Flug ins Glück
von Yvaine19
Kurzbeschreibung
Amelie muss beruflich von München nach Berlin fliegen. Sie hat Flugangst, aber aus einer glücklichen Fügung heraus wird sie in die Business-Class hochgebucht. Und ihr netter Sitznachbar hilft ihr, die Flugangst wenigstens teilweise in den Griff zu kriegen ... Aufgrund der großen Nachfrage (wie sich das anhört, wie im Katalog) gibt es noch eine kleine Fortsetzung in Form von drei, na ja, Nachfolgekapiteln. Ich hoffe, ich konnte jetzt alle Fragen beantworten :O)
GeschichteLiebesgeschichte / P16 / Gen
17.12.2012
01.05.2013
40
144.461
10
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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17.12.2012
5.080
Soooo ihr Lieben :o) Danke für eure Meinungen zu Saskia und Dean, tja, die sind ja irgendwie einstimmig :o) Ich glaube, da werde ich mal, äh, na ja, ich gucke mal ... ^^ Wobei das dann im nächsten Kapitel folgen wird, in diesem hier, na ja, äh, lest selbst und viel Spaß :o)
____________________________
Logan
Amelie und ich waren umgesiedelt und hatten uns zusammen auf eine Couch gesetzt. Sie lag in meinem Arm und übersetzte nur noch mechanisch, wenn Saskia oder Dean irgend welche Worte fehlten. Saskia fühlte sich anscheinend pudelwohl und ich hatte noch nie erlebt, dass Dean wirklich ab und an sprachlos war.
Orlando hatte fast eine ganze Stunde bei uns am Tisch gesessen und dann waren auch noch Paul und Milla für einige Minuten zu uns gekommen. Doch dann hatte sich ihre Nanny gemeldet, weil ihre Tochter Ever im Zimmer unruhig wurde und sie hatten sich schnell verabschiedet. Orlando, der morgen eine wichtige Szene drehen sollte, hatte sich ihnen angeschlossen.
Gegen elf Uhr sackte Amelies Kopf gegen meine Brust und ich sah, dass ihr die Augen zu fielen. Ich streichelte ihr über die Wange und fragte leise:
„Hey, bist du müde?“ Okay, blöde Frage, ich merkte es selbst.
Sie lächelte zu mir auf und konnte aber ein Gähnen nicht unterdrücken.
„Ja, ein bisschen. War ein langer Tag.“ Sie drückte ihre Lippen in meinen offenen Hemdskragen und ich sog zischend die Luft ein. Ich strich ihr durch die Haare.
„Möchtest du schlafen gehen? Dann begleite ich dich nach oben. Ich bin auch ziemlich müde.“
Ich sah ihr an, dass ihr der Vorschlag gefiel, doch dann schüttelte sie den Kopf.
„Ich glaube nicht, dass Sas schon hoch möchte. Wir haben ja nur einen Schlüssel.“ Sie sah zu ihrer Freundin hin, die wegen irgend etwas kicherte.
„Ich begleite dich rauf, dann kannst du aufs Zimmer gehen und ich bringe ihr den Schlüssel wieder unter, okay?“
Sie wollte protestieren, doch es wurde nur ein Gähnen. Mit glasigen Augen nickte sie schließlich.
„Das wäre lieb von dir.“
Ich stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. Dann sagte ich zu Dean und Saskia:
„Hey, Amelie ist müde. Ich bringe sie zu ihrem Zimmer. Ich bringe dir dann den Schlüssel runter, okay, Saskia?“
Die beiden fuhren auseinander, ihre Gesichter waren erhitzt und das lag nicht nur an dem Cocktail, der vor ihnen auf dem Tisch stand. Saskia räusperte sich und stand dann auf. Sie trat auf Amelie zu und umarmte sie. Sie flüsterte ihr irgend etwas ins Ohr und drückte ihr dann eine Kuss auf die Wange. Amelie lächelte schief und nickte dann. Auf Englisch sagte sie:
„Gute Nacht, Dean.“
„Nacht!“ Dean hob grüßend die Hand, dann verließen wir die Lounge. Ich legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie zum Aufzug. In der Kabine lehnte sie sich an mich und schloss einen Moment die Augen. Dann fing sie leise an zu kichern.
„Was ist los?“
„Ach, ich überlege nur grade, ob es gut ist, wenn wir die beiden alleine in der Lounge zurück lassen. Im schlimmsten Fall gibt es Tote!“
Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und grinste dann ebenfalls.
„Die sind erwachsen, ich hoffe, sie kriegen das irgendwie hin. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie sich umbringen werden.“
„Ich hoffe es.“ Amelie schlang die Arme um meine Hüfte und schmiegte sich eng an mich. Dann sagte sie leise: „Danke für alles, es war wirklich schön heute.“ Sie hob den Kopf und blinzelte zu mir auf. Ihre Augen funkelten und ich strich ihr mit dem Finger über die Nasenspitze, was sie zum lachen brachte. Dann fuhr ich ihr über die Unterlippe und weiter über ihre Wangenknochen.
„Du bist so schön, weißt du das eigentlich?“ fragte ich und wie erwartet vergrub sie ihren Kopf an meiner Brust. „Und du kannst überhaupt nicht damit umgehen, wenn ich es dir sage!“
„Du redest ja manchmal auch viel, wenn der Tag lang ist“, antwortete sie dumpf. Ich legte ihr einen Finger unter das Kinn und zwang sie, mich anzusehen.
„Das ist richtig, aber alles, was ich sage, stimmt!“ Ich küsste sie auf die Nasenspitze und stellte im gleichen Moment fest, dass der Aufzug schon seit geraumer Zeit in ihrem Stockwerk angehalten hatte. Wir mussten lachen und gingen dann den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Sie schloss die Tür auf und trat dann ein. Sie zögerte kurz und drehte sich dann wieder zu mir um.
„Nochmal Danke.“ Sie lächelte schüchtern und drückte mir dann die Keycard in die Hand. Ich schob sie nachlässig in meine Jeans und wollte dann die Hände an ihre Hüfte legen, doch ich zögerte.
„Gern geschehen.“
Wir standen uns gegenüber wie zwei Fremde, doch dann fiel sie mir um den Hals und küsste mich. Ich streichelte ihr durch die Haare, die in einem wilden Puschel von ihrem Hinterkopf abstanden, und hätte sie am Liebsten gar nicht gehen lassen, doch dann ließ sie mich schwer atmend los.
„Schlaf gut, ja? Wir sehen uns morgen?“
Ich strich ihr eine Haarsträhne aus den Augen und schob mir die Hände in die Hosentasche, da ich ansonsten Gefahr lief, sie wieder an mich zu ziehen.
„Träum süß, Amelie. Treffen wir uns um acht zum Frühstück? Um halb zehn muss ich zum fechten.“
Sie nickte und strich mir kurz über die Wange.
„Bis morgen, Laufbursche.“ Ich sah das Zögern in ihren Augen, doch dann legte sie die Hand an die Tür. Ich nickte ihr zu und ging dann den Flur hinunter zum Aufzug. Ich hätte mir im Traum nicht vorstellen könne, dass es so schwer sein würde, sie alleine in ihrem Zimmer zu lassen.
In der Lounge blieb ich noch kurz bei Dean und Saskia stehen, die sich abwechselnd prächtig unterhielten und sich dann wieder wegen irgend etwas zankten. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen und drückte Saskia schließlich nur die Keycard in die Hand und fuhr dann nach oben zu meinem Zimmer.
Unruhig tigerte ich in der Suite auf und ab und ließ mich dann auf das breite Bett fallen. Ich war hundemüde, aber trotzdem hellwach.
„Man“ brummte ich und ging dann ins angrenzende Bad. Ich warf meine Kleider in die Ecke und stellte mich unter die Dusche, doch die Unruhe blieb. Ich war so abwesend, dass ich beim Ausstieg aus der Dusche ausrutschte und mich nur noch irgendwie am Waschbecken festhalten konnte. Leider stieß ich mir bei dieser Aktion den Kopf an der Duschverkleidung an und ich sah kurz Sterne. Ich hielt mir die Schläfe und sank wie ein nasser Sack auf das Handtuch am Boden.
„Oh fuck!“ Wie konnte man nur so ungeschickt sein?
Ich tastete mit den Finger meinen Kopf ab, doch anscheinend hatte ich Glück. Ich rappelte mich auf und betrachtete mich im Spiegel. Ich schob die Haare zurück und rieb über die leicht schmerzende Stelle. Nur ein wenig rot, nichts offen, puh das hätte mir jetzt noch gefehlt. Ich wickelte mir ein Handtuch um und atmete tief durch. Mein Gesicht war erhitzt und ich rieb mir mit den Händen über die Wangen. Ich griff nach einer Bürste und versuchte meine zotteligen Haare irgendwie zu bändigen. Doch das einzige Ergebnis war, dass ich wieder einige der Extensions erfolgreich ausgerissen hatte. Ich feuerte die Bürste auf die Ablage und putzte mir dann die Zähne. Und jetzt war ich wirklich wieder hellwach.
Ich warf mich auf mein Bett und griff nach einem Buch, das neben mir auf dem Nachttisch gelegen hatte. Ich schlug die Seite mit meinem Lesezeichen auf und versuchte mich zu konzentrieren, aber nachdem ich zum fünften Mal den gleichen Satz gelesen und ihn noch immer nicht verinnerlicht hatte, gab ich es auf. Ich wollte gerade den Fernseher einschalten, als mein Handy vibrierte. Ich angelte danach und mein Herz überschlug sich:
<<Hey. Störe ich?>>
<<Oh hey. Du störst nie. Was ist los?>>
<<Ach, eigentlich nichts. Ich kann nicht schlafen.>>
Ein breites Grinsen zog über mein Gesicht.
<<Aber du warst doch so müde?>>
<<Ich weiß auch nicht. Was machst du?>>
Was ich machte? Unruhig im Kreis laufen? Sie vermissen? Mich nach dem Duschen fast umbringen? Wahnsinnig werden? Doch ich schrieb:
<<Ich arbeite.>>
<<Fechttraining in deinem Zimmer? :o)>>
Ich musste grinsen.
<<Jep, gegen mein Spiegelbild. Dann gewinne ich auch. Nein, ich lese.>>
<<Ach so.>>
Ich zögerte kurz und wieder hatte ich Alex' Stimme im Ohr: „LERMAN, du Vollidiot, mach doch einfach, was hast du zu verlieren?!“
<<Sollen wir uns noch einen Film anschauen?>>
Ihre Antwort kam innerhalb von Sekunden:
<<Gerne. Aber was ist, wenn Saskia kommt?>>
<<Komm zu mir, Zimmer 721.>>
<<Okay, zehn Minuten, ja?>>
<<Ich warte hier.>>
Ich legte das Handy zur Seite und atmete tief durch. Dann sah ich mich in der Suite um. Gott sei Dank war ich unterwegs – im Gegensatz zu daheim – wirklich relativ ordentlich und meine Kleider waren im Schrank verstaut. Und auch sonst lag nichts Peinliches herum. Ich stürmte ins Bad und packte meine Kleider zusammen und zum Glück sah ich noch einmal in den Spiegel, denn ich hatte noch immer nur das Handtuch umgewickelt. Gott sei Dank war meine Schläfe nicht mehr rot aber ich ahnte doch, dass sich eventuell eine Beule bilden könnte. Mist. Ich stieg in Shorts und ein T-Shirt und versuchte noch irgendwie, meine Haare zu glätten, doch das war sowieso vergeblich.
Es dauerte wirklich nur ein paar Minuten, bis es klopfte. Ich fiel fast über meine eigenen Füße, als ich zur Tür stürmte und sie öffnete.
„Hey.“ Sie lächelte mich nervös an und ich konnte sie wieder nur wie ein Idiot anstarren. Ihre Haare waren noch feucht und hingen ihr glatt über den Rücken. Sie trug eine Sweatjacke über kurzen Shorts und an den Füßen hatte sie Flip-Flops. „Ich bin extra über Treppe gekommen, da ich nicht wusste, ob im Aufzug Leute waren, ich glaube, mein Outfit ist nicht ganz so hoteltauglich.“ Sie hob entschuldigend die Schultern.
Ich sagte so etwas wie „Äh, ja, äh“ und ließ sie dann an mir vorbei. Sie sah sich in der Suite um und sagte dann:
„Wow, das ist also die Business-Class im Hotel, habe ich recht?“ Sie drehte sich zu mir um und grinste schief.
„Ach, na ja, ein Zimmer halt.“ Ich verschloss die Tür mit einem Tritt. Ich strich mir mit der rechten Hand über den linken Oberarm und sagte dann: „ Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: entweder wir gucken hier im Wohnraum oder, äh, na ja, im Schlafzimmer.“ Ich deutete zu der kleinen Couch hin, die aber zum Glück auch bereits beim ersten Anschauen ziemlich unbequem wirkte. Amelie zögerte, dann sagte sie wie als Echo auf meine Gedanken:
„Mir egal. Aber die sieht ziemlich, na ja, unbequem aus, oder?“ Eine feine Röte zog über ihr Gesicht.
Ich griff nach ihrer Hand und zog sie an mich. Ich legte ihr die Hände auf die Wangen und ich erkannte jetzt, dass ich sie zum ersten Mal komplett ohne Make up sah und so gefiel sie mir noch viel besser. Nicht, dass sie sonst sonderlich viel geschminkt war, aber so ganz ohne hatte ich sie noch nicht gesehen. Ich streichelte mit den Daumen über ihr Jochbein und sie lächelte mich an. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich auf die Nase. Dann nahm sie meine Hand.
„Was willst du dir denn anschauen?“ Sie zog mich mit ins Schlafzimmer und mein Herz setzte kurz aus, als ich mir der Situation bewusst wurde. Oh Gott, sie machte mich wirklich wahnsinnig und sie merkte es selbst überhaupt nicht.
„Äh, da habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht, also, tja. Hast du eine Idee?“ Ich räusperte mich und blieb im Türrahmen stehen.
Sie sah sich neugierig im Schlafzimmer um, dann blieb ihr Blick an dem Buch hängen, das noch immer auf meinem Bett lag. The Perks Of Being A Wallflower. Sie griff mit einem fragenden „Darf ich?“ danach und las die Kurzbeschreibung auf der Rückseite.
„Oh, ich liebe dieses Buch. Ich hab das auf Deutsch gelesen, da heißt das „Vielleicht lieber morgen“, aber ist es nicht traumhaft schön und gleichzeitig so traurig?“ Sie schlug die Seite mit meinem Lesezeichen auf und ich beobachtete ihre Reaktion ganz genau. „Ich hab geweint am Schluss, oh Gott. Aber ich verrate dir noch nicht, was passiert.“ Sie blätterte weiter hin und her.
„Nein, schon okay, ich kenne das Buch, ich hab es schon gelesen. Du hast geweint? Wo denn?“ Ich trat auf sie zu und setzte mich auf die Bettkante. Ich ließ sie nicht aus den Augen.
„Na, am Ende, wenn er sie endlich hat und dann diesen Flashback kriegt und zusammenbricht, oh Gott, ich hab im Bett gelegen und geweint, das hat mir so leid getan und … Moment“ sie unterbrach sich und sah mich dann an. Ihr Gesichtsausdruck war hoch konzentriert, dann wedelte sie mir mit dem Buch vor der Nase herum. „Du hast vorhin geschrieben, du wärst am arbeiten. Hast du das hier gemeint? Arbeitest du hiermit?“ Lauernd sah sie mich an und ich musste grinsen.
„Manchmal arbeite ich mit Büchern, ja.“
Ihre Augen begannen zu funkeln und sie setzte sich neben mich.
„Das Buch wird verfilmt? Und du spielst mit? Hab ich recht?“
„Vielleicht.“ Ich grinste noch breiter und sie stieß mir in die Seite.
„Hey, ärger mich nicht. Komm schon, ich verrate es auch keinem.“ Sie sah mich fast flehend an und ich legte ihr einen Arm um die Schultern. Ich küsste sie auf die Wange und sagte dann ernst:
„Ja, bitte, das darfst du auch niemandem verraten, das ist noch nicht spruchreif. Es soll verfilmt werden und ich war auch schon bei einem ersten Casting und tja, was soll ich sagen? Wenn ich Glück habe, toi toi toi, dann kriege ich die Rolle. Aber wirklich, bitte, da ist noch nichts Offizielles irgendwo am laufen, also pst!“ Ich legte ihr den Finger auf die Lippen und sie lächelte mich an.
„Versprochen. Und für welche Rolle hast du vorgesprochen?“ Sie klang ehrlich interessiert, sie schien das Buch wirklich zu mögen.
„Was denkst du denn?“ Ich stützte die Hände hinter mir auf der Matratze ab. Und wie aus der Pistole geschossen antwortete sie:
„Sam!“
Ich starrte sie verblüfft an.
„Äh, Sam ist ein Mädchen, ähm ...“ Doch dann sah ich ihre Augen und sie fing an zu kichern. Vergnügt sagte sie:
„Oh man, dein Gesichtsausdruck!“ Dann wurde sie wieder ernst. „Charlie! Es kann nur Charlie sein, ich könnte mir sonst keine andere Person in dem Buch für dich vorstellen.“
Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und legte es zur Seite. Dann legte ich ihr die Hände auf die Wangen und sah sie an.
„Charlie also? Und warum gerade er?“ Ich beugte mich zu ihr und ein Lächeln umspielte ihre schönen Lippen.
„Muss ich dir das jetzt erklären?“ Sie legte ihre Hände auf meine und streichelte über meinen Handrücken. „Es ist schon spät und mir fallen bald keine englischen Wörter mehr ein.“
„So, dir sind die Worte ausgegangen? Was können wir denn da machen?“ Ich ließ meine Hände über ihre Schultern wandern und zog sie dann an mich. Sie legte ihren Kopf an meine Brust und ich fühlte ihren Atem an meinem Hals. Ich spürte, dass sie schnell und unregelmäßig atmete und als sie ihre Hände um mich schlang und ihre Finger über meinen Rücken streichelten, da überschlug sich mein Herzschlag ebenfalls.
Sie hob den Kopf wieder und ihre Augen funkelten.
„Ich weiß nicht. Du hast mich zu dir eingeladen, überleg dir was.“ Sie grinste mich an, doch dann ging ihr Grinsen in ein zärtliches Lächeln über und ich brummte nur noch:
„Gott, Amelie, du bringst mich um.“
Sie lag in meinem rechten Arm und schlief tief und schon wieder hätte ich ihr einfach stundenlang zusehen können. Ihre Hand lag auf meiner Brust und ihr rechtes Bein war angewinkelt über meinen. Meine Unruhe von gestern Abend war verschwunden und hatte einer tiefen inneren Befriedigung Platz gemacht. Auch die leichten Kopfschmerzen waren verschwunden. Ich hob die Hand und fuhr ihr mit dem Zeigefinger leicht über die Wange. Sie war noch immer ein wenig erhitzt und ich zog die Decke höher, da der Luftzug durch das geöffnete Fenster genau auf ihre nackten Schultern traf. Sie bewegte sich leicht im Schlaf und drückte dabei ihre samtigen Lippen an meinen Oberkörper.
„Oh Gott, Amelie, was machst du mit mir?“ flüsterte ich leise und küsste sie auf die Stirn. Ich atmete ihre süßen Duft ein und fuhr dann mit der Hand über ihren Rücken. Sie murmelte irgend etwas und drückte sich dann noch ein wenig enger an mich.
Ich hatte ihr ja schon in Berlin gesagt, dass ich schon Erfahrungen mit Frauen hatte, aber so wie mit ihr war es nicht gewesen, wirklich nicht. Sie war so unschuldig und sanft, aber gleichzeitig wild und ungestüm, so, als wüsste sie selbst nicht, was alles in ihr steckte. Sie hatte mich in den letzten Stunden wirklich überrascht und absolut mitgerissen.
Mit dem Zeigefinger fuhr ich über die Rundung ihrer Hüfte und sie zuckte leicht zusammen. Ja, ich hatte festgestellt, dass sie nicht nur am Ellenbogen kitzelig war. Dann streichelte ich über ihren Oberschenkel und fuhr langsam an ihrem Knie entlang.
Im gleichen Moment vibrierte mein Handy neben mir und ich ächzte auf. Wer rief mich denn mitten in der Nacht an?
Ich drehte mich vorsichtig zur Seite und Amelie brummelte. Ich angelte nach meinem Telefon und musste trotz der späten Störung grinsen. Ich nahm das Gespräch entgegen:
„Hey, Al, wie geht’s?“ flüsterte ich leise.
Ihre Stimme klang so eisig, dass ich fast das Handy fallen ließ.
„Logan Wade Lerman, ich warne dich. Pfeif' ihn zurück, ich halte das nicht mehr aus!“
Oh oh, Alex nannte mich nur bei meinem vollen Namen, wenn irgend etwas total schief lief – das hatte sie sich bei meiner Mom am Percy Jackson-Set abgeguckt.
„Äh, wovon sprichst du, äh, kleinen Moment, okay? Fünf Minuten, okay?“ Oh Gott, ich ahnte leider nur zu gut, von wem sie sprach.
Ich hörte, dass sie schnaufte und ich legte das Telefon zur Seite. Ich rutschte unter Amelie weg und bettete sie sanft auf mein Kissen. Sie schien überhaupt nichts zu bemerken, denn sie schlief friedlich weiter. Sie lag nun auf dem Bauch und die Decke war ihr bis weit unter die Hüften gerutscht. Versonnen betrachtete ich sie, doch dann fiel mir wieder ein, dass Alex ja am Telefon war. Ich räusperte mich und sah mich dann suchend um. Halblaut brummte ich:
„Verdammt, wo ist denn meine Hose?“ und wühlte mich durch meine und ihre Sachen, die am Fußende des Bettes und am Boden verteilt waren. Endlich fand ich meine Shorts und zog mir dann auch noch das Shirt über den Kopf. Ich legte Amelie die Decke über die Schultern und trat dann leise aus dem Schlafzimmer.
Im Wohnraum ließ ich mich das harte Sofa fallen und legte die Füße auf den Tisch.
„Hey, da bin ich wieder.“
„Verdammt, wo ist denn meine Hose?“ Alex klang verwundert. „Ich hab ja am Set mitgekriegt, dass du dein Kugelschreiber-Schwert oft verloren hast, aber deine Hosen?“ Sie unterdrückte ein Lachen. Ja, sie hatte leider recht, ich hatte den Kuli, der sich in Percys magisches Schwert verwandelte, bestimmt fünfzehn Mal verloren. Von wegen, der taucht wie von Zauberhand wieder in meiner Tasche auf, ha!
„Lange Geschichte“ sagte ich seufzend und fuhr mir durch die Haare. „Also, Al, was ist los?“
„Dean! Er macht mich wahnsinnig. Er hat mir in den letzten paar Tagen bestimmt, keine Ahnung, fünfhundert Nachrichten geschickt. UND versucht anzurufen. UND mir Bilder geschickt. Und er hat mir geschrieben, dass es mit uns beiden, also dir und mir, eh nichts mehr geben würde, da du jetzt eine Freundin hast! Und er würde sich natürlich bereit erklären, mich zu trösten! Was für eine Freundin? Und warum weiß ich nichts davon?“ Sie klang lauernd.
Alex war mit eine meiner besten Freundinnen. Sie war so etwas wie eine große Schwester für mich – Lindsey, nicht sauer werden – und wir hatten so viel Zeit am Set von Percy Jackson miteinander verbracht, dass uns wirklich eine tiefe und echte Freundschaft verband. Und wir erzählten uns eigentlich auch alles, fast, na ja, meistens.
„Äh, ja, Dean, ha ha, tja, was soll ich sagen? Du kennst ihn doch. Und du wusstest, dass er auf dich steht!“
„Lenk nicht ab.“ Alex klang wirklich wütend. „Bis jetzt konnten wir ihn ja noch damit im Zaum halten, dass er im Hinterkopf hatte, dass wir beide was miteinander hätten, aber jetzt reibt er mir da deine Freundin unter die Nase. Warum erzählst du mir denn nicht, dass du eine Freundin hast? Wer ist sie? Woher kennt ihr euch? Wie lange geht das denn schon? Dann könnte ich ihm gegenüber vielleicht irgendwie reagieren!“ Jetzt klang sie wieder aufgeregt und neugierig.
Ich strich mir die Haare aus den Augen und meine Gedanken wanderten wieder nach nebenan. Und diese Gedanken waren nicht sonderlich hilfreich.
„Ähm, Al, hör mir zu. Ich verspreche dir, dass ich mit Dean sprechen werde, okay? Aber ich glaube sowieso, dass sich das Problem eventuell sogar von selbst gelöst haben könnte. Dazu kann ich dir aber erst morgen früh mehr sagen, okay?“
„Wieso? Sag nicht, Dean hat jemanden gefunden? Jemand, der nicht ich ist?!“
Ich musste grinsen.
„Könnte sein. Wie gesagt, das ganze ist noch in Arbeit, ich weiß nicht, wie der heutige Abend ausgegangen ist, aber ich eventuell, tja, was soll ich sagen, ich ...“
„Laufbursche? Alles okay?“ Amelie erschien im Türrahmen und mir fiel die Kinnlade herunter, denn sie trug nur, na ja, nicht viel. Sie hatte sich die dünne Decke um die Schulter gelegt und hielt sie locker zusammen.
„Laufbursche?“ Alex' Stimme klang verwundert und ich räusperte mich.
„Ja, haha, genau. Al, wie gesagt, ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe dich morgen an, dann kann ich dir was genaues sagen, okay?“
Sie schwieg kurz, dann lachte sie.
„Oh, sie ist bei dir? Algenhirn, Algenhirn, dass mir keine Klagen kommen!“ Sie kicherte. „Okay, dann bis morgen.“
„Ja, bis morgen, Al.“ Ich unterbrach die Leitung und Amelie kam auf mich zu. Ich streckte ihr die Hand entgegen und sie ließ sich neben mich sinken. In der dünnen Decke versank sie fast.
„Alles okay?“ fragte sie leise.
„Ja, das war Al, sie, na ja, ach, lange Geschichte. Sorry, ich wollte dich nicht wecken.“
Sie sah mich neugierig an.
„Al? Wer ist Al?“
„Äh, Alex, Alexandra Daddario, Annabeth aus dem Film, du weißt schon.“ Ich grinste schief und wollte sie in den Arm nehmen. Doch sie zuckte zurück.
„Warum ruft sie denn mitten in der Nacht an?“ Ihr Blick war irritiert und ein wenig, ich weiß nicht, säuerlich und ich stellte fest, dass mir das verdammt gut gefiel. Sie war eifersüchtig. Das würde ja bedeuten, dass sie mich mochte!
„Wie gesagt, lange Geschichte, ich...“
„Ich hab Zeit.“ Sie sah mich durchdringend an und ich hätte sie küssen können – doch irgendwie wusste ich, dass ich das jetzt nicht tun sollte. Ich beeilte mich daher zu antworten:
„Ja, wie gesagt, lange Geschichte, die ich dir jetzt gerne erzählen möchte.“ Mir war leider nur zu sehr bewusst, was sie unter der Decke trug. Doch ich atmete tief durch und erzählte ihr die Story über die fast besessene – und unerwiderten – Liebe von Dean zu Alex.
Ich war gerade bei den gefühlten fünfhundert Nachrichten angekommen, als Amelie neben mir leise gluckste. Ich sah sie verwundert an, dann fing sie laut an zu lachen. Sie schlang die Arme um meinen Nacken und drückte ihren Kopf in meine Halsbeuge.
„Oh Gott, oh Gott. Das nenne ich eine Liebesgeschichte. Das ist ja schon ein Drehbuch für einen Film.“ Sie wurde vor Lachen geschüttelt und ich konnte nicht anders, ich musste ebenfalls anfangen zu lachen. Bei ihrer abrupten Bewegung war ihr die Decke von den Schultern gerutscht und ich legte die Hände auf ihre warme Haut.
„Oh, ich kenne sie zwar nicht, aber sie tut mir wirklich leid!“ Sie kicherte, dann hob sie den Kopf. „Du verstehst dich gut mit ihr, habe ich recht?“
„Äh, hä? Mit wem?“ Es war für meine Konzentration nicht sonderlich hilfreich, dass sie nur in eine dünne Decke gewickelt an mir lehnte.
Sie zog die Augenbrauen zusammen und wedelte dann mit ihrer Hand vor meinen verhangenen Augen hin und her. Ich zuckte zusammen.
„Was?“
„Mit Al? Ob du dich gut mit ihr verstehst?“ Sie sah mich an, als wäre ich komplett geistesgestört – aber wer könnte mir das verübeln – schließlich hatte ich mir den Kopf angestoßen!
„Äh, ja, doch, schon, wir, na ja, sind gute Freunde. Wir haben über ein halbes Jahr in Vancouver zusammen verbracht, das schweißt zusammen.“ Ich ließ sie los und fuhr mir über die Augen.
Sie lehnte sich zurück und schlang dann die Arme um die Knie, nachdem sie sich wieder fester in die Decke gewickelt hatte. Sie schwieg kurz, dann fragte sie leise:
„Erzählst du mir ein bisschen von dir? Ich kenne dich ja eigentlich überhaupt gar nicht.“
Ich setzte mich ihr im Schneidersitz gegenüber und zog ein Stück der Decke über meine Beine. Ich musste lächeln.
„Was möchtest du wissen?“
Sie erwiderte mein Lächeln und setzte sich dann so, dass sich unsere Beine unter der Decke berührten.
„Alles, Laufbursche.“ Sie streckte die Hand aus und ich umfasste sie sanft. Ich zog die Augenbrauen nach oben und überlegte kurz. Dann fing ich an zu reden.
Wir waren wieder ins Schlafzimmer umgesiedelt, die Couch konnte man wirklich niemandem zumuten. Dort unterhielten wir uns noch stundenlang. Ich glaube, ich habe noch niemandem so ausführlich über mein Leben erzählt, über meine Familie, über Los Angeles und auch über meine Karriere. Und ich kam mir noch nicht einmal blöd dabei vor, es war einfach, ich weiß es nicht, es war einfach richtig. Irgendwann hatte sie sich zwischen meine Beine gelegt, ihr Rücken lehnte an meinem Oberkörper. Wir waren beide in die Decke eingewickelt und meine Hände hielten ihre umfasst.
Sie erzählte mir von ihrer Familie, von ihren Freunden und auch von ihrer Arbeit, die mir nach der Geschichte mit der Security so gar nicht mehr langweilig vor kam. Und je mehr sie redete, umso mehr schien sie aufzublühen. Sie liebte ihre Familie, das merkte ich an ihren strahlenden Augen, wenn sie ihre Eltern erwähnte.
Ich legte ihr die Hand auf die Wange und sie lächelte zu mir auf.
„Was?“ fragte sie und sah mich verwundert an.
„Nichts.“ Ich beugte den Kopf und küsste sie auf die Nasenspitze. Sie hob die Hände und umfasste damit meinen Nacken. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und sie hob das Kinn. Ich grinste sie an.
„Was soll denn das werden, Miss?“
Sie zwinkerte mir zu.
„Sir, Sie haben das Recht zu schweigen und die Pflicht, mich zu küssen.“
„Und wenn ich das nicht möchte?“
Sie zog die Augenbrauen nach oben und hatte plötzlich den gleichen Blick aufgesetzt, den sie den beiden Mädels in Berlin zugeworfen hatte.
„Oh, überredet.“ Ich beugte den Kopf tiefer über sie und ihre Augen begannen zu leuchten.
Amelie hatte die ganze Nacht bei mir verbracht und trotz des Schlafmangels fühlte ich mich so gut und ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Und auch sie hatte mich morgens strahlend und mit leuchtenden Augen angelächelt. Von mir aus könnte jeder Tag so beginnen. Wir hatten uns für nach dem Training im hoteleigenen Schwimmbad verabredet und danach wollten wir uns zusammen mit Saskia, Dean und Daniel Würzburg anschauen. Wie gerne hätte ich mit ihnen zusammen jetzt gefrühstückt, aber ich war ja immer noch auf der Arbeit und die ging natürlich vor.
Das Training verlief wahnsinnig gut. Die Schritte meiner Kampfchoreographie saßen, meine Hiebe waren fließend und geschmeidig und Imke sparte nicht mit Lob – und normalerweise war schon ein Lob mehr als ungewöhnlich. Und ich grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Ich ließ den Degen in meiner Hand kreiseln und wich Imkes Angriff locker aus. Ihren Schlag konnte ich problemlos parieren und sie zog die Augenbrauen nach oben.
„Was ist denn mit dir passiert?“ wollte sie wissen und grinste mir zu. „Wirklich gut, nicht schlecht.“
Ich machte eine Verbeugung in ihre Richtung.
„Mylady, ganz zu Euren Diensten!“ Dann ging ich wieder in die Grundstellung und kreuzte meine Klinge mit ihrer.
Das Training war anstrengend und mir liefen Schweißperlen über die Stirn, aber es hatte mir schon seit Tagen nicht mehr so viel Spaß gemacht.
Imke zeigte mir eine komplizierte Schrittfolge und normalerweise dauerte es mehrere Male, bis ich mir überhaupt irgend etwas davon merken konnte, doch ich war wie beflügelt und konnte schon beim zweiten Zeigen fast mit ihr mithalten.
Sie klatschte überrascht in die Hände.
„Ich weiß nicht, was mit dir geschehen ist, aber von mir aus kann es genau so bleiben“, sagte sie lachend, als ich ihr nach einem heftigen Schlagabtausch meinen Degen unter die Nase hielt. Ich atmete keuchend, doch ich war schon extrem stolz auf mich.
Imke fuhr sich über die Stirn und sah dann auf die große Uhr über den Türen zu Umkleide.
„Okay, das war's für heute. Behalte dir das auf jeden Fall so bei, okay? Am Montag um die gleiche Zeit?
„Äh, ich weiß nicht, ich hab, äh...“
„Am Montag hat Logan morgens einen Dreh, wir müssten dann auf nachmittags gehen?“ Carly, die mich begleitet hatte, war herangekommen und hatte ihr Tablet in der Hand. Konzentriert blickte sie über meinen Terminkalender und Imke trat neben sie. Die beiden diskutierten irgend etwas und ich wartete ab. Etwas anderes blieb mir ja sowieso nicht übrig. Ich ließ den Degen wieder kreiseln und meine Gedanken wanderten zu Amelie. Gott, ich vermisste sie jetzt schon, obwohl sie die letzten zwölf Stunden komplett mit mir zusammen gewesen war.
„Logan? Hörst du zu?“ Carlys Stimme drang in meine Gedanken und ich fuhr überrascht zusammen.
„Äh, ja, was?“
„Du musst um neun am Montag am Set sein. Sieben Uhr hier in der Halle?“
„Morgens?“ Entgeistert starrte ich die beiden an und sie starrten nicht minder irritiert zurück. Carly nickte.
„Ja, natürlich.“
Ich fuhr mir durch das Gesicht und zwang mich dann wieder zu einem Lächeln.
„Ja, klar, schreib es irgendwo auf.“ Ausschlafen wurde auch überbewertet! Ungeduldig wippte ich auf meinen Fußballen und fragte: „Können wir dann los?“
Carly verdrehte die Augen und Imke nahm mir den Degen ab.
„Ja, verschwinde schon. Ich hab zwar keine Ahnung, was hier los ist, aber ich hoffe, dass es so bleibt!“
Ich grinste der Trainerin nochmal zu, dann beeilte ich mich, in die Umkleide zu kommen.
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Logan
Amelie und ich waren umgesiedelt und hatten uns zusammen auf eine Couch gesetzt. Sie lag in meinem Arm und übersetzte nur noch mechanisch, wenn Saskia oder Dean irgend welche Worte fehlten. Saskia fühlte sich anscheinend pudelwohl und ich hatte noch nie erlebt, dass Dean wirklich ab und an sprachlos war.
Orlando hatte fast eine ganze Stunde bei uns am Tisch gesessen und dann waren auch noch Paul und Milla für einige Minuten zu uns gekommen. Doch dann hatte sich ihre Nanny gemeldet, weil ihre Tochter Ever im Zimmer unruhig wurde und sie hatten sich schnell verabschiedet. Orlando, der morgen eine wichtige Szene drehen sollte, hatte sich ihnen angeschlossen.
Gegen elf Uhr sackte Amelies Kopf gegen meine Brust und ich sah, dass ihr die Augen zu fielen. Ich streichelte ihr über die Wange und fragte leise:
„Hey, bist du müde?“ Okay, blöde Frage, ich merkte es selbst.
Sie lächelte zu mir auf und konnte aber ein Gähnen nicht unterdrücken.
„Ja, ein bisschen. War ein langer Tag.“ Sie drückte ihre Lippen in meinen offenen Hemdskragen und ich sog zischend die Luft ein. Ich strich ihr durch die Haare.
„Möchtest du schlafen gehen? Dann begleite ich dich nach oben. Ich bin auch ziemlich müde.“
Ich sah ihr an, dass ihr der Vorschlag gefiel, doch dann schüttelte sie den Kopf.
„Ich glaube nicht, dass Sas schon hoch möchte. Wir haben ja nur einen Schlüssel.“ Sie sah zu ihrer Freundin hin, die wegen irgend etwas kicherte.
„Ich begleite dich rauf, dann kannst du aufs Zimmer gehen und ich bringe ihr den Schlüssel wieder unter, okay?“
Sie wollte protestieren, doch es wurde nur ein Gähnen. Mit glasigen Augen nickte sie schließlich.
„Das wäre lieb von dir.“
Ich stand auf und streckte ihr die Hand entgegen. Dann sagte ich zu Dean und Saskia:
„Hey, Amelie ist müde. Ich bringe sie zu ihrem Zimmer. Ich bringe dir dann den Schlüssel runter, okay, Saskia?“
Die beiden fuhren auseinander, ihre Gesichter waren erhitzt und das lag nicht nur an dem Cocktail, der vor ihnen auf dem Tisch stand. Saskia räusperte sich und stand dann auf. Sie trat auf Amelie zu und umarmte sie. Sie flüsterte ihr irgend etwas ins Ohr und drückte ihr dann eine Kuss auf die Wange. Amelie lächelte schief und nickte dann. Auf Englisch sagte sie:
„Gute Nacht, Dean.“
„Nacht!“ Dean hob grüßend die Hand, dann verließen wir die Lounge. Ich legte ihr den Arm um die Schulter und führte sie zum Aufzug. In der Kabine lehnte sie sich an mich und schloss einen Moment die Augen. Dann fing sie leise an zu kichern.
„Was ist los?“
„Ach, ich überlege nur grade, ob es gut ist, wenn wir die beiden alleine in der Lounge zurück lassen. Im schlimmsten Fall gibt es Tote!“
Ich drückte ihr einen Kuss auf die Stirn und grinste dann ebenfalls.
„Die sind erwachsen, ich hoffe, sie kriegen das irgendwie hin. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie sich umbringen werden.“
„Ich hoffe es.“ Amelie schlang die Arme um meine Hüfte und schmiegte sich eng an mich. Dann sagte sie leise: „Danke für alles, es war wirklich schön heute.“ Sie hob den Kopf und blinzelte zu mir auf. Ihre Augen funkelten und ich strich ihr mit dem Finger über die Nasenspitze, was sie zum lachen brachte. Dann fuhr ich ihr über die Unterlippe und weiter über ihre Wangenknochen.
„Du bist so schön, weißt du das eigentlich?“ fragte ich und wie erwartet vergrub sie ihren Kopf an meiner Brust. „Und du kannst überhaupt nicht damit umgehen, wenn ich es dir sage!“
„Du redest ja manchmal auch viel, wenn der Tag lang ist“, antwortete sie dumpf. Ich legte ihr einen Finger unter das Kinn und zwang sie, mich anzusehen.
„Das ist richtig, aber alles, was ich sage, stimmt!“ Ich küsste sie auf die Nasenspitze und stellte im gleichen Moment fest, dass der Aufzug schon seit geraumer Zeit in ihrem Stockwerk angehalten hatte. Wir mussten lachen und gingen dann den Flur entlang zu ihrem Zimmer. Sie schloss die Tür auf und trat dann ein. Sie zögerte kurz und drehte sich dann wieder zu mir um.
„Nochmal Danke.“ Sie lächelte schüchtern und drückte mir dann die Keycard in die Hand. Ich schob sie nachlässig in meine Jeans und wollte dann die Hände an ihre Hüfte legen, doch ich zögerte.
„Gern geschehen.“
Wir standen uns gegenüber wie zwei Fremde, doch dann fiel sie mir um den Hals und küsste mich. Ich streichelte ihr durch die Haare, die in einem wilden Puschel von ihrem Hinterkopf abstanden, und hätte sie am Liebsten gar nicht gehen lassen, doch dann ließ sie mich schwer atmend los.
„Schlaf gut, ja? Wir sehen uns morgen?“
Ich strich ihr eine Haarsträhne aus den Augen und schob mir die Hände in die Hosentasche, da ich ansonsten Gefahr lief, sie wieder an mich zu ziehen.
„Träum süß, Amelie. Treffen wir uns um acht zum Frühstück? Um halb zehn muss ich zum fechten.“
Sie nickte und strich mir kurz über die Wange.
„Bis morgen, Laufbursche.“ Ich sah das Zögern in ihren Augen, doch dann legte sie die Hand an die Tür. Ich nickte ihr zu und ging dann den Flur hinunter zum Aufzug. Ich hätte mir im Traum nicht vorstellen könne, dass es so schwer sein würde, sie alleine in ihrem Zimmer zu lassen.
In der Lounge blieb ich noch kurz bei Dean und Saskia stehen, die sich abwechselnd prächtig unterhielten und sich dann wieder wegen irgend etwas zankten. Ich fühlte mich wie das fünfte Rad am Wagen und drückte Saskia schließlich nur die Keycard in die Hand und fuhr dann nach oben zu meinem Zimmer.
Unruhig tigerte ich in der Suite auf und ab und ließ mich dann auf das breite Bett fallen. Ich war hundemüde, aber trotzdem hellwach.
„Man“ brummte ich und ging dann ins angrenzende Bad. Ich warf meine Kleider in die Ecke und stellte mich unter die Dusche, doch die Unruhe blieb. Ich war so abwesend, dass ich beim Ausstieg aus der Dusche ausrutschte und mich nur noch irgendwie am Waschbecken festhalten konnte. Leider stieß ich mir bei dieser Aktion den Kopf an der Duschverkleidung an und ich sah kurz Sterne. Ich hielt mir die Schläfe und sank wie ein nasser Sack auf das Handtuch am Boden.
„Oh fuck!“ Wie konnte man nur so ungeschickt sein?
Ich tastete mit den Finger meinen Kopf ab, doch anscheinend hatte ich Glück. Ich rappelte mich auf und betrachtete mich im Spiegel. Ich schob die Haare zurück und rieb über die leicht schmerzende Stelle. Nur ein wenig rot, nichts offen, puh das hätte mir jetzt noch gefehlt. Ich wickelte mir ein Handtuch um und atmete tief durch. Mein Gesicht war erhitzt und ich rieb mir mit den Händen über die Wangen. Ich griff nach einer Bürste und versuchte meine zotteligen Haare irgendwie zu bändigen. Doch das einzige Ergebnis war, dass ich wieder einige der Extensions erfolgreich ausgerissen hatte. Ich feuerte die Bürste auf die Ablage und putzte mir dann die Zähne. Und jetzt war ich wirklich wieder hellwach.
Ich warf mich auf mein Bett und griff nach einem Buch, das neben mir auf dem Nachttisch gelegen hatte. Ich schlug die Seite mit meinem Lesezeichen auf und versuchte mich zu konzentrieren, aber nachdem ich zum fünften Mal den gleichen Satz gelesen und ihn noch immer nicht verinnerlicht hatte, gab ich es auf. Ich wollte gerade den Fernseher einschalten, als mein Handy vibrierte. Ich angelte danach und mein Herz überschlug sich:
<<Hey. Störe ich?>>
<<Oh hey. Du störst nie. Was ist los?>>
<<Ach, eigentlich nichts. Ich kann nicht schlafen.>>
Ein breites Grinsen zog über mein Gesicht.
<<Aber du warst doch so müde?>>
<<Ich weiß auch nicht. Was machst du?>>
Was ich machte? Unruhig im Kreis laufen? Sie vermissen? Mich nach dem Duschen fast umbringen? Wahnsinnig werden? Doch ich schrieb:
<<Ich arbeite.>>
<<Fechttraining in deinem Zimmer? :o)>>
Ich musste grinsen.
<<Jep, gegen mein Spiegelbild. Dann gewinne ich auch. Nein, ich lese.>>
<<Ach so.>>
Ich zögerte kurz und wieder hatte ich Alex' Stimme im Ohr: „LERMAN, du Vollidiot, mach doch einfach, was hast du zu verlieren?!“
<<Sollen wir uns noch einen Film anschauen?>>
Ihre Antwort kam innerhalb von Sekunden:
<<Gerne. Aber was ist, wenn Saskia kommt?>>
<<Komm zu mir, Zimmer 721.>>
<<Okay, zehn Minuten, ja?>>
<<Ich warte hier.>>
Ich legte das Handy zur Seite und atmete tief durch. Dann sah ich mich in der Suite um. Gott sei Dank war ich unterwegs – im Gegensatz zu daheim – wirklich relativ ordentlich und meine Kleider waren im Schrank verstaut. Und auch sonst lag nichts Peinliches herum. Ich stürmte ins Bad und packte meine Kleider zusammen und zum Glück sah ich noch einmal in den Spiegel, denn ich hatte noch immer nur das Handtuch umgewickelt. Gott sei Dank war meine Schläfe nicht mehr rot aber ich ahnte doch, dass sich eventuell eine Beule bilden könnte. Mist. Ich stieg in Shorts und ein T-Shirt und versuchte noch irgendwie, meine Haare zu glätten, doch das war sowieso vergeblich.
Es dauerte wirklich nur ein paar Minuten, bis es klopfte. Ich fiel fast über meine eigenen Füße, als ich zur Tür stürmte und sie öffnete.
„Hey.“ Sie lächelte mich nervös an und ich konnte sie wieder nur wie ein Idiot anstarren. Ihre Haare waren noch feucht und hingen ihr glatt über den Rücken. Sie trug eine Sweatjacke über kurzen Shorts und an den Füßen hatte sie Flip-Flops. „Ich bin extra über Treppe gekommen, da ich nicht wusste, ob im Aufzug Leute waren, ich glaube, mein Outfit ist nicht ganz so hoteltauglich.“ Sie hob entschuldigend die Schultern.
Ich sagte so etwas wie „Äh, ja, äh“ und ließ sie dann an mir vorbei. Sie sah sich in der Suite um und sagte dann:
„Wow, das ist also die Business-Class im Hotel, habe ich recht?“ Sie drehte sich zu mir um und grinste schief.
„Ach, na ja, ein Zimmer halt.“ Ich verschloss die Tür mit einem Tritt. Ich strich mir mit der rechten Hand über den linken Oberarm und sagte dann: „ Wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: entweder wir gucken hier im Wohnraum oder, äh, na ja, im Schlafzimmer.“ Ich deutete zu der kleinen Couch hin, die aber zum Glück auch bereits beim ersten Anschauen ziemlich unbequem wirkte. Amelie zögerte, dann sagte sie wie als Echo auf meine Gedanken:
„Mir egal. Aber die sieht ziemlich, na ja, unbequem aus, oder?“ Eine feine Röte zog über ihr Gesicht.
Ich griff nach ihrer Hand und zog sie an mich. Ich legte ihr die Hände auf die Wangen und ich erkannte jetzt, dass ich sie zum ersten Mal komplett ohne Make up sah und so gefiel sie mir noch viel besser. Nicht, dass sie sonst sonderlich viel geschminkt war, aber so ganz ohne hatte ich sie noch nicht gesehen. Ich streichelte mit den Daumen über ihr Jochbein und sie lächelte mich an. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste mich auf die Nase. Dann nahm sie meine Hand.
„Was willst du dir denn anschauen?“ Sie zog mich mit ins Schlafzimmer und mein Herz setzte kurz aus, als ich mir der Situation bewusst wurde. Oh Gott, sie machte mich wirklich wahnsinnig und sie merkte es selbst überhaupt nicht.
„Äh, da habe ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht, also, tja. Hast du eine Idee?“ Ich räusperte mich und blieb im Türrahmen stehen.
Sie sah sich neugierig im Schlafzimmer um, dann blieb ihr Blick an dem Buch hängen, das noch immer auf meinem Bett lag. The Perks Of Being A Wallflower. Sie griff mit einem fragenden „Darf ich?“ danach und las die Kurzbeschreibung auf der Rückseite.
„Oh, ich liebe dieses Buch. Ich hab das auf Deutsch gelesen, da heißt das „Vielleicht lieber morgen“, aber ist es nicht traumhaft schön und gleichzeitig so traurig?“ Sie schlug die Seite mit meinem Lesezeichen auf und ich beobachtete ihre Reaktion ganz genau. „Ich hab geweint am Schluss, oh Gott. Aber ich verrate dir noch nicht, was passiert.“ Sie blätterte weiter hin und her.
„Nein, schon okay, ich kenne das Buch, ich hab es schon gelesen. Du hast geweint? Wo denn?“ Ich trat auf sie zu und setzte mich auf die Bettkante. Ich ließ sie nicht aus den Augen.
„Na, am Ende, wenn er sie endlich hat und dann diesen Flashback kriegt und zusammenbricht, oh Gott, ich hab im Bett gelegen und geweint, das hat mir so leid getan und … Moment“ sie unterbrach sich und sah mich dann an. Ihr Gesichtsausdruck war hoch konzentriert, dann wedelte sie mir mit dem Buch vor der Nase herum. „Du hast vorhin geschrieben, du wärst am arbeiten. Hast du das hier gemeint? Arbeitest du hiermit?“ Lauernd sah sie mich an und ich musste grinsen.
„Manchmal arbeite ich mit Büchern, ja.“
Ihre Augen begannen zu funkeln und sie setzte sich neben mich.
„Das Buch wird verfilmt? Und du spielst mit? Hab ich recht?“
„Vielleicht.“ Ich grinste noch breiter und sie stieß mir in die Seite.
„Hey, ärger mich nicht. Komm schon, ich verrate es auch keinem.“ Sie sah mich fast flehend an und ich legte ihr einen Arm um die Schultern. Ich küsste sie auf die Wange und sagte dann ernst:
„Ja, bitte, das darfst du auch niemandem verraten, das ist noch nicht spruchreif. Es soll verfilmt werden und ich war auch schon bei einem ersten Casting und tja, was soll ich sagen? Wenn ich Glück habe, toi toi toi, dann kriege ich die Rolle. Aber wirklich, bitte, da ist noch nichts Offizielles irgendwo am laufen, also pst!“ Ich legte ihr den Finger auf die Lippen und sie lächelte mich an.
„Versprochen. Und für welche Rolle hast du vorgesprochen?“ Sie klang ehrlich interessiert, sie schien das Buch wirklich zu mögen.
„Was denkst du denn?“ Ich stützte die Hände hinter mir auf der Matratze ab. Und wie aus der Pistole geschossen antwortete sie:
„Sam!“
Ich starrte sie verblüfft an.
„Äh, Sam ist ein Mädchen, ähm ...“ Doch dann sah ich ihre Augen und sie fing an zu kichern. Vergnügt sagte sie:
„Oh man, dein Gesichtsausdruck!“ Dann wurde sie wieder ernst. „Charlie! Es kann nur Charlie sein, ich könnte mir sonst keine andere Person in dem Buch für dich vorstellen.“
Ich nahm ihr das Buch aus der Hand und legte es zur Seite. Dann legte ich ihr die Hände auf die Wangen und sah sie an.
„Charlie also? Und warum gerade er?“ Ich beugte mich zu ihr und ein Lächeln umspielte ihre schönen Lippen.
„Muss ich dir das jetzt erklären?“ Sie legte ihre Hände auf meine und streichelte über meinen Handrücken. „Es ist schon spät und mir fallen bald keine englischen Wörter mehr ein.“
„So, dir sind die Worte ausgegangen? Was können wir denn da machen?“ Ich ließ meine Hände über ihre Schultern wandern und zog sie dann an mich. Sie legte ihren Kopf an meine Brust und ich fühlte ihren Atem an meinem Hals. Ich spürte, dass sie schnell und unregelmäßig atmete und als sie ihre Hände um mich schlang und ihre Finger über meinen Rücken streichelten, da überschlug sich mein Herzschlag ebenfalls.
Sie hob den Kopf wieder und ihre Augen funkelten.
„Ich weiß nicht. Du hast mich zu dir eingeladen, überleg dir was.“ Sie grinste mich an, doch dann ging ihr Grinsen in ein zärtliches Lächeln über und ich brummte nur noch:
„Gott, Amelie, du bringst mich um.“
Sie lag in meinem rechten Arm und schlief tief und schon wieder hätte ich ihr einfach stundenlang zusehen können. Ihre Hand lag auf meiner Brust und ihr rechtes Bein war angewinkelt über meinen. Meine Unruhe von gestern Abend war verschwunden und hatte einer tiefen inneren Befriedigung Platz gemacht. Auch die leichten Kopfschmerzen waren verschwunden. Ich hob die Hand und fuhr ihr mit dem Zeigefinger leicht über die Wange. Sie war noch immer ein wenig erhitzt und ich zog die Decke höher, da der Luftzug durch das geöffnete Fenster genau auf ihre nackten Schultern traf. Sie bewegte sich leicht im Schlaf und drückte dabei ihre samtigen Lippen an meinen Oberkörper.
„Oh Gott, Amelie, was machst du mit mir?“ flüsterte ich leise und küsste sie auf die Stirn. Ich atmete ihre süßen Duft ein und fuhr dann mit der Hand über ihren Rücken. Sie murmelte irgend etwas und drückte sich dann noch ein wenig enger an mich.
Ich hatte ihr ja schon in Berlin gesagt, dass ich schon Erfahrungen mit Frauen hatte, aber so wie mit ihr war es nicht gewesen, wirklich nicht. Sie war so unschuldig und sanft, aber gleichzeitig wild und ungestüm, so, als wüsste sie selbst nicht, was alles in ihr steckte. Sie hatte mich in den letzten Stunden wirklich überrascht und absolut mitgerissen.
Mit dem Zeigefinger fuhr ich über die Rundung ihrer Hüfte und sie zuckte leicht zusammen. Ja, ich hatte festgestellt, dass sie nicht nur am Ellenbogen kitzelig war. Dann streichelte ich über ihren Oberschenkel und fuhr langsam an ihrem Knie entlang.
Im gleichen Moment vibrierte mein Handy neben mir und ich ächzte auf. Wer rief mich denn mitten in der Nacht an?
Ich drehte mich vorsichtig zur Seite und Amelie brummelte. Ich angelte nach meinem Telefon und musste trotz der späten Störung grinsen. Ich nahm das Gespräch entgegen:
„Hey, Al, wie geht’s?“ flüsterte ich leise.
Ihre Stimme klang so eisig, dass ich fast das Handy fallen ließ.
„Logan Wade Lerman, ich warne dich. Pfeif' ihn zurück, ich halte das nicht mehr aus!“
Oh oh, Alex nannte mich nur bei meinem vollen Namen, wenn irgend etwas total schief lief – das hatte sie sich bei meiner Mom am Percy Jackson-Set abgeguckt.
„Äh, wovon sprichst du, äh, kleinen Moment, okay? Fünf Minuten, okay?“ Oh Gott, ich ahnte leider nur zu gut, von wem sie sprach.
Ich hörte, dass sie schnaufte und ich legte das Telefon zur Seite. Ich rutschte unter Amelie weg und bettete sie sanft auf mein Kissen. Sie schien überhaupt nichts zu bemerken, denn sie schlief friedlich weiter. Sie lag nun auf dem Bauch und die Decke war ihr bis weit unter die Hüften gerutscht. Versonnen betrachtete ich sie, doch dann fiel mir wieder ein, dass Alex ja am Telefon war. Ich räusperte mich und sah mich dann suchend um. Halblaut brummte ich:
„Verdammt, wo ist denn meine Hose?“ und wühlte mich durch meine und ihre Sachen, die am Fußende des Bettes und am Boden verteilt waren. Endlich fand ich meine Shorts und zog mir dann auch noch das Shirt über den Kopf. Ich legte Amelie die Decke über die Schultern und trat dann leise aus dem Schlafzimmer.
Im Wohnraum ließ ich mich das harte Sofa fallen und legte die Füße auf den Tisch.
„Hey, da bin ich wieder.“
„Verdammt, wo ist denn meine Hose?“ Alex klang verwundert. „Ich hab ja am Set mitgekriegt, dass du dein Kugelschreiber-Schwert oft verloren hast, aber deine Hosen?“ Sie unterdrückte ein Lachen. Ja, sie hatte leider recht, ich hatte den Kuli, der sich in Percys magisches Schwert verwandelte, bestimmt fünfzehn Mal verloren. Von wegen, der taucht wie von Zauberhand wieder in meiner Tasche auf, ha!
„Lange Geschichte“ sagte ich seufzend und fuhr mir durch die Haare. „Also, Al, was ist los?“
„Dean! Er macht mich wahnsinnig. Er hat mir in den letzten paar Tagen bestimmt, keine Ahnung, fünfhundert Nachrichten geschickt. UND versucht anzurufen. UND mir Bilder geschickt. Und er hat mir geschrieben, dass es mit uns beiden, also dir und mir, eh nichts mehr geben würde, da du jetzt eine Freundin hast! Und er würde sich natürlich bereit erklären, mich zu trösten! Was für eine Freundin? Und warum weiß ich nichts davon?“ Sie klang lauernd.
Alex war mit eine meiner besten Freundinnen. Sie war so etwas wie eine große Schwester für mich – Lindsey, nicht sauer werden – und wir hatten so viel Zeit am Set von Percy Jackson miteinander verbracht, dass uns wirklich eine tiefe und echte Freundschaft verband. Und wir erzählten uns eigentlich auch alles, fast, na ja, meistens.
„Äh, ja, Dean, ha ha, tja, was soll ich sagen? Du kennst ihn doch. Und du wusstest, dass er auf dich steht!“
„Lenk nicht ab.“ Alex klang wirklich wütend. „Bis jetzt konnten wir ihn ja noch damit im Zaum halten, dass er im Hinterkopf hatte, dass wir beide was miteinander hätten, aber jetzt reibt er mir da deine Freundin unter die Nase. Warum erzählst du mir denn nicht, dass du eine Freundin hast? Wer ist sie? Woher kennt ihr euch? Wie lange geht das denn schon? Dann könnte ich ihm gegenüber vielleicht irgendwie reagieren!“ Jetzt klang sie wieder aufgeregt und neugierig.
Ich strich mir die Haare aus den Augen und meine Gedanken wanderten wieder nach nebenan. Und diese Gedanken waren nicht sonderlich hilfreich.
„Ähm, Al, hör mir zu. Ich verspreche dir, dass ich mit Dean sprechen werde, okay? Aber ich glaube sowieso, dass sich das Problem eventuell sogar von selbst gelöst haben könnte. Dazu kann ich dir aber erst morgen früh mehr sagen, okay?“
„Wieso? Sag nicht, Dean hat jemanden gefunden? Jemand, der nicht ich ist?!“
Ich musste grinsen.
„Könnte sein. Wie gesagt, das ganze ist noch in Arbeit, ich weiß nicht, wie der heutige Abend ausgegangen ist, aber ich eventuell, tja, was soll ich sagen, ich ...“
„Laufbursche? Alles okay?“ Amelie erschien im Türrahmen und mir fiel die Kinnlade herunter, denn sie trug nur, na ja, nicht viel. Sie hatte sich die dünne Decke um die Schulter gelegt und hielt sie locker zusammen.
„Laufbursche?“ Alex' Stimme klang verwundert und ich räusperte mich.
„Ja, haha, genau. Al, wie gesagt, ich muss jetzt Schluss machen. Ich rufe dich morgen an, dann kann ich dir was genaues sagen, okay?“
Sie schwieg kurz, dann lachte sie.
„Oh, sie ist bei dir? Algenhirn, Algenhirn, dass mir keine Klagen kommen!“ Sie kicherte. „Okay, dann bis morgen.“
„Ja, bis morgen, Al.“ Ich unterbrach die Leitung und Amelie kam auf mich zu. Ich streckte ihr die Hand entgegen und sie ließ sich neben mich sinken. In der dünnen Decke versank sie fast.
„Alles okay?“ fragte sie leise.
„Ja, das war Al, sie, na ja, ach, lange Geschichte. Sorry, ich wollte dich nicht wecken.“
Sie sah mich neugierig an.
„Al? Wer ist Al?“
„Äh, Alex, Alexandra Daddario, Annabeth aus dem Film, du weißt schon.“ Ich grinste schief und wollte sie in den Arm nehmen. Doch sie zuckte zurück.
„Warum ruft sie denn mitten in der Nacht an?“ Ihr Blick war irritiert und ein wenig, ich weiß nicht, säuerlich und ich stellte fest, dass mir das verdammt gut gefiel. Sie war eifersüchtig. Das würde ja bedeuten, dass sie mich mochte!
„Wie gesagt, lange Geschichte, ich...“
„Ich hab Zeit.“ Sie sah mich durchdringend an und ich hätte sie küssen können – doch irgendwie wusste ich, dass ich das jetzt nicht tun sollte. Ich beeilte mich daher zu antworten:
„Ja, wie gesagt, lange Geschichte, die ich dir jetzt gerne erzählen möchte.“ Mir war leider nur zu sehr bewusst, was sie unter der Decke trug. Doch ich atmete tief durch und erzählte ihr die Story über die fast besessene – und unerwiderten – Liebe von Dean zu Alex.
Ich war gerade bei den gefühlten fünfhundert Nachrichten angekommen, als Amelie neben mir leise gluckste. Ich sah sie verwundert an, dann fing sie laut an zu lachen. Sie schlang die Arme um meinen Nacken und drückte ihren Kopf in meine Halsbeuge.
„Oh Gott, oh Gott. Das nenne ich eine Liebesgeschichte. Das ist ja schon ein Drehbuch für einen Film.“ Sie wurde vor Lachen geschüttelt und ich konnte nicht anders, ich musste ebenfalls anfangen zu lachen. Bei ihrer abrupten Bewegung war ihr die Decke von den Schultern gerutscht und ich legte die Hände auf ihre warme Haut.
„Oh, ich kenne sie zwar nicht, aber sie tut mir wirklich leid!“ Sie kicherte, dann hob sie den Kopf. „Du verstehst dich gut mit ihr, habe ich recht?“
„Äh, hä? Mit wem?“ Es war für meine Konzentration nicht sonderlich hilfreich, dass sie nur in eine dünne Decke gewickelt an mir lehnte.
Sie zog die Augenbrauen zusammen und wedelte dann mit ihrer Hand vor meinen verhangenen Augen hin und her. Ich zuckte zusammen.
„Was?“
„Mit Al? Ob du dich gut mit ihr verstehst?“ Sie sah mich an, als wäre ich komplett geistesgestört – aber wer könnte mir das verübeln – schließlich hatte ich mir den Kopf angestoßen!
„Äh, ja, doch, schon, wir, na ja, sind gute Freunde. Wir haben über ein halbes Jahr in Vancouver zusammen verbracht, das schweißt zusammen.“ Ich ließ sie los und fuhr mir über die Augen.
Sie lehnte sich zurück und schlang dann die Arme um die Knie, nachdem sie sich wieder fester in die Decke gewickelt hatte. Sie schwieg kurz, dann fragte sie leise:
„Erzählst du mir ein bisschen von dir? Ich kenne dich ja eigentlich überhaupt gar nicht.“
Ich setzte mich ihr im Schneidersitz gegenüber und zog ein Stück der Decke über meine Beine. Ich musste lächeln.
„Was möchtest du wissen?“
Sie erwiderte mein Lächeln und setzte sich dann so, dass sich unsere Beine unter der Decke berührten.
„Alles, Laufbursche.“ Sie streckte die Hand aus und ich umfasste sie sanft. Ich zog die Augenbrauen nach oben und überlegte kurz. Dann fing ich an zu reden.
Wir waren wieder ins Schlafzimmer umgesiedelt, die Couch konnte man wirklich niemandem zumuten. Dort unterhielten wir uns noch stundenlang. Ich glaube, ich habe noch niemandem so ausführlich über mein Leben erzählt, über meine Familie, über Los Angeles und auch über meine Karriere. Und ich kam mir noch nicht einmal blöd dabei vor, es war einfach, ich weiß es nicht, es war einfach richtig. Irgendwann hatte sie sich zwischen meine Beine gelegt, ihr Rücken lehnte an meinem Oberkörper. Wir waren beide in die Decke eingewickelt und meine Hände hielten ihre umfasst.
Sie erzählte mir von ihrer Familie, von ihren Freunden und auch von ihrer Arbeit, die mir nach der Geschichte mit der Security so gar nicht mehr langweilig vor kam. Und je mehr sie redete, umso mehr schien sie aufzublühen. Sie liebte ihre Familie, das merkte ich an ihren strahlenden Augen, wenn sie ihre Eltern erwähnte.
Ich legte ihr die Hand auf die Wange und sie lächelte zu mir auf.
„Was?“ fragte sie und sah mich verwundert an.
„Nichts.“ Ich beugte den Kopf und küsste sie auf die Nasenspitze. Sie hob die Hände und umfasste damit meinen Nacken. Ihre Lippen waren leicht geöffnet und sie hob das Kinn. Ich grinste sie an.
„Was soll denn das werden, Miss?“
Sie zwinkerte mir zu.
„Sir, Sie haben das Recht zu schweigen und die Pflicht, mich zu küssen.“
„Und wenn ich das nicht möchte?“
Sie zog die Augenbrauen nach oben und hatte plötzlich den gleichen Blick aufgesetzt, den sie den beiden Mädels in Berlin zugeworfen hatte.
„Oh, überredet.“ Ich beugte den Kopf tiefer über sie und ihre Augen begannen zu leuchten.
Amelie hatte die ganze Nacht bei mir verbracht und trotz des Schlafmangels fühlte ich mich so gut und ausgeruht wie schon lange nicht mehr. Und auch sie hatte mich morgens strahlend und mit leuchtenden Augen angelächelt. Von mir aus könnte jeder Tag so beginnen. Wir hatten uns für nach dem Training im hoteleigenen Schwimmbad verabredet und danach wollten wir uns zusammen mit Saskia, Dean und Daniel Würzburg anschauen. Wie gerne hätte ich mit ihnen zusammen jetzt gefrühstückt, aber ich war ja immer noch auf der Arbeit und die ging natürlich vor.
Das Training verlief wahnsinnig gut. Die Schritte meiner Kampfchoreographie saßen, meine Hiebe waren fließend und geschmeidig und Imke sparte nicht mit Lob – und normalerweise war schon ein Lob mehr als ungewöhnlich. Und ich grinste wie ein Honigkuchenpferd.
Ich ließ den Degen in meiner Hand kreiseln und wich Imkes Angriff locker aus. Ihren Schlag konnte ich problemlos parieren und sie zog die Augenbrauen nach oben.
„Was ist denn mit dir passiert?“ wollte sie wissen und grinste mir zu. „Wirklich gut, nicht schlecht.“
Ich machte eine Verbeugung in ihre Richtung.
„Mylady, ganz zu Euren Diensten!“ Dann ging ich wieder in die Grundstellung und kreuzte meine Klinge mit ihrer.
Das Training war anstrengend und mir liefen Schweißperlen über die Stirn, aber es hatte mir schon seit Tagen nicht mehr so viel Spaß gemacht.
Imke zeigte mir eine komplizierte Schrittfolge und normalerweise dauerte es mehrere Male, bis ich mir überhaupt irgend etwas davon merken konnte, doch ich war wie beflügelt und konnte schon beim zweiten Zeigen fast mit ihr mithalten.
Sie klatschte überrascht in die Hände.
„Ich weiß nicht, was mit dir geschehen ist, aber von mir aus kann es genau so bleiben“, sagte sie lachend, als ich ihr nach einem heftigen Schlagabtausch meinen Degen unter die Nase hielt. Ich atmete keuchend, doch ich war schon extrem stolz auf mich.
Imke fuhr sich über die Stirn und sah dann auf die große Uhr über den Türen zu Umkleide.
„Okay, das war's für heute. Behalte dir das auf jeden Fall so bei, okay? Am Montag um die gleiche Zeit?
„Äh, ich weiß nicht, ich hab, äh...“
„Am Montag hat Logan morgens einen Dreh, wir müssten dann auf nachmittags gehen?“ Carly, die mich begleitet hatte, war herangekommen und hatte ihr Tablet in der Hand. Konzentriert blickte sie über meinen Terminkalender und Imke trat neben sie. Die beiden diskutierten irgend etwas und ich wartete ab. Etwas anderes blieb mir ja sowieso nicht übrig. Ich ließ den Degen wieder kreiseln und meine Gedanken wanderten zu Amelie. Gott, ich vermisste sie jetzt schon, obwohl sie die letzten zwölf Stunden komplett mit mir zusammen gewesen war.
„Logan? Hörst du zu?“ Carlys Stimme drang in meine Gedanken und ich fuhr überrascht zusammen.
„Äh, ja, was?“
„Du musst um neun am Montag am Set sein. Sieben Uhr hier in der Halle?“
„Morgens?“ Entgeistert starrte ich die beiden an und sie starrten nicht minder irritiert zurück. Carly nickte.
„Ja, natürlich.“
Ich fuhr mir durch das Gesicht und zwang mich dann wieder zu einem Lächeln.
„Ja, klar, schreib es irgendwo auf.“ Ausschlafen wurde auch überbewertet! Ungeduldig wippte ich auf meinen Fußballen und fragte: „Können wir dann los?“
Carly verdrehte die Augen und Imke nahm mir den Degen ab.
„Ja, verschwinde schon. Ich hab zwar keine Ahnung, was hier los ist, aber ich hoffe, dass es so bleibt!“
Ich grinste der Trainerin nochmal zu, dann beeilte ich mich, in die Umkleide zu kommen.