Beautifully Tragic
von WitchesOfOz
Kurzbeschreibung
Elphaba und Galinda diskutieren miteinander. Über den Sinn des Lesens, Sarkasmus und einiges andere, bis es Galinda zu viel wird und sie im Bad verschwindet. Dort allerdings gerät sie in eine äußerst missliche Lage, aus der nur Fräulein Elphaba sie befreien kann - mit fatalen Folgen... Gemeinsame Geschichte von FellowOzian und WickedWitchOfTheWest - Virtuelle Cookies für diejenigen, die erraten, wer welchen Absatz geschrieben hat :D
GeschichteDrama, Freundschaft / P16 / Gen
Elphaba Thropp
Fiyero Tigelaar/Tiggular
Glinda/Galinda Upland of the Upper Uplands
28.02.2013
19.11.2016
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28.02.2013
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Erste Hilfe
Galinda wandte sich hektisch nach Fiyero um, dass ihre Locken ihr um das Gesicht stoben wie üppig blühender Goldregen. Sie hielt inne, sie spürte, dass ihre Finger zuckten und sie ballte die Hände zu Fäusten, aus Angst, sie könne unvermutet die Gewalt über sie verlieren.
»Sie begleiten mich?«, fragte sie und ihre Stimme triefte dabei vor Süße; Süße im Übermaß, sodass man sie schon beinah wieder als bitter empfinden könnte. Fiyero schloss zu ihr auf und verschränkte dabei die Finger hinter seinem Rücken. Er ließ sie fest ineinander greifen wie Zahnräder und er blickte stur geradeaus, während er so eilig ausschritt, wie Galinda es noch nie gesehen hatte. Für gewöhnlich bevorzugte Junker Fiyero es eher, sein Geschwindigkeitsmaß an ein lässiges Schlendern anzupassen, nun schien es, als versuche er Galinda so schnell als nur irgend möglich wieder loswerden zu können.
»Ja, ich führe Sie zu Ihrer Stube«, murmelte er, knapp eine halbe Minute zu spät. Weshalb hastete er bloß so?
»Könnten Sie nicht vielleicht ein wenig langsamer laufen, Junker Fiyero?«, keuchte Galinda, die Mühe hatte, Fiyeros Laufschritt einzuhalten, dabei nicht durch ihre eigenen Absätze zu Fall zu kommen und gleichzeitig die langen Borten und Raffungen ihres Kleides davor zu bewahren, in dem mörderischen Keil ihrer Schuhe hängen zu bleiben und grausam entzwei gerissen zu werden. Gerade als Galinda den Kopf hob, um den dichten Schleier ihrer Haare aus der Stirn zu werfen, musste sie auch mit einem erschrockenen Seufzen ihren Schritt abbremsen – sonst wäre sie wohl aufs Neue in Fiyeros Rücken gestoßen. Galinda stieß ein erleichtertes Stöhnen aus und schnappte nach Luft.
»Danke sehr, Junker Fiyero. Sehr aufmerksam von Ihnen, dass Sie eine Pause für mich halten. Warten Sie bitte noch einen Augenblick – Wir können gleich --«
Fiyero rührte sich nicht. Er war erstarrt, so wie das Wasser erstarrte, wenn der Winter es mit rauer Kälte glasierte. Als Galinda seinem Blick folgte, spürte sie, wie etwas ihr Herz schmerzlich zusammendrückte, und sie meinte es knistern zu hören unter dem Druck, wie ein Papier, das man zerknüllte, wenn man keinen Gebrauch mehr davon nehmen konnte. Sie hätte ihr Herz gern ebenso in einen Mülleimer geworfen wie ein verbrauchtes Stück Papier, es hätte ihr nun nicht solche glühende Eifersucht bereitet. Sie meinte nun den Grund für Fiyeros Eilen zumindest erahnen zu können. Er hatte schnell in die Stube gelangen wollen, um sich die Gewissheit zu verschaffen, dass Elphaba wohl behütet in ihren Decken lag. Nun, zumindest hatte er nun die Erkenntnis gewonnen, dass dies nicht der Fall war. Dort, am anderen Ende des Korridors konnte man im Schatten der Fensterspitzbögen und Weinhecken die fadenscheinige beinah geisterhafte Silhouette einer dürren Gestalt erkennen, die sich mehr tastend als gehend an die Wand gestützt weiter in die Finsternis und die düsteren Schatten bewegte. Elphaba. Galinda drückte die Nägel in ihre Handflächen, so fest, dass sie beinah ein schmerzverzerrtes Wimmern ausstieß. Sie tat zwei Schritte, sodass sie unmittelbar hinter Fiyero stand und beugte sich mühsam auf Zehenspitzen – was ihr auch so beinah nicht gelang, wodurch sie gewiss nicht ganz so eindrucksvoll wirkte, wie sie es vorgesehen hatte – über Fiyeros Schulter hinweg und rief so laut sie konnte:
»Fräulein Elphaba?? Was um Oz' Willen tun Sie denn noch hier? Wie kommt es, dass Sie nicht längst in der Stube sind?«
Die grüne, gespenstische Gestalt drehte sich langsam um. Sie neigte kaum mehr als den Kopf zurück und schien, obgleich sie in Richtung der beiden sah, keinen wirklich anzusehen. Und plötzlich sank sie in sich zusammen. Wie ein Baum, den ein Unwetter grob gefällt hatte, wie ein Gerüst, dem man den Halt genommen hatte. Umgefegt. Entkräftet. Schwach.
Galinda entfuhr ein Kreischen. Die Eifersucht schien, als hätte sie niemals von ihr Besitz ergriffen. Sie schien belanglos, so unbedeutend, wie das verbrauchte Stück Papier, zu welchem sie ihr Herz zuvor gerne gemacht hätte. Nun war es an Galinda, wie von Sinnen davon zu hasten und sie erreichte die leblose Elphaba beinah schneller als Fiyero – sie hatte kaum bemerkt, dass auch er losgelaufen war. Galinda warf sich vor ihrer Stubenkameradin auf die Knie, ungeachtet den Falten, die sie dadurch in ihren Rock drückte, ungeachtet dem Staub, der das sonnige Gelb ihres Kleides beflecken würde. Fiyero hingegen verhielt sich ein wenig disziplinierter. Während Galinda Elphabas Kopf zu sich herumdrehte und verzweifelt ihren Namen rief, ging Fiyero vorsichtig neben Elphabas Körper in die Hocke. Er löste umsichtig Galindas zarte Finger aus ihrer Umklammerung um Elphabas Gesicht und griff selbst nach ihrem Kinn. Er hob ihren Kopf an, er beugte sich über ihre Nase, dass sein Ohr beinah die Brillengläser streifte und seine Lippen bewegten sich zaghaft, während er die Augen schloss und lauschte. Galinda saß bloß da, saß da, als wäre nun sie zu Eis gefroren, in eben der Position, in der Fiyero sie behutsam zur Seite geschoben hatte.
»Sie atmet«, sagte Fiyero. »Allerdings hat es den Anschein, sie wäre eben drei Runden um die Universität gelaufen, ohne auch nur einmal anzuhalten.«
Fiyero richtete sich wieder auf. Er legte seine flache Hand auf Elphabas Stirn, er fühlte, wie sehr sie glühte.
»Was tun Sie da, Junker Fiyero?«, fragte Galinda, deren Tränen in den Augenwinkeln ebenso erstarrt zu sein schienen, wie ihr ganzer Körper. Doch Fiyero erwiderte nichts. Eine ganze Weile nicht.
»Wir müssen sie in die Stube schaffen, Fräulein Galinda. Helfen Sie mir«, entschied er schließlich und beugte sich über Elphaba.
»W-wie kann ich Ihnen denn helfen, was soll ich denn bloß tun...?«, fragte Galinda verzweifelt. Sie fühlte sich so nutzlos! Es schien ihr, als hätte Fiyero gerade eine komplette ärztliche Untersuchung durchgeführt, während sie hilflos und unwissend daneben hockte und sinn- und zwecklos Elphabas Namen rief.
»Wie konnte das nur geschehen?«, flüsterte sie und wandte den Blick nicht von Elphabas bleichem Gesicht. Selbst in der Ohnmacht hatte sie die Stirn gerunzelt, was ihr einen unruhigen, ungeduldigen Ausdruck verlieh. Fiyero zuckte die Schultern.
»Sie ist einfach... zusammengebrochen, glaube ich«, murmelte er und strich mit einer zärtlichen Bewegung, wie ein Windhauch, das Haar aus der Stirn des grünen Mädchens. »Ich weiß nicht, was passiert ist, aber sie hätte keinesfalls heute den Unterricht besuchen dürfen.«
Galinda hörte den versteckten Tadel an sie, doch sie ging nicht darauf ein. Gewiss, sie hatten Fiyero völlig im Ungewissen gelassen – nach allem, was er wusste, dachte er bis gerade womöglich immer noch, Fräulein Elphaba litte an Keuchhusten.
»Ich konnte sie nicht davon abhalten«, erklärte Galinda schließlich und bezog sich auf den zweiten Teil von Fiyeros Aussage. »Glauben Sie mir, Junker Fiyero, ich habe alles versucht. Sie ist so fürchterlich stur...« Fiyero nickte mit grimmig zusammengepressten Lippen.
»Nun gut«, seufzte er und sah unglücklich auf die leblose Gestalt Elphabas. »Sie kann jedenfalls nicht hier bleiben. Ihr Schlafsaal ist nur noch zwei Gänge entfernt, nicht wahr?« Sie nickte stumm. »Dann bringen wir sie wohl am besten dorthin. Danach würde ich gerne eine Krankenschwester zu Hilfe holen...«
Galinda schnaubte. »Das lassen Sie vermutlich besser bleiben, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist. El- Fräulein Elphaba wird Ihnen den Kopf abreißen, sobald sie wieder bei Kräften ist. Ach was, sie wird Ihnen allein schon deshalb den Kopf abreißen, weil Sie dafür gesorgt haben, dass sie aus dem Unterricht geholt wurde!«
Kopfschüttelnd schlug sie die Hände zusammen. Wie konnte ein einzelner Mensch bloß so... starrköpfig, so kompliziert sein?
Fiyero biss sich derweil beinahe die Lippe blutig. »Das habe ich nicht bedacht... Glauben Sie, wir können uns selbst um sie kümmern?« Er bemerkte Galindas wenig begeisterten Blick und korrigierte sich unsicher. »Oder, Sie können alleine... ich gehöre ja nicht wirklich in Ihren Schlafsaal.« Eine wirklich süße Röte kroch auf seine Wangen, und Galinda senkte, ihrerseits errötend, den Blick. »Nur, eine Bitte... sollte Fräulein Elphaba tatsächlich allzu wütend sein... verraten Sie mich nicht, in Ordnung? Tun Sie einfach, als wüssten Sie von nichts...?«
Galinda versprach es, auch wenn sie sich dabei lächerlich vorkam. Hatte Fiyero Tiggular etwa Angst vor Fräulein Elphabas Zorn? Nun ja, wenn sie es sich recht überlegte... sie selbst hätte vermutlich auch keine große Lust, ihre Zimmergenossin wütend zu machen.
Erleichtert ging Fiyero schließlich wieder zum Praktischen über. »Helfen Sie mir, sie hochzuheben«, wies er Galinda leise an. Sie beschwerte sich nicht und begab sich zu Elphabas Füßen. Dort blieb sie stehen und begann, an ihren Fingernägeln herum zu kauen. Ihr Begleiter wirkte verwirrt. »Fräulein Galinda?«
»Ich kann das nicht«, flüsterte diese kaum hörbar. Fragend legte er die Stirn in Falten. »Sie – sie sieht so zerbrechlich aus«, murmelte Galinda. »Was, wenn ich ihr wehtue? Sie ist doch schon-«
Mit einem unterdrückten Schluchzen brach sie ab. Fiyero starrte nervös auf Fräulein Elphaba hinunter und überlegte, wie er es alleine schaffen sollte. Letztendlich ging er neben ihr in die Hocke. Seinen linken Arm schob er langsam und vorsichtig unter ihren Armen hindurch, seinen rechten legte er unter ihre Kniekehlen. Wie in Zeitlupe richtete er sich wieder auf, wobei er verzweifelt versuchte, den Kopf des Mädchens gerade zu halten, der haltlos nach unten hing. Fast hätte er sie vor Schreck fallen gelassen, als sie mit einem Mal zusammenzuckte. Ihre Augenlider flatterten, blieben jedoch geschlossen, und ein leises Stöhnen drang aus ihrem Mund. Fiyero ging es durch Mark und Bein. Innerhalb weniger Sekunden schien Elphaba noch blasser geworden zu sein.
»W-was war das?« Galindas Stimme war nicht mehr als ein verängstigtes Piepsen. Fiyero schüttelte zitternd den Kopf und schaffte es schließlich, den Kopf seiner Last an seiner Brust zu platzieren, wobei ein leises Wimmern hörbar war. Er gab sich alle Mühe, es zu ignorieren, und sagte sich immer wieder, dass er keine andere Möglichkeit hatte. Galinda neben ihm stand kurz vor einem hysterischen Anfall, und Elphaba glühte so sehr, dass er es durch den Stoff seines Hemds hindurch spürte. Sie war leichter, als er je für möglich gehalten hatte; er hätte vermutlich leicht das doppelte Gewicht tragen können.
Mit Galindas Hilfe erreichte er schließlich den Schlafsaal der beiden Mädchen. Sie hielt ihm die Türen auf und stieß bei jedem noch so kleinen Geräusch, das sie hörte, einen erschrockenen Laut aus, was ihn furchtbar unruhig machte. Er war froh, als sie schließlich am Ziel angekommen war und die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Galinda schloss ab.
Als Fiyero Elphaba auf ihr Bett legen wollte, schüttelte ihre Stubenkameradin den Kopf. »Nicht auf dieses Ding«, erklärte sie leise, aber erstaunlich entschieden. »Es ist hart, als wäre es mit Steinen gefüllt statt mit Federn, und die Decken könnte man ebenso als Schmirgelpapier verwenden. Legen... Legen Sie sie auf mein Bett.«
Fiyero sah die kleine Blondine erstaunt an. Bisher hatte er ja den Eindruck gehabt, dass die beiden grundverschiedenen Mädchen einander auf den Tod nicht ausstehen konnten, und nun ließ Fräulein Galinda zu, dass Fräulein Elphaba ihr Bett benutzte? Er gab es nicht gerne zu, aber er war beeindruckt. Mit einem dankbaren Nicken bewegte er sich zu der farbenprächtigeren Seite des Zimmers. Als Elphaba in die weichen Kissen sank, stieß sie ein Keuchen aus. Galinda sprang einen Schritt zurück und riss die Augen panisch auf. Fiyero versuchte, ruhig zu bleiben, während er sich mit klopfendem Herzen über Shiz' ungewöhnlichste Studentin beugte.
Galinda sah von weiter weg zu, wie Junker Fiyero sich um Elphaba kümmerte. Sie beobachtete, wie er sein Ohr an ihre Brust legte, und merkte, wie sich die Eifersucht wieder regte, obgleich sie versuchte, sie zu unterdrücken. Fiyeros Gesicht hatte nichts zu suchen an einer derart delikaten Stelle... genauso wenig seine Hände oder sonst irgendein Körperteil! Besäßen Elphabas Kleider auch nur annähernd etwas wie einen Ausschnitt, hätte er jetzt einen wunderbaren Ausblick... das hieß, falls es bei Fräulein Elphaba überhaupt einen Ausblick gäbe.
Im nächsten Moment wandte Galinda, entsetzt über sich selbst, den Blick ab. Sie schalt sich streng für derart selbstsüchtige Gedanken in Gegenwart ihrer Mitbewohnerin, die bewusstlos in ihrem Bett lag und nun wirklich nichts für das Verhalten eines seltsamen Winkieprinzen konnte!
Besagter Winkieprinz drehte sich eine halbe Minute später zu Galinda um.
»Oz sei Dank, sie atmet... und mehr oder weniger regelmäßig«, flüsterte er, so leise, dass es nur mühsam zu verstehen war. »Allerdings sehr angestrengt, und ihr... ihr Herzschlag stottert ein wenig...« Galinda schluckte und bedeutete ihm, fortzufahren. »Ich habe nicht viel untersuchen können, natürlich, ich meine...« Erneut wurde er rot. Galinda verstand. Er wollte ihr nicht das Kleid ausziehen. Das heißt, vielleicht wollte er schon... Sie kniff die Augen zusammen und hörte ihm weiter zu. »Also, ansonsten konnte ich nichts feststellen. Außer, dass sie geradezu glüht, als tobte in ihr ein ganzer Waldbrand...«
Galinda nickte schweigend. Das hatte sie auch schon bemerkt. Wie schwach Fräulein Elphaba plötzlich aussah, wie sie da zwischen rosafarbenen Kissen und Decken lag. So klein und dünn, wie aus Porzellan. Ihre Brust hob und senkte sich in einem ungewöhnlichen Rhythmus, und unter ihren Augen lagen dunkle Schatten. Wie ein Geist sah sie aus.
»Junker Fiyero«, fragte Galinda schließlich. »Woher wissen Sie all das eigentlich? Wo sie lauschen müssen, den Atem, den Herzschlag, all diese Dinge?« Erstaunt bemerkte sie, dass die Röte in Fiyeros Gesicht einen neuen Intensitätsrekord aufstellte.
Fiyeros Hand fuhr an seinen Haaransatz und er wühlte darin herum, als ob ihm die Krätze im Nacken säße. Irritiert senkte Galinda die Brauen. Sie war ungewiss, ob sie sein Verhalten nun als hinreißend oder als schlicht unappetitlich empfinden sollte. Fiyero wich ihrem Blick aus. Er starrte strikt zu Boden, als prüfe er, ob Staub und Straßendreck seine blank polierten Schuhe weitgehend verschont hatten.
»Nun, Sie müssen wissen, Fräulein Galinda«, sagte Fiyero flüsternd, »in so manchen Kneipen geht es nicht ganz so friedlich zu, wie an den meisten Abenden im ›Rosigen Pfirsich‹.«
»Tut mir Leid, Junker Fiyero… Ich verstehe nicht…«
Fiyero seufzte. Wie konnte sie auch? Zögernd sah er an Fräulein Galinda herab. Sie war ganz offensichtlich eine Dame von Anstand und Grazie. Sie stammte gewiss aus einer wohlhabenden Familie. Man sah dies an dem filigranen, goldenen Armschmuck, den sie trug, an den Perlen in ihrem Ohr, an dem feinen Stoff der Blumenborten und Rüschen an ihrem Rock. Konnte er vor jemandem wie Galinda gestehen, dass er sich oft nicht seiner Art gemäß verhielt? Plötzlich wollte es ihm so gar nicht passen, wo Galinda ihn doch einmal spöttisch mit »Euer Hoheit« begrüßt hatte, ihr zu gestehen, dass er öfter als angemessen aus seiner vornehmen Rolle fiel und tat, was gewöhnliche junge Männer in ihrer Blüte auch taten. Er vergnügte sich wie sie, er betrank sich wie sie, er verführte ebenso wie sie und er spottete und lachte ungehemmt, wie sie. Und ebenso prügelte er sich wie sie. Vielleicht war es nicht gerade eine gutzuheißende Eigenschaft: Er konnte alle Floskeln niederlegen, die Sprache seiner Klasse gegen die der gewöhnlichen Leute eintauschen, konnte sich trotz seiner Seidenhemden und Kaschmirpullunder vollsaufen bis zum Überschwappen und wenn sich einer auf den anderen warf, eine Faust auf die Nase, ein Fuß ins Gemächt – er stand ebenso jubelnd daneben oder warf sich mitten hinein wie all die anderen auch. Avaric hatte oft mit ihm einen solchen Abend verbracht. Dann waren sie gemeinsam spät nachts den Kanal entlang gewankt, hatten hinab gespuckt und versucht, nach all dem Alkohol die Umgebung wahrnehmen zu können. Sie waren alleine fort gewesen, ohne weibliche Begleitung, ohne Boq, diesen Feigling, ebenso ohne Krapp, ohne Timmel – allein.
Nun aber stand Fiyero Galinda gegenüber. Die Unschuld sprach allein aus ihrem Blick, mit dem sie Fiyero so erwartungsvoll in die Augen sah.
»Sie verstehen nicht...«, murmelte Fiyero.
Galindas Schuhspitze klopfte Rhythmen auf den Boden, wie flinke Hände auf einer Buschtrommel und sie verschränkte die Arme. Sie erwartete eine Antwort. Fiyero wusste, er konnte nicht lügen. Vielleicht konnte er der Wahrheit die Härte nehmen? Sie abschwächen? Sie bloß zur Hälfte wiedergeben?
»Nun...«, setzte er an, »Junker Avaric und ich haben...des Abends... – an manchen Abenden schon des Öfteren Ausflüge in einige Kneipen gemacht. Es gibt bestimmt hier in Shiz kaum mehr eine, die wir noch nicht kennen... In manchen geht es recht wild her...« Galinda legte den Kopf schräg.
»Ich spreche hier von Raufereien, Fräulein Galinda, von Schlägereien... Ja ja, Sie haben recht gehört...«
Galindas Augen weiteten sich. Sie hatte kaum mehr Kontrolle über ihre eigene Stimme, weshalb sie für kurze Zeit das Flüstern außer Acht ließ:
»Schlägereien??«, quietschte sie; und presste sich beide Hände vor den Mund. Sie drehte sich nach Elphaba um, erkannte beruhigt, dass sie sich nach wie vor nicht gerührt hatte und wandte sich dann wieder Fiyero zu.
»Haben Sie sich denn mit anderen geprügelt, Junker Fiyero?«, fragte Galinda, wobei sie in strengen Flüsterton zurück verfiel. Sie schüttelte den Kopf; sie glaubte nicht daran, sie schien den Gedanken abschütteln zu wollen.
»Nein,...das – das kann ich nicht glauben, das passt einfach nicht in Ihr Bild... Das...ist nicht wahr, Sie können das nicht ernst meinen, warum --«
Fiyero unterbrach sie sacht. Er stellte es geschickt an. Er drückte ihr sanft den Zeigefinger an die Lippen. Sie verstummte augenblicklich und sie sah wie erstarrt in sein Gesicht, während ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Nein«, sagte Fiyero. »Geprügelt habe ich mich nicht.« Er wusste, dass er log. Jedoch würde Galinda niemals Ermittlungen anstellen können, ob Fiyero auch die Wahrheit sprach. Dieser zog einen Augenblick die Stirn in Falten – Galinda verlor sich in diesem Anblick; man sah Fiyero viel zu selten die Stirn kraus ziehen. Wie konnte Fiyero Galinda die fatalen Umstände möglichst schonend beibringen?
»Da Junker Avaric und ich schon des Öfteren indirekt an einer solchen Massenschlägerei teilhatten, habe ich genügend Erfahrung sammeln können, wie man mit Bewusstlosen umzugehen hat...«
Galinda schüttelte noch einmal den Kopf, diesmal um sich aus der Trance zu befreien, in die Fiyeros Anblick sie versetzt hatte.
»Man prügelt sich dort bewusstlos...?«, fragte sie und klang fast ein wenig ängstlich.
Fiyero wusste, diese Tatsache konnte er nicht weiter abschwächen.
»Ja«, gestand er. »Und wenn dies der Fall ist, bin ich manchmal so frei und sehe nach dem Gesundheitszustand der Gefallenen.«
Galinda nickte. Sie war momentan nicht fähig eine Antwort zu geben. Einige Sekunden starrten sie sich schweigend an – bis Elphaba sich in Galindas Decken plötzlich zu regen schien.