[♪ | ⚑] Am Ziel vorbei
von - Leela -
Kurzbeschreibung
Es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd zwischen Skipper und Lars, als der Papageitaucher bedeutende Dokumente aus der Basis der Pinguine stiehlt. Die Jagd endet in einem Gefecht, bei dem auch vor Waffengebrauch kein Halt gemacht wird. Doch es kommt anders als erwartet…
GeschichteAllgemein / P12 / MaleSlash
Skipper
27.11.2012
27.11.2012
1
3.554
27.11.2012
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Diese Geschichte gehört zu dem Projekt »Bedeutungsvolle Gegenstände«! Viel Spaß dabei! ^^
Die Jagd ging bereits den ganzen Vormittag durch die Stadt. Lars hatte sich Zugriff auf die Pinguin-Basis verschafft, als das Team im Einsatz gewesen war, und hatte einige bedeutende Unterlagen mitgehen lassen. Als die Pinguine zurückkamen, hatten sie die Tür zu Kowalskis Labor aufgebrochen und die Basis verwüstet vorgefunden. Aber Lars wäre nicht Lars, wenn er den Pinguinen nicht einen Hinweis gegeben hätte. Und nun jagte Skipper ihn durch ganz New York.
Manches Mal war Skipper ihm bereits gefährlich nahe gekommen. Zu nahe! Skipper und sein Team waren so gut aufeinander eingespielt, daß es ihm ein paar Mal nur knapp gelungen war, zu entkommen.
Irgendwann hatte Lars auf Verwirrungstaktik gesetzt. Er hatte einfach den Weg zurück zum Ausgangspunkt eingeschlagen – etwas, von dem er hoffte, daß die Pinguine damit nicht rechnen würden. Er wußte zwar noch nicht, wie er weiter vorgehen sollte, wenn er wieder im Zoo angekommen war, doch wenn er sich durch diese Taktik einen guten Vorsprung sichern konnte, würde ihm dazu sicher etwas einfallen! In der Basis würde er bestimmt etwas finden, mit dem er sich verteidigen konnte, eine von Kowalskis Waffen vielleicht.
Seine Rechnung ging mäßig auf. Zuerst hatten sich die Pinguine tatsächlich verwirren lassen. Doch nicht lange genug! Er hatte seinen Vorsprung gerade so weit ausgebaut, daß er ein bißchen Freiraum hatte, doch die Pinguine holten schon wieder viel zu schnell auf!
Gerade bog er in den Central Park ab und raste die Wege entlang, darauf bedacht, die Dokumente nicht fallen zu lassen, die er sich mühsam erarbeitet hatte. Er warf einen schnellen Blick zurück, konnte aber die Pinguine nicht sehen. Skipper und sein Team mußten ihm immer noch dicht auf den Fersen sein, so viel war sicher, aber scheinbar hatte er doch ein gutes Stück Vorsprung rausgeholt, um etwas durchatmen zu können. Warum auch hatte er nicht bedacht, daß er mit den Papierrollen in den Flügeln nicht würde fliegen können…? Aber er durfte die Dokumente jetzt nicht aufgeben, egal, wie nah ihm Skipper und seine Truppe kam!
Die Geräusche in der Ferne trieben ihn zur Eile an. Er hetzte über den Weg und sah sich hektisch um. Die Pinguine waren sicher direkt auf seiner Fährte. Skipper ließ sich so schnell nicht beirren, er war ein Profi, und er würde sich nicht von solch einem einfachen Manöver abhängen lassen!
Plötzlich stolperte Lars über etwas und fiel hin. Er wollte sich gerade darüber aufregen, als er plötzlich bemerkte, worüber er gefallen war. Erstaunt richtete er sich auf und sah sich die Utensilien genauer an. „Ein Pfeil und ein Bogen… Wer läßt denn so etwas hier rumliegen?“ Als er den Bogen in den Flügel nahm, bemerkte er, daß der Pfeil aus einem Köcher gerutscht war, der nicht weit entfernt am Wegrand gelegen hatte. Dort lagen noch mehr Pfeile. Erstaunt nahm er die Utensilien an sich. Da schreckte er auf. Skippers Stimme kam bedrohlich näher.
Lars grinste. Die Zeit des Weglaufens war vorbei! Jetzt hatte er eine Waffe, und da er ein geübter Bogenschütze war, hatte er keine Scheu, sich Skipper entgegenzustellen.
Der Pinguin kam gerade um eine Wegbiegung, als der Papageitaucher anlegte und auf den Pinguin zielte. Skipper bremste im Lauf ab, stemmte die Watschler in den Kies, so daß es staubte und schnappte mit entsetzter Miene nach Luft. „Lars! Bist du verrückt geworden?“
Lars grinste hinterhältig. „Vielleicht… Und nun, mein Lieblingsfeind Nummer eins: Sag’ der Welt Lebewohl!“
„Rico!“ schrie Skipper, doch da richtete Lars bereits den Pfeil aus und schoß.
Ein seltsames, gleißendes Licht blitzte auf, als der Pfeil auf sein Ziel traf.
Skipper lag am Boden und richtete sich benommen auf.
Lars hielt irritiert inne.
Mittlerweile kamen Skippers Kameraden ihm zu Hilfe.
„Skipper, was ist passiert?“ rief Kowalski.
„Wenn ich das wüßte…“ meinte Skipper bedächtig.
„Geht es dir gut?“ erkundigte sich Private besorgt.
„Mir geht es… seltsam…“
Lars hatte inzwischen registriert, daß er anscheinend doch nicht sauber gezielt hatte, und setzte ein zweites Mal an.
Kowalski bemerkte es und stieß einen erschrockenen Schrei aus, zum Intervenieren war es allerdings zu spät – der Pfeil traf sein Ziel und drückte Skippers Körper ein Stück zurück in Privates Flossen, der hinter ihm kniete und ihn abstützte.
Während Private panisch aufschrie, ließ sich Kowalski ein wütendes Grollen in Lars’ Richtung vernehmen, und Rico spuckte provozierend eine brennende Dynamitstange aus.
Skipper jedoch rieb sich den Kopf und stand wieder auf.
Lars, der das fassungslos beobachtet hatte, grinste verlegen, dann nahm er die Beine in die Hand und lief.
Die Pinguine folgten ihm nicht, sie kümmerten sich erst um Skipper.
„Der Flugrichtung nach hätte der Pfeil dein Herz treffen sollen“, sagte Kowalski deutlich verwirrt. „Anscheinend hat er dich verfehlt!“
„Aber, wo ist der Pfeil?“ fragte Private, als er sich umsah.
„Alles okay, Skipper?“ erkundigte sich Kowalski.
Skipper ging ein paar Schritte. „Mir ist so seltsam… Ich habe das Gefühl,… als würde ich auf Watte gehen.“
Kowalski und Rico wechselten einen besorgten Blick. Was war nur gerade passiert…?“
„Wo ist… Lars?“ erkundigte sich der Anführer gerade.
Kowalski war beruhigt, daß Skipper wieder zum Thema zurückfand, trotzdem war etwas merkwürdiges an dem Tonfall des Anführers, das ihn aus einem unbekannten Grund schaudern ließ. Er beruhigte sich damit, daß es wahrscheinlich noch an dem Schock lag, der Skipper in den Knochen steckte. Er deutete mit dem Flügel nach vorn. „Er ist in die Richtung geflohen! Sollen wir die Verfolgung wieder aufnehmen?“
„Ja…“ meinte Skipper bedächtig. „Unbedingt! Bringt ihn wieder zu mir zurück!“
Kowalski nickte den anderen zu. „Bleib’ hier und ruh’ dich aus, Skipper!“ sagte er, und verschwand mit den anderen beiden.
Als Skipper allein auf dem Gehweg stand, mußte er ein Gefühl der Benommenheit unterdrücken. Auch wenn es ihn ärgerte, war es sicher vernünftig gewesen, sein Team allein loszuschicken. Und dennoch machte sich Unruhe in ihm breit. „Ich kann nicht, ich kann nicht… Ich muß ihn finden! Unbedingt!“ Er ging ein paar Schritte unruhig im Kreis. Dieses merkwürdige Gefühl legte sich nicht mehr, und doch, sein Verlangen, den Papageitaucher zu finden wurde immer größer.
Es dauerte nur einen weiteren Herzschlag lang, bis er sich auf eigene Faust auf die Suche machte.
Skippers Teamkollegen hatten mittlerweile Lars wieder lokalisiert und fast zu ihm aufgeschlossen. Wieder ging es durch Seitengassen, die Pinguine holten mehr und mehr auf und im Laufen kam Lars nicht dazu zu schießen, selbst wenn er nicht darauf bedacht gewesen wäre, die gestohlenen Dokumente mit seinem Leben zu verteidigen.
Rico, Kowalski und Private trieben ihn immer mehr in die Enge.
„Rico!“ Kowalskis energischer Tonfall kam einem Befehl von Skipper gleich.
Der chaotische Pinguin würgte im Laufen eine Bazooka aus und richtete sie mit einem diabolischen Grinsen auf den Papageitaucher.
Lars geriet nun doch richtig in Panik und rannte ohne zu schauen, wohin er lief in eine weitere Seitengasse.
Die Pinguine folgten ihm und triumphierten bereits: Lars hatte sich eine Sackgasse ausgesucht! Spätestens hier würden sie ihn stellen können.
Als Lars den Blick nach vorn wandte, sah er zu spät die Mülltonne, in die er hineinrannte, sich überschlug, dabei die Papierrollen, den Köcher und den Bogen verlor, und ein gutes Stück davon entfernt zum Liegen kam. Er richtete sich mühsam auf, und sein Blick schnellte zu den Papierrollen, mittlerweile waren die Pinguine aber zu nah, als daß er eine Chance gehabt hätte, sie sich zu sichern.
Die drei Pinguine hatten die Stelle, an der Lars die Papiere und seine Waffe verloren hatte, bereits erreicht, doch durch den kleinen Unfall inspiriert, rutschte Rico auf den Pfeilen aus und verlor die Bazooka aus den Flossen, die direkt vor Lars’ Füßen landete.
Einen atemlosen Augenblick lang kapierte keiner der vier Vögel, was gerade alles passiert war.
Dann grinste Lars boshaft, hob die Bazooka langsam und bedächtig auf und richtete sie auf die Pinguine. „Jetzt drehen wir den Spieß mal um!“ sagte er langsam. „Zu schade, daß Skipper nicht bei euch ist! Ihm hätte ich diese Ehre vor allem gerne zuteil werden lassen. Naja, er wird sicher früher oder später hier auftauchen! Und jetzt rüber, an die Wand!“
Keiner der Pinguine wagte zu intervenieren. Sie alle wußten, wenn sie eines nicht durften, dann Lars zu unterschätzen! Diesmal hatte er anscheinend gewonnen. Mit erhobenen Flossen gingen sie ein Stück rückwärts, bis sie auf der gegenüberliegenden Seite an der Hauswand standen.
„Sehr gut! Und jetzt noch ein Stück weiter, damit ich in Ruhe die Dokumente wieder an mich nehmen kann!“ wies Lars sie an.
Die Pinguine wagten keinen Widerstand.
„Okay. Das war’s dann wohl!“ kommentierte Kowalski.
„Warum kriegen wir eigentlich nie was hin, wenn Skipper nicht dabei ist?“ jammerte Private.
„Bleib’ ganz ruhig, und laß ihn die Dokumente nehmen!“ Kowalskis ruhige Stimme besänftigte den jungen Pinguin, und gaben ihm zu verstehen, daß sie schon einen Weg finden würden, solange sie nur mit heilem Gefieder aus der Situation herauskamen – und darauf hofften alle.
Lars ließ sie nicht aus dem Blick. Auch er wußte, daß er seine Gegner nicht unterschätzen durfte. Langsam ging er zu der Stelle zurück, an der er die Dokumente verloren hatte.
Private zitterte.
In einem Moment, als Rico dachte, der Papageitaucher würde sich auf den Platz konzentrieren, auf dem die Dokumente lagen, sondierte er sein Inneres und begann zu würgen – doch im nächsten Moment sah er in den Lauf der Bazooka, hinter dem das deutlich unamüsierte Gesicht von Lars zu sehen war, und was auch immer er hatte hochwürgen wollen, blieb ihm wortwörtlich im Halse stecken.
„Eine Bewegung, und die Welt hat drei Pinguine weniger!“ verkündete Lars.
Rico schluckte.
Lars ging bedächtig rückwärts, um die Pinguine nicht aus den Augen zu verlieren, und trotzdem an die Dokumente heranzukommen, doch er wußte, sobald er den Blick abwendete, wurden die drei Gegner wieder zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr. Auf diese Weise blieb es ein No-Win-Szenario für ihn. Das konnte er nicht akzeptieren! „Okay. Das hat so keinen Sinn! Wenigstens euer lebendes Waffenarsenal muß ich aus dem Weg räumen!“ Er legte an und ging bedächtig auf Rico zu.
Die drei Pinguine schnappten erschrocken nach Luft. Nie zuvor hatten sie Lars so entschlossen erlebt, und keiner der drei zögerte zu glauben, daß er diesmal Ernst machen würde.
Lars kniff leicht die Augen zusammen, taxierte die Entfernung aus und zielte genau, um nicht noch einen weiteren Fehlschuß zu liefern, wie bereits zweimal zuvor an diesem Tag.
Doch er hatte die Rechnung ohne Skipper gemacht! Der Anführer hatte die Gruppe mittlerweile aufgespürt und sich über die Dächer herangepirscht, und sprang nun von einem Dachvorsprung zwischen Lars und die Dokumente. „Nicht so schnell!“
Lars wirbelte erschrocken zu ihm herum, faßte sich aber schnell, und sein teuflisches Grinsen kehrte zurück. „Ah, du kommst also doch noch zu meiner Party! Wie schön! Möchtest du zuerst dem beiwohnen, wie ich dein Team vernichte?“
Skipper schnappte nach Luft. Als er Lars gegenüberstand, spürte er sein Herz hämmern, auf eine eigentümliche, fast schmerzende Weise, die für ihn völlig ungewohnt war. Er konnte sich das merkwürdige Gefühl nicht erklären, wußte nur, daß er sein Team beschützen mußte, egal, was da kommen mochte, aber sein Geist war wie benebelt, und sein Körper fühlte sich wieder wie in Watte gehüllt an. Doch er hatte die Lage schnell überblickt und sich Pfeil und Bogen geschnappt. „Laß sie gehen!“
„Du wirkst angespannt, Skipper!“ höhnte Lars und legte die Bazooka auf die anderen drei Pinguine an. „Das wird mir hier zu gefährlich! Ich denke, auf ein paar Pinguine können wir verzichten!“
„Skipper! Jetzt schieß schon endlich den Pfeil ab!“ schrie Kowalski.
Skipper legte mit zitternder Flosse an. Er wußte, er durfte nicht zögern, und doch fiel es ihm unendlich schwer. Warum nur fiel es ihm so unglaublich schwer? Er biß den Schnabel zusammen, und als er den Pfeil abschießen mußte, sah er weg.
Lars ließ sich einen erstickten Schrei vernehmen, als er begriff, daß einer der Pfeile tatsächlich auf ihn zuraste.
Der Pfeil löste sich mehr zufällig von der Sehne, traf sein Ziel aber doch – zumindest hatte es zuerst den Anschein. Gleißendes Licht blendete die Umstehenden für einen Moment, so daß sie das Umfeld nicht genau ausmachen konnten.
Als das blendende Licht schwächer wurde und sich wieder den normalen Verhältnissen anpaßte, stand Lars noch immer.
Die anderen Pinguine standen geschockt da und sondierten ihn nach Verletzungen, konnten aber keine ausmachen.
„Oh, nein! Skipper hat sein Ziel verfehlt“, jammerte Private.
„Kein Wunder, so wie er gezittert hat“, kommentierte Kowalski.
„Wa’ mach’n wir denn jetz’?“ fragte Rico.
Doch Lars reagierte nicht. Er atmete schwer, und ließ seine Waffe sinken.
Kowalski beobachtete es konsterniert. „Was passiert hier…?“
Lars hatte den Blick auf Skipper gerichtet, der noch immer zitterte und mit geschlossenen Augen den Kopf zur Seite gewandt hatte. Die Bazooka fiel ihm aus den Flügeln, und langsamen Schrittes ging er zu Skipper herüber.
Als der Papageitaucher die Flosse des Pinguins nahm, mit der er noch immer den Bogen festhielt, zuckte sein Gegenüber zusammen. Als Skipper die Augen öffnete, sah er in die nachdenkliche Miene von Lars, dessen Blick auf den Bogen gerichtet war. ‚Jetzt erschießt er mich aus nächster Nähe’, schoß es Skipper durch den Sinn. ‚Soll er doch! Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn, wenn ich mich nicht einmal mehr gegen meine Gefühle gegenüber eines Feindes wehren kann?’
Doch Lars nahm ihm sachte den Bogen aus der Flosse und legte ihn zur Seite. Mit sanfter Stimme sagte er: „Es ist nichts passiert, Skipper! Alles ist gut!“
Skipper atmete schwer. Er wollte erwidern, daß nicht alles gut war, daß sein Gefühlsleben ein Chaos war, daß er gegen einen Feind kämpfte, den er liebte, und daß er sich wünschen würde, Lars würde dem endlich ein Ende setzen, damit er in Frieden gehen konnte, als er plötzlich spürte, wie der Papageitaucher ihn in die Flügel zog und sachte an sich drückte. Skipper konnte noch gar nicht wechseln, was gerade passierte, klammerte sich an Lars fest und brach in Tränen aus.
„Alles ist gut, Skipper“, sagte Lars ruhig. Und leiser, wie zu sich selbst, fügte er an: „Was haben wir nur all die Jahre für einen Schwachsinn gemacht…?“ Sanft streichelte er über den Rücken des Pinguins, der einige Zeit brauchte, um sich wieder zu beruhigen.
Kowalski, Rico und Private standen in einiger Entfernung und beobachteten die Szene mit vor Verblüffung und Entsetzen offenstehenden Schnäbeln.
„Was genau passiert da gerade…?“ fragte Private.
„Wenn ich das richtig interpretiere, bist du noch zu jung, um dir darüber Gedanken zu machen“, erwiderte Kowalski bedächtig.
Die drei Pinguine waren verwirrt. Kowalski, Private und Rico hatten noch lange nicht die Szenen verarbeitet, deren Zeuge sie ungewollt geworden waren, als sie die Gasse schließlich verließen.
Sie hatten kaum eine andere Wahl gehabt. Sie hatten immer noch am Ende der Sackgasse gestanden, während Skipper und Lars vor ihnen den Weg versperrten, und keiner der drei hatte es gewagt, in die Szene dazwischenzufunken. So standen sie da und betrachteten wie erstarrt, was sich vor ihren Augen abspielte.
Zuerst hatten sie völlig konfus beobachtet, wie sich die beiden Vögel in den Armen lagen, ohne daß sie ihre Umwelt überhaupt noch wahrzunehmen schienen. Lars hatte Skipper beruhigt, der einige Zeit brauchte, um wieder zu sich zu finden. Dann folgte ein seelentiefer Blick, der den drei unbeabsichtigten Zuschauern das Gefieder sträuben ließ, gepaart mit einem Lächeln, das erst Lars dem Pinguin schenkte, und dann zaghaft von Skipper erwidert wurde.
Schließlich war Lars aufgestanden und hatte Skipper den Flügel gereicht, um ihm aufzuhelfen. Völlig entgeistert hatten die drei anderen Pinguine nun beobachtet, wie Skipper und Lars gemeinsam in inniger Umarmung die Gasse verlassen hatten; die drei Kameraden schienen in Vergessenheit geraten zu sein, die Dokumente lagen nach wie vor verstreut und sowohl die Bazooka, als auch Pfeile und Bogen lagen ebenfalls achtlos auf dem Boden.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich aus ihrer Starre hatten lösen können, und bedächtig angefangen hatten, aufzuräumen.
Rico hatte die Bazooka wieder eingesammelt, und auch die Papierrollen in seinem Inneren verstaut. Kowalski hatte den Bogen und den Köcher mit den Pfeilen an sich genommen.
Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort, als sie sich langsam auf den Rückweg machten.
Private war es schließlich, der das Schweigen brach. „Ich verstehe es nicht, Kowalski! Zuerst liefern wir uns eine Verfolgungsjagd durch die ganze Stadt und Lars will uns umbringen, und dann gehen Skipper und Lars einfach zusammen weg! Was soll das?“
„Viel interessanter finde ich, daß ich zwei mal den Eindruck hatte, Skipper und Lars würden sich gegenseitig erschießen, und nichts passiert!“ erwiderte Kowalski. „Das ist alles sehr… mysteriös.“
„Allerdings!“ stimmte Rico zu.
Nachdenklich bogen die drei in den Central Park ab, gingen ganz bedächtig den Weg zurück, den sie vorher in die andere Richtung wie die Irren langgehetzt waren. Jetzt hatten sie keine Eile mehr. Dafür aber um so mehr konfuse Gedanken über das, was passiert war.
In der Zwischenzeit ging ein junger Mann suchend durch den Park. Offenbar hatte er etwas bedeutungsvolles verloren. Intensiv suchte er Wiesen und Wege ab. „Er muß hier doch irgendwo sein… Verdammt, ich muß ihn wiederfinden, bevor noch ein Desaster passiert!“ Er zwang sich zur Ruhe und ging konzentriert über eine Parkfläche.
Gerade in dem Moment gingen die drei Pinguine den Parkweg entlang, der sich an die Rasenfläche anschloß.
„Das war das mit Abstand seltsamste, was ich bislang erlebt habe“, erklärte Kowalski.
„Dem kann ich nur zustimmen!“ pflichtete Private bei.
„Jop!“ meinte Rico bestätigend.
„Schaut mal, da scheint jemand etwas verloren zu haben!“ meinte Private plötzlich und deutete auf den jungen, sehr zierlich anmutenden Mann, der noch immer suchend über den Rasen ging. „Laßt ihn uns fragen, ob wir helfen können!“
Kowalski machte eine abwinkende Geste. „Private, du weißt doch, daß die Menschen uns nicht verstehen!“
„Mag sein, aber versuchen können wir es doch!“ widersprach Private und wandte sich um. „Entschuldigung, hast du etwas verloren?“
Kowalski verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
Der Angesprochene wandte sich jedoch zu Kowalskis Erstaunen überrascht zu den Pinguinen um. „Ja, das habe ich tatsächlich! Einen Bogen, und einen Köcher mit Pfeilen! Ich muß sie hier in der Nähe verloren haben! Es ist unheimlich wichtig, daß ich sie wiederbekomme!“
Die Pinguine wechselten einen Blick.
Kowalski zog die Sachen hinter dem Rücken hervor. „Gehört diese Ausrüstung dir?“
„Da sind sie ja!“ Erleichtert nahm er die Utensilien an sich. „Dem Himmel sei Dank!“
Kowalski räusperte sich. „Was ist das für eine merkwürdige Ausrüstung?“ fragte er etwas provokativ, da ihm die seltsamen Ereignisse des Tages einfach nicht aus dem Kopf gingen, und er noch immer nicht glauben konnte, daß zwei erfahrene Schützen so schlecht im Umgang mit Pfeil und Bogen sein konnten.
Der junge Mann lächelte milde. „Das würdet ihr mir doch nicht glauben!“ sagte er.
„Ich… würde es trotzdem gerne wissen!“ meinte Kowalski bedächtig. Die Reaktion seines Gegenüber machte ihn nur um so neugieriger, immerhin hatte er mit ein bißchen Überraschung gerechnet, als er die Ausrüstung als »merkwürdig« bezeichnet hatte.
„Nun…“ meinte ihr Gesprächspartner gedehnt. „Dafür sollte ich mich vielleicht erst mal vorstellen. Mein Name ist Cupido!“
Private schnappte nach Luft. „Der Cupido?“ fragte er, und der junge Mann nickte.
„Das ist jetzt ein Witz!“ kommentierte Kowalski.
„Aber nein!“ erklärte Cupido, und zum Erstaunen der Pinguine sahen sie, wie der junge Mann kurz ein Paar durchscheinende, fast unsichtbare Flügel aufschlug. „Und um deine Frage zu beantworten: Dies sind die legendären Liebespfeile, mit denen ich einsame Herzen zusammenbringe!“
Die Pinguine sahen den jungen Mann erstarrt an.
Rico warf Kowalski einen entgeisterten Seitenblick zu. „Is’ das sein Ernst?“
Kowalski schaute beklommen. „Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte…“
Private, der den kurzen Wortwechsel mitverfolgt hatte, fragte sorgenvoll: „Was machen wir denn jetzt?“
Cupido checkte derweil seine Ausrüstung und stellte fest, daß einige Pfeile fehlten. „Du meine Güte… Irgendwo müssen noch drei Pfeile liegen!“
Kowalski räusperte sich und lachte nervös.
Cupido sah auf. „Sag’ nicht, irgendwer hat damit rumgespielt!“
„Äh…“ begann Kowalski und schlug nervös die Flossen gegeneinander. „Kann man die Wirkung umkehren…?“
Cupido schüttelte den Kopf. „Nicht, solange dies nicht von den Getroffenen selbst aus freiem Willen heraus geschieht! Und gerade in der ersten Phase der Verliebtheit würde ich keinen Cent darauf wetten!“
„Na super“, kommentierte Private. „Und Skipper hat eine doppelte Ladung abgekriegt…“
Die drei wechselten einen unbehaglichen Blick.
Cupido stand auf, und die Pinguine fühlten sich unter seinem durchdringenden Blick klein und schuldbewußt, obwohl sie selbst ja nicht einmal etwas mit der Sache zu tun gehabt hatten – nicht direkt jedenfalls. „So wie es aussieht, werdet ihr jetzt mit den Konsequenzen leben müssen!“ Er ging noch einmal in die Hocke, um die Pinguine auf Augenhöhe zu haben. „Ein guter Rat: Manche Dinge sollte man lieber denjenigen überlassen, die darauf geschult sind!“
Die Pinguine wichen kollektiv seinem Blick aus, und verpaßten so das kleine amüsierte Lächeln, das Cupidos Lippen umspielte, bevor er sich verabschiedete und wieder seines Weges ging.
Betreten setzten die Pinguine ihren Weg, zurück zu ihrer Basis, fort.
„Irgendwie war das nicht fair“, bemerkte Private. „Immerhin hat keiner von uns die Pfeile abgeschossen!“
„Nein, das haben Skipper und Lars sich selbst ganz allein zu verdanken“, seufzte Kowalski. „Nur ich Idiot habe Skipper natürlich ermutigt, auf Lars zu schießen!“
„Naja, aber ansonsten würde es jetzt ziemlich schlecht um uns stehen“, erinnerte Private. „Da ist es so doch besser!“
„Jap!“ stimmte Rico zu.
In Gedanken gingen die drei weiter, und die Bilder der letzten Stunden liefen noch einmal vor ihrem inneren Auge ab.
„Mir hat Lars als Feind wesentlich besser gefallen“, gab Kowalski zu.
Die Jagd ging bereits den ganzen Vormittag durch die Stadt. Lars hatte sich Zugriff auf die Pinguin-Basis verschafft, als das Team im Einsatz gewesen war, und hatte einige bedeutende Unterlagen mitgehen lassen. Als die Pinguine zurückkamen, hatten sie die Tür zu Kowalskis Labor aufgebrochen und die Basis verwüstet vorgefunden. Aber Lars wäre nicht Lars, wenn er den Pinguinen nicht einen Hinweis gegeben hätte. Und nun jagte Skipper ihn durch ganz New York.
Manches Mal war Skipper ihm bereits gefährlich nahe gekommen. Zu nahe! Skipper und sein Team waren so gut aufeinander eingespielt, daß es ihm ein paar Mal nur knapp gelungen war, zu entkommen.
Irgendwann hatte Lars auf Verwirrungstaktik gesetzt. Er hatte einfach den Weg zurück zum Ausgangspunkt eingeschlagen – etwas, von dem er hoffte, daß die Pinguine damit nicht rechnen würden. Er wußte zwar noch nicht, wie er weiter vorgehen sollte, wenn er wieder im Zoo angekommen war, doch wenn er sich durch diese Taktik einen guten Vorsprung sichern konnte, würde ihm dazu sicher etwas einfallen! In der Basis würde er bestimmt etwas finden, mit dem er sich verteidigen konnte, eine von Kowalskis Waffen vielleicht.
Seine Rechnung ging mäßig auf. Zuerst hatten sich die Pinguine tatsächlich verwirren lassen. Doch nicht lange genug! Er hatte seinen Vorsprung gerade so weit ausgebaut, daß er ein bißchen Freiraum hatte, doch die Pinguine holten schon wieder viel zu schnell auf!
Gerade bog er in den Central Park ab und raste die Wege entlang, darauf bedacht, die Dokumente nicht fallen zu lassen, die er sich mühsam erarbeitet hatte. Er warf einen schnellen Blick zurück, konnte aber die Pinguine nicht sehen. Skipper und sein Team mußten ihm immer noch dicht auf den Fersen sein, so viel war sicher, aber scheinbar hatte er doch ein gutes Stück Vorsprung rausgeholt, um etwas durchatmen zu können. Warum auch hatte er nicht bedacht, daß er mit den Papierrollen in den Flügeln nicht würde fliegen können…? Aber er durfte die Dokumente jetzt nicht aufgeben, egal, wie nah ihm Skipper und seine Truppe kam!
Die Geräusche in der Ferne trieben ihn zur Eile an. Er hetzte über den Weg und sah sich hektisch um. Die Pinguine waren sicher direkt auf seiner Fährte. Skipper ließ sich so schnell nicht beirren, er war ein Profi, und er würde sich nicht von solch einem einfachen Manöver abhängen lassen!
Plötzlich stolperte Lars über etwas und fiel hin. Er wollte sich gerade darüber aufregen, als er plötzlich bemerkte, worüber er gefallen war. Erstaunt richtete er sich auf und sah sich die Utensilien genauer an. „Ein Pfeil und ein Bogen… Wer läßt denn so etwas hier rumliegen?“ Als er den Bogen in den Flügel nahm, bemerkte er, daß der Pfeil aus einem Köcher gerutscht war, der nicht weit entfernt am Wegrand gelegen hatte. Dort lagen noch mehr Pfeile. Erstaunt nahm er die Utensilien an sich. Da schreckte er auf. Skippers Stimme kam bedrohlich näher.
Lars grinste. Die Zeit des Weglaufens war vorbei! Jetzt hatte er eine Waffe, und da er ein geübter Bogenschütze war, hatte er keine Scheu, sich Skipper entgegenzustellen.
Der Pinguin kam gerade um eine Wegbiegung, als der Papageitaucher anlegte und auf den Pinguin zielte. Skipper bremste im Lauf ab, stemmte die Watschler in den Kies, so daß es staubte und schnappte mit entsetzter Miene nach Luft. „Lars! Bist du verrückt geworden?“
Lars grinste hinterhältig. „Vielleicht… Und nun, mein Lieblingsfeind Nummer eins: Sag’ der Welt Lebewohl!“
„Rico!“ schrie Skipper, doch da richtete Lars bereits den Pfeil aus und schoß.
Ein seltsames, gleißendes Licht blitzte auf, als der Pfeil auf sein Ziel traf.
Skipper lag am Boden und richtete sich benommen auf.
Lars hielt irritiert inne.
Mittlerweile kamen Skippers Kameraden ihm zu Hilfe.
„Skipper, was ist passiert?“ rief Kowalski.
„Wenn ich das wüßte…“ meinte Skipper bedächtig.
„Geht es dir gut?“ erkundigte sich Private besorgt.
„Mir geht es… seltsam…“
Lars hatte inzwischen registriert, daß er anscheinend doch nicht sauber gezielt hatte, und setzte ein zweites Mal an.
Kowalski bemerkte es und stieß einen erschrockenen Schrei aus, zum Intervenieren war es allerdings zu spät – der Pfeil traf sein Ziel und drückte Skippers Körper ein Stück zurück in Privates Flossen, der hinter ihm kniete und ihn abstützte.
Während Private panisch aufschrie, ließ sich Kowalski ein wütendes Grollen in Lars’ Richtung vernehmen, und Rico spuckte provozierend eine brennende Dynamitstange aus.
Skipper jedoch rieb sich den Kopf und stand wieder auf.
Lars, der das fassungslos beobachtet hatte, grinste verlegen, dann nahm er die Beine in die Hand und lief.
Die Pinguine folgten ihm nicht, sie kümmerten sich erst um Skipper.
„Der Flugrichtung nach hätte der Pfeil dein Herz treffen sollen“, sagte Kowalski deutlich verwirrt. „Anscheinend hat er dich verfehlt!“
„Aber, wo ist der Pfeil?“ fragte Private, als er sich umsah.
„Alles okay, Skipper?“ erkundigte sich Kowalski.
Skipper ging ein paar Schritte. „Mir ist so seltsam… Ich habe das Gefühl,… als würde ich auf Watte gehen.“
Kowalski und Rico wechselten einen besorgten Blick. Was war nur gerade passiert…?“
„Wo ist… Lars?“ erkundigte sich der Anführer gerade.
Kowalski war beruhigt, daß Skipper wieder zum Thema zurückfand, trotzdem war etwas merkwürdiges an dem Tonfall des Anführers, das ihn aus einem unbekannten Grund schaudern ließ. Er beruhigte sich damit, daß es wahrscheinlich noch an dem Schock lag, der Skipper in den Knochen steckte. Er deutete mit dem Flügel nach vorn. „Er ist in die Richtung geflohen! Sollen wir die Verfolgung wieder aufnehmen?“
„Ja…“ meinte Skipper bedächtig. „Unbedingt! Bringt ihn wieder zu mir zurück!“
Kowalski nickte den anderen zu. „Bleib’ hier und ruh’ dich aus, Skipper!“ sagte er, und verschwand mit den anderen beiden.
Als Skipper allein auf dem Gehweg stand, mußte er ein Gefühl der Benommenheit unterdrücken. Auch wenn es ihn ärgerte, war es sicher vernünftig gewesen, sein Team allein loszuschicken. Und dennoch machte sich Unruhe in ihm breit. „Ich kann nicht, ich kann nicht… Ich muß ihn finden! Unbedingt!“ Er ging ein paar Schritte unruhig im Kreis. Dieses merkwürdige Gefühl legte sich nicht mehr, und doch, sein Verlangen, den Papageitaucher zu finden wurde immer größer.
Es dauerte nur einen weiteren Herzschlag lang, bis er sich auf eigene Faust auf die Suche machte.
Skippers Teamkollegen hatten mittlerweile Lars wieder lokalisiert und fast zu ihm aufgeschlossen. Wieder ging es durch Seitengassen, die Pinguine holten mehr und mehr auf und im Laufen kam Lars nicht dazu zu schießen, selbst wenn er nicht darauf bedacht gewesen wäre, die gestohlenen Dokumente mit seinem Leben zu verteidigen.
Rico, Kowalski und Private trieben ihn immer mehr in die Enge.
„Rico!“ Kowalskis energischer Tonfall kam einem Befehl von Skipper gleich.
Der chaotische Pinguin würgte im Laufen eine Bazooka aus und richtete sie mit einem diabolischen Grinsen auf den Papageitaucher.
Lars geriet nun doch richtig in Panik und rannte ohne zu schauen, wohin er lief in eine weitere Seitengasse.
Die Pinguine folgten ihm und triumphierten bereits: Lars hatte sich eine Sackgasse ausgesucht! Spätestens hier würden sie ihn stellen können.
Als Lars den Blick nach vorn wandte, sah er zu spät die Mülltonne, in die er hineinrannte, sich überschlug, dabei die Papierrollen, den Köcher und den Bogen verlor, und ein gutes Stück davon entfernt zum Liegen kam. Er richtete sich mühsam auf, und sein Blick schnellte zu den Papierrollen, mittlerweile waren die Pinguine aber zu nah, als daß er eine Chance gehabt hätte, sie sich zu sichern.
Die drei Pinguine hatten die Stelle, an der Lars die Papiere und seine Waffe verloren hatte, bereits erreicht, doch durch den kleinen Unfall inspiriert, rutschte Rico auf den Pfeilen aus und verlor die Bazooka aus den Flossen, die direkt vor Lars’ Füßen landete.
Einen atemlosen Augenblick lang kapierte keiner der vier Vögel, was gerade alles passiert war.
Dann grinste Lars boshaft, hob die Bazooka langsam und bedächtig auf und richtete sie auf die Pinguine. „Jetzt drehen wir den Spieß mal um!“ sagte er langsam. „Zu schade, daß Skipper nicht bei euch ist! Ihm hätte ich diese Ehre vor allem gerne zuteil werden lassen. Naja, er wird sicher früher oder später hier auftauchen! Und jetzt rüber, an die Wand!“
Keiner der Pinguine wagte zu intervenieren. Sie alle wußten, wenn sie eines nicht durften, dann Lars zu unterschätzen! Diesmal hatte er anscheinend gewonnen. Mit erhobenen Flossen gingen sie ein Stück rückwärts, bis sie auf der gegenüberliegenden Seite an der Hauswand standen.
„Sehr gut! Und jetzt noch ein Stück weiter, damit ich in Ruhe die Dokumente wieder an mich nehmen kann!“ wies Lars sie an.
Die Pinguine wagten keinen Widerstand.
„Okay. Das war’s dann wohl!“ kommentierte Kowalski.
„Warum kriegen wir eigentlich nie was hin, wenn Skipper nicht dabei ist?“ jammerte Private.
„Bleib’ ganz ruhig, und laß ihn die Dokumente nehmen!“ Kowalskis ruhige Stimme besänftigte den jungen Pinguin, und gaben ihm zu verstehen, daß sie schon einen Weg finden würden, solange sie nur mit heilem Gefieder aus der Situation herauskamen – und darauf hofften alle.
Lars ließ sie nicht aus dem Blick. Auch er wußte, daß er seine Gegner nicht unterschätzen durfte. Langsam ging er zu der Stelle zurück, an der er die Dokumente verloren hatte.
Private zitterte.
In einem Moment, als Rico dachte, der Papageitaucher würde sich auf den Platz konzentrieren, auf dem die Dokumente lagen, sondierte er sein Inneres und begann zu würgen – doch im nächsten Moment sah er in den Lauf der Bazooka, hinter dem das deutlich unamüsierte Gesicht von Lars zu sehen war, und was auch immer er hatte hochwürgen wollen, blieb ihm wortwörtlich im Halse stecken.
„Eine Bewegung, und die Welt hat drei Pinguine weniger!“ verkündete Lars.
Rico schluckte.
Lars ging bedächtig rückwärts, um die Pinguine nicht aus den Augen zu verlieren, und trotzdem an die Dokumente heranzukommen, doch er wußte, sobald er den Blick abwendete, wurden die drei Gegner wieder zu einer nicht zu unterschätzenden Gefahr. Auf diese Weise blieb es ein No-Win-Szenario für ihn. Das konnte er nicht akzeptieren! „Okay. Das hat so keinen Sinn! Wenigstens euer lebendes Waffenarsenal muß ich aus dem Weg räumen!“ Er legte an und ging bedächtig auf Rico zu.
Die drei Pinguine schnappten erschrocken nach Luft. Nie zuvor hatten sie Lars so entschlossen erlebt, und keiner der drei zögerte zu glauben, daß er diesmal Ernst machen würde.
Lars kniff leicht die Augen zusammen, taxierte die Entfernung aus und zielte genau, um nicht noch einen weiteren Fehlschuß zu liefern, wie bereits zweimal zuvor an diesem Tag.
Doch er hatte die Rechnung ohne Skipper gemacht! Der Anführer hatte die Gruppe mittlerweile aufgespürt und sich über die Dächer herangepirscht, und sprang nun von einem Dachvorsprung zwischen Lars und die Dokumente. „Nicht so schnell!“
Lars wirbelte erschrocken zu ihm herum, faßte sich aber schnell, und sein teuflisches Grinsen kehrte zurück. „Ah, du kommst also doch noch zu meiner Party! Wie schön! Möchtest du zuerst dem beiwohnen, wie ich dein Team vernichte?“
Skipper schnappte nach Luft. Als er Lars gegenüberstand, spürte er sein Herz hämmern, auf eine eigentümliche, fast schmerzende Weise, die für ihn völlig ungewohnt war. Er konnte sich das merkwürdige Gefühl nicht erklären, wußte nur, daß er sein Team beschützen mußte, egal, was da kommen mochte, aber sein Geist war wie benebelt, und sein Körper fühlte sich wieder wie in Watte gehüllt an. Doch er hatte die Lage schnell überblickt und sich Pfeil und Bogen geschnappt. „Laß sie gehen!“
„Du wirkst angespannt, Skipper!“ höhnte Lars und legte die Bazooka auf die anderen drei Pinguine an. „Das wird mir hier zu gefährlich! Ich denke, auf ein paar Pinguine können wir verzichten!“
„Skipper! Jetzt schieß schon endlich den Pfeil ab!“ schrie Kowalski.
Skipper legte mit zitternder Flosse an. Er wußte, er durfte nicht zögern, und doch fiel es ihm unendlich schwer. Warum nur fiel es ihm so unglaublich schwer? Er biß den Schnabel zusammen, und als er den Pfeil abschießen mußte, sah er weg.
Lars ließ sich einen erstickten Schrei vernehmen, als er begriff, daß einer der Pfeile tatsächlich auf ihn zuraste.
Der Pfeil löste sich mehr zufällig von der Sehne, traf sein Ziel aber doch – zumindest hatte es zuerst den Anschein. Gleißendes Licht blendete die Umstehenden für einen Moment, so daß sie das Umfeld nicht genau ausmachen konnten.
Als das blendende Licht schwächer wurde und sich wieder den normalen Verhältnissen anpaßte, stand Lars noch immer.
Die anderen Pinguine standen geschockt da und sondierten ihn nach Verletzungen, konnten aber keine ausmachen.
„Oh, nein! Skipper hat sein Ziel verfehlt“, jammerte Private.
„Kein Wunder, so wie er gezittert hat“, kommentierte Kowalski.
„Wa’ mach’n wir denn jetz’?“ fragte Rico.
Doch Lars reagierte nicht. Er atmete schwer, und ließ seine Waffe sinken.
Kowalski beobachtete es konsterniert. „Was passiert hier…?“
Lars hatte den Blick auf Skipper gerichtet, der noch immer zitterte und mit geschlossenen Augen den Kopf zur Seite gewandt hatte. Die Bazooka fiel ihm aus den Flügeln, und langsamen Schrittes ging er zu Skipper herüber.
Als der Papageitaucher die Flosse des Pinguins nahm, mit der er noch immer den Bogen festhielt, zuckte sein Gegenüber zusammen. Als Skipper die Augen öffnete, sah er in die nachdenkliche Miene von Lars, dessen Blick auf den Bogen gerichtet war. ‚Jetzt erschießt er mich aus nächster Nähe’, schoß es Skipper durch den Sinn. ‚Soll er doch! Was hat das Leben jetzt noch für einen Sinn, wenn ich mich nicht einmal mehr gegen meine Gefühle gegenüber eines Feindes wehren kann?’
Doch Lars nahm ihm sachte den Bogen aus der Flosse und legte ihn zur Seite. Mit sanfter Stimme sagte er: „Es ist nichts passiert, Skipper! Alles ist gut!“
Skipper atmete schwer. Er wollte erwidern, daß nicht alles gut war, daß sein Gefühlsleben ein Chaos war, daß er gegen einen Feind kämpfte, den er liebte, und daß er sich wünschen würde, Lars würde dem endlich ein Ende setzen, damit er in Frieden gehen konnte, als er plötzlich spürte, wie der Papageitaucher ihn in die Flügel zog und sachte an sich drückte. Skipper konnte noch gar nicht wechseln, was gerade passierte, klammerte sich an Lars fest und brach in Tränen aus.
„Alles ist gut, Skipper“, sagte Lars ruhig. Und leiser, wie zu sich selbst, fügte er an: „Was haben wir nur all die Jahre für einen Schwachsinn gemacht…?“ Sanft streichelte er über den Rücken des Pinguins, der einige Zeit brauchte, um sich wieder zu beruhigen.
Kowalski, Rico und Private standen in einiger Entfernung und beobachteten die Szene mit vor Verblüffung und Entsetzen offenstehenden Schnäbeln.
„Was genau passiert da gerade…?“ fragte Private.
„Wenn ich das richtig interpretiere, bist du noch zu jung, um dir darüber Gedanken zu machen“, erwiderte Kowalski bedächtig.
Die drei Pinguine waren verwirrt. Kowalski, Private und Rico hatten noch lange nicht die Szenen verarbeitet, deren Zeuge sie ungewollt geworden waren, als sie die Gasse schließlich verließen.
Sie hatten kaum eine andere Wahl gehabt. Sie hatten immer noch am Ende der Sackgasse gestanden, während Skipper und Lars vor ihnen den Weg versperrten, und keiner der drei hatte es gewagt, in die Szene dazwischenzufunken. So standen sie da und betrachteten wie erstarrt, was sich vor ihren Augen abspielte.
Zuerst hatten sie völlig konfus beobachtet, wie sich die beiden Vögel in den Armen lagen, ohne daß sie ihre Umwelt überhaupt noch wahrzunehmen schienen. Lars hatte Skipper beruhigt, der einige Zeit brauchte, um wieder zu sich zu finden. Dann folgte ein seelentiefer Blick, der den drei unbeabsichtigten Zuschauern das Gefieder sträuben ließ, gepaart mit einem Lächeln, das erst Lars dem Pinguin schenkte, und dann zaghaft von Skipper erwidert wurde.
Schließlich war Lars aufgestanden und hatte Skipper den Flügel gereicht, um ihm aufzuhelfen. Völlig entgeistert hatten die drei anderen Pinguine nun beobachtet, wie Skipper und Lars gemeinsam in inniger Umarmung die Gasse verlassen hatten; die drei Kameraden schienen in Vergessenheit geraten zu sein, die Dokumente lagen nach wie vor verstreut und sowohl die Bazooka, als auch Pfeile und Bogen lagen ebenfalls achtlos auf dem Boden.
Es hatte eine Weile gedauert, bis sie sich aus ihrer Starre hatten lösen können, und bedächtig angefangen hatten, aufzuräumen.
Rico hatte die Bazooka wieder eingesammelt, und auch die Papierrollen in seinem Inneren verstaut. Kowalski hatte den Bogen und den Köcher mit den Pfeilen an sich genommen.
Eine Weile sagte keiner von ihnen ein Wort, als sie sich langsam auf den Rückweg machten.
Private war es schließlich, der das Schweigen brach. „Ich verstehe es nicht, Kowalski! Zuerst liefern wir uns eine Verfolgungsjagd durch die ganze Stadt und Lars will uns umbringen, und dann gehen Skipper und Lars einfach zusammen weg! Was soll das?“
„Viel interessanter finde ich, daß ich zwei mal den Eindruck hatte, Skipper und Lars würden sich gegenseitig erschießen, und nichts passiert!“ erwiderte Kowalski. „Das ist alles sehr… mysteriös.“
„Allerdings!“ stimmte Rico zu.
Nachdenklich bogen die drei in den Central Park ab, gingen ganz bedächtig den Weg zurück, den sie vorher in die andere Richtung wie die Irren langgehetzt waren. Jetzt hatten sie keine Eile mehr. Dafür aber um so mehr konfuse Gedanken über das, was passiert war.
In der Zwischenzeit ging ein junger Mann suchend durch den Park. Offenbar hatte er etwas bedeutungsvolles verloren. Intensiv suchte er Wiesen und Wege ab. „Er muß hier doch irgendwo sein… Verdammt, ich muß ihn wiederfinden, bevor noch ein Desaster passiert!“ Er zwang sich zur Ruhe und ging konzentriert über eine Parkfläche.
Gerade in dem Moment gingen die drei Pinguine den Parkweg entlang, der sich an die Rasenfläche anschloß.
„Das war das mit Abstand seltsamste, was ich bislang erlebt habe“, erklärte Kowalski.
„Dem kann ich nur zustimmen!“ pflichtete Private bei.
„Jop!“ meinte Rico bestätigend.
„Schaut mal, da scheint jemand etwas verloren zu haben!“ meinte Private plötzlich und deutete auf den jungen, sehr zierlich anmutenden Mann, der noch immer suchend über den Rasen ging. „Laßt ihn uns fragen, ob wir helfen können!“
Kowalski machte eine abwinkende Geste. „Private, du weißt doch, daß die Menschen uns nicht verstehen!“
„Mag sein, aber versuchen können wir es doch!“ widersprach Private und wandte sich um. „Entschuldigung, hast du etwas verloren?“
Kowalski verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
Der Angesprochene wandte sich jedoch zu Kowalskis Erstaunen überrascht zu den Pinguinen um. „Ja, das habe ich tatsächlich! Einen Bogen, und einen Köcher mit Pfeilen! Ich muß sie hier in der Nähe verloren haben! Es ist unheimlich wichtig, daß ich sie wiederbekomme!“
Die Pinguine wechselten einen Blick.
Kowalski zog die Sachen hinter dem Rücken hervor. „Gehört diese Ausrüstung dir?“
„Da sind sie ja!“ Erleichtert nahm er die Utensilien an sich. „Dem Himmel sei Dank!“
Kowalski räusperte sich. „Was ist das für eine merkwürdige Ausrüstung?“ fragte er etwas provokativ, da ihm die seltsamen Ereignisse des Tages einfach nicht aus dem Kopf gingen, und er noch immer nicht glauben konnte, daß zwei erfahrene Schützen so schlecht im Umgang mit Pfeil und Bogen sein konnten.
Der junge Mann lächelte milde. „Das würdet ihr mir doch nicht glauben!“ sagte er.
„Ich… würde es trotzdem gerne wissen!“ meinte Kowalski bedächtig. Die Reaktion seines Gegenüber machte ihn nur um so neugieriger, immerhin hatte er mit ein bißchen Überraschung gerechnet, als er die Ausrüstung als »merkwürdig« bezeichnet hatte.
„Nun…“ meinte ihr Gesprächspartner gedehnt. „Dafür sollte ich mich vielleicht erst mal vorstellen. Mein Name ist Cupido!“
Private schnappte nach Luft. „Der Cupido?“ fragte er, und der junge Mann nickte.
„Das ist jetzt ein Witz!“ kommentierte Kowalski.
„Aber nein!“ erklärte Cupido, und zum Erstaunen der Pinguine sahen sie, wie der junge Mann kurz ein Paar durchscheinende, fast unsichtbare Flügel aufschlug. „Und um deine Frage zu beantworten: Dies sind die legendären Liebespfeile, mit denen ich einsame Herzen zusammenbringe!“
Die Pinguine sahen den jungen Mann erstarrt an.
Rico warf Kowalski einen entgeisterten Seitenblick zu. „Is’ das sein Ernst?“
Kowalski schaute beklommen. „Ich würde es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte…“
Private, der den kurzen Wortwechsel mitverfolgt hatte, fragte sorgenvoll: „Was machen wir denn jetzt?“
Cupido checkte derweil seine Ausrüstung und stellte fest, daß einige Pfeile fehlten. „Du meine Güte… Irgendwo müssen noch drei Pfeile liegen!“
Kowalski räusperte sich und lachte nervös.
Cupido sah auf. „Sag’ nicht, irgendwer hat damit rumgespielt!“
„Äh…“ begann Kowalski und schlug nervös die Flossen gegeneinander. „Kann man die Wirkung umkehren…?“
Cupido schüttelte den Kopf. „Nicht, solange dies nicht von den Getroffenen selbst aus freiem Willen heraus geschieht! Und gerade in der ersten Phase der Verliebtheit würde ich keinen Cent darauf wetten!“
„Na super“, kommentierte Private. „Und Skipper hat eine doppelte Ladung abgekriegt…“
Die drei wechselten einen unbehaglichen Blick.
Cupido stand auf, und die Pinguine fühlten sich unter seinem durchdringenden Blick klein und schuldbewußt, obwohl sie selbst ja nicht einmal etwas mit der Sache zu tun gehabt hatten – nicht direkt jedenfalls. „So wie es aussieht, werdet ihr jetzt mit den Konsequenzen leben müssen!“ Er ging noch einmal in die Hocke, um die Pinguine auf Augenhöhe zu haben. „Ein guter Rat: Manche Dinge sollte man lieber denjenigen überlassen, die darauf geschult sind!“
Die Pinguine wichen kollektiv seinem Blick aus, und verpaßten so das kleine amüsierte Lächeln, das Cupidos Lippen umspielte, bevor er sich verabschiedete und wieder seines Weges ging.
Betreten setzten die Pinguine ihren Weg, zurück zu ihrer Basis, fort.
„Irgendwie war das nicht fair“, bemerkte Private. „Immerhin hat keiner von uns die Pfeile abgeschossen!“
„Nein, das haben Skipper und Lars sich selbst ganz allein zu verdanken“, seufzte Kowalski. „Nur ich Idiot habe Skipper natürlich ermutigt, auf Lars zu schießen!“
„Naja, aber ansonsten würde es jetzt ziemlich schlecht um uns stehen“, erinnerte Private. „Da ist es so doch besser!“
„Jap!“ stimmte Rico zu.
In Gedanken gingen die drei weiter, und die Bilder der letzten Stunden liefen noch einmal vor ihrem inneren Auge ab.
„Mir hat Lars als Feind wesentlich besser gefallen“, gab Kowalski zu.