphaba sich so wenig wie möglich, um nicht noch mehr Unheil heraufzubeschwören. Sie merkte, wie die anderen Studenten immer wieder tuschelten und zu ihr herübersahen, doch sie achtete nicht darauf. Ein Blick in ihr Heft zeigte ihr, dass ihre wenigen Notizen völlig unbrauchbar waren, da sie ihre eigene Handschrift nicht erkannte, und sie beschloss, am Nachmittag die entsprechenden Kapitel im Buch noch einmal durchzulesen.
Als Madame Charett die Klasse schließlich entließ, brauchte Elphaba einen Moment, um aufzustehen. Mühsam packte sie ihre Sachen wieder ein und kam leicht schwankend auf die Beine, wobei ein Anflug von Schwindel sie beinahe wieder umgeworfen hätte. Keuchend stand sie ein paar Sekunden lang da und wartete, bis ihr Sichtfeld wieder klar war, froh, dass der Raum bis auf sie bereits leer war. Es war ihr ein Rätsel, wieso die Klassenzimmer jedes Mal so schnell leer waren und dennoch alle so viel zu spät zur nächsten Stunde kamen. Dennoch, darauf kam es jetzt nicht an.
Elphaba griff mit entschlossenem Gesichtsausdruck nach ihrer Tasche und machte sich auf den Weg in die nächste Stunde. In der auch Galinda sein würde. Elphaba schloss mit leisem Stöhnen die Augen.
***
Galinda reckte den Hals und blickte über ihre Schulter. Sie drehte sich nach allen Seiten, sie ließ ihren Blick durch den Klassenraum schweifen. Elphaba war nicht hier. Und Galinda war sich gewiss, sie konnte sie nicht übersehen haben. Denn Elphaba würde überall ihre Blicke auf sich ziehen, würde überall hervorstechen, so traurig das auch war. Galinda zuckte die Achseln. Nein. Sie war tatsächlich nicht hier. War ihr etwas zugestoßen? Die Sache ließ über sich grübeln. Denn noch nie war Galinda früher zum Unterricht erschienen als ihre Zimmergenossin.
»Suchen Sie etwas, Fräulein Galinda?«, fragte Pfannee und stieß Galinda sacht und kameradschaftlich in die Seite.
Galinda schüttelte hastig den Kopf und strebte schneller als gewöhnlich auf eine der hinteren Bankreihen zu.
»Nein, nein. Ich habe mich nur eben ganz bei mir gefragt...warum bloß niemand diese grauen, öden Wände mit Blumen und Gemälden schmückt...«, stotterte sie und ließ sich hart auf die hölzerne Bank fallen – zu hart. Pfannee hingegen glitt fast voll dämlicher Anmut neben ihre Freundin und betrachtete prüfend ihre prächtig schillernden Fingernägel.
»Diese Farbe ist einzigartig«, sagte sie, wobei es schien, sie spräche eher einen eben gefassten Gedanken unbewusst laut aus.
»In der Tat«, entgegnete Galinda und spähte kurz herab auf Pfannees Hände. »Ich habe noch keine gesehen, die sich mit dieser hätte messen können.« Und sie wandte sich um und blickte nach der Tür. Vereinzelt noch trafen schwatzende Gruppen von Studenten ein, doch Elphaba war nicht darunter.
Nervös rutschte Galinda auf der Bank hin und her. Elphaba? Zu spät? War sie nicht für gewöhnlich eher überpünktlich gewesen? War das Sorge, die Galinda zu zermalmen drohte? War das Schuld, die sich auf sie legte? War es denn sie, die mitschuldig sein würde, wenn Elphaba auf dem Korridor in sich zusammen sank? Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Puls und sie sog hörbar Luft ein, als Doktor Dillamond mit wehendem Kittel den Klassenraum betrat und schwungvoll seinen dicken Ordner auf den Schreibtisch warf. Dabei zuckte er selbst zusammen, bei dem lauten Knall, den das verursachte. Der Tisch schien sich zu beschweren, dass so grober Umgang mit ihm gepflegt wurde. Gerade als Dillamond die Brauen senkte und den Saal scheinbar nach Elphaba absuchte, erschien diese im Türrahmen. Galinda vernahm ein ersticktes Husten und sie wandte sich um. Ja, es war Elphaba! Ach, und sie war aschfahl! Blass wie…ein junger Spargelspross? Die Wangenknochen schienen stärker hervorzutreten als sonst und ihre Hände und Schultern zitterten unter dem Gewicht ihrer Tasche. Sie war bloß ein Gespenst, eine leere Hülle mit leerem Blick, der kaum mehr etwas wahrzunehmen schien.
»E-Entschuldigen Sie die Verspätung, Doktor«, murmelte Elphaba. Ihre Stimme klang dünn und sie brachte kaum mehr als ein sanftes Hauchen zuwege.
Doktor Dillamond runzelte die Stirn, dabei zuckte sein rechtes Ohr – wohl ohne, dass er es bemerkte. Er sah herauf zu Elphaba, die sich scheinbar unbewusst an den Torbogen gelehnt hatte, sich aber sogleich hastig aufrichtete.
»Fräulein Elphaba?« Er schaffte es nicht, den Tadel, den er vermitteln wollte, in seiner Stimme im Vordergrund zu halten. Stattdessen vermittelte sein Tonfall Verwirrung – fast Argwohn. »Ist auch alles in Ordnung mit Ihnen?« Dies klang fast wie ein Vorwurf. Doch er erntete nur ein schwaches Kopfnicken.
»Sie dürfen sich setzten.«
Das tat sie. Sie schob sich mühevoll in die Bankreihen und sie stöhnte leise auf, als sie sich niederließ. So leise, dass gewiss nur Galinda es gehört hatte. Diese war beinah ein wenig enttäuscht, dass ihre Zimmergenossin sie so offensichtlich mied. Unbeteiligt wühlte Elphaba in ihren Papieren und Büchern und würdigte Galinda nicht eines Blickes.
»Nun denn«, hörte Galinda Doktor Dillamond sagen, doch ehe er Luft holte um den Satz »Lasst uns anschließen an das Thema der letzten Stunde, in der wir uns mit…--« zu beenden, verschloss Galinda sich für ihn. Geistesabwesend riss sie eine Ecke von einem ihrer Papierbögen und tauchte ihre Feder ins Tintenfass. Und sie schrieb:
Wie war Ihre erste Stunde, Fräulein Elphaba? Fühlen Sie sich auch wirklich wohl genug, um weiterhin dem Unterricht beizuwohnen?
Anschließend faltete sie das Papier so sauber als nur irgend möglich und drehte sich um.
»Geben Sie das bitte für mich an Fräulein Elphaba weiter?«, flüsterte sie und drückte dem hinter ihr sitzenden das zerrissene Blatt in die Hand. Dieser schien ob dieser doch etwas ungewöhnlichen Bitte einen Moment lang verwirrt, zuckte letztendlich aber mit den Schultern und beförderte das Papier noch weiter nach hinten, nachdem er Elphabas Namen auf die Außenseite geschrieben hatte, um nicht über die Reihen hinweg verkünden zu müssen, wem die Nachricht galt. Nur kurze Zeit später lag der Zettel auf Fräulein Elphabas Platz. Diese allerdings schien ihn nicht zu bemerken, oder sie ignorierte ihn schlicht.
Unter äußerster Willensanstrengung hielt Elphaba ihre Konzentration aufrecht. Doktor Dillamond war ihr Lieblingslehrer, und sie wollte ihn unter gar keinen Umständen enttäuschen. Mit bebenden Fingern zog sie Linien auf das Papier, schrieb ab, was der ZIEGENBOCK mit seinen Hufen umständlich an die Tafel schrieb, und fügte eigene Notizen hinzu, deren Inhalt sich aus dem was er sagte erschloss. Doch bereits kurz nach Beginn des Unterrichts wurde sie jäh aus ihrer Konzentration gerissen, als ihre Sitznachbarin sie unsanft mit einer Feder in die Rippen stieß.
»He, Spargelstange!«, flüsterte sie dabei. Elphabas Hand fuhr zu der malträtierten Stelle, und sie biss sich auf die Lippe, um ein gequältes Keuchen zurückzuhalten, als sie sich verärgert zur Seite drehte. Das andere Mädchen sah sie an, als wäre sie etwas unter ihrem Schuh, und nickte zu einem kleinen weißen Stück Papier, das wenige Zentimeter neben ihrem Heft lag, bevor sie sich wieder abwandte, um ihre Unterhaltung fortzuführen.
Elphaba stützte einen Moment lang ihren Kopf in beide Hände, wobei sie diese über ihre schmerzenden Augen legte. Sie konnte jetzt keinen Zettel mit primitiven Bemerkungen über ihre Hautfarbe gebrauchen. Als sie wieder aufsah, entschlossen, das Blatt einfach liegenzulassen, begegnete sie plötzlich Fräulein Galindas Blick, die ihre Augen ein paar Mal weit aufriss und zwischen ihr und dem Zettel hin und her wandern ließ, ehe sie sich wieder umdrehte. Es dauerte, bis Elphaba begriffen hatte, was ihre Stubenkameradin damit sagen wollte, doch mit einem tiefen Seufzen griff sie schließlich nach dem kleinen Stück Papier.
Wie war Ihre erste Stunde, Fräulein Elphaba? Fühlen Sie sich auch wirklich wohl genug, um weiterhin dem Unterricht beizuwohnen?
Sie zog die Augenbrauen zusammen. Was sollte das? Wollte Fräulein Galinda sie etwa immer noch überreden, dem Unterricht fernzubleiben?
Ohne die Fragen mit einer Antwort zu würdigen, wollte sie sich wieder um die Geschehnisse an der Tafel kümmern, als plötzlich ein Ziehen ihren Brustkorb durchzuckte. Galindas Zettel fiel ihr aus der Hand, als sie sich leicht krümmte und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, ohne dass jemandem ihr Moment der Schwäche auffiel. Mit zur Seite gedrehtem Kopf begann sie, unterdrückt in ihre Armbeuge zu husten, während sie hoffte, dass die schwarzen Punkte vor ihren Augen nicht überhandnahmen – sie hatte wenig Lust, vor allen anderen Geschichtsstudenten zusammenzubrechen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte sie sich wieder so weit im Griff, dass sie aufsehen konnte um festzustellen, dass immerhin nicht sämtliche Blicke auf ihr ruhten, wie sie befürchtet hatte. Tatsächlich schienen im Augenblick nur zwei Personen im Saal sie überhaupt zu bemerken: Doktor Dillamond, der eine oder zwei Sekunden lang in seinem Vortrag innegehalten hatte, und Fräulein Galinda. Diese warf ihr einen besorgten Blick zu, den Elphaba betont trotzig erwiderte, und bedeutete ihr, den Zettel zu beantworten. Elphaba seufzte resigniert.
Es geht mir gut, Fräulein Galinda, schrieb sie und fügte noch ein ironisches Danke der Nachfrage. hinzu. Noch besser allerdings ginge es mir, würden Sie es mir ermöglichen, dem Unterricht zu folgen, indem Sie mich nicht mit zwecklosen Nachrichten ablenken.
Sie strich ihren eigenen Namen durch, schrieb »Galinda« darüber und schob ihn zu ihrer Sitznachbarin hinüber; die würde schon wissen, was sie damit anfing.
Im nächsten Moment bereute sie diese Entscheidung schon wieder – so, wie ihre Schrift momentan aussah, war es fraglich, ob Galinda sie überhaupt würde entziffern können, und davon unabhängig würde sie die zittrigen Buchstaben vermutlich zum Anlass nehmen, noch mehr auf Elphaba einzureden. Elphaba schüttelte leicht den Kopf. Nun gut, es war nicht mehr zu ändern.
Galinda beobachtete, wie Elphaba etwas schrieb, und hoffte, dass es eine Antwort auf ihre Fragen war. Fräulein Elphaba schien mit dem Verlauf der Stunde sogar noch etwas Farbe verloren zu haben, und es war deutlich, wie viel Kraft es sie kostete, aufmerksam zu bleiben. Immer wieder schluckte sie angestrengt, und einige Male schien es, als würde ihr das Halten der Feder Schmerzen bereiten, trotz ihrer seltsamen Handschuhe. Galinda spielte nervös mit ihren Fingernägeln herum und merkte kaum, wie der Nagellack an den Ecken absplitterte. Das unterdrückte Keuchen, das sie sich von Zeit zu Zeit einbildete zu hören, wollte ihr schier den Verstand rauben. Sie holte Atem. Und sie stieß die Luft sacht wieder aus – wobei sie beinahe den schlecht und recht zerknüllten Zettel vom Tisch geseufzt hätte, den Pfannee ihr mit flacher Hand zuschob.
»Ich vermute, diese Nachricht ist für Sie, Fräulein Galinda?«, flüsterte Pfannee, sie sprach ihre Mutmaßung eher aus, als wäre es eine Frage.
Stumm nahm Galinda den Zettel entgegen, worauf Pfannee sich offensichtlich verwirrt fort drehte. Sie hatte ihre Freundin selten derart konzentriert gesehen. Galinda kniff die Augen zu Schlitzen und sie runzelte die Stirn, während sie versucht war festzustellen, ob es sich bei der Angabe des Empfängers bloß um einen Flüchtigkeitsfehler oder um eine Unsauberkeit handelte. Was eigentlich »Galinda« heißen sollte, sah mehr nach einem zittrigen »Glinda« aus. Zudem zierte ein dicker, schwarzer Tintenfleck die krumme Linie des »G« und der Schriftzug bestand aus abwechselnd zu dick und dann wiederum zu dünn geratenen Bögen, Strichen und Schlaufen, dass man kaum die eigentlichen Buchstaben erahnen konnte. Galinda zuckte die Achseln und machte sich daran, das Papier glatt zu streichen. Erst las sie die Worte ihrer eigenen Nachricht ein weiteres Mal, bis sie erkannte, dass Elphaba ihre Antwort wohl auf die Rückseite des Blattes geschrieben haben musste. Sie drehte das Blatt also um.
Elphabas Nachricht war kaum zu entschlüsseln. Zum einen war ihre Schrift mikroskopisch klein, zum anderen hielt sie schmalen Zeilenabstand, sodass die Buchstaben sich gegenseitig verdeckten. Offenbar war sie großzügig mit der Tinte umgegangen und hatte beim Schreiben zudem mit der eigenen Hand noch etwas davon auf dem Blatt verteilt. Galinda beugte sich weit über das Papier, sie senkte den Kopf daran, während sie es auf die Tischplatte legte, sie hielt es gegen das Licht, wodurch sich aber bloß ihr eigener Schriftzug auf der Rückseite mit dem Elphabas vereinte und ihr nicht dazu verhalf, die Nachricht besser lesen zu können. Schließlich ließ sie es bleiben. Sie steckte das kleine Stück Papier zwischen die Seiten eines Schulbuchs und sie drehte sich noch einmal mit hilflosem Ausdruck im Gesicht zu Elphaba um. Und während diese halb von ihren Notizen aufblickte und sich halb darin versenkte, schenkte sie Galinda aus glühenden Augen einen vernichtenden Blick, der Galinda zwang, sich wieder dem Unterricht zu widmen. Sie hielt still und sie schwieg. Den Rest der Stunde blickte sie sich nicht mehr nach Elphaba um und sie sprach nicht ein einziges weiteres Wort.