Flug ins Glück
von Yvaine19
Kurzbeschreibung
Amelie muss beruflich von München nach Berlin fliegen. Sie hat Flugangst, aber aus einer glücklichen Fügung heraus wird sie in die Business-Class hochgebucht. Und ihr netter Sitznachbar hilft ihr, die Flugangst wenigstens teilweise in den Griff zu kriegen ... Aufgrund der großen Nachfrage (wie sich das anhört, wie im Katalog) gibt es noch eine kleine Fortsetzung in Form von drei, na ja, Nachfolgekapiteln. Ich hoffe, ich konnte jetzt alle Fragen beantworten :O)
GeschichteLiebesgeschichte / P16 / Gen
17.12.2012
01.05.2013
40
144.461
10
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Dieses Kapitel
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17.12.2012
5.196
Der Schnee hat uns quasi überfallen und mich dazu gezwungen, zu Hause zu bleiben - na ja, Karneval mag ich eh nicht, dann ist es auch egal. Tja, und da hab ich doch mal einen gemütlichen Tag mit der Katze auf der Couch verbracht und ein wenig geschrieben.
Erster Auftritt Saskia, ich hoffe, ihr mögt ihre bisschen bekloppte Art. :o) Sie ist ja doch so ziemlich das Gegenteil von Amelie geworden.
________________________________
Amelie
„Was genau wollen wir eigentlich in Würzburg?“ Saskia steuerte ihr winziges Auto mit einer Hand über die Autobahn und lag dabei eher im Sitz als dass sie ordentlich saß. Sie tippte mit dem Finger zur Musik aus den Boxen und ihr linker Arm hing aus dem offenen Fenster. „Ich meine, nicht dass ich nicht absolut spontan bin, aber du bist doch sonst nicht so. Man muss dich normalerweise wochenlang zu einem Kinobesuch überreden.“
Ich hatte die Karte auf den Knien liegen und ich sah mir die Strecke zum bestimmt zehnten Mal an. Zwar hatten wir ein Navi, doch Saskia und ich hatten es schon mehrmals geschafft, uns trotz Navi zu verfahren.
„Warum denn nicht? Würzburg soll doch ganz schön sein“ antwortete ich lahm. „Und nach dem Stress in Berlin habe ich mir ein Wellness-Wochenende verdient. Zwei Flüge in drei Tagen.“
Saskia summte schief mit, dann sagte sie:
„Na ja, schön und gut, aber Würzburg? Dann hätten wir auch nach London fliegen können oder so. Wobei, fliegen … hm, ne, dann lieber Paris mit dem Zug oder so.“
Ich zuckte mit den Achseln und je näher wie Würzburg kamen, umso wilder begann mein Herz zu klopfen. Ich hatte Saskia noch immer nichts von Logan erzählt. Und sie wusste auch nicht, dass wir uns die Dreharbeiten anschauen würden. Und wenn Logan es hinkriegen würde, hätte sie sogar die Chance auf ein zweites Treffen mit Orlando. Ich hatte es ihr für mein eigenes Seelenheil nicht erzählt, denn sonst hätte sie mir keine ruhige Minute mehr gelassen.
Ich zögerte kurz, dann sagte ich:
„Ich war in Berlin übrigens auf einem kleinen Konzert, war ziemlich cool. Hat sich so ergeben.“
Saskia starrte mich überrascht von der Seite an.
„Was? Hat sich so ergeben? DU warst EINFACH SO auf einem Konzert? Was ist denn mit dir passiert? So etwas wägst du doch auch sonst wochen- und monatelang ab.“
„So schlimm bin ich nun auch nicht“ sagte ich fast ein wenig beleidigt.
„Na ja, aber es kommt schon ziemlich nah dran.“ Saskia zog todesmutig auf die linke Spur, obwohl ihr Autochen nur gefühlte 30 PS hatte. Der Motor heulte gequält und ich hielt mich am Türgriff fest. Aber ich hatte ja gewusst, auf was ich mich einlassen würde. Saskias Autochen und Logans Limousine waren wirklich wie Tag und Nacht.
„Also, was hast du dir angeschaut? Und vor allem: mit wem?“
Ich schwieg einen Moment, dann griff ich nach meinem Handy. Ich hatte mir das Video schon so oft angeschaut, dass es sich schon fast von alleine öffnete. Ich hatte ein wenig zu spät auf „Aufnahme“ gedrückt, deshalb dröhnte Deans' Stimme sofort aus dem kleinen Lautsprecher. Mein Blick lag nur auf Logan, der ein wenig im Hintergrund hinter dem Keyboard stand und breit grinste. Und sein Blick war nur auf mich gerichtet. Seine Augen blitzten und er sang undeutlich mit.
„Oh, was ist das? Klingt ja ganz gut – bis auf die Qualität von deiner Aufnahme, die ist scheußlich.“ Saskia beendete ein rasantes Überholmanöver, dass ihr ein lautes Hupen einbrachte, doch sie drehte mir absolut unbeeindruckt den Kopf zu.
„Schau auf die Straße, du meine Güte.“ Ich klammerte mich an dem Griff fest und sah sie strafend an.
„Ja, ja, sei nicht so langweilig, Ami. Also, wer ist das?“
„Die Band heißt „Pacific“, die sind aus Kalifornien.“
„Nicht schlecht.“ Saskia sah strafend zu einem Bus, der es wagte, vor ihr auf der rechten Spur zu fahren. „Und wie bist du daran gekommen?“
„Lange Geschichte“ antwortete ich leise. Ein Autobahnschild zeigte gerade, dass es noch rund 50 km bis nach Würzburg waren und ich hätte eigentlich die Chance nützen müssen, um Saskia zu erzählen, was in Berlin passiert war, aber irgendwie wusste ich nicht, wie ich anfangen sollte.
„Du bist ziemlich schweigsam in den letzten beiden Tagen, also das muss ich schon sagen.“ Saskia grinste mich kurz von der Seite an. „Aber der Sound ist cool, mach das nochmal an und mach mal lauter.“
Mit jedem gefahrenen Kilometer schlug mein Herz lauter und es tat mir fast in der Brust weh. Ich hatte Saskia erzählt, dass ich ein Hotel gebucht hatte und zum Glück war meine beste Freundin noch nie jemand gewesen, der sich um so etwas Banales wie Bezahlung oder ähnliches Gedanken machte. Das Hotel war gebucht, okay. Der Rest war ihr eigentlich ziemlich egal. Wenn ich danach fragen würde, würde sie mir natürlich sofort das Geld geben, aber von selbst kam sie überhaupt nicht auf die Idee, dafür war kein Platz in ihrer kleinen rosaroten Seifenblase.
'As We Got Older' lief jetzt fast auf Dauerschleife und wir sangen beide mit. Okay, eher laut als richtig, aber wir hatten wirklich Spaß. Und das Lied war wirklich ein Knaller, ich hoffte, dass die Jungs auch hier in Deutschland Erfolg haben würden.
Ich ließ das Handy in meinen Händen hin und her wandern, dann sagte ich:
„Weißt du, wer der Sänger ist?“
Saskia drehte mir den Kopf zu und sah mich neugierig an.
„Nein, wer denn? Hat ne ziemlich gute Stimme.“
„Dean Collins.“
Saskia zuckte mit den Schultern.
„Nie gehört. Aber wie gesagt, Party und Stimmung machen kann er.“
„Er spielt bei 'Hinterm Sofa an der Front' mit.“
„Was?“ Saskia starrte mich perplex an und wieder machte ihr ein Autofahrer durch ein lautes Hupen klar, dass sie genau auf der weißen Linie fuhr. „Aber doch nicht der komische Vater, oder?“
Ich musste grinsen.
„Nein, der jüngste Sohn. Du weißt schon, der Blonde.“
„Was? Ich fasse es nicht. So eine bescheuerte Serie und so ein guter Sänger? Das passt doch gar nicht. Er sollte da aussteigen und nur noch Musik machen.“
Ich musste grinsen. Saskia würde sich definitiv mit Dean gut unterhalten können, da war ich mir sicher.
Ein weiteres Autobahnschild zeigte an, dass es nur noch 20 km waren und mein Atem beschleunigte sich. Ich kurbelte das Fenster auf meiner Seite herunter und sog die frische Luft ein. Wir hatten uns jetzt eineinhalb Tage nicht gesehen und er fehlte mir ganz schrecklich. Was sollte das nur werden, wenn er wieder zurück in die USA fliegen würde? Aber da wollte ich jetzt überhaupt nicht dran denken!
Die junge Frau hinter der Rezeption sah mich mal wieder mit diesem mir bereits bekannten starren Blick an und ich hob trotzig das Kinn. Ja, Logan hatte das Zimmer für mich gebucht, aber mittlerweile war es mir wirklich egal.
Saskia bemerkte von der stummen Konversation nichts, sie sah sich staunend um. Als die Frau etwas in ihren Computer tippte, flüsterte sie mir ins Ohr:
„Bist du verrückt? Was ist denn das für ein Hotel? Das ist ja der Wahnsinn. Das ist doch total übertrieben.“
Ich lächelte ihr zu und griff dann nach der Keycard, die mir die Frau reichte. Sie sah mich forschend an und sagte dann:
„Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.“
„Vielen Dank.“ Ich sah sie stur an. „Können Sie mir vielleicht sagen, wie man zur Residenz kommt? Ist das weit von hier?“
Sie hielt meinem Blick stand und ich hätte ihr so gerne die Meinung gesagt, doch ich hielt mich zurück.
„Quer durch die Stadt ist es ein guter Kilometer. Dann können Sie sich die Altstadt anschauen.“ Sie schwieg kurz, dann sagte sie fast beißend: „Da sind ja die Dreharbeiten, habe ich recht?“
Saskia fuhr neben mir zusammen und fragte verdutzt:
„Hä? Welche Dreharbeiten?“
Mein Blick verdüsterte sich ein wenig und die Frau senkte tatsächlich den Kopf. Ich weiß jetzt nicht, ob es an meinem Blick lag oder daran, dass Logans Name quasi hinter meinem stand, doch ich fühlte mich wirklich gut dabei. Ich griff nach meiner Tasche und ging dann zusammen mit Saskia zum Aufzug.
Das Zimmer war um einiges luxuriöser als mein Zimmer in Berlin – obwohl das auch nicht zu verachten gewesen war. Und das Badezimmer war abgeschlossen! Saskia fiel fast die Kinnlade herunter.
„Amelie? Hast du in Berlin eine Bank ausgeraubt? Bist du wahnsinnig? Schau dich doch hier mal um. Ich traue mich gar nicht, hier irgend etwas anzufassen.“ Sie tippte vorsichtig auf die Bettdecke und ich musste kichern.
„Ach man, du bist doch blöd. Hinterfrag' es doch nicht, das ist ein Wellness-Wochenende.“
Saskia warf mir einen merkwürdigen Blick zu, doch dann grinste sie breit. Sie nahm Anlauf und ließ sich auf das breite Bett fallen.
„Yeah, das ist mal nicht schlecht. Cool. Das Bett nehme ich mit nach Hause.“ Sie rollte sich auf die Seite und ich musste lachen. Doch dann fragte sie:
„Die alte Schreckschraube an der Rezeption hat dich ja angeschaut, als wollte sie dir eine reinsemmeln. Kennst du die Alte? Und was hat sie mit Dreharbeiten gemeint? Welche Dreharbeiten?“
Ich setzte mich auf die Bettkante und fuhr mir dann durch die Haare – oh nein, hatte ich mir das schon von Logan abgeschaut? Ich grinste schief und sagte dann lahm:
„Na ja, du weißt schon. Dieser Film, der Musketier-Kram. Ich weiß doch, dass du da soviel Spaß dran hast und die drehen hier in Würzburg und deshalb … uff!“ Weiter kam ich nicht, denn Saskia hatte mich von der Seite umarmt und zog mich auf den Rücken. Dann brüllte sie an meinem Ohr:
„Das ist nicht dein Ernst? Du fandest das doch voll doof und jetzt willst du mit mir zu den Dreharbeiten gehen? Oh Gott, und ich hab Orlando gar nicht gesagt, dass ich komme! Er ist ja jetzt überhaupt nicht vorbereitet! Ich muss mich umziehen!“ Sie sprang vom Bett und ich musste grinsen. Wenn sie wüsste, dass sie Orlando vielleicht wirklich treffen würde, dann würde sie wirklich an einem Herzinfarkt sterben.
Eine Stunde später hatten wir die Residenz erreicht und ich sperrte überwältigt Augen und Ohren auf. Ich hatte Logan vom Hotel aus noch eine Nachricht geschrieben:
<<Sind gut angekommen, das Zimmer ist wunderschön. Saskia versteht grade irgendwie gar nichts. Wir kommen jetzt zur Residenz. Sollen wir irgendwo warten?>>
Aber eine Antwort hatte ich bisher noch nicht erhalten. Und als ich das riesige Set sah, die gewaltige Technik, die vielen Menschen, da war es mir schon klar, dass er keine Zeit hatte, auf meine poppelige kleine Nachricht zu antworten.
Saskia hatte ja den ganzen Aufbau schon in Bamberg gesehen, aber trotzdem war sie genau so überwältigt wie ich.
„Wow, das ist der Hammer. Schau dir das mal an, ich fasse es überhaupt nicht.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der anderen Schaulustigen blicken zu können. Sie stützte sich an mir ab und ich warf wieder einen Blick auf mein Handy, das im gleichen Moment vibrierte:
<<Wo bist du denn?>>
Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen und in diesem Moment ging ein Raunen durch die Schaulustigen. Ein paar Mädchen fingen an zu kreischen und deuteten mit den Fingern irgendwo nach links.
„LOGAAAAN, da, da Logan … oh mein Gott ...“
Ich hielt mich an Saskia fest und stellte mich dann ebenfalls auf die Zehenspitzen. Irgendwo weiter hinten glaubte ich wirklich, seine Gestalt erkennen zu können, doch sie wirkte ziemlich unförmig, weshalb ich nicht sagen konnte, ob er es wirklich war. Schnell tippte ich in mein Handy:
<<Wir sind vorne an der Residenz. Da ist eine Absperrung. Was soll ich denn machen?>>
Und wirklich, die Gestalt beugte den Kopf und sah auf etwas, das sie in der Hand hielt. Ich hätte vor Freude weinen können. Vor ihm glaubte ich Carly zu erkennen. Und neben ihr stand eine schlanke blonde Frau, die ich nicht kannte. Er gestikulierte mit den Händen und ich musste fast liebevoll lächeln. Und dann eilte er auf die Absperrung zu.
Ohne auf Saskia zu achten, drängelte ich mich nach vorne. Ein Mädchen warf mir einen wütenden Blick zu, doch die meisten ließen mich einfach durch. Und auch das war wieder etwas, das ich von mir selbst nicht kannte. Noch vor einer Woche hätte ich über die Leute hier den Kopf geschüttelt und hätte mich gefragt, was sie denn davon haben würden, wenn sie einen Promi zu Gesicht bekamen. Und ich hätte mich definitiv nicht in die erste Reihe gedrängelt!
Saskia folgte mir verblüfft und erwischte mich gerade noch am Arm.
„Was ist denn in dich gefahren? Was lässt du mich denn einfach stehen? Ist Orlando da?“ Sie bohrte einer etwa Gleichaltrigen mit Nachdruck den Ellenbogen in die Seite und konnte so zu mir aufschließen. Sie sah mich forschend an. „Geht es dir gut?“ Sie wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. „Haben die dich irgendwie einer Gehirnwäsche unterzogen?“
Ich schob ihre Hand weg und stellte mich auf die Zehenspitzen – und ja, ich benahm mich wirklich grade wie ein verrückter Fan, doch ich konnte einfach nicht anders. Zu sehr sehnte ich mich nach seinen Berührungen und seinen Küssen.
Ein rot-weißes Band sperrte den Vorplatz der Residenz von den Zuschauern ab und einige Sicherheitsleute standen locker Spalier, doch als Logan jetzt nach vorne kam, da drängten sich die Leute in seine Richtung und die Sicherheitsmenschen scharrten sich um ihn. Er wurde von links und rechts abgeschottet, so dass er sich auf die einzelnen Personen konzentrieren konnte.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und mein Herz schlug so heftig, dass ich schlucken musste. Mein Blick lag auf ihm und meine Lippen zitterten ein wenig. Er sah phantastisch aus. Er trug eine schwarze enge Lederhose und wieder einmal tauchte das Bild von ihm in den schwarzen Retroshorts vor meinem inneren Auge auf. Die Lederhose steckte in kniehohen Lederstiefeln, die ihm einen festen und harten Gang gaben. Sein schmaler Oberkörper steckte in einem weißen Hemd, doch darüber trug er eine taillierte enge, ebenfalls schwarze Lederjacke mit einem aufgestickten Kreuz auf Brusthöhe. Ein dunkler Umhang war über seiner Schulter festgemacht worden und fiel über die linke Seite, weshalb seine Gestalt von weitem unförmig ausgesehen hatte. Darunter blitzte der Griff eines silbernen Degens auf. Und jetzt passten auch seine Haare ins Bild – obwohl mir die Percy Jackson-Frisur um einiges besser gefallen hatte!
Ich konnte ihn nur anstarren und Saskia brummte neben mir:
„Oh man, was ist denn mit dir los? Halloho?!“ Sie wedelte mir schon wieder mit der Hand vor dem Gesicht herum und ich knurrte sie fast wütend an:
„Hey, lass es doch bleiben. Du willst doch die Dreharbeiten gucken, oder nicht? Dann guck!“
Saskia sah mich irritiert an, zog jedoch die Hand zurück.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Du meine Güte.“ Sie schien Logan absolut uninteressant zu finden, denn sie stellte sich wieder auf die Zehenspitzen und linste auf den Vorplatz. „Ob Orlando da irgendwo ist? Warum kommt der nicht und gibt Autogramme? Wer ist der hier denn?“
Ich schob mich vor sie und stand nun direkt an der Absperrung. Ich wusste überhaupt nicht, was ich hier tat, aber wie sollte ich ihn sonst auf mich aufmerksam machen?
Je näher er mir kam, umso härter und schneller schlug mein Herz. Ich befeuchtete mir die Lippen und meine Hände legten sich um die rot-weiße Absperrung. Das Mädchen neben mir quietschte auf, als er vor ihr stand und sie fragte:
„Hi. Wie ist dein Name?“ Seine Stimme war neutral und auch der Blick, den er ihr zuwarf, war komplett anders als der, den ich von ihm kannte. Es war wirklich so, als wäre er eine komplett fremde Person.
„Nicole“ stammelte sie und er gab ihr ein Autogramm. Sie machten ein Foto zusammen und ich erkannte auch sein Lächeln kaum wieder. Es war freundlich, aber die Zärtlichkeit und Herzlichkeit, die ich so daran mochte, waren verschwunden.
„Hi, wie ist de...“ Er blieb vor mir stehen und während er redete, beugte er sich kurz über sein Handy, dass er in der Hand hielt. Und ich erkannte genau, dass er das Bild vom Brandenburger Tor als Hintergrund festgelegt hatte. Dann hob er den Kopf und er sah mir in die Augen. Er hatte sich sofort unter Kontrolle, doch ich hatte seinen Blick genau gesehen: erst überrascht, dann zärtlich und voller Liebe. Mein Herz zerbrach fast in tausend Teile, weil es mit dem Klopfen nicht hinterher kam. Er lächelte mich an und ich musste mich zwingen, ihm nicht um den Hals zu fallen. „Wie ist dein Name?“ fragte er leise und mit einem kleinen schiefen Grinsen.
Ich starrte ihn an und wie ein Idiot antwortete ich:
„Amelie.“
Er lächelte und jetzt war es genau, wie ich es in Erinnerung hatte: sanft und absolut liebevoll.
„Amelie. Ein schöner Name.“ Er zögerte kurz. „Wo soll ich unterschreiben?“
Das Mädchen neben mir ging fast in die Knie und reichte mir ein Blatt Papier. Er grinste breit und kritzelte etwas darauf. Dann drückte er es mir in die Hand und verschloss meine Finger mit seinen. Bei seiner Berührung hatte ich sofort Gänsehaut am ganzen Körper. Es dauerte nur Sekunden und ich war mich sicher, dass es niemand bemerkt hatte. Ich lächelte ihn schüchtern an und ich sah ihm an, dass er sich zwingen musste, seinen Blick neutral zu halten. Gott sei Dank durfte ich offiziell so dämlich aussehen, wie ich wollte!
In diesem Moment trompetete mir Saskia ins Ohr:
„Wenn du hier schon auf Fangirl machst, dann machen wir auch ein Foto, oder? Das glaubt mir ja keiner, dass du echt mit mir hier warst und einen Schauspieler angehimmelt hast!“ Sie hatte schon das Handy in der Hand und ich konnte sehen, dass Logan vor unterdrücktem Gelächter geschüttelt wurde, als er meinen entgeisterten Blick sah. Saskia wedelte mit dem Handy in seine Richtung und brüllte so laut, als wäre er schwerhörig und zudem noch absolut schwer von Begriff: „Foto, please! This is a camera!“ Ich drehte mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck um und er legte mir den Arm um die Schulter. Scheinbar zufällig streichelte er mir dabei über den Nacken und ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu seufzen. Und mir war so klar, dass das kein Zufall war! Ich tat so, als würde ich stolpern und trat ihm mit aller Kraft auf den Fuß. Er zuckte zusammen und fing mich automatisch mit einem Griff um die Hüfte auf. Die Sicherheitsleute scharten sich enger um uns, doch er winkte ab.
„Hey, vorsichtig. Alles okay?“ Seine Stimme klang gepresst, er unterdrückte ein Lachen, denn er hatte natürlich gesehen, dass ich unterirdisch schlecht schauspielerte.
„Oh, sorry“ flötete ich übertrieben und die Mädchen um uns herum sahen mich so entsetzt an, als hätte ich versucht, ihn mindestens umzubringen.
Er grinste vergnügt und antwortete schelmisch:
„Kein Problem, Gott sei Dank bin ich ja kein Laufbursche oder so, der dringend auf seine Füße angewiesen wäre!“ Dann ließ er mich los und widmete sich dem nächsten Mädchen. Ich hielt den Zettel in der Hand und schob mich aus dem Gedränge heraus. Ich faltete ihn auseinander und konnte lesen: Carly, weiße Transporter, Kuss, dein Laufbursche!
„Man, was ist denn in dich gefahren? Willst du schon abhauen? Das war ja...“
„Mensch, jetzt komm doch einfach mit.“ Ich fuhr Saskia ziemlich grob über den Mund und sie starrte mich verblüfft an. Ich stand wie auf glühenden Kohlen und sah mich suchend um. Weiter hinten entdeckte ich einen ganzen Fuhrpark von weißen Transportern und ich hoffte einfach, dass Logan diese gemeint hatte. Ich warf nochmal einen Blick zurück und erkannte, dass er noch immer mit den Zuschauern beschäftigt war. Als hätte er meinen Blick gespürt, drehte er im gleichen Moment den Kopf in meine Richtung und er zwinkerte mir ganz kurz zu. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Fans.
Saskia blieb mitten auf dem Gehweg stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre braunen Augen funkelten im Sonnenlicht.
„Stop, Frau Krüger. Verrätst du mir bitte, was hier vorgeht?“
Ich wippte ungeduldig auf den Fußballen auf und ab und sah sie an.
„Was meinst du?“
„Denkst du, ich bin bescheuert?“ Sie sah mich fast strafend an und schüttelte sich dann die kurzen dunklen Haare aus der Stirn. „Denkst du, ich hab nicht gesehen, wie du den Typen angestarrt hast? Und er hat ja auch nicht minder interessiert zurück gestarrt. Wer ist das? Woher kennst du ihn?“
Mir blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Ich hätte drauf gewettet, dass niemand unseren Blickkontakt wahrgenommen hatte, doch Saskia bekam leider immer das mit, was sie eigentlich nichts anging. Ich druckste ein wenig herum, dann sagte ich leise:
„Hey, ähm, na ja, lange Geschichte.“
„Ich hab Zeit. Viel Zeit. Orlando ist ja noch nicht da!“ Sie sah mich abwartend an und ich kannte sie genau. Sie war stur, sie würde wirklich stundenlang hier stehen bleiben. Ich streckte die Hand nach ihr aus und hakte mich bei ihr unter.
„Fünf Minuten, okay? Ich erzähle es dir gleich. Aber bitte, flipp nicht aus, okay?“ Ich sah sie flehend an und irgend etwas an meiner Haltung schien Saskia doch weich werden zu lassen. Sie sah mich an und fragte dann leise:
„Ist alles okay mit dir? Du siehst so, na ja, ich weiß nicht, so verändert aus.“
Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein fröhliches Lachen über das Gesicht zog.
„Oh ja, es ist alles okay. Und noch viel besser als okay. Komm mit!“ Ich zog sie hinter mir her und sie folgte mir verwirrt.
Bei den weißen Transportern, die sich als Mietwagen einer großen deutschen Leihwagenkette herausstellten, blieb ich stehen und sah mich suchend um. Dann hörte ich meinen Namen:
„Amelie, hallo.“ Ich fuhr herum und erkannte Carly, die auf mich zusteuerte. Sie hob die Hand und lächelte mir entgegen. Ich hatte wohl irgendwie ihr Vertrauen bei der Autofahrt gewonnen.
„Oh, hallo.“ Ich lächelte zögerlich, es war doch alles noch so seltsam und merkwürdig für mich, dass ich auf Du und Du mit Logans Assistentin war.
Carly strich sich eine Haarsträhne aus den Augen und ich stellte überrascht fest, dass sie keinerlei Taschen mit sich schleppte. Ungewohntes Bild.
„Hey, Logan hat mich gebeten, euch mit rein zu nehmen. Der Innenraum ist abgesperrt, da sind nur Cast und Crew.“ Sie sprach wirklich gut Deutsch, obwohl sie über manche Worte stolperte.
Saskia starrte sie irritiert an.
„Was? Wo rein? Wie? Cast und Crew? Amelie, was geht hier vor?“
Ich musste lächeln und drückte ihre Hand. Dann sagte ich:
„Das ist übrigens meine beste Freundin Saskia. Saskia, das ist Carly.“
Saskia beäugte sie misstrauisch.
„Hallo Carly. Und was genau tun wir jetzt hier?“
Bevor sie antworten konnte, sagte ich schnell:
„Du wolltest doch Dreharbeiten sehen. Jetzt siehst du welche.“
Sie sah mich so überrascht an, dass ich kichern musste. Auch Carly gestattete sich ein kurzes Grinsen, dann sah sie auf ihre Uhr.
„Kommt ihr mit? Ich glaube, Logan stirbt sonst an einem Herzinfarkt.“
Sofort begann mein Herz wieder zu galoppieren und ich ignorierte Saskias fragenden Blick. Carly führte uns durch einen Seiteneingang in die Residenz hinein und nachdem sie ihren Ausweis, der in einem Clip an ihrer Jeans hing, vorgezeigt hatte, ließ man auch uns ohne Probleme passieren.
Ich sah mich staunend um, als sie uns durch einen Korridor führte. Der ganze Prunk und die edlen Einrichtungsstücke waren wunderschön und ich sperrte die Augen auf. Doch im gleichen Moment hörte ich schnelle Schritte und eine Stimme rief:
„Amelie! Da bist du ja.“
Ich fuhr zusammen und erkannte Logan, der mit wehendem Umhang auf uns zustürmte. Sein Gesicht strahlte und seine Augen funkelten so hell wie Sterne. Der Degen schlug ihm gegen die Beine, doch er reagierte darauf gar nicht. Er breitete die Arme aus und ich ließ Saskias Arm los, die wie vom Donner gerührt stehen blieb. Sein Kostüm schien schwer zu sein, denn er bewegte sich irgendwie merkwürdig, auch seine Schritte waren anders, doch ich hatte nur wenig Zeit, ihn anzustarren, denn schon in der nächsten Sekunde war er endlich bei mir. Seine Hände legten sich auf meine Wangen und er drückte die Stirn gegen meine. Ich konnte nur murmeln:
„Hey, Laufbursche“, mehr brachte ich nicht über die Lippen. Ich war viel zu glücklich, ihn wieder bei mir zu haben.
Er atmete schwer und flüsterte ebenso leise:
„Mein süße Amelie.“ Und dann küsste er mich so sanft und zärtlich, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Ich schlang die Arme um seinen Nacken und mein Körper presste sich eng gegen seinen. Sein Umhang legte sich über meine Schulter und er zog mich noch enger in seine Umarmung. Seine Hände wanderten in meinen Nacken und es war mir egal, ob uns irgend jemand zusah oder nicht. Ich stöhnte leise auf, als er mir in die Haare fuhr und ich spürte, dass er wegen meiner Reaktion lächeln musste.
Der Kuss war wunderschön und schien ewig zu dauern. Seine Zunge strich sanft über meine Unterlippe und ich konnte überhaupt nicht anders, als ihm Einlass zu gewähren. Zwischen uns hätte nicht einmal mehr ein Stück Papier Platz gehabt und ich musste mich an seinen Schultern festhalten, um nicht umzufallen.
Ein Räuspern drang in mein Unterbewusstsein und ich schnappte nach Luft. Und dann hörte ich Saskias verblüffte Stimme:
„Und genau JETZT will ich die lange Geschichte hören!“
Logan grinste an meiner Wange, dann ließ er seine Lippen über meine Halsbeuge wandern. Dann, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, hob er den Kopf, stellte sich neben mich, legte mir einen Arm um die Hüfte und streckte Saskia dann die Hand entgegen.
„Hi, ick bin Logan. Du muss Saskia sein. Ick hab schon viel von dich gehort. Freut mich, dich kennen su lerne!“
Und zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich meine beste Freundin sprachlos. Und ich war nicht minder sprachlos, denn Logan hatte tatsächlich Deutsch gesprochen.
„Woher, was, wieso?“ stammelte ich nicht gerade intelligent und er zog mich an sich. Er grinste und wechselte dann wieder ins Englische:
„Ich habe das auswendig gelernt, ich wollte doch einen guten Eindruck auf deine beste Freundin machen“ flüsterte er an meinem Ohr und küsste mich dann auf die Wange. „Du hast ja auch einen super Eindruck auf meinen besten Freund gemacht und da wollte ich mich revanchieren.“
Ich sah ihn an und er lächelte verschmitzt. Ich hob die Hand und streichelte ihm über die Wange. Saskia war noch immer wie erstarrt und daher drehte ich mich in seiner Umarmung um.
„Oh Gott, ich hab dich vermisst“ murmelte ich und hob das Kinn. Meine Lippen legten sich auf seine und ich hätte hier stundenlang mit ihm stehen können. Doch dann schien sich Saskia endlich gefangen zu haben.
„Amelie Krüger und Logan, den ich nicht kenne. Was geht hier vor?!“ Sie hatte wohl verstanden, dass Logan eigentlich Englisch sprach, denn sie hatte ebenfalls auf Englisch gesprochen. Man merkte sofort, dass ihre Sprachkenntnisse ziemlich eingerostet waren, denn ihr Satz klang holprig, aber ich musste trotzdem kichern, als Logan vor mir aufseufzte.
„Ich fühle mich hier wirklich langsam aber sicher gemobbt. Ich muss mit meinem Management und mit meiner PR-Abteilung sprechen. Es kann doch nicht sein, dass mich hier niemand kennt!“
Ich musste kichern und drückte meine Stirn gegen seine Brust. Er streichelte mir über den Rücken und ich atmete den Duft seines Parfums ein, der sich mit dem angenehmen Ledergeruch seiner Jacke vermischte. Ich schnupperte genießerisch und er legte mir die Hände auf die Hüften.
„AMELIE!“
Ich hörte genau, dass Saskia langsam ungeduldig wurde und ich hob den Kopf. Logan grinste mir zu und ich drehte mich zu ihr um. Dann lächelte ich meine beste Freundin schief an.
„Tja, was soll ich sagen. Das ist Logan, wir haben uns im Flugzeug kennen gelernt und er ist mein...“ Ich hatte wohl unbewusst Englisch gesprochen, denn Logan vervollständigte meinen Satz:
„...Freund.“ Er umschlang mich von hinten und seine Hände lagen auf meinem Bauch. Und sofort wurde es mir warm ums Herz.
Saskias Blick wanderte zwischen ihm und mir hin und her, dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen, der an der Seite des Korridors stand.
„Amelie Krüger, warum genau hast du mir das nicht erzählt?“ Sie sah mich fast strafend an und ich machte mich von Logan los. Ich ging auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hey, sei nicht beleidigt, aber das war doch ein wenig schwierig.“ Ich strich mir nervös durch die Haare und sah sie dann flehend an. „Bitte, ich erzähl dir gleich alles, aber ich wusste nicht, wie ich es vorher machen sollte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte.“
Logan trat neben mich und legte mir wieder eine Hand auf die Hüfte. Er sah mich fragend an und anscheinend hatte er unser Gespräch, dass irgendwie wieder ins Deutsche geglitten war, richtig gedeutet. Er sagte:
„Saskia, sie wollte es dir wirklich direkt erzählen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es anfangen sollte. Sie hat sich wirklich Gedanken darüber gemacht. Sei ihr nicht böse, okay?“
Ich war mir nicht sicher, wie viel Saskia wirklich von seiner Antwort verstanden hatte, doch der Groll in ihren Augen verschwand langsam. Und dann kam das altbekannte Grinsen wieder auf, dass ich schon so lange kannte. Sie stand auf und grinste Logan breit an.
„Okay, dann haben wir das ja geklärt. Ich will das nochmal durchgehen lassen.“
Logan erwiderte ihr Grinsen und ich spürte, dass Saskia ihn mochte. Und plötzlich blitzte Erkenntnis in ihrem Blick auf.
„Hey, ich glaube, ich kenne dich.“ Sie hatte keinerlei Berührungsängste, denn sie trat nah an uns heran und beäugte Logan genau. Dann hob sie mit einem „Darf ich?“ die Hände und fasste seine Haare zusammen. Sie schob sie ihm in den Nacken und Logan starrte sie verblüfft an. Mein Blick war nicht weniger verblüfft und ich fragte:
„Was tust du da?“
Sie zog die Augenbrauen zusammen und ließ dann die Hände wieder sinken. Dann fragte sie mich:
„Was heißt auf Englisch: Warst du der Farmerssohn in 'Todeszug nach Yuma'?“
Ich sah sie verwundert an, gab ihre Frage jedoch an Logan weiter, der nicht sonderlich überrascht nickte. Saskia grinste breit.
„Oh, hey, den Film hab ich mir wegen Russel Crowe und Christian Bale angeschaut. Nicht schlecht, hat mir gut gefallen.“ Ihr Englisch tat sogar mir in den Ohren weh, aber sie versuchte es wenigstens.
Logan seufzte wieder leise neben mir und ich musste verstohlen grinsen. Ich deutete seinen Blick richtig und der sagte eindeutig: Tritt unter die Gürtellinie! Alle auf den unbekannten Schauspieler! Doch ich erkannte auch, dass er nicht wirklich sauer war.
Ich griff nach seiner Hand und lehnte mich wieder an ihn. Er küsste mich auf die Wange und sagte dann:
„Wie sieht es aus? Wollt ihr euch den Dreh anschauen? Ich muss wieder los, ich glaube, Paul kommt mich sonst persönlich abholen.“
Ich konnte nur nicken, zu wohl und geborgen fühlte ich mich in seiner Nähe. Saskia antwortete für mich:
„Ist Orlando Bloom auch da?“
Ich musste in Logans Umarmung grinsen und er antwortete mit einem Seufzen:
„Ja, der ist auch da.“
„Cool, was stehen wir hier noch rum?“ Saskia marschierte an uns vorbei und wir starrten ihr mit großen Augen hinterher. Dann murmelte Logan an meinem Ohr:
„Wir MÜSSEN sie Dean vorstellen.“ Er legte einen Arm um meine Schultern und führte mich dann durch den Korridor nach draußen.
Erster Auftritt Saskia, ich hoffe, ihr mögt ihre bisschen bekloppte Art. :o) Sie ist ja doch so ziemlich das Gegenteil von Amelie geworden.
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Amelie
„Was genau wollen wir eigentlich in Würzburg?“ Saskia steuerte ihr winziges Auto mit einer Hand über die Autobahn und lag dabei eher im Sitz als dass sie ordentlich saß. Sie tippte mit dem Finger zur Musik aus den Boxen und ihr linker Arm hing aus dem offenen Fenster. „Ich meine, nicht dass ich nicht absolut spontan bin, aber du bist doch sonst nicht so. Man muss dich normalerweise wochenlang zu einem Kinobesuch überreden.“
Ich hatte die Karte auf den Knien liegen und ich sah mir die Strecke zum bestimmt zehnten Mal an. Zwar hatten wir ein Navi, doch Saskia und ich hatten es schon mehrmals geschafft, uns trotz Navi zu verfahren.
„Warum denn nicht? Würzburg soll doch ganz schön sein“ antwortete ich lahm. „Und nach dem Stress in Berlin habe ich mir ein Wellness-Wochenende verdient. Zwei Flüge in drei Tagen.“
Saskia summte schief mit, dann sagte sie:
„Na ja, schön und gut, aber Würzburg? Dann hätten wir auch nach London fliegen können oder so. Wobei, fliegen … hm, ne, dann lieber Paris mit dem Zug oder so.“
Ich zuckte mit den Achseln und je näher wie Würzburg kamen, umso wilder begann mein Herz zu klopfen. Ich hatte Saskia noch immer nichts von Logan erzählt. Und sie wusste auch nicht, dass wir uns die Dreharbeiten anschauen würden. Und wenn Logan es hinkriegen würde, hätte sie sogar die Chance auf ein zweites Treffen mit Orlando. Ich hatte es ihr für mein eigenes Seelenheil nicht erzählt, denn sonst hätte sie mir keine ruhige Minute mehr gelassen.
Ich zögerte kurz, dann sagte ich:
„Ich war in Berlin übrigens auf einem kleinen Konzert, war ziemlich cool. Hat sich so ergeben.“
Saskia starrte mich überrascht von der Seite an.
„Was? Hat sich so ergeben? DU warst EINFACH SO auf einem Konzert? Was ist denn mit dir passiert? So etwas wägst du doch auch sonst wochen- und monatelang ab.“
„So schlimm bin ich nun auch nicht“ sagte ich fast ein wenig beleidigt.
„Na ja, aber es kommt schon ziemlich nah dran.“ Saskia zog todesmutig auf die linke Spur, obwohl ihr Autochen nur gefühlte 30 PS hatte. Der Motor heulte gequält und ich hielt mich am Türgriff fest. Aber ich hatte ja gewusst, auf was ich mich einlassen würde. Saskias Autochen und Logans Limousine waren wirklich wie Tag und Nacht.
„Also, was hast du dir angeschaut? Und vor allem: mit wem?“
Ich schwieg einen Moment, dann griff ich nach meinem Handy. Ich hatte mir das Video schon so oft angeschaut, dass es sich schon fast von alleine öffnete. Ich hatte ein wenig zu spät auf „Aufnahme“ gedrückt, deshalb dröhnte Deans' Stimme sofort aus dem kleinen Lautsprecher. Mein Blick lag nur auf Logan, der ein wenig im Hintergrund hinter dem Keyboard stand und breit grinste. Und sein Blick war nur auf mich gerichtet. Seine Augen blitzten und er sang undeutlich mit.
„Oh, was ist das? Klingt ja ganz gut – bis auf die Qualität von deiner Aufnahme, die ist scheußlich.“ Saskia beendete ein rasantes Überholmanöver, dass ihr ein lautes Hupen einbrachte, doch sie drehte mir absolut unbeeindruckt den Kopf zu.
„Schau auf die Straße, du meine Güte.“ Ich klammerte mich an dem Griff fest und sah sie strafend an.
„Ja, ja, sei nicht so langweilig, Ami. Also, wer ist das?“
„Die Band heißt „Pacific“, die sind aus Kalifornien.“
„Nicht schlecht.“ Saskia sah strafend zu einem Bus, der es wagte, vor ihr auf der rechten Spur zu fahren. „Und wie bist du daran gekommen?“
„Lange Geschichte“ antwortete ich leise. Ein Autobahnschild zeigte gerade, dass es noch rund 50 km bis nach Würzburg waren und ich hätte eigentlich die Chance nützen müssen, um Saskia zu erzählen, was in Berlin passiert war, aber irgendwie wusste ich nicht, wie ich anfangen sollte.
„Du bist ziemlich schweigsam in den letzten beiden Tagen, also das muss ich schon sagen.“ Saskia grinste mich kurz von der Seite an. „Aber der Sound ist cool, mach das nochmal an und mach mal lauter.“
Mit jedem gefahrenen Kilometer schlug mein Herz lauter und es tat mir fast in der Brust weh. Ich hatte Saskia erzählt, dass ich ein Hotel gebucht hatte und zum Glück war meine beste Freundin noch nie jemand gewesen, der sich um so etwas Banales wie Bezahlung oder ähnliches Gedanken machte. Das Hotel war gebucht, okay. Der Rest war ihr eigentlich ziemlich egal. Wenn ich danach fragen würde, würde sie mir natürlich sofort das Geld geben, aber von selbst kam sie überhaupt nicht auf die Idee, dafür war kein Platz in ihrer kleinen rosaroten Seifenblase.
'As We Got Older' lief jetzt fast auf Dauerschleife und wir sangen beide mit. Okay, eher laut als richtig, aber wir hatten wirklich Spaß. Und das Lied war wirklich ein Knaller, ich hoffte, dass die Jungs auch hier in Deutschland Erfolg haben würden.
Ich ließ das Handy in meinen Händen hin und her wandern, dann sagte ich:
„Weißt du, wer der Sänger ist?“
Saskia drehte mir den Kopf zu und sah mich neugierig an.
„Nein, wer denn? Hat ne ziemlich gute Stimme.“
„Dean Collins.“
Saskia zuckte mit den Schultern.
„Nie gehört. Aber wie gesagt, Party und Stimmung machen kann er.“
„Er spielt bei 'Hinterm Sofa an der Front' mit.“
„Was?“ Saskia starrte mich perplex an und wieder machte ihr ein Autofahrer durch ein lautes Hupen klar, dass sie genau auf der weißen Linie fuhr. „Aber doch nicht der komische Vater, oder?“
Ich musste grinsen.
„Nein, der jüngste Sohn. Du weißt schon, der Blonde.“
„Was? Ich fasse es nicht. So eine bescheuerte Serie und so ein guter Sänger? Das passt doch gar nicht. Er sollte da aussteigen und nur noch Musik machen.“
Ich musste grinsen. Saskia würde sich definitiv mit Dean gut unterhalten können, da war ich mir sicher.
Ein weiteres Autobahnschild zeigte an, dass es nur noch 20 km waren und mein Atem beschleunigte sich. Ich kurbelte das Fenster auf meiner Seite herunter und sog die frische Luft ein. Wir hatten uns jetzt eineinhalb Tage nicht gesehen und er fehlte mir ganz schrecklich. Was sollte das nur werden, wenn er wieder zurück in die USA fliegen würde? Aber da wollte ich jetzt überhaupt nicht dran denken!
Die junge Frau hinter der Rezeption sah mich mal wieder mit diesem mir bereits bekannten starren Blick an und ich hob trotzig das Kinn. Ja, Logan hatte das Zimmer für mich gebucht, aber mittlerweile war es mir wirklich egal.
Saskia bemerkte von der stummen Konversation nichts, sie sah sich staunend um. Als die Frau etwas in ihren Computer tippte, flüsterte sie mir ins Ohr:
„Bist du verrückt? Was ist denn das für ein Hotel? Das ist ja der Wahnsinn. Das ist doch total übertrieben.“
Ich lächelte ihr zu und griff dann nach der Keycard, die mir die Frau reichte. Sie sah mich forschend an und sagte dann:
„Ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt.“
„Vielen Dank.“ Ich sah sie stur an. „Können Sie mir vielleicht sagen, wie man zur Residenz kommt? Ist das weit von hier?“
Sie hielt meinem Blick stand und ich hätte ihr so gerne die Meinung gesagt, doch ich hielt mich zurück.
„Quer durch die Stadt ist es ein guter Kilometer. Dann können Sie sich die Altstadt anschauen.“ Sie schwieg kurz, dann sagte sie fast beißend: „Da sind ja die Dreharbeiten, habe ich recht?“
Saskia fuhr neben mir zusammen und fragte verdutzt:
„Hä? Welche Dreharbeiten?“
Mein Blick verdüsterte sich ein wenig und die Frau senkte tatsächlich den Kopf. Ich weiß jetzt nicht, ob es an meinem Blick lag oder daran, dass Logans Name quasi hinter meinem stand, doch ich fühlte mich wirklich gut dabei. Ich griff nach meiner Tasche und ging dann zusammen mit Saskia zum Aufzug.
Das Zimmer war um einiges luxuriöser als mein Zimmer in Berlin – obwohl das auch nicht zu verachten gewesen war. Und das Badezimmer war abgeschlossen! Saskia fiel fast die Kinnlade herunter.
„Amelie? Hast du in Berlin eine Bank ausgeraubt? Bist du wahnsinnig? Schau dich doch hier mal um. Ich traue mich gar nicht, hier irgend etwas anzufassen.“ Sie tippte vorsichtig auf die Bettdecke und ich musste kichern.
„Ach man, du bist doch blöd. Hinterfrag' es doch nicht, das ist ein Wellness-Wochenende.“
Saskia warf mir einen merkwürdigen Blick zu, doch dann grinste sie breit. Sie nahm Anlauf und ließ sich auf das breite Bett fallen.
„Yeah, das ist mal nicht schlecht. Cool. Das Bett nehme ich mit nach Hause.“ Sie rollte sich auf die Seite und ich musste lachen. Doch dann fragte sie:
„Die alte Schreckschraube an der Rezeption hat dich ja angeschaut, als wollte sie dir eine reinsemmeln. Kennst du die Alte? Und was hat sie mit Dreharbeiten gemeint? Welche Dreharbeiten?“
Ich setzte mich auf die Bettkante und fuhr mir dann durch die Haare – oh nein, hatte ich mir das schon von Logan abgeschaut? Ich grinste schief und sagte dann lahm:
„Na ja, du weißt schon. Dieser Film, der Musketier-Kram. Ich weiß doch, dass du da soviel Spaß dran hast und die drehen hier in Würzburg und deshalb … uff!“ Weiter kam ich nicht, denn Saskia hatte mich von der Seite umarmt und zog mich auf den Rücken. Dann brüllte sie an meinem Ohr:
„Das ist nicht dein Ernst? Du fandest das doch voll doof und jetzt willst du mit mir zu den Dreharbeiten gehen? Oh Gott, und ich hab Orlando gar nicht gesagt, dass ich komme! Er ist ja jetzt überhaupt nicht vorbereitet! Ich muss mich umziehen!“ Sie sprang vom Bett und ich musste grinsen. Wenn sie wüsste, dass sie Orlando vielleicht wirklich treffen würde, dann würde sie wirklich an einem Herzinfarkt sterben.
Eine Stunde später hatten wir die Residenz erreicht und ich sperrte überwältigt Augen und Ohren auf. Ich hatte Logan vom Hotel aus noch eine Nachricht geschrieben:
<<Sind gut angekommen, das Zimmer ist wunderschön. Saskia versteht grade irgendwie gar nichts. Wir kommen jetzt zur Residenz. Sollen wir irgendwo warten?>>
Aber eine Antwort hatte ich bisher noch nicht erhalten. Und als ich das riesige Set sah, die gewaltige Technik, die vielen Menschen, da war es mir schon klar, dass er keine Zeit hatte, auf meine poppelige kleine Nachricht zu antworten.
Saskia hatte ja den ganzen Aufbau schon in Bamberg gesehen, aber trotzdem war sie genau so überwältigt wie ich.
„Wow, das ist der Hammer. Schau dir das mal an, ich fasse es überhaupt nicht.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der anderen Schaulustigen blicken zu können. Sie stützte sich an mir ab und ich warf wieder einen Blick auf mein Handy, das im gleichen Moment vibrierte:
<<Wo bist du denn?>>
Mein Herz schlug hart gegen meine Rippen und in diesem Moment ging ein Raunen durch die Schaulustigen. Ein paar Mädchen fingen an zu kreischen und deuteten mit den Fingern irgendwo nach links.
„LOGAAAAN, da, da Logan … oh mein Gott ...“
Ich hielt mich an Saskia fest und stellte mich dann ebenfalls auf die Zehenspitzen. Irgendwo weiter hinten glaubte ich wirklich, seine Gestalt erkennen zu können, doch sie wirkte ziemlich unförmig, weshalb ich nicht sagen konnte, ob er es wirklich war. Schnell tippte ich in mein Handy:
<<Wir sind vorne an der Residenz. Da ist eine Absperrung. Was soll ich denn machen?>>
Und wirklich, die Gestalt beugte den Kopf und sah auf etwas, das sie in der Hand hielt. Ich hätte vor Freude weinen können. Vor ihm glaubte ich Carly zu erkennen. Und neben ihr stand eine schlanke blonde Frau, die ich nicht kannte. Er gestikulierte mit den Händen und ich musste fast liebevoll lächeln. Und dann eilte er auf die Absperrung zu.
Ohne auf Saskia zu achten, drängelte ich mich nach vorne. Ein Mädchen warf mir einen wütenden Blick zu, doch die meisten ließen mich einfach durch. Und auch das war wieder etwas, das ich von mir selbst nicht kannte. Noch vor einer Woche hätte ich über die Leute hier den Kopf geschüttelt und hätte mich gefragt, was sie denn davon haben würden, wenn sie einen Promi zu Gesicht bekamen. Und ich hätte mich definitiv nicht in die erste Reihe gedrängelt!
Saskia folgte mir verblüfft und erwischte mich gerade noch am Arm.
„Was ist denn in dich gefahren? Was lässt du mich denn einfach stehen? Ist Orlando da?“ Sie bohrte einer etwa Gleichaltrigen mit Nachdruck den Ellenbogen in die Seite und konnte so zu mir aufschließen. Sie sah mich forschend an. „Geht es dir gut?“ Sie wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum. „Haben die dich irgendwie einer Gehirnwäsche unterzogen?“
Ich schob ihre Hand weg und stellte mich auf die Zehenspitzen – und ja, ich benahm mich wirklich grade wie ein verrückter Fan, doch ich konnte einfach nicht anders. Zu sehr sehnte ich mich nach seinen Berührungen und seinen Küssen.
Ein rot-weißes Band sperrte den Vorplatz der Residenz von den Zuschauern ab und einige Sicherheitsleute standen locker Spalier, doch als Logan jetzt nach vorne kam, da drängten sich die Leute in seine Richtung und die Sicherheitsmenschen scharrten sich um ihn. Er wurde von links und rechts abgeschottet, so dass er sich auf die einzelnen Personen konzentrieren konnte.
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und mein Herz schlug so heftig, dass ich schlucken musste. Mein Blick lag auf ihm und meine Lippen zitterten ein wenig. Er sah phantastisch aus. Er trug eine schwarze enge Lederhose und wieder einmal tauchte das Bild von ihm in den schwarzen Retroshorts vor meinem inneren Auge auf. Die Lederhose steckte in kniehohen Lederstiefeln, die ihm einen festen und harten Gang gaben. Sein schmaler Oberkörper steckte in einem weißen Hemd, doch darüber trug er eine taillierte enge, ebenfalls schwarze Lederjacke mit einem aufgestickten Kreuz auf Brusthöhe. Ein dunkler Umhang war über seiner Schulter festgemacht worden und fiel über die linke Seite, weshalb seine Gestalt von weitem unförmig ausgesehen hatte. Darunter blitzte der Griff eines silbernen Degens auf. Und jetzt passten auch seine Haare ins Bild – obwohl mir die Percy Jackson-Frisur um einiges besser gefallen hatte!
Ich konnte ihn nur anstarren und Saskia brummte neben mir:
„Oh man, was ist denn mit dir los? Halloho?!“ Sie wedelte mir schon wieder mit der Hand vor dem Gesicht herum und ich knurrte sie fast wütend an:
„Hey, lass es doch bleiben. Du willst doch die Dreharbeiten gucken, oder nicht? Dann guck!“
Saskia sah mich irritiert an, zog jedoch die Hand zurück.
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Du meine Güte.“ Sie schien Logan absolut uninteressant zu finden, denn sie stellte sich wieder auf die Zehenspitzen und linste auf den Vorplatz. „Ob Orlando da irgendwo ist? Warum kommt der nicht und gibt Autogramme? Wer ist der hier denn?“
Ich schob mich vor sie und stand nun direkt an der Absperrung. Ich wusste überhaupt nicht, was ich hier tat, aber wie sollte ich ihn sonst auf mich aufmerksam machen?
Je näher er mir kam, umso härter und schneller schlug mein Herz. Ich befeuchtete mir die Lippen und meine Hände legten sich um die rot-weiße Absperrung. Das Mädchen neben mir quietschte auf, als er vor ihr stand und sie fragte:
„Hi. Wie ist dein Name?“ Seine Stimme war neutral und auch der Blick, den er ihr zuwarf, war komplett anders als der, den ich von ihm kannte. Es war wirklich so, als wäre er eine komplett fremde Person.
„Nicole“ stammelte sie und er gab ihr ein Autogramm. Sie machten ein Foto zusammen und ich erkannte auch sein Lächeln kaum wieder. Es war freundlich, aber die Zärtlichkeit und Herzlichkeit, die ich so daran mochte, waren verschwunden.
„Hi, wie ist de...“ Er blieb vor mir stehen und während er redete, beugte er sich kurz über sein Handy, dass er in der Hand hielt. Und ich erkannte genau, dass er das Bild vom Brandenburger Tor als Hintergrund festgelegt hatte. Dann hob er den Kopf und er sah mir in die Augen. Er hatte sich sofort unter Kontrolle, doch ich hatte seinen Blick genau gesehen: erst überrascht, dann zärtlich und voller Liebe. Mein Herz zerbrach fast in tausend Teile, weil es mit dem Klopfen nicht hinterher kam. Er lächelte mich an und ich musste mich zwingen, ihm nicht um den Hals zu fallen. „Wie ist dein Name?“ fragte er leise und mit einem kleinen schiefen Grinsen.
Ich starrte ihn an und wie ein Idiot antwortete ich:
„Amelie.“
Er lächelte und jetzt war es genau, wie ich es in Erinnerung hatte: sanft und absolut liebevoll.
„Amelie. Ein schöner Name.“ Er zögerte kurz. „Wo soll ich unterschreiben?“
Das Mädchen neben mir ging fast in die Knie und reichte mir ein Blatt Papier. Er grinste breit und kritzelte etwas darauf. Dann drückte er es mir in die Hand und verschloss meine Finger mit seinen. Bei seiner Berührung hatte ich sofort Gänsehaut am ganzen Körper. Es dauerte nur Sekunden und ich war mich sicher, dass es niemand bemerkt hatte. Ich lächelte ihn schüchtern an und ich sah ihm an, dass er sich zwingen musste, seinen Blick neutral zu halten. Gott sei Dank durfte ich offiziell so dämlich aussehen, wie ich wollte!
In diesem Moment trompetete mir Saskia ins Ohr:
„Wenn du hier schon auf Fangirl machst, dann machen wir auch ein Foto, oder? Das glaubt mir ja keiner, dass du echt mit mir hier warst und einen Schauspieler angehimmelt hast!“ Sie hatte schon das Handy in der Hand und ich konnte sehen, dass Logan vor unterdrücktem Gelächter geschüttelt wurde, als er meinen entgeisterten Blick sah. Saskia wedelte mit dem Handy in seine Richtung und brüllte so laut, als wäre er schwerhörig und zudem noch absolut schwer von Begriff: „Foto, please! This is a camera!“ Ich drehte mich mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck um und er legte mir den Arm um die Schulter. Scheinbar zufällig streichelte er mir dabei über den Nacken und ich biss mir auf die Lippen, um nicht zu seufzen. Und mir war so klar, dass das kein Zufall war! Ich tat so, als würde ich stolpern und trat ihm mit aller Kraft auf den Fuß. Er zuckte zusammen und fing mich automatisch mit einem Griff um die Hüfte auf. Die Sicherheitsleute scharten sich enger um uns, doch er winkte ab.
„Hey, vorsichtig. Alles okay?“ Seine Stimme klang gepresst, er unterdrückte ein Lachen, denn er hatte natürlich gesehen, dass ich unterirdisch schlecht schauspielerte.
„Oh, sorry“ flötete ich übertrieben und die Mädchen um uns herum sahen mich so entsetzt an, als hätte ich versucht, ihn mindestens umzubringen.
Er grinste vergnügt und antwortete schelmisch:
„Kein Problem, Gott sei Dank bin ich ja kein Laufbursche oder so, der dringend auf seine Füße angewiesen wäre!“ Dann ließ er mich los und widmete sich dem nächsten Mädchen. Ich hielt den Zettel in der Hand und schob mich aus dem Gedränge heraus. Ich faltete ihn auseinander und konnte lesen: Carly, weiße Transporter, Kuss, dein Laufbursche!
„Man, was ist denn in dich gefahren? Willst du schon abhauen? Das war ja...“
„Mensch, jetzt komm doch einfach mit.“ Ich fuhr Saskia ziemlich grob über den Mund und sie starrte mich verblüfft an. Ich stand wie auf glühenden Kohlen und sah mich suchend um. Weiter hinten entdeckte ich einen ganzen Fuhrpark von weißen Transportern und ich hoffte einfach, dass Logan diese gemeint hatte. Ich warf nochmal einen Blick zurück und erkannte, dass er noch immer mit den Zuschauern beschäftigt war. Als hätte er meinen Blick gespürt, drehte er im gleichen Moment den Kopf in meine Richtung und er zwinkerte mir ganz kurz zu. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Fans.
Saskia blieb mitten auf dem Gehweg stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre braunen Augen funkelten im Sonnenlicht.
„Stop, Frau Krüger. Verrätst du mir bitte, was hier vorgeht?“
Ich wippte ungeduldig auf den Fußballen auf und ab und sah sie an.
„Was meinst du?“
„Denkst du, ich bin bescheuert?“ Sie sah mich fast strafend an und schüttelte sich dann die kurzen dunklen Haare aus der Stirn. „Denkst du, ich hab nicht gesehen, wie du den Typen angestarrt hast? Und er hat ja auch nicht minder interessiert zurück gestarrt. Wer ist das? Woher kennst du ihn?“
Mir blieb vor Verblüffung der Mund offen stehen. Ich hätte drauf gewettet, dass niemand unseren Blickkontakt wahrgenommen hatte, doch Saskia bekam leider immer das mit, was sie eigentlich nichts anging. Ich druckste ein wenig herum, dann sagte ich leise:
„Hey, ähm, na ja, lange Geschichte.“
„Ich hab Zeit. Viel Zeit. Orlando ist ja noch nicht da!“ Sie sah mich abwartend an und ich kannte sie genau. Sie war stur, sie würde wirklich stundenlang hier stehen bleiben. Ich streckte die Hand nach ihr aus und hakte mich bei ihr unter.
„Fünf Minuten, okay? Ich erzähle es dir gleich. Aber bitte, flipp nicht aus, okay?“ Ich sah sie flehend an und irgend etwas an meiner Haltung schien Saskia doch weich werden zu lassen. Sie sah mich an und fragte dann leise:
„Ist alles okay mit dir? Du siehst so, na ja, ich weiß nicht, so verändert aus.“
Ich konnte nicht verhindern, dass mir ein fröhliches Lachen über das Gesicht zog.
„Oh ja, es ist alles okay. Und noch viel besser als okay. Komm mit!“ Ich zog sie hinter mir her und sie folgte mir verwirrt.
Bei den weißen Transportern, die sich als Mietwagen einer großen deutschen Leihwagenkette herausstellten, blieb ich stehen und sah mich suchend um. Dann hörte ich meinen Namen:
„Amelie, hallo.“ Ich fuhr herum und erkannte Carly, die auf mich zusteuerte. Sie hob die Hand und lächelte mir entgegen. Ich hatte wohl irgendwie ihr Vertrauen bei der Autofahrt gewonnen.
„Oh, hallo.“ Ich lächelte zögerlich, es war doch alles noch so seltsam und merkwürdig für mich, dass ich auf Du und Du mit Logans Assistentin war.
Carly strich sich eine Haarsträhne aus den Augen und ich stellte überrascht fest, dass sie keinerlei Taschen mit sich schleppte. Ungewohntes Bild.
„Hey, Logan hat mich gebeten, euch mit rein zu nehmen. Der Innenraum ist abgesperrt, da sind nur Cast und Crew.“ Sie sprach wirklich gut Deutsch, obwohl sie über manche Worte stolperte.
Saskia starrte sie irritiert an.
„Was? Wo rein? Wie? Cast und Crew? Amelie, was geht hier vor?“
Ich musste lächeln und drückte ihre Hand. Dann sagte ich:
„Das ist übrigens meine beste Freundin Saskia. Saskia, das ist Carly.“
Saskia beäugte sie misstrauisch.
„Hallo Carly. Und was genau tun wir jetzt hier?“
Bevor sie antworten konnte, sagte ich schnell:
„Du wolltest doch Dreharbeiten sehen. Jetzt siehst du welche.“
Sie sah mich so überrascht an, dass ich kichern musste. Auch Carly gestattete sich ein kurzes Grinsen, dann sah sie auf ihre Uhr.
„Kommt ihr mit? Ich glaube, Logan stirbt sonst an einem Herzinfarkt.“
Sofort begann mein Herz wieder zu galoppieren und ich ignorierte Saskias fragenden Blick. Carly führte uns durch einen Seiteneingang in die Residenz hinein und nachdem sie ihren Ausweis, der in einem Clip an ihrer Jeans hing, vorgezeigt hatte, ließ man auch uns ohne Probleme passieren.
Ich sah mich staunend um, als sie uns durch einen Korridor führte. Der ganze Prunk und die edlen Einrichtungsstücke waren wunderschön und ich sperrte die Augen auf. Doch im gleichen Moment hörte ich schnelle Schritte und eine Stimme rief:
„Amelie! Da bist du ja.“
Ich fuhr zusammen und erkannte Logan, der mit wehendem Umhang auf uns zustürmte. Sein Gesicht strahlte und seine Augen funkelten so hell wie Sterne. Der Degen schlug ihm gegen die Beine, doch er reagierte darauf gar nicht. Er breitete die Arme aus und ich ließ Saskias Arm los, die wie vom Donner gerührt stehen blieb. Sein Kostüm schien schwer zu sein, denn er bewegte sich irgendwie merkwürdig, auch seine Schritte waren anders, doch ich hatte nur wenig Zeit, ihn anzustarren, denn schon in der nächsten Sekunde war er endlich bei mir. Seine Hände legten sich auf meine Wangen und er drückte die Stirn gegen meine. Ich konnte nur murmeln:
„Hey, Laufbursche“, mehr brachte ich nicht über die Lippen. Ich war viel zu glücklich, ihn wieder bei mir zu haben.
Er atmete schwer und flüsterte ebenso leise:
„Mein süße Amelie.“ Und dann küsste er mich so sanft und zärtlich, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Ich schlang die Arme um seinen Nacken und mein Körper presste sich eng gegen seinen. Sein Umhang legte sich über meine Schulter und er zog mich noch enger in seine Umarmung. Seine Hände wanderten in meinen Nacken und es war mir egal, ob uns irgend jemand zusah oder nicht. Ich stöhnte leise auf, als er mir in die Haare fuhr und ich spürte, dass er wegen meiner Reaktion lächeln musste.
Der Kuss war wunderschön und schien ewig zu dauern. Seine Zunge strich sanft über meine Unterlippe und ich konnte überhaupt nicht anders, als ihm Einlass zu gewähren. Zwischen uns hätte nicht einmal mehr ein Stück Papier Platz gehabt und ich musste mich an seinen Schultern festhalten, um nicht umzufallen.
Ein Räuspern drang in mein Unterbewusstsein und ich schnappte nach Luft. Und dann hörte ich Saskias verblüffte Stimme:
„Und genau JETZT will ich die lange Geschichte hören!“
Logan grinste an meiner Wange, dann ließ er seine Lippen über meine Halsbeuge wandern. Dann, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, hob er den Kopf, stellte sich neben mich, legte mir einen Arm um die Hüfte und streckte Saskia dann die Hand entgegen.
„Hi, ick bin Logan. Du muss Saskia sein. Ick hab schon viel von dich gehort. Freut mich, dich kennen su lerne!“
Und zum ersten Mal in meinem Leben erlebte ich meine beste Freundin sprachlos. Und ich war nicht minder sprachlos, denn Logan hatte tatsächlich Deutsch gesprochen.
„Woher, was, wieso?“ stammelte ich nicht gerade intelligent und er zog mich an sich. Er grinste und wechselte dann wieder ins Englische:
„Ich habe das auswendig gelernt, ich wollte doch einen guten Eindruck auf deine beste Freundin machen“ flüsterte er an meinem Ohr und küsste mich dann auf die Wange. „Du hast ja auch einen super Eindruck auf meinen besten Freund gemacht und da wollte ich mich revanchieren.“
Ich sah ihn an und er lächelte verschmitzt. Ich hob die Hand und streichelte ihm über die Wange. Saskia war noch immer wie erstarrt und daher drehte ich mich in seiner Umarmung um.
„Oh Gott, ich hab dich vermisst“ murmelte ich und hob das Kinn. Meine Lippen legten sich auf seine und ich hätte hier stundenlang mit ihm stehen können. Doch dann schien sich Saskia endlich gefangen zu haben.
„Amelie Krüger und Logan, den ich nicht kenne. Was geht hier vor?!“ Sie hatte wohl verstanden, dass Logan eigentlich Englisch sprach, denn sie hatte ebenfalls auf Englisch gesprochen. Man merkte sofort, dass ihre Sprachkenntnisse ziemlich eingerostet waren, denn ihr Satz klang holprig, aber ich musste trotzdem kichern, als Logan vor mir aufseufzte.
„Ich fühle mich hier wirklich langsam aber sicher gemobbt. Ich muss mit meinem Management und mit meiner PR-Abteilung sprechen. Es kann doch nicht sein, dass mich hier niemand kennt!“
Ich musste kichern und drückte meine Stirn gegen seine Brust. Er streichelte mir über den Rücken und ich atmete den Duft seines Parfums ein, der sich mit dem angenehmen Ledergeruch seiner Jacke vermischte. Ich schnupperte genießerisch und er legte mir die Hände auf die Hüften.
„AMELIE!“
Ich hörte genau, dass Saskia langsam ungeduldig wurde und ich hob den Kopf. Logan grinste mir zu und ich drehte mich zu ihr um. Dann lächelte ich meine beste Freundin schief an.
„Tja, was soll ich sagen. Das ist Logan, wir haben uns im Flugzeug kennen gelernt und er ist mein...“ Ich hatte wohl unbewusst Englisch gesprochen, denn Logan vervollständigte meinen Satz:
„...Freund.“ Er umschlang mich von hinten und seine Hände lagen auf meinem Bauch. Und sofort wurde es mir warm ums Herz.
Saskias Blick wanderte zwischen ihm und mir hin und her, dann ließ sie sich auf einen Stuhl fallen, der an der Seite des Korridors stand.
„Amelie Krüger, warum genau hast du mir das nicht erzählt?“ Sie sah mich fast strafend an und ich machte mich von Logan los. Ich ging auf sie zu und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
„Hey, sei nicht beleidigt, aber das war doch ein wenig schwierig.“ Ich strich mir nervös durch die Haare und sah sie dann flehend an. „Bitte, ich erzähl dir gleich alles, aber ich wusste nicht, wie ich es vorher machen sollte. Ich hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte.“
Logan trat neben mich und legte mir wieder eine Hand auf die Hüfte. Er sah mich fragend an und anscheinend hatte er unser Gespräch, dass irgendwie wieder ins Deutsche geglitten war, richtig gedeutet. Er sagte:
„Saskia, sie wollte es dir wirklich direkt erzählen, aber sie hatte keine Ahnung, wie sie es anfangen sollte. Sie hat sich wirklich Gedanken darüber gemacht. Sei ihr nicht böse, okay?“
Ich war mir nicht sicher, wie viel Saskia wirklich von seiner Antwort verstanden hatte, doch der Groll in ihren Augen verschwand langsam. Und dann kam das altbekannte Grinsen wieder auf, dass ich schon so lange kannte. Sie stand auf und grinste Logan breit an.
„Okay, dann haben wir das ja geklärt. Ich will das nochmal durchgehen lassen.“
Logan erwiderte ihr Grinsen und ich spürte, dass Saskia ihn mochte. Und plötzlich blitzte Erkenntnis in ihrem Blick auf.
„Hey, ich glaube, ich kenne dich.“ Sie hatte keinerlei Berührungsängste, denn sie trat nah an uns heran und beäugte Logan genau. Dann hob sie mit einem „Darf ich?“ die Hände und fasste seine Haare zusammen. Sie schob sie ihm in den Nacken und Logan starrte sie verblüfft an. Mein Blick war nicht weniger verblüfft und ich fragte:
„Was tust du da?“
Sie zog die Augenbrauen zusammen und ließ dann die Hände wieder sinken. Dann fragte sie mich:
„Was heißt auf Englisch: Warst du der Farmerssohn in 'Todeszug nach Yuma'?“
Ich sah sie verwundert an, gab ihre Frage jedoch an Logan weiter, der nicht sonderlich überrascht nickte. Saskia grinste breit.
„Oh, hey, den Film hab ich mir wegen Russel Crowe und Christian Bale angeschaut. Nicht schlecht, hat mir gut gefallen.“ Ihr Englisch tat sogar mir in den Ohren weh, aber sie versuchte es wenigstens.
Logan seufzte wieder leise neben mir und ich musste verstohlen grinsen. Ich deutete seinen Blick richtig und der sagte eindeutig: Tritt unter die Gürtellinie! Alle auf den unbekannten Schauspieler! Doch ich erkannte auch, dass er nicht wirklich sauer war.
Ich griff nach seiner Hand und lehnte mich wieder an ihn. Er küsste mich auf die Wange und sagte dann:
„Wie sieht es aus? Wollt ihr euch den Dreh anschauen? Ich muss wieder los, ich glaube, Paul kommt mich sonst persönlich abholen.“
Ich konnte nur nicken, zu wohl und geborgen fühlte ich mich in seiner Nähe. Saskia antwortete für mich:
„Ist Orlando Bloom auch da?“
Ich musste in Logans Umarmung grinsen und er antwortete mit einem Seufzen:
„Ja, der ist auch da.“
„Cool, was stehen wir hier noch rum?“ Saskia marschierte an uns vorbei und wir starrten ihr mit großen Augen hinterher. Dann murmelte Logan an meinem Ohr:
„Wir MÜSSEN sie Dean vorstellen.“ Er legte einen Arm um meine Schultern und führte mich dann durch den Korridor nach draußen.