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[♪ | ⚑] Das »Ich« auf fragmentarischer Ebene

von - Leela -
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteAllgemein / P12 / Gen
Kowalski
05.12.2012
05.12.2012
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Das »Ich« auf fragmentarischer Ebene


Ich frage mich manchmal, was mein Team wirklich über mich denkt. Oh, sicher, wir gehen sehr offen miteinander um, und sagen uns ohne Umschweife unsere Meinung, und trotzdem… Manchmal wüßte ich wirklich gerne, was sie tatsächlich, tief im Inneren, über mich denken. Was ich für sie bin, was sie in mir sehen und mit mir verbinden, wie sie mich wirklich sehen…
      Manchmal, meist durch puren Zufall, bekomme ich kleine Fragmente davon mit, besonders, wenn sie nicht merken, daß ich in der Nähe bin. Nun, was soll ich sagen? Manchmal haben sie Recht! Und manchmal weiß ich nicht, wie sie auf diese absurden Ideen kommen! Was ich da schon so manches Mal mitbekommen habe, ist schon sehr interessant. – Aber ob ich mich darauf auch wirklich verlassen kann… Na, ich weiß nicht!
      Ich habe mir überlegt, daß ich das mal austesten werde. Ich habe ein kleines, unauffälliges Gerät entwickelt, das die elementarsten Gedanken meines Teams über mich auffängt und dann jeweils zu einem Schlagwort zusammenfaßt. Ich habe es »Gedankenfänger« genannt. Mal sehen, ob das funktioniert!

Kowalski nahm das kleine Gerät, steckte es unter das Gefieder und kam aus seinem Labor in den Gemeinschaftsraum, wo die anderen bereits beschäftigt waren. Jetzt war er mal wirklich gespannt. Er betätigte unbemerkt ein Sensorfeld und warf einen schnellen Blick auf das Display.

Klemmbrett

Bitte was? Sie haben in mir einen der überragendsten Wissenschaftler und Forscher aller Zeiten, und sie denken an »Klemmbrett«? Bin ich ihnen wirklich nicht mehr wert als das?

Skipper sah auf, und ein Lächeln huschte über seinen Schnabel. „Ah, Kowalski! Sehr gut, ich könnte ein paar Optionen gebrauchen!“
      „Moment, Skipper, ich hole eben nur schnell mein…“ Kowalski stutzte.
      Skipper sah ihn fragend an. „Was ist los, Kowalski? Dein Klemmbrett liegt gleich da drüben!“

Es ist wahr! Sie haben so Recht! Oh mein Gott, kann es sein, daß man mich, obwohl mit so viel Klugheit und Wissen gesegnet, zu aller erst mit einem Klemmbrett in Verbindung bringt? *seufz*
      Okay! Reiß dich zusammen! Vielleicht war es auch nur ein ungünstiger Zeitpunkt, um den Gedankenfänger auszuprobieren! Versuchen wir es noch mal!

Gedankenverloren ging er zu dem Sideboard auf der Seite der Basis. Als er beim Klemmbrett stand und Skipper den Rücken zukehrte, startete er den zweiten Versuch und sah neugierig auf die Anzeige des Gedankenfängers.

Optionen

Na, das war ja klar! So viele Möglichkeiten, und was verbinden sie mit mir? Optionen! Meine Güte! Ich hätte mir wirklich ein… respektableres Ergebnis gewünscht! Aber jetzt weiß ich wenigstens, daß meine wahren Qualitäten nicht gewürdigt werden!

„Bist du jetzt bald mal so weit?“ fragte Skipper ungeduldig. „Ich warte auf Optionen!“
      Kowalski hielt inne. Ja, das hatte Skipper schon vorher erwähnt… Hatte er vielleicht gerade etwas überreagiert? So war es doch kein Wunder, wenn kein anderes Ergebnis aus seiner Analyse herauskam… „Bin schon auf dem Weg, Skipper!“
       „Sehr gut! Folgendes: Laut den Affen haben die Lemuren für Morgen Abend eine lautstarke Tanznacht geplant! Wie können wir das nachhaltig verhindern?“
      Kowalski begann, auf den Block in seinem Klemmbrett zu malen. „Also, unter Heranziehung der Erfahrungswerte, die wir bis jetzt gesammelt haben, schlage ich einen von drei effektiven Wegen vor, die einen garantierten Erfolg versprechen: Erstens, Auslagerung der Lemuren in den Park, zweitens, versiegeln des Lemurengeheges mit einer schalldichten Kuppel oder drittens, Auslagerung von uns in den Park!“ Er deutete auf die Skizzen, die er zur Veranschaulichung gezeichnet hatte.
      Skippers Schnabelwinkel schossen nach oben. „Die Idee mit der schalldichten Kuppel gefällt mir! Das ist am unkompliziertesten! Sehr gut gemacht, Kowalski!“
      Kowalski lächelte und wandte sich dann um, um wieder seiner Arbeit nachzugehen. So ganz zufrieden war er mit seinem Meßergebnis aber doch nicht. Als er zu seinem Labor ging, startete er einen dritten Versuch.

Wissenschaft

Na, bitte! Jetzt sind wir auf dem richtigen Kurs! Sie registrieren es also doch! Und ich dachte schon, es wäre alle Hoffnung verloren! Ja, man muß doch sehr aufpassen, wann man wie den Gedankenfänger einsetzt…

Zufrieden ging Kowalski in sein Labor, um an seiner aktuellen Erfindung zu arbeiten. Es fehlte nicht mehr viel, nur noch ein paar Feinjustierungen, dann konnte er einen Testlauf machen.
      Wenig später baute er seine neue Errungenschaft im Gemeinschaftsraum auf, um die anderen daran teilhaben zu lassen. „Ich bitte um eure Aufmerksamkeit! Hiermit präsentiere ich euch den »Schmerzvertilger«!“
      Die drei Pinguine sahen mit einer Mischung aus Argwohn, Beklommenheit und Desinteresse auf, während Kowalski bereits die Funktionen der Erfindung erklärte.
       „Wenn man sich an dieses Gerät anschließt, werden die Nerven so stimuliert, daß sie keinen Schmerz durchlassen! Man lädt sich nur einige Minuten lang auf, und ist dann für die nächste Stunde vollkommen schmerzunempfindlich!“
      Unschlüssige Blicke lagen auf dem lächelnden Pinguin.
       „Äh, Kowalski?“ begann Private vorsichtig.
       „Was?“ knurrte Kowalski.
      Private schlug nervös die Flügel gegeneinander. „Das hat schon bei deinem »Entschmerzer« nicht funktioniert!“
      Kowalski machte eine abwinkende Geste. „Kleiner, naiver Private! Genau darum geht es! Ich habe die Fehler des Entschmerzers analysiert, und mit dem Schmerzvertilger ausgemerzt! Da kann überhaupt nichts schiefwatscheln! – Ihr werden schon sehen!“
      Seine drei Kameraden machten daraufhin keine zuversichtlichere Miene.
      Kowalski wandte sich um und drückte vorher, nur aus Neugierde, noch einmal auf das Sensorfeld seines Gedankenfängers.

Angeber

Was?? Um! Äh… Diese… Wissenschaftsbanausen! Na wartet! Euch werde ich’s zeigen! Ihr werdet noch darum betteln, den Schmerzvertilger ausprobieren zu dürfen!

Kowalski ignorierte die Wut, die in ihm hochkochte und schloß sich an den Schmerzvertilger an.
      Beklommen beobachteten die anderen Pinguine die leichten Vibrationen, die durch den Körper des Wissenschaftlers gingen, bevor sich dieser wieder von der Maschine löste und seine Flosse in den angeschalteten Toaster hielt.
      Ein gellender Schrei tönte durch das Hauptquartier, kurz bevor sich drei anderen Pinguine in einem Déjà Vu wiedersahen, als der Wissenschaftler schreiend durch die Basis lief.
       „Ich würde ja sagen, das bedarf noch einiger Forschungen, bis das wirklich funktioniert…“ kommentierte Private.
       „Jop!“ bestätigte Rico, der den Blick nicht von dem herumhüpfenden und noch immer vibrierenden Kowalski lösen konnte, bis dieser schließlich auf den Boden fiel und sich zu einer Kugel zusammenrollte.
      Skippers Blick drückte eine Mischung aus Faszination und Sorge aus. „Kowalski? Alles in Ordnung?“
      Kowalski zitterte, hielt sich die schmerzende Flosse und schrie noch immer: „Tut das weh, tut das weh…“
      Private hatte inzwischen eine Schüssel mit kaltem Wasser besorgt, um die Verbrennung zu kühlen und begann sich um Kowalskis Flosse zu kümmern. „Besser?“
      Kowalski beruhigte sich nur mäßig und jammerte: „Das tut so weh!“
       „Das wird gleich besser“, versprach der junge Pinguin und wechselte das Wasser einmal aus.
      Kowalski konnte sich gar nicht wieder beruhigen. „Ich wünschte, Doris wäre hier!“ jammerte er.
      Private, Rico und Skipper wechselten einen Blick.
       „Bleib’ ganz ruhig, ich hole eben Verbandszeug und ein Schmerzmittel“, meinte Private.
      Kowalski kauerte sich mit der Flosse in der Wasserschale zusammen und fühlte sich deprimiert.

Was die anderen jetzt wohl von mir denken mögen? Jetzt müssen sie ja richtig schadenfroh sein…

Er wagte es kaum, doch die Neugierde war stärker, und so betätigte er mit der heilen Flosse den Sensor an dem Gedankenfänger. Als er einen Blick riskierte, war er so perplex, daß er sogar einen Moment die Schmerzen vergaß. Das Display zeigte:

Liebeskrank

Bitte was? Wer hat sich das denn ausgedacht? »Liebeskrank«! Pah! Ich bin ein Mann der Wissenschaft! Was Gefühle angeht, bin ich davon so weit entfernt wie eine Mandarine einem Fusionsreaktor!

Der Schmerz in seiner Flosse pulsierte und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. „Dooohohoris…“
      Skipper und Rico zuckten unter der jämmerlichen Stimme zusammen. Sie wechselten einen verstohlenen Blick. Während Private mit dem Erste-Hilfe-Koffer zurückkam, gingen die beiden anderen Pinguine wieder auseinander, um sich anderen Dingen zu widmen. Kowalski war in guten Flossen, und so brauchten sie sich das Gejammer nicht anzuhören.
      Private machte seine Sache gut, und nur einen Moment später war die Flosse verbunden, und er reichte seinem Kameraden eine Tablette und ein Glas Wasser. „Hier, das müßte schnell helfen!“ sagte er lächelnd.
      In der Zwischenzeit kehrte Skipper deutlich irritiert in den Gemeinschaftsraum zurück. „Kowalski? Was macht die Mandarine in unserem Fusionsreaktor?“

Okay! Ich gebe es ja zu! Der Gedanke an Doris macht mich wahnsinnig! Aber mich deshalb gleich als »liebeskrank« zu bezeichnen… Das ist doch jetzt ein bißchen übertrieben, oder nicht?
      Na gut. Vielleicht war der Zeitpunkt mal wieder blöd abgepaßt. Das wäre ja nicht das erste Mal.
      Hm. Mal sehen, was mein Gedankenfänger jetzt sagt…

Neugierig drückte er wieder auf das Sensorfeld und sah sich das Ergebnis an.

Sensibel

Hallo?? Ich bin nicht sensibel!

Private ging zu Kowalski rüber, der sich an der Wand zusammengekauert hatte, und über sein Leid nachdachte. „Laß noch mal eben den Verband sehen“, bat er, doch als er die Flosse ausstreckte, zog Kowalski seine weg.
       „Flossen weg von dem Verband!“
      Private wich einen Schritt zurück und hob beschwichtigend die Flossen. „’Tschuldige! Ist ja schon gut!“
      Kowalski starrte Private beklommen an, als der sich bedächtig wieder zurückzog.

Habe ich schon immer so reagiert? Kein Wunder, daß mich die anderen als sensibel einstufen… Ähem. Okay, vielleicht muß ich da mal ein paar eingefahrene Eindrücke geraderücken…

Der Abend schritt langsam voran. Skipper widmete sich seinen Plänen, Rico bürstete das Haar seines Püppchens, und Private spielte mit seinem Mondeinhorn vor einer Wand, an der er mehrere Postkarten aus dem Museum aufgebaut hatte.
      Kowalski war langweilig. Der Schmerz hatte mittlerweile nachgelassen, aber der Verband um seine Flosse erinnerte ihn daran, daß er keine Lust hatte, irgend etwas zu machen. Statt dessen beobachtete er, wie Private mit seinem Mondeinhorn spielte.
      Rico kam mit seinem Püppchen auf die Szenerie zu.
      Mehr aus Langeweile drückte Kowalski auf den Sensor seines Gedankenfängers. Was mochte jetzt wohl dabei herauskommen, wo alle in ihre eigenen Gedanken versunken waren? Würde er überhaupt ein Ergebnis ausspucken?

Künstler

Bitte was? Oh, Verzeihung, ich wollte mich weder wiederholen, noch, daß meine Stimme in diese hohe Tonlage abrutscht! Aber wie, bitte schön, kommen sie darauf, ich sei ein Künstler? Das ist doch absurd!

Private ließ sein Mondeinhorn auf Ricos Püppchen zulaufen, das gerade von der anderen Seite an der Wand mit den Postkarten entlangging. „Oh, hallo, schönes Fräulein! Sind Sie auch auf Besuch im Museum?“
       „Jop!“ erwiderte Rico, der lächelnd auf das Spiel einging.
      Sie blieben vor einer Postkarte stehen und sahen sie sich gemeinsam an.
       „Was für ein schönes Gemälde! Ich frage mich, wer der Künstler ist“, intonierte Private mit seiner Mondeinhornstimme.
      Kowalski sah genauer hin, und sein Schnabel klappte verblüfft auf. ‚Mein Schaltplan! Sie haben eine Postkarte von meinem Schaltplan gemacht!’
      Ricos Püppchen warf einen Blick auf das Gemälde. „Schau, da!“
       „Oh, eine Informationstafel!“ freute sich das Mondeinhorn. „Das ist wirklich sehr interessant!“
       „Soll ein berühmter Erfinder sein“, warf das Püppchen ein.
       „Ja, genau!“ erwiderte das Mondeinhorn. „Wußten Sie auch, daß der Künstler ein hoch angesehener Pinguin ist?“

Okay! Okay, ich habe verstanden! Du meine Güte… Daß es einmal so weit kommen mußte. Was für merkwürdige Gedankengänge die anderen haben, wenn sie an mich denken… Aber so ist das wohl. Was soll ich auch schon erwarten, wenn ich die wirren Gedankengänge meiner Teamkollegen versuche zu entschlüsseln? Eine klare Analyse von herausragenden Fakten kann ich da wohl kaum erwarten.

Er ließ von dem Spiel, das Rico und Private spielten ab und kehrte gedanklich in seine eigene Welt zurück. Sein Blick ruhte auf seinem Schmerzvertilger. Es gab nur zwei Optionen, wie er mit dem Fehlschlag umgehen konnte: Seine Forschungen weiter betreiben, um irgendwann ein durchschlagendes Ergebnis zu erzielen und als berühmter Wissenschaftler in die Geschichte einzugehen, oder… „Leute, ich denke, ich werde dieses Schmerzvertilungsprojekt einstampfen!“ erwähnte er nachdenklich.
       Drei Pinguinblicke legten sich mit einem Lächeln auf ihn.
       „Das ist eine sehr gute Idee, Kowalski!“ stimmte Skipper zu.
       Kowalski konnte nicht anders. Er aktivierte noch einmal seinen Gedankenfänger. Vorsichtig schaute er auf das Display, das ihm anzeigte, was seine Pinguinkameraden jetzt gerade über ihn dachten. Das Ergebnis ließ ihn lächeln.

Intelligent

Ja, das stimmt! Ich bin intelligent! Wie gut, daß ich nicht den ganzen Respekt meines Teams verloren habe…
      Nun aber mal sehen, was die Auswertung meiner Testergebnisse so bringt!
      Hm. Von 8 Versuchen 2 vernünftige Treffer, 2 eher neutrale, und vier mal mehr oder minder Blödsinn. Das ist eine Patzerquote von 50 %. Wie, zur Hölle, kommen sie nur darauf…?

Kowalski konnte es sich wirklich nicht erklären, woher die seltsamen Gedanken kamen, die sich seine Teamkollegen bisweilen über ihn machten. Zwar paßte das Ergebnis seines Gedankenfängers mit seinen eigenen Beobachtungen gut überein, erklären konnte er sich das Ergebnis allerdings noch immer nicht.
      Er beschloß, nicht weiter darüber nachzudenken. Mittlerweile hatte er sich von dem kleinen Unfall am Tage erholt und fühlte sich wieder besser. Zeit, sich wieder an seine Forschungsarbeiten zu machen. Er stand auf und ging zum Labor.
      Das kleine Gedankenmeßgerät ließ er einfach offen auf dem Tisch liegen, mit der Ergebnisliste auf dem Display:

K – lemmbrett
O – ptionen
W – issenschaft
A – ngeber
L – iebeskrank
S – ensibel
K – ünstler
I – ntelligent


(Anm. d. Aut.: Bezüge aus: »Hornissen-Alarm« und »Ein kunstvoller Plan«)


Diese Geschichte wurde inspiriert von dem Projekt »Anfangsbuchstaben«. Es handelt sich hierbei aber um eine abgewandelte Version, die nur angelehnt den Vorgaben entspricht.
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