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Beautifully Tragic

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Freundschaft / P16 / Gen
Elphaba Thropp Fiyero Tigelaar/Tiggular Glinda/Galinda Upland of the Upper Uplands
28.02.2013
19.11.2016
25
90.896
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28.02.2013 3.521
 
Wer den Feind umarmt, macht ihn bewegungsunfähig


Dumpf lachte Galinda durch die Tür. Sie tat es lauter als gewöhnlich. Elphaba sollte es hören. Sarkasmus! Als ob sie es darauf anlegen würde, Sarkasmus zu beherrschen. Was gab es hier überdies zu begreifen oder zu beherrschen? Mit den Augen suchte sie das Badezimmer nach dem Hocker ab, auf dem sie für gewöhnlich ihre Kleider ablegte. Heute hing nur ein einfacher, schwarzer Kittel über der Lehne. Zweifellos gehörte er Elphaba. Achtlos warf Galinda ihn hin und schob den Hocker vor die Tür, klemmte die Lehne fest unter die Klinke und schnaubte eine weizenblonde Locke aus ihrer Braue. Sie drehte sich um und mit einem grässlichen Quietschen schraubte sie den Wasserhahn an der Wanne auf. Gluckernd floss das Wasser und als sie das duftende Duschbad hinzu goss begannen sich Gebirge aus weißen Schaumkronen zu türmen. Doch bevor sie ihre Kleider ablegte, tat sie noch einmal einen Schritt auf die Tür zu:
»Fräulein Elphaba...? Können Sie einmal versuchen, die Türe zu öffnen? Damit ich sicher sein kann, dass es auch wirklich nicht möglich ist...?«
Auf der anderen Seite der Tür verdrehte Elphaba genervt die Augen und warf noch einen Blick in ihr Buch, um zumindest die Zeile beenden zu können, bevor sie aufstand. Das konnte doch nicht wahr sein... Würde dieses Mädchen sie jemals in Frieden lassen? Sogar, wenn sie beide festgestellt hatten, dass sie definitiv nicht miteinander sprechen brauchten, wurde sie von ihr herumgescheucht! Ihr dämmerte, dass das vielleicht auch daran liegen könnte, dass sie sich herumscheuchen ließ.
»Versuchen sie es selbst, Fräulein Galinda!«, rief sie durch die geschlossene Tür und begab sich wieder zu ihrem Buch zurück. »Wenn Sie die Tür von innen nicht öffnen können, kann ich es auch nicht von außen.«
Die Antwort bestand in einem wütenden Geräusch, das ein bisschen nach einer Katze klang. Elphaba verzog das Gesicht, als im nächsten Moment ein Platschen zu hören war. Entweder, Galinda war mit voller Wucht in die Wanne gestiegen, oder sie hatte etwas hineingeworfen. Oder...war sie ausgerutscht und hineingefallen?

Galinda wusste kaum wie ihr geschah. Wie konnte das sein? War der Boden nass gewesen? Oder hatte sie etwas Nasses auf den Boden fallen gelassen? Sie stieß ein erschrockenes, schrilles Kreischen aus und ihre Hand fuhr an ihren Kopf, den sie sich am Rand der Wanne gestoßen hatte. Sie spürte, wie das Kleid sich mit Wasser füllte, dabei unangenehm schwer wurde und als sie versuchte sich aufzurichten, klebte der vollgesogene Stoff ihres Kleides an ihrer Haut. Doch so sehr sie auch darum kämpfte, wieder aus der Wanne steigen zu können, in der sie halb bekleidet lag, sie konnte sich kaum bewegen.
»Verdammt!«, entfuhr es ihr. »VERDAMMT!«, rief sie noch einmal lauter, denn soeben war ihr bewusst geworden, dass sie die Tür von innen mit dem Hocker verschlossen hatte. Sie kam nicht umhin ein klägliches Jammern verlauten zu lassen und sie wand sich im Wasser wie ein Fisch im Netz.
»Äähm...Fr-Fräulein Elphaba...? D-Das ist mir wirklich peinlich, aber...wollen Sie mir vielleicht...helfen...?«
Sie wusste nicht, ob Elphaba sie gehört hatte. Und ebenso war sie nicht recht sicher, ob sie ihr helfen würde, wenn sie sie gehört hatte. Wie auch? Der Stuhl würde es Elphaba nur schwer möglich machen, ins Badezimmer zu gelangen...

Gerade hatte Elphaba beschlossen, dass es Galinda schon gut gehen würde, als sie ein wenig begeistertes Fluchen von der verschlossenen Tür her hörte, das so gar nicht in Galindas gewöhnliches Sprachrepertoire passen wollte. Sie zog die Augenbrauen zusammen. Was war denn jetzt los? Und... hatte Galinda gerade... ganz leise um Hilfe gefragt? Elphaba überlegte kurz, dann stand sie schicksalsergeben auf und ging zum Bad. Vermutlich hatte Galinda eines ihrer Kleider ins Wasser geworfen... oder sich vor einer Spinne erschreckt. Elphaba schnaubte. Beide Möglichkeiten waren albern... Das Kleid konnte sie jedenfalls schön selbst herausfischen! Elphaba erschauderte unwillkürlich, als sie sich vorstellte, Galindas Klamotten aus einer vollen Wanne zu fischen. Lieber nicht...
Schließlich klopfte sie kurz an die Tür.
»Haben Sie gerufen, Fräulein Galinda? Können Sie nicht selbst kommen, wenn Sie etwas wollen?!«
Galinda schnaubte hörbar, beinah ein wenig zu enthusiastisch. Verärgert versuchte sie die nassen Haarsträhnen, die ihr in Stirn und Augen klebten mit einer freien Hand fortzuwischen. Hilflos rutschte sie in der Wanne auf und nieder, bei dem Versuch, sich zu erheben. Sie schraubte den Wasserhahn zu, damit nicht noch mehr Wasser in die Wanne floss. Sie drohte schon über zu schwappen. Warum war Galinda nicht eher darauf gekommen, das Wasser zuzudrehen? Noch einmal stieß sie ein leises Fluchen aus, beherrschte sich aber, es nicht allzu laut zu sagen. Sie streckte die Hand aus, nach einem imaginären Arm, an dem sie sich festhalten konnte, doch es war niemand da.
»I-Ich wünschte, ich könnte zu Ihnen kommen, Fräulein Elphaba... Nur...leider ist mir das momentan nicht möglich...«, sie seufzte, offensichtlich war ihr ein wenig unwohl zu Mute. »Und ja, ich...in der Tat...ich habe gerufen...Ich könnte...Ihre Hilfe gebrauchen...«
Galinda biss sich auf die Lippe. Sie hatte so gehofft, Elphaba niemals um Hilfe bitten zu müssen...
Elphaba wandte die Augen zur Zimmerdecke. Ja, das war typisch Galinda... viel reden und wenig sagen. Mit dieser »Fülle« an Information konnte man ja wirklich viel anfangen... Und das andauernde Schwappen von Wasser hinter der Tür, das ihr zu ihrem extremen Missfallen eine Gänsehaut einbrachte, half nicht wirklich, ihre Laune zu steigern.
»Warum in Kumbricias Namen können Sie nicht selbst kommen? Stellen Sie doch einfach den Stuhl weg... solange dieser dort steht, komme ich nämlich auch nicht hinein. Oder...«, sie runzelte die Stirn, »brauchen Sie meine Hilfe, weil Sie ihn nicht mehr wegbekommen?! Da kann ich Ihnen vermutlich kaum weiterhelfen.«
Elphaba seufzte. Sie bereute bereits, ihr Buch auf dem Bett liegengelassen zu haben. Diese Unterhaltung war so nutzlos, dass sie sehr leicht dabei hätte lesen können... Vielleicht sollte sie einfach zurückgehen und Galinda sich selbst helfen lassen.
»Kann ich nun wieder gehen?«

Galinda schnappte nach Luft, wobei ihr gleichzeitig ein hektisches und ebenso melodisches Japsen entfuhr.
»Nein, bitte, Fräulein Elphaba, ge-gehen Sie nicht weg!«, rief sie, fast von Verzweiflung geschüttelt. »Ich...« Galinda schluckte. Noch nie in ihrem Leben war ihr etwas derart peinlich gewesen. Elphaba würde sie gewiss für einen Tollpatsch halten; nein, für einen törichten, tollpatschigen Tölpel... Eine Alliteration, dachte Galinda bei sich, doch sie sprach es nicht laut aus.
»Ich kann nicht zu Ihnen kommen, weil...Ich...in der Wanne liege...und...zu meinem Bedauern in solch einer unglücklichen Position, dass ich nicht in der Lage bin, mich selbst wieder aus dieser zu befreien...«
Wieder biss Galinda auf ihrer Lippe. So fest, dass es sie schmerzte.
»Ich...bin auf etwas ausgerutscht und...samt Kleid in die halb gefüllte Wanne...ge-...fallen...« Galinda seufzte. Wie ungeschickt! Wie hatte ihr das nur passieren können? Zudem hatte Elphaba recht. Wie sollte sie ihr helfen können, wenn der Stuhl stets noch die Tür verschloss...?
Elphaba hatte sich gerade zum Bett gewandt, als sie die Stimme ihrer Zimmergenossin erneut hörte und mitten in der Bewegung erstarrte. Galinda war... WAS?! Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich mit einem Mal, das Buch war vergessen. Galinda war im Bad eingeschlossen. Sie selbst konnte nicht hinein. Wie seltsam, gerade hatten sie noch davon gesprochen, dass jeder hinein konnte, ohne dass man es verhindern konnte... Und nun war ein Stuhl davor. Das war ihre Idee gewesen, sie hatte sich das selbst eingebrockt. Und Galinda lag in der Badewanne und kam nicht heraus. Und es war überall Wasser, um sie herum, in ihren Kleidern... Wie sollte sie Galinda da helfen?! Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie sich wieder gefangen hatte, und als sie weitersprach, hatte sich ein leises Zittern in ihre Stimme geschlichen.
»D-das ist... ungünstig, Fräulein Galinda... wie soll ich denn ins Bad kommen? V-vielleicht sollte ich jemanden holen, der die Tür einbrechen kann... oder so? Boq, oder Fiyero? Ihre Freundinnen werden wohl kaum hilfreich sein...«

Heiß war es. Stickig. Heiß, ja, vor allem das. Und nass. Das Wasser war heiß, so heiß, dass der Dampf davon in die Luft stieg, wie Rauchfahnen von einem brennenden Scheiterhaufen. Die Hitze brannte unangenehm auf Galindas Haut. Ihre Hände waren unter ihrem Rücken eingeklemmt und verhinderten, dass sie die Schweißtropfen, die ihr – Perlengroß, so schien es ihr – über die Stirn kullerten fortwischen konnte. Sie troffen in ihre Augen und sie brannten darin, als wäre es Seife. Galinda sog scharf Luft zwischen den Zähnen ein. Ihre Beine begannen unangenehm zu brennen und zu kribbeln, als liefen tausende kleine Spinnen mit ihren flinken, langen Beinchen darin auf und ab. Und ihre Ellbogen schmerzten sie, von dem Gewicht, das auf ihnen lag. Noch einmal holte sie tief Luft:
»Ich...fürchte ich...halte nicht mehr lange durch in dieser Position...Es tut schon weh...Was immer Sie auch tun wollen, tun Sie es schnell...«
Plötzlich riss Galinda ihre Augen weit auf und ihre Stimme überschlug sich beinah, als sie den nächsten Satz ausspie:
»A-Aber, nein, holen Sie Fiyero nicht her! Und auch nicht Boq! Bitte, bitte, alles nur nicht das!...Das...das ist mir so unangenehm...Oz, bitte, Sie müssen doch verstehen, dass ich nicht...dass das nicht...Fräulein Elphaba...?«
Galinda brach ab. Sie stieß ein sanftes Zischen aus, sie holte tief Luft.
»Sind Sie noch hier, Fräulein Elphaba...Wa-was wollen Sie nun tun...?« Galindas Blick streifte den Stuhl, dessen Lehne wie ein Riegel unter der Türklinke klemmte.
»Wo-wollen Sie nicht einmal versuchen, die Tür zu öffnen...? Vielleicht...schaffen Sie es ja doch...?«
Insgeheim hoffte Galinda, es würde Elphaba doch gelingen, die Türe zu öffnen... Wobei sie noch einige Minuten zuvor gehofft hatte, sie würde es nicht schaffen...
Elphaba starrte auf die Tür, hinter der Galindas verzweifelte Stimme hervordrang, und wusste nicht, was sie tun sollte. Ihre Zimmergenossin befand sich anscheinend tatsächlich in einer Notlage, aus der sie sich nicht selbst befreien konnte. Aber sie, Elphaba, konnte es gewiss auch nicht! Dennoch, sie zwang sich, alle Panik zunächst in den hintersten Winkel ihres Gehirns zu verbannen. Erst einmal musste sie diese Tür aufbekommen. Wenn sie Glück hatte, hatte Galinda den Stuhl nicht sehr fachkundig verwendet, schließlich dürfte sie darin – im Gegensatz zu Elphaba – kaum Übung haben... Kurz entschlossen rüttelte sie an der Türklinke und unterdrückte einen neuen Anflug von Panik, als diese sich nicht rührte. Das wäre ja auch zu einfach gewesen. Sie besann sich und beschloss, etwas auszuprobieren, wovon sie schon in einigen Abenteuerromanen gelesen hatte... Sie trat einen Schritt zurück und trat dann mit einem leisen Kampfschrei gegen die Tür, die jedoch nicht zersplitterte. Stattdessen fand Elphaba sich auf dem Boden wieder und fluchte, als sie ihren schmerzenden Fuß rieb. Das war wohl nichts...
Galinda klang inzwischen leicht hysterisch, und Elphaba tat ihr bestes, sich von dieser Stimmung nicht anstecken zu lassen. Ihr Blick fiel auf Galindas Nachttisch... auf dem deren Übungszauberstab lag... sollte sie es versuchen?

Galinda wand sich heftiger, doch sie fühlte sich dabei bloß wie ein Aal, der an einem Angelhaken hing. Oder schlimmer, wie eine Sardine, die man lebendig in einer Sardinendose eingeschlossen hatte, und die nun verzweifelt versuchte, sich zu befreien. Die Hitze war entsetzlich. Es war ihr, als läge sie auf glimmender Glut. Der Dampf beschlug bereits die Spiegel und an den gefliesten Wänden bildeten sich dicke Tropfen, die träge die Wand herunter liefen, als wären es Tränen. Galinda stöhnte auf. Ihre Handflächen und Ellbogen begannen langsam unangenehm zu stechen.
»Fräulein Elphaba...? Was haben Sie da vorhin an der Tür gemacht? Das klang ja fürchterlich! Haben Sie sich verletzt...?« Es kam keine Antwort. »Fräulein Elphaba? Hören Sie mich...? Si-Sind Sie noch hier...?«
Galindas Herz setzte unvermutet einige Schläge aus, bei dem Gedanken, Elphaba könne nun doch die Stube verlassen haben, um nach Boq oder gar Fiyero zu suchen. Offenbar hatte sie versucht, die Tür zu zertrümmern; der furchtbare Knall, den Galinda zuvor vernommen hatte, ließ das zumindest vermuten. Aber nun, da es ihr misslungen war...war sie entschlossen gegangen um Fiyero um Hilfe zu bitten...? Nein, gewiss nicht! Galinda versuchte sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass Elphaba niemals freiwillig mit einer Bitte auf Fiyero zugehen würde... Sie räusperte sich, doch trotzdem war sie heiser, als sie erneut nach ihrer Zimmergenossin rief:
»Fräulein Elphaba...? Was - Was tun Sie da draußen...? Sind Sie noch hier...?« Es blieb wieder still. Warum um alles in Oz antwortete Elphaba ihr nicht??
Die Angesprochene stand momentan mit zweifelnder Miene vor der Tür und hörte Galinda kaum. Sie hatte, in deren Abwesenheit, hin und wieder in Galindas Zauberbüchern geblättert – einfach aus Interesse, sie bezweifelte, dass sie überhaupt magisches Talent hatte, und wollte ihre Zeit eigentlich auch nicht damit verschwenden. Aber sie war neugierig gewesen. Dennoch, nur wenig war ihr in Erinnerung geblieben... mit viel Glück würde es funktionieren.
»Fräulein Galinda, ich versuche jetzt etwas... erschrecken Sie nicht, wenn es klappt!«
Sogar in ihren eigenen Ohren hörte dieser Satz sich seltsam an. Elphaba zuckte die Schultern und trat ein Stück zurück, bevor sie unbeholfen den Stab gegen die Tür richtete und auf gut Glück ein paar Worte murmelte.
Zunächst geschah gar nichts... Seufzend warf sie den Stab auf Galindas Bett. Als sie sich wieder umdrehte, hörte sie ein lautes Ratschen... und die Tür fiel mit einem dröhnenden Knall aus dem Rahmen und ins Badezimmer hinein. Elphaba riss die Augen auf und ging zögernd auf die Öffnung zu... aus der ihr plötzlich ein Schwall heißer, feuchter Luft entgegenschlug.
Galinda zuckte heftig zusammen. Dabei tat sie unwillkürlich einen Ruck und glitt noch ein wenig tiefer in das Wasser der Badewanne hinab. Ihre abrupte Bewegung hatte das heiße Badewasser jedoch zum Überschwappen gebracht und Schaum und Wasser troff in gleichsam gewaltigen Mengen auf den Fliesenboden. Ein hohes Kreischen entfuhr Galinda und der nackte Schrecken saß ihr auf der Brust und drohte sie zu erdrücken. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Türe, die nun nicht mehr wie gewöhnlich in ihren Angeln hing, sondern wie ein umgekipptes, morsches Brett samt dem Hocker, der noch immer fest in der Klinke stak, auf dem Boden lag.
»Ach du lieber Oz!«, quietschte Galinda. »Was - war - das??«
Sie starrte auf die weißen Rauchfahnen feuchter Luft, die sich sichtbar durch die nun geöffnete Tür zur Schlafstube hin kräuselten. Und vor der Tür stand scheinbar zögernd die hoch aufragende, grüne Gestalt ihrer Zimmergenossin.
»Fräulein Elphaba...? Aber wie...wie haben Sie das gemacht...?«
Galindas Gesicht war von Fassungslosigkeit und Bangen entstellt. Und gleichzeitig schmerzten sie ihre verklemmten und verdrehten Glieder. Warum trat Elphaba nicht ein...jetzt, wo es ihr gelungen war, die Türe erfolgreich zu beseitigen...?
Elphaba antwortete nicht. Sie stand da wie erstarrt, den Blick in das Badezimmer gerichtet. Sie sah die missliche Position, in der ihre Zimmergenossin sich befand... und zugleich sah sie das Wasser, das sie umgab, auf dem Boden herumfloss, sogar von den Wänden troff. Das Wasser, das für sie puren Schmerz bedeuten würde... sie glaubte nicht, dass es bereits ausreichen würde, sie umzubringen; zumindest, solange sie nicht selbst ausrutschte und Galinda in der Wanne Gesellschaft leisten würde. Sie schluckte heftig, als sich bei diesem Gedanken ein flaues Gefühl in ihrem Magen bemerkbar machte. Die feuchte Luft, die aus dem Zimmer drang, war nicht weiter schlimm – Sie verursachte ein unangenehmes Kribbeln auf ihrer Haut, doch sie wusste, dass sie dieses eine ganze Weile würde aushalten können, ehe es gefährlich wurde. Würde sie das Zimmer allerdings betreten, sähe das ganz anders aus...
»F-Fräulein Galinda? I-ich glaube, ich hole doch besser Hilfe... ich glaube nicht, dass ich Ihnen helfen kann.«
Elphaba kniff die Augen zusammen, um die Reaktion der Blondine besser erkennen zu können, und hoffte, dass Galinda noch ein wenig Ausdauer zeigen würde.
Galinda schnaubte eine weitere nasse Strähne von ihrer Nasenspitze. Sie wusste, es half ihr nichts; es sollte lediglich eine Geste der Empörung sein. Sie sah ihre Stubenkameradin im weißen Nebel stehen, der aus dem Badezimmer drang, als stünde das Mobiliar darin in Flammen. Selbst durch den dichten Nebel stach das Grün ihrer Haut ihr beinah unangenehm und befremdlich in den Augen. Sie konnte sich kaum rühren, dennoch versuchte sie, einen ihrer Arme frei zu winden, um sich damit auf die Stirn schlagen zu können. Was um alles...?
»Fräulein Elphaba, was ist so schwer...? Sie müssen einzig einen Schritt ins Badezimmer tun, vielleicht zwei, dann müssen Sie Ihre Hände nach den meinen ausstrecken und mich mit einem kräftigen Ruck aus der Wanne ziehen. Das schaffen Sie doch wohl allein! Sie sind doch sonst so stark... Immerhin können Sie Stapel von dicken Büchern tragen, ohne dass Ihre Arme ermatten...«, rief Galinda ein wenig zu aufbrausend.
Was hielt sie auf? Galinda spürte, dass ihr Schweiß aus der Stirn brach und in ihren Beinen entstand ein entsetzlich schmerzhafter Krampf. Sie stöhnte auf.
»Hilfe! Ich halte das wirklich nicht mehr aus!«, stieß sie aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Vielleicht klang es ein wenig zu melodramatisch...trotzdem: Es war ihr ernst! Der Krampf war unerträglich, die Hitze war beinah tropisch und die Arme brachen schon fast unter ihrem eigenen Gewicht. Oz, wie hatte sie so unglücklich fallen können??

Elphaba merkte kaum, dass sie langsam anfing zu hyperventilieren. Sie konnte dort nicht hinein... Es ging einfach nicht, ozverdammt! Auf der anderen Seite... Es schien tatsächlich nicht, als würde Galinda noch lange genug aushalten, bis sie jemanden gefunden hatte... dem sie dann erst mal alles erklären müsste, der ihr dann noch nicht die Tür vor der Nase zuschlagen durfte, und der sie dann erst mal fragen würde, wieso sie Galinda nicht einfach selbst herausholte... Nein, es gab keine Möglichkeit.
»Galinda, ich – ich – warte. Ein Moment! Ich finde einen Weg...«
Hektisch sah sie sich um. Natürlich gab es nichts, was sie vor dem Wasser schützen würde... Oh, warum bloß hatte sie auch noch nur ihr Nachthemd an? Ihre Stiefel standen auch noch vor der Tür... Schließlich lief sie einfach ziellos ins Zimmer hinein und griff nach dem ersten größeren Gegenstand, der ihr unterkam. Dieser war zufällig Galindas Bettdecke, worüber diese wohl nicht sehr begeistert sein würde... Nun ja, der Zweck heiligte in diesem Fall wohl die Mittel. Elphaba wickelte sich, so gut es ging, in das pinke Ungetüm, bedeckte notdürftig ihre Hände und ging dann ins Bad, um Galinda zu helfen, bevor sie es noch einmal überdenken konnte.

Galinda konnte es nicht fassen! Nein, ihre Augen mussten ihr ein Trugbild zeigen; das konnte nicht die Wahrheit sein! Elphaba hatte sich in ihre blassrosafarbene, seidene Tagesdecke gewickelt. Warum in die ihre? Warum nicht in ihre eigene? Und warum denn eigentlich überhaupt? Unterschwellig riss sie ihre Augen auf, so weit, dass sie bestimmt wirkte wie eine aufgescheuchte Waldeule, die viel zu entsetzt war, um die Flügel zu spreizen und davon zu fliegen. Wäre es ihr möglich gewesen, hätte sie mit den Armen durch das Wasser nach Elphaba geschlagen – das Wasser sollte das grüne Mädchen an ihrer Stelle auspeitschen dafür, dass sie ihre Decke genommen hatte; wofür auch immer! Schließlich hatte Galinda ihre Sprache wieder gefunden. Sogleich riss sie ihren Mund auf und kreischte so schrill und empört als nur irgend möglich:
»WAS UM ALLES IN OZ TUN SIE MIT MEINER TAGESDECKE, FRÄULEIN ELPHABA???«
Immer noch bewegungsunfähig und starr beobachtete Galinda, wie der Dampf die Brille ihrer Zimmergenossin beschlug. Elphaba streckte ihre zitternden Hände – verhüllt in die Decke – nach Galinda aus, ohne im von scheinbarer Angst zerfurchten Gesicht eine Miene zu verziehen oder zu antworten. Doch sie griff nicht zu, sie zögerte.
»Jetzt packen Sie schon zu, Fräulein Elphaba!«, schrie Galinda aufgebracht. »Tun Sie wenigstens das!« Galinda stockte: »Aber nein, vorher legen Sie meine Tagesdecke ab! Was erlauben Sie sich eigentlich!? Nur weil Sie anscheinend wasserscheu sind, bedeutet das nicht, dass Sie – und das auch noch ohne mich zuvor zu fragen – einfach meine Decke als Schutzumhang benutzen dürfen!«
Galindas tadelnder Blick durchbohrte Elphabas hilfloses Gesicht und ließ Galinda stutzen. Noch nie hatte sie Elphaba derart verzweifelt gesehen...oder...welchen Ausdruck verlieh sie ihren dunklen Augen hier...?

Galindas Stimme dröhnte in ihren Ohren und vermischte sich mit dem Rauschen ihres Blutes, das viel zu schnell durch ihre Adern gepumpt wurde. Mit jeder Sekunde wurde der Drang, schnellstmöglich davonzulaufen, stärker...
»Fräulein Galinda, nehmen Sie Ihre Hände aus dem Wasser und hören Sie auf zu schreien!«
Unterschwellig war ihr bewusst, dass Galinda extrem wütend war... und dass ihre eigene Stimme zitterte wie ein Blatt im Wirbelsturm, ebenso wie ihre Hände. Der Wasserdampf stach in ihre Haut, wo sie frei lag, und vor allem ihre Augen begannen langsam zu tränen. Wenn Galinda nicht bald zu griff... sie konnte ihre Hände nicht selbst ins Wasser tauchen, und lange würde sie es hier drin auch nicht mehr aushalten.
Sie spürte Galindas Blick noch immer auf sich, als sie schließlich sah, wie diese zögernd eine Hand vom Rand der Badewanne löste. Dabei rutschte sie ein Stück tiefer ins Wasser und schnappte erschrocken nach Luft. Reflexartig griff Elphaba nach Galindas freier Hand, die daraufhin hastig auch ihre andere aus dem Wasser zog. Kleine Tropfen wirbelten durch die Luft und Elphaba zischte leise, als sie einen davon knapp über der Augenbraue spürte. Mit einem kräftigen Ruck zog sie Galinda nach oben und verlor dabei selbst fast das Gleichgewicht. Im nächsten Moment zog sie mit einem Aufschrei ihre Hände zurück. Die Decke war dünner, als sie gehofft hatte...
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