Herz (vorläufiger Titel)
von Aylas
Kurzbeschreibung
Ancaria zu einer Zeit in der die T-Energie einem einzelnen gehört und damit das ganze Land unterwirft. Einzig ein kleines Dorf in den östlichen Bergen von Artamark bleibt von der grausamen Herrschaft des Lords unberührt...Noch zumindest...(Eine Fortsetzung von Sacred 2-Fallen Angel)
GeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P16 / Gen
19.02.2013
01.03.2013
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19.02.2013
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"Du hast Blutklaue gesehen? Blutklaue in Fleisch und Blut?", rief einer der Jäger ungläubig.
Meine Jagdgefährten und ich saßen mit anderen Jägern versammelt in der großen Halle. Die Halle war vielmehr ein größeres Haus, welches zwei kleine Anbauten hatte. In der Mitte gab es eine Feuerstelle wo zu Festen und Feierlichkeiten ein Wildschwein drüber gebraten wurde. Die Halle war groß genug, sodass das ganze Dorf platz drin hatte. Unser Dorf Lerída war an einem Berghang errichtet worden im Osten Artamarks. Das Gebirge wurde von meinem Volk Ma'Rim genannt. Jeden Morgen ragte sein Schatten über unser Dorf hinaus.
Einmal war ich früh aufgestanden, noch bevor die Sonne am Himmel zu sehen war, und war den Berg hinauf gestiegen. Ganz hinauf bis auf seine Spitze. Dort harrte ich aus.
Der nachtblaue Himmel wurde langsam lichter. Ein Hauch von Lila, wie von Flieder, mischte sich hinein und ließ ahnen was noch folgen würde. Langsam schob sich die Sonne orange hinter den Bergen hervor, stieg immer weiter hinauf und ließ die Berge glühen. Sie tauchte den ganzen Himmel in Feuer, welches jedoch mit ihrem stetigen Aufsteigen schwächer wurde bis es ganz verblasste. Sie stieg weiter hinauf und der Tag war angebrochen.
"Aylas, sag, hast du wirklich Blutklaue gesehn?", wurde ich erneut gefragt, völlig aus meinen Gedanken gerissen.
Ich sah den Mann an.
"Ja, ich habe ihn gesehn.", antwortete ich.
"Bist du dir da auch ganz sicher?", fragte mich ein anderer Jäger.
"Natürlich bin ich mir sicher.", erwiderte ich.
Ein unruhiges Gemurmel ging durch die Versammelten. Aber ihre Blicke logen nicht. Sie glaubten meinen Worten nicht.
"Aylas, erzähl genau was geschehen ist.", bat mich Krim Di 'Rachtan. Er war der oberste Jäger, sowas wie ein Hauptmann in unserem Dorf.
"Die anderen waren vorrausgegangen" ,begann ich. "Dann hörte ich ein Geräusch, mehrere Geräusche. Wie von Großwild. Nach und nach traten Werwölfe aus dem Schatten des Waldes. Erst tauchte ein Schwarzer auf, dann ein Grauer. Es war seltsam. Sie hätten mich längst töten können, ehe ich die Chance dazu gehabt hätte sie wahrzunehmen. Sie machten keinerlei Anstalten mich anzugreifen. Sie beobachteten mich nur. Ich hörte ein Schnaufen. Es kam aus einer anderen Richtung. Als ich in diese Blicke sah mich eben jener Werwolf an, den wir bei der Jagd getötet hatten."
"Was ist mit Blutklaue?", unterbrach mich jemand.
"Er stand neben ihm. Er schien eine Art Befehl gegeben zu haben, denn alle verschwanden wie auf Kommando im Wald."
"Aber woher glaubst du zu wissen, dass es Blutklaue war und nicht ein normaler Werwolf?", fragte Krim.
"Ja, schließlich haben ihn bisher nur du und der verrückte Felon ihn gesehn."
Der verrückte Felon erzählte uns Legenden und Geschichten und sagte uns immer wieder er habe gegen Blutklaue gekämpft...und verlor. Jedoch nicht sein Leben, sondern seinen Verstand, so sagt man.
"Ihr wisst doch was man über Blutklaue sagt, was seit Generationen von ihm überliefert wird. >Sein Fell schwarz wie die Nacht und mit dem Blut seiner Opfer getränkt. Stehst du ihm gegenüber, stehst du dem Tod gegenüber. Die Wölfe sind ehrfürchtig vor der Blutklaue.<"
"Ich glaube kaum, dass du das Blut seiner Opfer an seinem verfluchten Pelz hast kleben sehen. Außerdem lebst du und..." Der Jäger grinste spöttisch " du hast deinen Verstand noch, soweit man es erkennen kann."
"Deutest du etwa damit an, dass Aylas lügt?!", fuhr ihn Edoras an und schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Komm schon, Edoras! Vier Werwölfe, davon einer Blutklaue höchstpersönlich! Bei einer jagt zu fünft auf eine dieser Bestien grenzt schon an Selbstmord! Verzeih mir, Edoras Dra'Gondor, wenn ich daran zweifel, aber du hast es selbst erlebt."
"Dann lauf besser schnell nach Hause zu deiner Mama. Richtige Jäger kennen keine Angst."
"Na warte, ich zeig dir gleich, wer zu Mama rennt!", schrie der Jäger und sprang von seinem Platz auf.
Edoras ballte die Fäuste und erhob sich ebenfalls. Beide funkelten sich an. Gerade als sie anfangen wollten sich zu prügeln, was zweifelslos in einer Massenschlägerei geendet hätte, ging Krim dazwischen.
"Ruhe!", donnerte seine Stimme durch die Halle.
Alle verstummten augenblicklich. Keiner wagte es den Blick von Krim Di 'Rachtan auf sich zu lenken. Er konnte freundlich sein, aufopfernd aber genauso auch ernst, angsteinflößend unerbittlich.
Sein Gesicht bot einen einschüchternden Anblick. Drei Linien liefen über sein Gesicht. Es waren Narben. Ein Werwolf hatte sie ihm verpasst, als unser Dorf angegriffen wurde. Er hatte mich damals vor meinen Eltern gerettet und bei sich aufgenommen, da ich niemanden mehr hatte. Da war ich gerade einmal fünf Jahre alt gewesen. Er brachte mir bei wie man Werwölfe jagte ohne selbst Opfer zu werden. Doch ich konnte nie die Euphorie der Jagd teilen. Ich habe mir geschworen nur dann einen Werwolf zu töten, wenn unmittelbar ein Leben in Gefahr ist. Jeder Werwolf, der von uns gejagt wird, war mal ein Mensch, einer von unserem Volk. Die Jäger loben sich gegenseitig dafür einen weiteren Verfluchten erlöst zu haben. Aber wohin gehen dann ihre Seelen, wenn sie sterben? Nach dem heutigen Tag ist mir klar geworden, dass keiner der Werwölfe von Grund auf Böse ist. Sie haben ein Gewissen. Wenn sie keines hätten, hätten sie mich heute Abend einfach getötet. Dessen bin ich mir gewiss.
"Aylas Ayn'Sulthor wird mit ihren Gefährten morgen auf die Suche nach Spuren und Hinweisen gehen. Wir müssen wissen, wie es dem Werwolf...Blutklaue gelungen ist den toten Werwolf wiederzubeleben."
An uns gewandt sagte Krim: "Das soll eine Suche sein und keine Jagd. Verstanden?"
"Verstanden, Krim.", sagte ich.
"Gut. Geht nach Hause ruht euch aus. Morgen habt ihr einiges vor euch."
Ich nickte Krim zu und deutete meinen Freunden mir nach draußen zu folgen.
Wir traten raus auf die Terasse. Ich blieb am Rande stehen und sah in die Ferne. Die Aussicht war unbeschreiblich. Man sah den riesigen Wald und dahinter ganz Artamark. Und wenn der Tag ganz klar war, konnte man sogar bis zur Grenze von Nor-Plat schauen. Von hier konnte man jede Abend wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten.
"In letzter Zeit ist es sehr still geworden. Kaum ein Vogel singt noch.", bemerkte Lakaina leise, doch ihre Stimme klang nur um so lauter.
Dimold trat neben sie und sah zur untergehenden Sonne.
"Es scheint als würde die Sonne die Welt entflammen.", raunte er geheimnisvoll.
"Zum Glück sieht es nur so aus.", meinte Aról.
"Wir gehen schlafen. Kommt Jungs.", sagte Dimold und maschierte davon.
Für einen Moment schien es, als hätte es diesen Streit nach der Jagd nie gegeben. Edoras gab mir einen Kuss auf die Stirn und folgte Aról und Dimold. Lachend und feixend gingen sie den berg hinab zu ihren Hütten. Lakaina blieb neben mir stehen.
"Ihr werdet ein schönes Paar abgeben.", sagte sie schließlich.
"Was?", gab ich nicht sonderlich inteligent von mir.
"Du und Edoras natürlich."
"Aber wir sind doch Freunde. Mehr wie Bruder und Schwester, denn Mann und Frau. Wie kommst du darauf, dass ich ihn heirate?", fragte ich und sah sie entgeistert an.
Heiraten bedeutete sein Leben lang im Dorf zu bleiben. Vergessen wären die Jagden. Frauen müssen beschützt werden, hieße es dann. Ich wollte hier nicht eingesperrt werden. Ich wollte raus, die Welt sehen, in der wir lebten und von der wir doch so wenig kannten.
"Ich habe Krim und Edoras Vater, das Oberhaupt der Dra'Gondor Familie darüber reden hören. Auch mein Vater hat sich schon eine Verbindung für mich ausgesucht."
Dankbar, dass Gespräch von meiner zukünftigen Verbindungen ablenken zu können, fragte ich: "Wen hat er sich für dich ausgesucht?"
"Dimold Lo'Mortag."
Ich lächelte. Sie liebte Dimold über alles. Fragt man sich nur, ob Dimold genauso empfindet.
"Das ist schön. Ich freue mich so für dich."
"Ich bin so aufgeregt. Aber sag Aylas, glaubst du er liebt mich?", fragte sie mich und echte Verzweiflung trat in ihre Augen.
"Ich bin mir sicher, er liebt dich. Wenn er es nicht tut, ist er nicht mehr zu retten."
Lachend umarmte mich Lakaina. Ich erwiderte die Umarmung.
"Und was ist mit Aról? Wen wird er heiraten?", erkundigte ich mich.
"Ihn wollte niemand. Er sollte sich erst bei der Jagd beweisen."
"Deswegen hat Edoras ihn in Schutz genommen."
"Aról hat heute den Werwolf angeschossen?", fragte sie irritiert.
"Ja, hat er. Aber das würde dann ja bedeuten, dass die drei schon von den Verbindungen wissen."
Sie nickte. "Sie werden es bald offiziell machen."
Und das jagte mir eine Höllenangst ein. Edoras war ein guter Freund und Bruder, aber mehr auch nicht. Wie konnte ich dem nur entfliehen? Ich würde weglaufen müssen. Des Nachts würde ich mich hinaus schleichen, betend, dass mich keine Seele sehen würde.
"Es ist, als ob sie einen in Ketten legen würden.", flüsterte ich.
Lakaina sah mich lange an.
"Was wäre denn daran so schlimm? Ihr liebt euch zwar nicht, doch hassen tut ihr euch auch nicht. Was glaubst du, würde eine Verbindung mit Edoras dir nehmen?"
Mein Blick löste sich nur widerwillig von der Landschaft und richtete sich auf sie.
"Meine Freiheit, Lakaina, meine Freiheit."
Ich spührte wie eine kleine Träne sich aus meinem Auge stahl und langsam ihren Weg über meine Wange hinab fand, bis sie von meinem Kinn auf den steinernen Boden tropfte.
Lakaina erwiderte meinen Blick mit traurigen Augen.
Ohne ein weiteres Wort ging ich die Stufen von der Terasse hinab auf den Weg, der zu der Hütte meiner Eltern führte. Dunkel lag der Weg vor mir. In den Hütten leuchteten Kerzen, wie kleine Irrlichter und lockten. Als ich mein Häuschen betrat, lockte kein Licht, keine Gegenwart eines geliebten Menschen. Ich war alleine in dem Haus. Ich war es seit ich lernte zu jagen. Niemals habe ich dieses Haus verlassen, auch nicht als meine Eltern starben. Einsam lag es am Rand des Dorfes. Wo es stand, so fühlte ich mich. Allein. Verlassen. Am Rand. Mit jedem Tag und jeder Stunde, die voran schritt, wurde mir schmerzlich bewusst, dass dies hier nicht meine Welt war. Ich wollte mich nicht den Traditionen meines Volkes beugen.
Ich lehnte den Bogen samt Köcher gegen die Wand neben der Tür und hängte meinen Umhang und die Tasche an den Haken. Mit Brot, etwas Käse und Wasser setzte ich mich an den Tisch. Ich hatte eine kleine Kerze angezündet. Die kleine Flamme tauchte den Raum in ein schummriges Zwielicht. Es war still. Sehr still. Durch das Fenster konnte ich einen Blick auf die Berge erhaschen.
Um eines beneidete ich die Werwölfe und das war ihre grenzenlose Freiheit. Die Freiheit dorthin zu gehen, wonach es ihnen beliebte. Niemandes Regeln zu befolgen. Einfach wild und frei umherstreifen. Ein Leben ohne Ketten ohne Traditionen. Auch wenn sie verflucht waren, so schienen sie doch glückliche Verfluchte zu sein. Weitaus glücklicher, als ich es jemals wieder sein werde.
Als ich mein karges Mal beendet hatte, kletterte ich die Leiter hinauf, wo mein Bett war und zog mich um. Ich legte mich ins Bett und versuchte die düsteren Gedanken zu vertreiben. Irgendwann schließlich glitt ich in einen traumlosen Schlaf.
Mitten in der Nacht schreckte ich hoch. Der Vollmond stand hoch oben am Himmel und ließ sein kühles Licht auf die Berge scheinen. Ein Heulen erklang, welches mich wohl aus dem Schlaf gerissen hatte.
Ich kroch aus meinem Bett und ging zum Fenster. Auf einem der Berge stand der schwarze Werwolf und heulte den Mond an. Noch nie hatte ich einen Werwolf so nah an unserem Dorf gesehen, ohne dass er es angriff.
Er bot einen wunderschönen Anblick.
Plötzlich schossen zwei weitere Werwölfe hervor und rissen den Schwarzen zu Boden. Das Heulen verstummte augenblicklich und für einen kurzen Moment herrschte Stille. Dann vernahm ich nur noch lautes Bellen und Knurren. Sie kämpfen.
"Was bei allen Göttern..." Noch nie hatte ich gesehen, wie sich Werwölfe gegenseitig bekämpften.
Es war sowieso schon immer reines Glück bei der Jagd einen aufzuspühren. Sie verbargen sich tief in den Wäldern an Orten, wo wir uns niemals hin wagen, da wir genau wissen, dass sie uns dort überlegen sind, in den tiefsten dunkelsten Ecken des Waldes.
Plötzlich verließen die Werwölfe den Berg und liefen Talwärts.
Jetzt konnte ich nicht mehr an Schlaf denken. Ich kletterte die Leiter hinab, zog mich rasch an, hängte mir die Tasche über die Schultern und zog mir den Mantel an. Gerade als ich nach Bogen und Köcher greifen wollte, klopfte es an der Tür. Ich öffnete sie. Edoras stand vor mir.
"Hast du das auch...?", setzte er an, brach jedoch ab, musterte mich und entschied: "Ja, hast du."
"Was habe ich?", fragte ich sah ihn jedoch nicht an.
"Die Werwölfe gehört."
"Nicht nur gehört, ich habe sie auch gesehen."
"Dann los! Die Suche scheint wohl eher zu beginnen."
"Es ist Nacht, Edoras. Das wäre doch purer Selbstmord!", protestierte ich.
"Und wieso bist du dann angezogen und aufbruchsbereit?", fragte er und ließ sein spitzbübisches Grinsen erstrahlen.
Ich wollte etwas erwidern, doch mir fiel nichts passendes ein.
"Na schön.", gab ich klein bei.
"Dann komm. Dimold und Aról holen Lakaina ab."
Ich schnappte mir Bogen und Köcher.
"Wo treffen wir sie?", fragte ich.
"Am Tor."
"Gut, dann los", sagte ich.
Wir verließen das Haus und machten uns auf den Weg.
Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei. Etwas war seltsam, stimmte ganz und gar nicht. Vielleicht lag es daran, dass draußen drei Werwölfe in der Nähe Lerídas herum liefen, vermutlich war Blutklaue auch noch nicht einmal weit und wir lediglich zu fünft waren. Und zu allem Überfluss war es Nacht und der Vollmond hatte seinen höchsten Stand erreicht. Entweder sterben wir heute Nacht oder werden zu Verfluchten. Denn das zu überleben grenzt an ein Wunder. Und die waren in letzter Zeit nicht so häufig.
Meine Jagdgefährten und ich saßen mit anderen Jägern versammelt in der großen Halle. Die Halle war vielmehr ein größeres Haus, welches zwei kleine Anbauten hatte. In der Mitte gab es eine Feuerstelle wo zu Festen und Feierlichkeiten ein Wildschwein drüber gebraten wurde. Die Halle war groß genug, sodass das ganze Dorf platz drin hatte. Unser Dorf Lerída war an einem Berghang errichtet worden im Osten Artamarks. Das Gebirge wurde von meinem Volk Ma'Rim genannt. Jeden Morgen ragte sein Schatten über unser Dorf hinaus.
Einmal war ich früh aufgestanden, noch bevor die Sonne am Himmel zu sehen war, und war den Berg hinauf gestiegen. Ganz hinauf bis auf seine Spitze. Dort harrte ich aus.
Der nachtblaue Himmel wurde langsam lichter. Ein Hauch von Lila, wie von Flieder, mischte sich hinein und ließ ahnen was noch folgen würde. Langsam schob sich die Sonne orange hinter den Bergen hervor, stieg immer weiter hinauf und ließ die Berge glühen. Sie tauchte den ganzen Himmel in Feuer, welches jedoch mit ihrem stetigen Aufsteigen schwächer wurde bis es ganz verblasste. Sie stieg weiter hinauf und der Tag war angebrochen.
"Aylas, sag, hast du wirklich Blutklaue gesehn?", wurde ich erneut gefragt, völlig aus meinen Gedanken gerissen.
Ich sah den Mann an.
"Ja, ich habe ihn gesehn.", antwortete ich.
"Bist du dir da auch ganz sicher?", fragte mich ein anderer Jäger.
"Natürlich bin ich mir sicher.", erwiderte ich.
Ein unruhiges Gemurmel ging durch die Versammelten. Aber ihre Blicke logen nicht. Sie glaubten meinen Worten nicht.
"Aylas, erzähl genau was geschehen ist.", bat mich Krim Di 'Rachtan. Er war der oberste Jäger, sowas wie ein Hauptmann in unserem Dorf.
"Die anderen waren vorrausgegangen" ,begann ich. "Dann hörte ich ein Geräusch, mehrere Geräusche. Wie von Großwild. Nach und nach traten Werwölfe aus dem Schatten des Waldes. Erst tauchte ein Schwarzer auf, dann ein Grauer. Es war seltsam. Sie hätten mich längst töten können, ehe ich die Chance dazu gehabt hätte sie wahrzunehmen. Sie machten keinerlei Anstalten mich anzugreifen. Sie beobachteten mich nur. Ich hörte ein Schnaufen. Es kam aus einer anderen Richtung. Als ich in diese Blicke sah mich eben jener Werwolf an, den wir bei der Jagd getötet hatten."
"Was ist mit Blutklaue?", unterbrach mich jemand.
"Er stand neben ihm. Er schien eine Art Befehl gegeben zu haben, denn alle verschwanden wie auf Kommando im Wald."
"Aber woher glaubst du zu wissen, dass es Blutklaue war und nicht ein normaler Werwolf?", fragte Krim.
"Ja, schließlich haben ihn bisher nur du und der verrückte Felon ihn gesehn."
Der verrückte Felon erzählte uns Legenden und Geschichten und sagte uns immer wieder er habe gegen Blutklaue gekämpft...und verlor. Jedoch nicht sein Leben, sondern seinen Verstand, so sagt man.
"Ihr wisst doch was man über Blutklaue sagt, was seit Generationen von ihm überliefert wird. >Sein Fell schwarz wie die Nacht und mit dem Blut seiner Opfer getränkt. Stehst du ihm gegenüber, stehst du dem Tod gegenüber. Die Wölfe sind ehrfürchtig vor der Blutklaue.<"
"Ich glaube kaum, dass du das Blut seiner Opfer an seinem verfluchten Pelz hast kleben sehen. Außerdem lebst du und..." Der Jäger grinste spöttisch " du hast deinen Verstand noch, soweit man es erkennen kann."
"Deutest du etwa damit an, dass Aylas lügt?!", fuhr ihn Edoras an und schlug mit der Faust auf den Tisch.
"Komm schon, Edoras! Vier Werwölfe, davon einer Blutklaue höchstpersönlich! Bei einer jagt zu fünft auf eine dieser Bestien grenzt schon an Selbstmord! Verzeih mir, Edoras Dra'Gondor, wenn ich daran zweifel, aber du hast es selbst erlebt."
"Dann lauf besser schnell nach Hause zu deiner Mama. Richtige Jäger kennen keine Angst."
"Na warte, ich zeig dir gleich, wer zu Mama rennt!", schrie der Jäger und sprang von seinem Platz auf.
Edoras ballte die Fäuste und erhob sich ebenfalls. Beide funkelten sich an. Gerade als sie anfangen wollten sich zu prügeln, was zweifelslos in einer Massenschlägerei geendet hätte, ging Krim dazwischen.
"Ruhe!", donnerte seine Stimme durch die Halle.
Alle verstummten augenblicklich. Keiner wagte es den Blick von Krim Di 'Rachtan auf sich zu lenken. Er konnte freundlich sein, aufopfernd aber genauso auch ernst, angsteinflößend unerbittlich.
Sein Gesicht bot einen einschüchternden Anblick. Drei Linien liefen über sein Gesicht. Es waren Narben. Ein Werwolf hatte sie ihm verpasst, als unser Dorf angegriffen wurde. Er hatte mich damals vor meinen Eltern gerettet und bei sich aufgenommen, da ich niemanden mehr hatte. Da war ich gerade einmal fünf Jahre alt gewesen. Er brachte mir bei wie man Werwölfe jagte ohne selbst Opfer zu werden. Doch ich konnte nie die Euphorie der Jagd teilen. Ich habe mir geschworen nur dann einen Werwolf zu töten, wenn unmittelbar ein Leben in Gefahr ist. Jeder Werwolf, der von uns gejagt wird, war mal ein Mensch, einer von unserem Volk. Die Jäger loben sich gegenseitig dafür einen weiteren Verfluchten erlöst zu haben. Aber wohin gehen dann ihre Seelen, wenn sie sterben? Nach dem heutigen Tag ist mir klar geworden, dass keiner der Werwölfe von Grund auf Böse ist. Sie haben ein Gewissen. Wenn sie keines hätten, hätten sie mich heute Abend einfach getötet. Dessen bin ich mir gewiss.
"Aylas Ayn'Sulthor wird mit ihren Gefährten morgen auf die Suche nach Spuren und Hinweisen gehen. Wir müssen wissen, wie es dem Werwolf...Blutklaue gelungen ist den toten Werwolf wiederzubeleben."
An uns gewandt sagte Krim: "Das soll eine Suche sein und keine Jagd. Verstanden?"
"Verstanden, Krim.", sagte ich.
"Gut. Geht nach Hause ruht euch aus. Morgen habt ihr einiges vor euch."
Ich nickte Krim zu und deutete meinen Freunden mir nach draußen zu folgen.
Wir traten raus auf die Terasse. Ich blieb am Rande stehen und sah in die Ferne. Die Aussicht war unbeschreiblich. Man sah den riesigen Wald und dahinter ganz Artamark. Und wenn der Tag ganz klar war, konnte man sogar bis zur Grenze von Nor-Plat schauen. Von hier konnte man jede Abend wunderschöne Sonnenuntergänge beobachten.
"In letzter Zeit ist es sehr still geworden. Kaum ein Vogel singt noch.", bemerkte Lakaina leise, doch ihre Stimme klang nur um so lauter.
Dimold trat neben sie und sah zur untergehenden Sonne.
"Es scheint als würde die Sonne die Welt entflammen.", raunte er geheimnisvoll.
"Zum Glück sieht es nur so aus.", meinte Aról.
"Wir gehen schlafen. Kommt Jungs.", sagte Dimold und maschierte davon.
Für einen Moment schien es, als hätte es diesen Streit nach der Jagd nie gegeben. Edoras gab mir einen Kuss auf die Stirn und folgte Aról und Dimold. Lachend und feixend gingen sie den berg hinab zu ihren Hütten. Lakaina blieb neben mir stehen.
"Ihr werdet ein schönes Paar abgeben.", sagte sie schließlich.
"Was?", gab ich nicht sonderlich inteligent von mir.
"Du und Edoras natürlich."
"Aber wir sind doch Freunde. Mehr wie Bruder und Schwester, denn Mann und Frau. Wie kommst du darauf, dass ich ihn heirate?", fragte ich und sah sie entgeistert an.
Heiraten bedeutete sein Leben lang im Dorf zu bleiben. Vergessen wären die Jagden. Frauen müssen beschützt werden, hieße es dann. Ich wollte hier nicht eingesperrt werden. Ich wollte raus, die Welt sehen, in der wir lebten und von der wir doch so wenig kannten.
"Ich habe Krim und Edoras Vater, das Oberhaupt der Dra'Gondor Familie darüber reden hören. Auch mein Vater hat sich schon eine Verbindung für mich ausgesucht."
Dankbar, dass Gespräch von meiner zukünftigen Verbindungen ablenken zu können, fragte ich: "Wen hat er sich für dich ausgesucht?"
"Dimold Lo'Mortag."
Ich lächelte. Sie liebte Dimold über alles. Fragt man sich nur, ob Dimold genauso empfindet.
"Das ist schön. Ich freue mich so für dich."
"Ich bin so aufgeregt. Aber sag Aylas, glaubst du er liebt mich?", fragte sie mich und echte Verzweiflung trat in ihre Augen.
"Ich bin mir sicher, er liebt dich. Wenn er es nicht tut, ist er nicht mehr zu retten."
Lachend umarmte mich Lakaina. Ich erwiderte die Umarmung.
"Und was ist mit Aról? Wen wird er heiraten?", erkundigte ich mich.
"Ihn wollte niemand. Er sollte sich erst bei der Jagd beweisen."
"Deswegen hat Edoras ihn in Schutz genommen."
"Aról hat heute den Werwolf angeschossen?", fragte sie irritiert.
"Ja, hat er. Aber das würde dann ja bedeuten, dass die drei schon von den Verbindungen wissen."
Sie nickte. "Sie werden es bald offiziell machen."
Und das jagte mir eine Höllenangst ein. Edoras war ein guter Freund und Bruder, aber mehr auch nicht. Wie konnte ich dem nur entfliehen? Ich würde weglaufen müssen. Des Nachts würde ich mich hinaus schleichen, betend, dass mich keine Seele sehen würde.
"Es ist, als ob sie einen in Ketten legen würden.", flüsterte ich.
Lakaina sah mich lange an.
"Was wäre denn daran so schlimm? Ihr liebt euch zwar nicht, doch hassen tut ihr euch auch nicht. Was glaubst du, würde eine Verbindung mit Edoras dir nehmen?"
Mein Blick löste sich nur widerwillig von der Landschaft und richtete sich auf sie.
"Meine Freiheit, Lakaina, meine Freiheit."
Ich spührte wie eine kleine Träne sich aus meinem Auge stahl und langsam ihren Weg über meine Wange hinab fand, bis sie von meinem Kinn auf den steinernen Boden tropfte.
Lakaina erwiderte meinen Blick mit traurigen Augen.
Ohne ein weiteres Wort ging ich die Stufen von der Terasse hinab auf den Weg, der zu der Hütte meiner Eltern führte. Dunkel lag der Weg vor mir. In den Hütten leuchteten Kerzen, wie kleine Irrlichter und lockten. Als ich mein Häuschen betrat, lockte kein Licht, keine Gegenwart eines geliebten Menschen. Ich war alleine in dem Haus. Ich war es seit ich lernte zu jagen. Niemals habe ich dieses Haus verlassen, auch nicht als meine Eltern starben. Einsam lag es am Rand des Dorfes. Wo es stand, so fühlte ich mich. Allein. Verlassen. Am Rand. Mit jedem Tag und jeder Stunde, die voran schritt, wurde mir schmerzlich bewusst, dass dies hier nicht meine Welt war. Ich wollte mich nicht den Traditionen meines Volkes beugen.
Ich lehnte den Bogen samt Köcher gegen die Wand neben der Tür und hängte meinen Umhang und die Tasche an den Haken. Mit Brot, etwas Käse und Wasser setzte ich mich an den Tisch. Ich hatte eine kleine Kerze angezündet. Die kleine Flamme tauchte den Raum in ein schummriges Zwielicht. Es war still. Sehr still. Durch das Fenster konnte ich einen Blick auf die Berge erhaschen.
Um eines beneidete ich die Werwölfe und das war ihre grenzenlose Freiheit. Die Freiheit dorthin zu gehen, wonach es ihnen beliebte. Niemandes Regeln zu befolgen. Einfach wild und frei umherstreifen. Ein Leben ohne Ketten ohne Traditionen. Auch wenn sie verflucht waren, so schienen sie doch glückliche Verfluchte zu sein. Weitaus glücklicher, als ich es jemals wieder sein werde.
Als ich mein karges Mal beendet hatte, kletterte ich die Leiter hinauf, wo mein Bett war und zog mich um. Ich legte mich ins Bett und versuchte die düsteren Gedanken zu vertreiben. Irgendwann schließlich glitt ich in einen traumlosen Schlaf.
Mitten in der Nacht schreckte ich hoch. Der Vollmond stand hoch oben am Himmel und ließ sein kühles Licht auf die Berge scheinen. Ein Heulen erklang, welches mich wohl aus dem Schlaf gerissen hatte.
Ich kroch aus meinem Bett und ging zum Fenster. Auf einem der Berge stand der schwarze Werwolf und heulte den Mond an. Noch nie hatte ich einen Werwolf so nah an unserem Dorf gesehen, ohne dass er es angriff.
Er bot einen wunderschönen Anblick.
Plötzlich schossen zwei weitere Werwölfe hervor und rissen den Schwarzen zu Boden. Das Heulen verstummte augenblicklich und für einen kurzen Moment herrschte Stille. Dann vernahm ich nur noch lautes Bellen und Knurren. Sie kämpfen.
"Was bei allen Göttern..." Noch nie hatte ich gesehen, wie sich Werwölfe gegenseitig bekämpften.
Es war sowieso schon immer reines Glück bei der Jagd einen aufzuspühren. Sie verbargen sich tief in den Wäldern an Orten, wo wir uns niemals hin wagen, da wir genau wissen, dass sie uns dort überlegen sind, in den tiefsten dunkelsten Ecken des Waldes.
Plötzlich verließen die Werwölfe den Berg und liefen Talwärts.
Jetzt konnte ich nicht mehr an Schlaf denken. Ich kletterte die Leiter hinab, zog mich rasch an, hängte mir die Tasche über die Schultern und zog mir den Mantel an. Gerade als ich nach Bogen und Köcher greifen wollte, klopfte es an der Tür. Ich öffnete sie. Edoras stand vor mir.
"Hast du das auch...?", setzte er an, brach jedoch ab, musterte mich und entschied: "Ja, hast du."
"Was habe ich?", fragte ich sah ihn jedoch nicht an.
"Die Werwölfe gehört."
"Nicht nur gehört, ich habe sie auch gesehen."
"Dann los! Die Suche scheint wohl eher zu beginnen."
"Es ist Nacht, Edoras. Das wäre doch purer Selbstmord!", protestierte ich.
"Und wieso bist du dann angezogen und aufbruchsbereit?", fragte er und ließ sein spitzbübisches Grinsen erstrahlen.
Ich wollte etwas erwidern, doch mir fiel nichts passendes ein.
"Na schön.", gab ich klein bei.
"Dann komm. Dimold und Aról holen Lakaina ab."
Ich schnappte mir Bogen und Köcher.
"Wo treffen wir sie?", fragte ich.
"Am Tor."
"Gut, dann los", sagte ich.
Wir verließen das Haus und machten uns auf den Weg.
Irgendwie hatte ich ein mulmiges Gefühl dabei. Etwas war seltsam, stimmte ganz und gar nicht. Vielleicht lag es daran, dass draußen drei Werwölfe in der Nähe Lerídas herum liefen, vermutlich war Blutklaue auch noch nicht einmal weit und wir lediglich zu fünft waren. Und zu allem Überfluss war es Nacht und der Vollmond hatte seinen höchsten Stand erreicht. Entweder sterben wir heute Nacht oder werden zu Verfluchten. Denn das zu überleben grenzt an ein Wunder. Und die waren in letzter Zeit nicht so häufig.