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Herz (vorläufiger Titel)

von Aylas
Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer, Liebesgeschichte / P16 / Gen
19.02.2013
01.03.2013
2
4.293
 
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Ich spannte den Bogen und nahm den Werwolf ins Visier. Einen Schritt. Er musste nur noch einen Schritt näher kommen.  Sein rostrotes Fell hob sich deutlich vom saftigen Grün der Wiese ab. Ich musste schnell sein, bevor der Wind drehte und er meine Jagdgefährten wittern würde. Wir hatten ihn eingekreist. Ich durfte ihn nicht verfehlen, sonst wären wir alle verloren. Einzig ein Pfeil durch sein verfluchtes Herz tötete einen Werwolf. Einen Schritt bloß noch und der Pfeil würde sich durch seines bohren. Plötzlich hob der Werwolf seine blutverschmierte Schnauze von dem Wildschweinkadaver hoch. Er reckte seine Nase in die Höhe und witterte. Er musste etwas gerochen oder gehört haben. Ich rührte mich nicht von der Stelle, wagte kaum zu atmen. Werwölfe haben sehr gute Sinne, die jedoch durch die Gier beim Fressen ein wenig nachlassen, so vertieft sind sie. Er bewegte sich Richtung Westen, wo Edoras und Aról Stellung bezogen hatten. Sofort gab ich das Zeichen zum Abbruch der Jagd. Ich hatte den Pfeil kaum fliegen sehen, da steckte er schon in der Schulter des knapp zwei Meter großen Werwolfs. Er jaulte noch nicht einmal auf, sondern fletsche die Zähne und ein tiefes wütendes Knurren drang aus seiner Kehle.
"Verdammt!", stieß ich aus.
Der Werwolf lief auf die Bäume zu, wo sich die beiden versteckt hatten. Ohne groß nachzudenken, trat ich aus meiner Deckung.
"Hey du großer Wau-Wau!", rief ich dem Monster entgegen.
Er hielt an und seine stechenden Augen richteten sich auf mich. Jetzt kam er auf mich zugerannt. Ich atmete tief durch und spannte den Bogen. Als er auf mich zu sprang, jagte ich ihm den Pfeil ins Herz. Der Körper des Werwolfs kam vor mir zum Liegen. Mein Atem ging schnell.
"Aylas? Was sollte das?", hörte ich Lakaina rufen.
Sie war aus ihrer Deckung getreten und kam mit Dimold zu mir. Ich gewann die Fassung wieder und sah sie an. Ihre braunen Augen waren leicht panisch.
"Das wüsste ich auch gerne.", erwiderte ich.
"Du hast doch die Jagd angebrochen, oder nicht?", fragte Dimold und fuhr sich durch seine zerzausten Haare.
"Das hatte ich auch,aber einer von den beiden" ich wedelte mit der Hand Richtung der Bäume "meinte den Werwolf noch pieksen zu müssen."
Lakaina warf ihr braunen langen Haare über ihre Schulter und meinte:"Das war bestimmt Aról."
"Warum hast du die Jagd abgebrochen, Aylas? Wir hatten ihn doch!", rief Edoras aufgebracht.
Ich wollte gerade etwas erwidern, als Dimold mir ins Wort fiel: "Verdammt nochmal! Auch wenn das verfluchte Vieh auf euch zukommt, wir hatten die Jagd abgebrochen! Ihr habt es ja noch nicht einmal getroffen! Was seid ihr für Jäger?"
"Du saßt ja auch nur bequem im Busch, Dimold Lo'Mortag, wie hättest du da auch etwas sehen sollen?", erwiderte Edoras und baute sich drohend vor ihm auf.
"Was soll das denn heißen? Wirfst du mir etwa Unfähigkeit vor? Im Gegensatz zu dir habe ich nicht meine Gefährten in Gefahr gebracht.", zischte Dimold und richtete sich ebfalls auf.
Die beiden Männer funkelten sich an. Es würde nicht viel fehlen und sie würden eine Schlägerei anfangen.
"Hey!", rief Aról und stellte sich zwischen die beiden. "Beruhigt euch! Es ist ja niemand verletzt"
"Ja, das schon, aber viel hat auch nicht gefehlt.", bemerkte Lakaina leise und sah mich an.
Viel hatte tatsächlich nicht gefehlt. Ich musste wohl mehr Glück als Verstand gehabt haben. Viele Jagden glückten. Aber genauso viele missglückten. Werwölfe zu jagen war nicht leicht. Allein schon gar nicht.
"Wer von euch Genies hat geschossen?", verlangte Dimold zu wissen.
Ich sah Aról und Edoras abwechselnt an. Keiner wollte so recht antworten.
"Wer hat geschossen?", wiederholte ich die Frage.
Nach langem Zögern antwortete Edoras schließlich: "Ich habe geschossen."
"Und dann beschwerst du dich über mich?", brüllte Dimold, dass ich befürchtete er würde ihm eine rein hauen. "Wie soll man sich auf dich verlassen, wenn du Befehle missachtest? Aylas hat dir verflucht noch mal das Leben gerettet. Genauso gut hätte sie durch deine arrogante Dummheit sterben können oder schlimmer noch! Sie hätte jetzt eine von denen sein können!" Er funkelte Edoras wütend an und ging Richtung Dorf zurück. Lakaina sah mich kurz an und folgte ihm dann. Aról, der zu letzt die ganze Zeit geschwiegen hatte, lief den beiden nach. Er war noch nicht oft bei einer Jagd dabei gewesen. Er musste sich erst noch beweisen. Wenn er sich als Last und nutzlos herausstellen sollte, so würde er von der Jagd ausgeschlossen werden. In meinem Dorf waren Jäger hoch angesehene Leute. Wer sich als nicht würdig erweiste, war eine Schande. Ich sah zu Edoras. Jetzt waren wir allein.
"Was ist los mit dir?", fragte ich ihn. "Du bist ein ausgezeichneter Jäger. Du verfehlst niemals dein Ziel."
"Ich habe heute einen schlechten Tag."
Ich musterte ihn.
"Ich kenne dich gut, Edoras. Warum nimmst du Aról in Schutz? Bei der Jagd müssen wir uns aufeinander verlassen können. Du weißt das genauso gut wie ich."
"Ich weiß nicht, was du meinst"
"Du bringst uns alle in Gefahr, wenn du ihn weiter schützt!", sagte ich lauter als beabsichtigt.
Es machte mich wütend. Edoras wusste ganz genau, was geschehen kann, wenn man annimmt, dass ein Jäger mehr kann, als in Wirklichkeit. Vor ein paar Monaten waren wir und unsere Gefährten kurz nach der Dämmerung in den Wäldern auf der Jagd. Wir hatten einem, wie wir glaubten, ausgezeichneten Jäger vertraut. Er war, wie ich, allein positioniert worden. Edoras und ich hockten damals verborgen in den Büschen und warteten auf eine Gelegenheit. Genau wie heute, hatte der Werwolf uns gewittert und rannte auf unsere Jagdgefährten zu. Die Jagd wurde nicht abgebrochen und der angeblich ausgezeichnete Jäger war aus seiner Deckung gekommen und schoß auf den Werwolf. Er hatte ihn verfehlt und so kostete es den Jagdgefährten und ihm das Leben. Wie durch ein Wunder entkamen Edoras und ich damals dem Werwolf.
Edoras sah mich nur an. Dann sagte er:"Wovon redest du?"
"Du weißt genau, was vor Monaten geschehen ist!"
Er zuckte mit den Schultern und meinte:"Aról ist nicht wie er."
Edoras gab es also zu...
"Schön!", bemühte ich mich ruhig zu sagen."Dann wirst du wohl mit den Konsequenzen leben müssen. Ich habe eine Verantwortung gegenüber den anderen. Ab sofort bist du nicht mehr unser Jagdgefährte."
Ich wollte mich umdrehen und den anderen folgen, als er mich herumriss und meine Schultern fest packte.
"Das kannst du nicht machen. Du weißt wie gut ich bin.", stieß er zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor.
"Du kannst noch so gut sei." Ich schlug seine Arme weg."Aber wenn wir dir nicht vertrauen können, können wir bei einer solchen Jagd alle drauf gehen."
"Bei den Göttern!", fluchte er und sah mich verständnislos an. Mit seinen Händen fuhr er sich durch seine dunklen lockigen Haare."Das hätte ich nicht von dir erwartet.", sagte er tonlos.
"Du hast eine Entscheidung getroffen, mit deren Konsequenzen du jetzt leben musst,", gab ich zurück.
Edoras ballte die Fäuste, sagte jedoch nichts mehr, sondern folte den anderen zurück zum Dorf. Er war eine gute Seele,zweifelslos. Die Strafe war hart, aber er wusste genauso gut wie ich, dass man sich bei der Jagd aufeinander verlassen können muss. Indem er Aról schützte, half er weder Aról selbst noch uns. Doch wie er mich angesehen hatte, als ich ihn aus unserer Jagdgemeinschaft ausgeschlossen habe...es versetzte mir einen Stich ins Herz. Wir kannten uns so lange schon. Mit einem schwermütigen Seufzer folgte ich ihnen.
Plötzlich hörte ich ein knacken, wie von einem Zweig. Ich blieb stehen und spähte in den Wald. Für einen kurzen Moment glaubte ich einen schwarzen Schemen zu sehen.
Mein Herz machte einen Satz.
Ein Werwolf.
Wenn er mich jetzt angriff und ich ihn verfehlte, wäre es aus für mich und ich wäre tot oder schlimmer noch eine von ihnen. Ewig dazu verdammt in dieser Mischgestalt aus Mensch und Wolf herum zu irren. Ich wollte nicht wissen, wie viele der Werwölfe, die wir töteten freunde von uns gewesen waren.
Meine Eltern wurden bei einem Angriff der Werwölfe auf unser Dorf zu ihres gleichen. Dann wurden sie von ihren Freunden und Verwandten gejagt und getötet.
Ein weiteres Knacken riss mich aus meinen Gedanken. Doch dieses Mal kam es von woanders.
Ich blickte in die Richtung und sah am Rande der Lichtung einen grauen Werwolf stehen. Er beobachtete mich, sonst nichts. Er stand einfach nur da, seine gelben Augen auf mich gerichtet. Irgendwie wirkte er keineswegs angriffslustig. Seine Körperhaltung war viel zu entspannt.
Mein Herz ließ sich durch diese Feststellung jedoch nicht beruhigen. Ich hatte das Gefühl, es würde mir gleich aus der Brust springen.
Ein Schnaufen ließ mich herumwirbeln.
Der rostrote Werwolf, dessen Herz von meinem Pfeil durchbohrt worden war, stand dort und sah mir direkt in die Augen und neben ihm stand ein noch größerer Werwolf.
Niemals zuvor hatte ich so viele Werwölfe auf einmal gesehen, zumal wir es auch immer zu vermeiden suchten, mehr als einen auf einmal zu jagen. Der große Werwolf musste an die drei Meter groß sein. Doch erst sein Nachtschwarzes Fell, welches die Sonne bräunlich schimmern ließ, ließ mich erkennen, welcher werwolf es war.
"Blutklaue.", hauchte ich.
Der Anführer der Werwölfe. Eine Legende die die Jäger sich unter einander erzählten. Eine Legende nicht mehr-dachte ich zumindest bis jetzt.
Ich bin tot, schoss es mir durch den Kopf.
Ich regte mich nicht. Blutklaue gab einen Laut von sich und ging tiefer in den Wald, weg von mir, weg vom Dorf.
Der graue und rostrote Werwolf folgten ihm. Der Schwarze, den ich schon beinahe vergessen hatte, sprang an mir vorbei in den Wald. Dann waren sie fort und Stille erfüllte die leere Lichtung.
Ich schluckte und atmete tief durch.
Wie war das möglich? Wie konnte der Werwolf leben, wo ich ihm doch sein Herz durchbohrt hatte?
"Aylas?" Jemand schüttelte mich.
"Was ist?", hörte ich mich sagen.
Ich konnte nicht anders als auf die Stelle zu starren, wo bis gerade eben noch der Werwolf gelegen hatte.
Edoras folgte meinem Blick. "Wo ist er hin?"
"Ich glaube Blutklaue hat ihn geheilt.",antwortete ich.
"Sehr witzig. Blutklaue ist eine Legende und nicht Wirklichkeit. Du musst ihn wohl doch verfehlt haben."
Ich schüttelte den Kopf. Ich hasste die Jagd zwar, aber wenn ich schoß verfehlte ich mein Ziel nie. Ich tötete nur um mich selbst oder andere zu schützen, die angegriffen wurden. Und das galt nicht nur in Bezug auf Werwölfe.
"Das nächste Mal schützt du Aról nicht. Lass uns morgen die Spur aufnehmen. Es wird bald dunkel und dann sind sie uns weit überlegen."
Er sah mich an. "Aber vorhin hast du doch noch..."
"Ich weiß nicht was du meinst.", schnitt ich ihm das Wort ab.
Edoras freches Grinsen kam zum Vorschein.
Ich sah zu ihm. "Das nächste Mal zieh ich dir die Ohren lang."
"Ja, Frau Mamá."
"Ich mein es ernst, tu das nie wieder."
"Versprochen.", sagte er und gab mir einen Kuss auf die Wange.
Gemeinsam kehrten wir zum Dorf zurück.
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