Pläne
von KingdomDragon
Kurzbeschreibung
"Ja, Hicks der Hartnäckige plante schon immer gerne alles sorgfältig voraus..." (...) "... Projekt Nr.407."
KurzgeschichteFamilie / P6 / Gen
20.10.2012
20.10.2012
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3.446
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Pläne
Ein fünf Jahre alter Junge schaute aus dem Fenster auf die mit Steinen ausgelegten Straßen. Ein wilder, brauner Schopf von Haaren war auf seinem Kopf, der im mittäglichen Sonnenlicht mit roten Strähnen schimmerte. Leuchtend grüne Augen beobachteten das Geschehen mit Interesse und streiften die Wege entlang.
Hicks verfolgte die Leute des kleinen Dorfes Berk, wie sie ihren täglichen Geschäften nachgingen. Der letzte Angriff der Drachen war bereits eine Woche her und die Dorfbewohner hatten alle Brandschäden behoben.
Jupp, einige konnten sich über ein nagelneues Dach freuen.
Der kleine Junge war heute alleine zu Hause. Genauso wie gestern und den Tag davor. Sein Papa war schließlich der Häuptling und hatte alle Hände voll zu tun. Meistens kam er erst spät nach Sonnenuntergang wieder und verließ das Haus mit der neuen, aufsteigenden Sonne. Hicks konnte sich bereits um sich selber sorgen.
Was er aber nicht verstand war, warum sein Papa immer so traurig wirkte. Jedenfalls glaubte er, dass es Traurigkeit war. Die anderen beiden Möglichkeiten passten schließlich nicht. Der Häuptling war weder fröhlich noch wütend.
Andere Gefühlsunterschiede konnte der kleine Junge noch nicht machen.
Hicks lehnte sich vor, als etwas sein Interesse weckte und seine Aufmerksamkeit einforderte.
Auf einem der Wege, die er gut durch die erhöhte Lage seines Hauses sehen konnte, lief ein Wikinger mit langen, zerzausten, blonden Haaren und einem gewaltigen, ebenfalls blonden Bart, der drei Mal geflochten war. Hicks hatte den Man schon mal gesehen, doch er hatte seinen Namen vergessen. Vor dem Wikinger liefen zwei Kinder, ungefähr in dem gleichen Alter wie Hicks, ein Mädchen und ein Junge, und an der identischen Haarfarbe erkannte man, dass sie mit dem Mann hinter ihnen verwandt waren.
Plötzlich zog der blonde Junge seiner Schwester an den Haaren und lachte amüsiert, als diese überrascht aufschrie. Doch das Lachen wurde abrupt von dem Mädchen unterbrochen, denn dessen Faust landete in seinem Gesicht.
Die beiden funkelten sich eine Weile wütend an bis ihr Vater mit verschränkten Armen die Kinder tadelte und sie sich jeweils an eine Seite ihres Familienmitgliedes zurückzogen. Der Hüne von einem Wikinger runzelte gereizt die Stirn, doch als die beiden Kinder jeweils einen Arm hoben und ihre kleinen Kinderhände in die große Pranken ihres Vaters legten, entspannten sich seine Gesichtszüge und die kleine Familie spazierte weiter den Weg entlang.
„Hmm...", machte Hicks nachdenklich. Er kannte die Zwillinge. Genauso wie die anderen Kinder ließen sie ihn nicht bei ihren Spielen mitspielen.
Aber das war jetzt nicht worüber der kleine rotbraunhaarige Junge nachdachte. Die einfache Gestik, die die beiden Kinder ihrem Vater gegenüber gezeigt haben, war ausreichend, um ihn seinen Ärger vergessen zu lassen. Falls dies einmal Funktionierte, würde dasselbe ganz sicher auch auf Hicks Vater zutreffen.
Er wandte sich vom Fenster ab und blickte sich in seinem Zimmer um. Der kleine, einfach gestaltete Raum bestand eigentlich nur aus einem Bett, einer kleinen Kommode und einem Schreibtisch. Auf dem Schreibtisch brannte eine kleine Kerze und erhellte die vielen, verstreut liegende Blätter auf der Arbeitsoberfläche.
Ungeschickte Kinderzeichnungen waren auf den meisten abgebildet in einer breiten Variation von Blume bis hin zu einem der Mädchen im Dorf. Hicks war es nicht erlaubt die nähere Umgebung um das Haus zu verlassen und war somit gezwungen sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Da ihn außerdem keines der anderen Kinder mochte, warum dies so war verstand er ehrlich gesagt nicht, hatte er überflüssig viel Zeit für sich alleine.
Also unterhielt sich der kleine Junge mit Zeichnen und vor kurzem hatte er ein altes Kinderbuch gefunden, in dem man in das Runenschreiben eingeführt wurde.
Hicks setzte sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch, unter dessen Beine er Holzklötze gelegt hatte, sodass er hochgenug saß, und kramte sich ein leeres Stück Papier und dünne Kohle hervor.
Er hatte eine Idee, doch um sie in die Tat umzusetzen brauchte sie eine gute Planung.
Ja, Hicks der Hartnäckige plante schon immer gerne alles sorgfältig voraus, jedenfalls falls er die Zeit dazu hatte.
Mit einem zufriedenen Nicken begann er zu malen.
Sein Vater war zurzeit in der Dorfhalle und besprach ganz sicher wichtige Entscheidungen, die die gesamte Siedlung betrafen, mit dem Rat wie jede Woche. Also war dies die perfekte Gelegenheit. Das bedeutete jedoch auch, dass Hicks den ganzen Weg bis zur Halle alleine gehen müsste, was ihm sein Vater verboten hatte.
Der kleine Junge überlegte kurz, was dafür und was dagegen sprach und entschied, dass es die Sache wert war.
Er beendete schnell seinen visualisierten Plan und pustete seine Kerze aus. Nachdem er einmal fast das Haus in Brand gesetzt hatte, passte er nun besser auf den gefährlichen Lichtspender auf.
Seine Zeichnung bestand eigentlich nur aus einem großen Berg mit Armen, was seinen Vater darstellen sollte und daneben ein mickrig im Vergleich aussehendes Strichmännchen, das Hicks darstellen sollte. Das Strichmännchen hatte die Hand des Berges ergriffen.
Kurz und einfach, dachte Hicks als er die hohen Stufen, die in sein Zimmer führten, hinabkroch.
Es brauchte sein gesamtes spärliches Gewicht, um die Eingangstür aufzuziehen und anschließend, als ihm dies gelungen war, wieder zu zudrücken.
Schnell lief er mit seinen kleinen Füßen die staubige Straße hinab, die ihn in die richtige Richtung führte, wobei er mehrmals beinahe über seine eigenen Beine gestolpert wäre.
„Hey, Kleiner! Sollst du nicht zu Hause bleiben?", rief ihm eine Frau zu, die gerade dabei war ihre Axt zu polieren.
Hicks rief ihr schnell ein „Guten Tag!“ über die Schulter hinweg zu und lief weiter. Er erhielt weitere ähnliche Ausrufe auf seinem Weg, schenkte ihnen aber kaum Beachtung.
Nach einigen Minuten kam er endlich vor den Stufen, die zur Halle führten, stehen. Es waren sehr viele, sehr große Stufen. Und Hicks hatte kurze, sehr kurze Beine.
Er senkte seine Augenbrauen in Entschlossenheit und begann seinen Aufstieg. Nach einer Weile gab er auf nur die Füße zu benutzen und behalf sich mit seinen Händen.
Zum Glück kam ihm keiner entgegen und als er schweratmend oben angekommen war, versteckte er sich schnell hinter einem Fass und wartete.
Mehrere Stunden vergingen. Die Sonne verfärbte sich bereits orange und senkte sich dem Horizont entgegen, als sich die Türen endlich öffneten. Heraus kamen die Wikinger, die in den Rat gewählt wurden. Viele waren noch in einem Gespräch über das Treffen vertieft und bemerkten den kleinen rotbraunen Schopf Haare nicht, der hinter einem Holzfass hervorlugte. Einer nach dem anderen strömten sie heraus bis keiner mehr heraustrat. Fast keiner.
Ein Vorbild von einem Wikinger schritt aus der Tür. Er hatte einen roten, wilden Bart, der einem zerzausten Busch ähnelte. Seine gewaltige Statur war... naja, gewaltig. Und im Vergleich zum kleinen, sich versteckenden Jungen war der Hüne ein Riese. Dicht hinter ihm folgte ein weiterer Wikinger, der kaum kürzer war als der erste. Dieser hatte einen langen geflochtenen, blonden Schnauzbart und sein Bein ersetze eine Prothese genauso wie eine seiner Hände. Die falsche Hand sah aus wie ein großer Holzbecher und wurde auch wahrscheinlich als solches benutzt. Außerdem ragte aus seinem Unterkiefer ein falscher Zahn aus Stein, dessen Nutzen eher fragwürdig erschien.
Hicks kannte beide Männer. Beim Mann mit dem blonden Bart handelte es sich um Grobian den Schmiedemeister und er war der beste Freund und Kriegskamerad des anderen Mannes, dessen Name Haudrauf der Stoische war. Zusätzlich war er Häuptling des Stammes und Hicks‘ Papa.
Schnell stolperte er hinter dem Fass hervor und blieb, wunderlicher Weise auf beiden Füßen, vor den Wikingern stehen. Die beiden Hünen rissen überrascht die dicken Augenbrauen hoch als sie ihn sahen, doch im Fall von Hicks‘ Papa hielt das nicht lange an und der Wikinger runzelte missbilligend die Stirn, wobei man seine heruntergezogenen Mundwinkel auch unter dem Bart vermuten konnte.
„Hicks!“, rief er ärgerlich und der Junge zuckte zusammen, „Was machst du hier!?“
Hicks ließ sich ausnahmsweise Mal nicht von der Lautstärke seines Papas einschüchtern, sondern trat brav nach vorne. Er hatte einen Plan und er würde nicht aufgeben bis er ihn durchgezogen hatte.
Ohne zu antworten stellte er sich neben Haudrauf und umfasste einen der Finger seines Papas, denn wirklich zu mehr war die Hand des Jungen zu klein. Mit kindlicher Erwartung blickte er zu dem Mann hoch und als er den überraschten Gesichtsausdruck des anderen sah, dachte Hicks, dass sein Plan geglückt sei.
Doch die Gesichtszüge des Häuptlings wurden streng und er schaute weg, nach vorne. Er begann die große Treppe hinab zu steigen, wobei er Hicks, der fortwährend stolperte, mitzog.
„Wir gehen nach Hause! Ich bin enttäuscht, dass du nicht auf mich gehört hast und, obwohl es dir verboten war, hier her gekommen bist!“, auf die laut tadelnde Stimme seines Papas hin, blickte Hicks nach unten und spürte wie hinter seinen Augen die kommenden Tränen brannten. Doch als seine Sicht verschwamm, blinkte er so schnell wie möglich mit den Augenlidern, um wieder klar sehen zu können, denn fast wäre er wirklich mit dem Kopf zuerst auf der Straße gelandet. Seine gesamte Konzentration lenkte er aufs Laufen und es half. Ein bisschen.
Sein Papa schaute ihn nicht an und er war froh darüber, denn Haudrauf der Stoische hatte wieder diesen merkwürdig traurigen Gesichtsausdruck auf.
‚Enttäuscht‘, hatte er es genannt.
„Du hast Hausarrest bis du aus deinen Fehlern gelernt hast!“
Hausarrest?, dachte Hicks beiläufig, er ging doch sowieso kaum aus seinem Zimmer.
Grobian, der hinter den beiden herlief, schüttelte sanft den Kopf, mischte sich jedoch nicht ein.
Zu Hause angekommen trennten sich Vater und Sohn ohne ein Wort und Hicks ging hoch in sein Zimmer. Das Blatt mit dem aufgezeichneten Bi… ,er, Plan herausnehmend setzte er die Kohle oben links an und schrieb in Krakliger Kinderschrift, wobei er einige Runen falsch schrieb, auf das Papier: Projekt Nr.1…
Nach kurzem Überlegen kreuzte er die Wörter durch und legte die Skizze zur Seite.
… Fehlgeschlagen.
~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~
Ein leckerer Duft durchströmte das Haus. Es roch würzig, voll und warm. Es war der Geruch von frischgebackenem Brot.
Hicks, der in seinem zehnten Lebensjahr war, hob das Brett mit dem köstlich duftenden und aussehenden Brot aus dem Ofen und auf den Tisch. Vor einiger Zeit hatte er das alte Rezeptbuch seiner verstorbenen Mutter gefunden und gelesen und nachdem er gesehen hatte wie sein Papa, aber auch Grobian der Schmiedemeister und andere Wikinger, leckeres Gebäck mit Freuden aßen, schloss er, dass er die gleiche Reaktion erhalten würde, wenn ihm ebenfalls etwas vergleichsweise gutes gelang.
Er hatte längst feststellen müssen, dass er anders war als die anderen Kinder aus dem Dorf. Er prügelte sich nicht gerne, war auch nicht stark oder konnte besonders gut mit irgendeiner Waffe umgehen, er war leise und höflich, sehr belesen und konnte sogar schreiben. Alles sehr unwikingerhafte Eigenschaften, auf die sein Vater, der Häuptling von Berg, nicht Stolz sein konnte. Doch Hicks, wäre nicht Hicks, wenn ihm nicht etwas eingefallen wäre.
Und so hat der rotbraunhaarige Junge den Plan aufgestellt in einer anderen Aktivität, außer sich zu prügeln, zu glänzen. In diesem Fall, backen. Es war bereits sein 96. Projekt.
Er musste zugeben, dass für seinen ersten Versuch das Brot gar nicht übel aussah und das Zubereiten hatte ihm sogar Spaß gemacht.
Er war außerdem gerade rechtzeitig fertig geworden, denn er hörte die große Tür im Eingangsbereich knarzen. Haudrauf der Stoische setzte einen Fuß in seine Hütte und nachdem er vollständig im Raum war, zog er die schwere Tür mit einer einfachen Handbewegung zu. Angelockt von dem brennenden Licht und dem unerwarteten Geruch, trat er in die Küche.
„Hallo, Papa! Wie war das Treffen?“, begrüßte ihn sein Sohn mit einem Lächeln im Gesicht.
Hicks versuchte still auf dem Stuhl eben dem Tisch zu sitzen und so lässig wie möglich zu erscheinen.
„Gut. Übrigens, der junge Schiefkinn hat heute seinen ersten Drachen erlegt!“, die Augen des Chief leuchteten kurz aufgeregt auf.
Schiefkinn war einer der Jugendlichen gewesen, die zu Drachentötern ausgebildet wurden und anscheinend war der Junge der Beste seines Jahrgangs gewesen und hatte die Privilegierung erhalten seinen ersten Drachen vor einem großen Publikum in der Arena zu erlegen.
„Und was hast du… gemacht?“, fragte Haudrauf etwas unsicher und mit gerunzelter Stirn.
Hicks sprang vom Stuhl. Er hatte auf diese Frage gewartet.
„Ich habe gebacken!“, antwortete er eifrig, „Das Brot ist sogar aufgegangen!“, er griff nach einem Messer, das er vorher vorbereitet hatte, „Ich sollte es sofort anschneiden, solange es noch frisch ist! Möchtest du ein Stück?“
Hicks wusste, dass es riskant war seinen Papa zuerst probieren zu lassen, bevor er selber kontrolliert hatte, ob es essbar war. Doch heute wollte er das Risiko eingehen.
„Nein.“
„Eh?“
„Sohn, du wirst später mal ein Mann und Männer kochen nicht! Das ist eine Aufgabe der Frauen. Das ich dich nicht wieder dabei erwische!“ Und mit diesen Worten kehrte Haudrauf der Stoische der Küche den Rücken zu und verließ den Raum enttäuscht den Kopf schüttelnd.
Hicks schaute ihm mit halboffenem Mund hinterher. Aufgabe der Frauen?, hatte er gesagt, wieso?, fragte sich Hicks, kochte sein Vater deswegen nicht, sondern nahm sie beide immer zu der Kantine?
Er seufzte niedergeschlagen. Ein weiterer Misserfolg, den er zu seinen angesammelten 95 Versuchen hinzufügen konnte.
Er legte das Messer unbenutzt zur Seite, wickelte sein noch dampfendes Brot in ein Stück Stoff ein und legte es auf ein hochgelegenes Regal mit der Hilfe des hölzernen Stuhles. Er hatte nicht wirklich Hunger.
Als er aus der Küche kam, sah er seinen Papa seine Streitaxt an die Wand aufhängen. Plötzlich sagte er:
„Ich habe nachgedacht. Es wird Zeit, dass du was Sinnvolles lernst.“
Hicks zog die Augenbrauen zusammen. War das Lernen von Lesen und Schreiben nicht sinnvoll gewesen?
„Ich gehe heute noch zu Grobian und frage ihn, ob er dich nicht als Lehrling bei sich aufnehmen kann. Wenn du schon nicht kämpfen kannst, ist die Schmiedekunst trotzdem eine Möglichkeit, wie du das Dorf später unterstützen kannst. Mach dich also bereit, mit ein wenig Glück, kannst du morgen anfangen.“
„Ja, Papa…“
Leise und mit herabhängenden Schultern verzog sich der Junge in sein Zimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Schlecht gelaunt kreuzte er seinen neuesten Plan durch und legte ihn auf den wachsenden Stapel. Seiner ab morgen gültigen Aufgabe resigniert gegenüber eingestellt, fragte Hicks sich, ob nicht Grobian sein Brot essen würde, wenn er ihm nicht sagte, dass es von ihm war.
„…hat heute seinen ersten Drachen erlegt!“
Hicks blickte ruckartig auf. Das ist es! Sein Papa war begeistert von der Drachenjagd! Könnte der Junge einen Drachen töten, hätte er den sofortigen Stolz seines Vaters verdient. Und morgen würde er in der Schmiede anfangen, die gefüllt war mit Waffen zum Jagen von Drachen!
Der rotbraunhaarige Junge zog die Augenbrauen entschlossen zusammen und ein kleines, aufgeregtes Lächeln umspielte seine Lippen. Er würde nicht aufgeben.
Projekt Nr.97 begann langsam in seinem Kopf Form anzunehmen.
~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~
Der zwölf Jahre alte Hicks strich entnervt sein Projekt Nr.227 durch.
Ok, vielleicht war die zusammenklappbare Axt doch keine so gute Idee gewesen. Wirklich, als ob etwas Schlimmes passiert wäre!, schnaufte der Junge in seinen Gedanken.
Er hatte in seiner Lehre zum Schmied bei Grobian unter anderem gelernt, dass spitze Waffen sehr viel Stauraum benötigten. Hicks dachte, es wäre viel zu unpraktisch, besonders, wenn man die Waffe irgendwo hin mitnehmen wollte.
Und so entstand der Plan für eine zusammenklappbare Axt.
Es hat Wochen gedauert die richtigen Teile aus Metall herzustellen. Zu seinem Glück war Grobian, sein Lehrer, sehr geduldig und er erlaubte ihm die Schmiede zu benutzen, wenn sie nicht gebraucht wurde. Der Schmiedemeister nannte es künstlerische Freiheit und erzählte seinem Vater nichts davon. Hicks war ihm sehr dankbar.
Doch noch am gleichen Tag, als die Scharnieren fertig waren und die Axt zusammen geschraubt war, hievte sie Hicks nach draußen, unter großer Anstrengung wohlgemerkt, um sie dort zu präsentieren.
Sein Vater war bereits an der Schmiede gewesen und unterhielt sich gerade mit Grobian und einem weiteren Wikinger, der Kapitän von einem der großen Fischerbote war, wenn sich Hicks nicht irrte, eine geringe Distanz von dem Schmiedegebäude entfernt in der Nähe der Straße.
Haudrauf der Stoische unterbrach, was er sagte, und runzelte die Stirn als er seinen Sohn, eine Axt hinter sich her schleifend, auf sie zukommen sah.
Hicks verdrehte die Augen. Als hätte sein Vater bereits sein Vorhaben als Enttäuschung gutgeschrieben.
„Hicks, was hast du denn da?“, fragte Grobian amüsiert, obwohl der Gegenstand offensichtlich das Werkzeug zum Hacken von robusten Sachen war, und zog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln hoch.
Der Auftritt des rotbraunhaarigen Jungen war anscheinend so lustig gewesen, dass einige Leute stehen blieben und belustigt tuschelten.
Hicks ignorierte sie gekonnt.
„Eine zusammenklappbare Axt. Sie muss nur noch getestet werden.“, antwortete er so nebenher wie möglich, wobei er seine Aufregung unterdrückte.
Er beobachtete gespannt die Reaktion der anderen.
Sein Vater hatte Skepsis auf seiner Stirn stehen und murmelte ein leises „Zusammenklappbar?“ ungläubig. Das hatte Hicks erwartet.
Grobian hatte währenddessen sein Hinterkopf in leichtem Interesse gekratzt und streckte nun seinen linken Arm auf dem der Prothesenaufsatz für Waffen noch vom Schmieden festgemacht war.
„Na, zeig mal her, Junge.“
Ja! Hicks boxte in Gedanken die Faust in die Luft. Alles verlief wie erwartet.
Da er selber nicht in der Lage war eine Axt zu schwingen, brauchte er jemand anderes, der sie demonstrieren würde. Seinen Vater hatte er gleich von Anfang an gestrichen, aber den Schmiedemeister könnte er vielleicht an einer modifizierten Waffe interessieren.
Grobian hob Hicks‘ Axt hoch und hielt sie mit dem Kopf nach oben in die Luft gestreckt.
„Und was jetzt? Es sieht nur ein bisschen anders aus als eine gewöhnliche Axt.“
„Ja, aber jetzt kommt das Besondere: Wenn du nämlich die Sicherung…“, der rotbraunhaarige Junge wurde unterbrochen, als besagte Sicherung sich mit einem ‚Bling‘ löste und wegsprang. Das Scharnier, das sich in der Mitte des Stiels befand löste sich somit und der obere Teil der Axt schwang hinab. Direkt auf den Arm zu, der den unteren Teil hielt…
Mit einem hässlichen Geräusch landete die zusammengeklappte Axt auf dem Boden neben der abgetrennten Hand des Benutzers.
…Oder besser gesagt, es wäre eine Hand gewesen, hätte sie Grobian nicht schon früher verloren gehabt.
Die Umstehenden schauten eine Weile perplex auf die herumliegenden Gegenstände, während im Hintergrund leise Gelächter zu hören war.
Die drei Männer blickten auf und starrten Hicks an, der verlegen mit dem Fuß auf dem Boden herumfuhr.
„Hehe, äh, ‘Tschuldigung… Ist alles in Ordnung Grobian?“
„…Ja…“
Dass sein Vater wütend gewesen war, war eine Untertreibung. Die Worte ‚Sinnlose Tätigkeit‘ und ‚Gefahr für das Dorf‘ waren unter anderem gefallen und Hicks wurde auf sein Zimmer geschickt.
Vielleicht wird’s mit dem nächsten Plan besser?
Ja klar, dachte der Junge sarkastisch. Seine Umklammerung um den Kohlestift wurde enger und er bemerkte kaum, dass er ihn entzwei gebrochen hatte.
Hicks presste die Lippen zusammen und kniff die Augen zu. Er würde nicht aufgeben. Aber was genau wollte er nochmal erreichen? Und war es ihm wirklich wert?
Sture Hartnäckigkeit war wirklich sein einziges Talent, spottete der Junge mit einem bitteren Lächeln auf dem Gesicht.
~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~
Hicks setzte einen letzten Strich auf dem Plan der Konstruktion. Es sollte ein Flügel werden. Nicht nur irgendein Flügel, sondern der Schwanzflügels eines Drachens. Und nicht nur irgendwelchen Drachens.
Des Drachens, den er abgeschossen und gefunden hatte und mit dem er, wage er es zu behaupten, sich angefreundet hatte. Sein erster Freund übrigens.
Mit einem künstlichen Flügel wollte Hicks den ersetzten, den der Drache, der Junge fing an ihn ‚Ohnezahn‘ zu nennen, wegen ihm verloren hatte.
Bevor er seinen detaillierten Plan, der alle Richtigen Berechnungen und Längen beinhaltete greifen und mit ihm in die Schmiede flitzen konnte, um noch heute das geplante in die Realität umzusetzen, hielt der rotbraunhaarige Jugendliche inne.
Er setzte wieder auf dem Papier an. Links oben, in der Ecke. Fast wie aus Gewohnheit schrieb er in ordentlicher, kleiner Schrift: Projekt Nr.407.
Hicks hatte vergessen, wann er mit dem Nummerieren seiner Pläne begonnen hatte. Als er eines Tages nach dem ersten Plan suchte, fand er noch nicht einmal ein Dokument, das mit einer Zahl, die geringer war als hundert, beschriftet war.
Der Junge lächelte zufrieden, legte den Kohlestift beiseite und stürmte aufgeregt aus dem Zimmer.
Nur um wenige Sekunden später wieder zurück zu stürzen und geflissentlich die Kerze auszupusten, damit die kleine Flamme keinen Schaden anrichten konnte, während er nicht hinsah.
Schnellen Schrittes war Hicks wieder aus der Tür.
Er wusste nicht, dass dies sein erstes Projekt war, das nicht dafür konzipiert wurde, um seinen Vater Stolz auf ihn zu machen oder ein vorbildlicher Wikinger zu werden, sondern mit den Gedanken für jemand anderes.
Und er wusste auch nicht, dass es sein erster erfolgreicher Plan werden würde.
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Kommentar:
Hallo liebe Leser!
Ich liebe "Drachenzähmen leicht gemacht". Es war wirklich ein guter Film.
Jedenfalls... ich hab mich für die Namen entschieden, die im Film und nicht im Buch verwendet wurden, außer bei Hicks, denn ich finde 'der Hartnäckige' ist treffender.
Ich hoffe es hat Euch gefallen. Bitte schreibt mir Eure Meinung.
Liebe Grüße,
Dragon.
Ein fünf Jahre alter Junge schaute aus dem Fenster auf die mit Steinen ausgelegten Straßen. Ein wilder, brauner Schopf von Haaren war auf seinem Kopf, der im mittäglichen Sonnenlicht mit roten Strähnen schimmerte. Leuchtend grüne Augen beobachteten das Geschehen mit Interesse und streiften die Wege entlang.
Hicks verfolgte die Leute des kleinen Dorfes Berk, wie sie ihren täglichen Geschäften nachgingen. Der letzte Angriff der Drachen war bereits eine Woche her und die Dorfbewohner hatten alle Brandschäden behoben.
Jupp, einige konnten sich über ein nagelneues Dach freuen.
Der kleine Junge war heute alleine zu Hause. Genauso wie gestern und den Tag davor. Sein Papa war schließlich der Häuptling und hatte alle Hände voll zu tun. Meistens kam er erst spät nach Sonnenuntergang wieder und verließ das Haus mit der neuen, aufsteigenden Sonne. Hicks konnte sich bereits um sich selber sorgen.
Was er aber nicht verstand war, warum sein Papa immer so traurig wirkte. Jedenfalls glaubte er, dass es Traurigkeit war. Die anderen beiden Möglichkeiten passten schließlich nicht. Der Häuptling war weder fröhlich noch wütend.
Andere Gefühlsunterschiede konnte der kleine Junge noch nicht machen.
Hicks lehnte sich vor, als etwas sein Interesse weckte und seine Aufmerksamkeit einforderte.
Auf einem der Wege, die er gut durch die erhöhte Lage seines Hauses sehen konnte, lief ein Wikinger mit langen, zerzausten, blonden Haaren und einem gewaltigen, ebenfalls blonden Bart, der drei Mal geflochten war. Hicks hatte den Man schon mal gesehen, doch er hatte seinen Namen vergessen. Vor dem Wikinger liefen zwei Kinder, ungefähr in dem gleichen Alter wie Hicks, ein Mädchen und ein Junge, und an der identischen Haarfarbe erkannte man, dass sie mit dem Mann hinter ihnen verwandt waren.
Plötzlich zog der blonde Junge seiner Schwester an den Haaren und lachte amüsiert, als diese überrascht aufschrie. Doch das Lachen wurde abrupt von dem Mädchen unterbrochen, denn dessen Faust landete in seinem Gesicht.
Die beiden funkelten sich eine Weile wütend an bis ihr Vater mit verschränkten Armen die Kinder tadelte und sie sich jeweils an eine Seite ihres Familienmitgliedes zurückzogen. Der Hüne von einem Wikinger runzelte gereizt die Stirn, doch als die beiden Kinder jeweils einen Arm hoben und ihre kleinen Kinderhände in die große Pranken ihres Vaters legten, entspannten sich seine Gesichtszüge und die kleine Familie spazierte weiter den Weg entlang.
„Hmm...", machte Hicks nachdenklich. Er kannte die Zwillinge. Genauso wie die anderen Kinder ließen sie ihn nicht bei ihren Spielen mitspielen.
Aber das war jetzt nicht worüber der kleine rotbraunhaarige Junge nachdachte. Die einfache Gestik, die die beiden Kinder ihrem Vater gegenüber gezeigt haben, war ausreichend, um ihn seinen Ärger vergessen zu lassen. Falls dies einmal Funktionierte, würde dasselbe ganz sicher auch auf Hicks Vater zutreffen.
Er wandte sich vom Fenster ab und blickte sich in seinem Zimmer um. Der kleine, einfach gestaltete Raum bestand eigentlich nur aus einem Bett, einer kleinen Kommode und einem Schreibtisch. Auf dem Schreibtisch brannte eine kleine Kerze und erhellte die vielen, verstreut liegende Blätter auf der Arbeitsoberfläche.
Ungeschickte Kinderzeichnungen waren auf den meisten abgebildet in einer breiten Variation von Blume bis hin zu einem der Mädchen im Dorf. Hicks war es nicht erlaubt die nähere Umgebung um das Haus zu verlassen und war somit gezwungen sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Da ihn außerdem keines der anderen Kinder mochte, warum dies so war verstand er ehrlich gesagt nicht, hatte er überflüssig viel Zeit für sich alleine.
Also unterhielt sich der kleine Junge mit Zeichnen und vor kurzem hatte er ein altes Kinderbuch gefunden, in dem man in das Runenschreiben eingeführt wurde.
Hicks setzte sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch, unter dessen Beine er Holzklötze gelegt hatte, sodass er hochgenug saß, und kramte sich ein leeres Stück Papier und dünne Kohle hervor.
Er hatte eine Idee, doch um sie in die Tat umzusetzen brauchte sie eine gute Planung.
Ja, Hicks der Hartnäckige plante schon immer gerne alles sorgfältig voraus, jedenfalls falls er die Zeit dazu hatte.
Mit einem zufriedenen Nicken begann er zu malen.
Sein Vater war zurzeit in der Dorfhalle und besprach ganz sicher wichtige Entscheidungen, die die gesamte Siedlung betrafen, mit dem Rat wie jede Woche. Also war dies die perfekte Gelegenheit. Das bedeutete jedoch auch, dass Hicks den ganzen Weg bis zur Halle alleine gehen müsste, was ihm sein Vater verboten hatte.
Der kleine Junge überlegte kurz, was dafür und was dagegen sprach und entschied, dass es die Sache wert war.
Er beendete schnell seinen visualisierten Plan und pustete seine Kerze aus. Nachdem er einmal fast das Haus in Brand gesetzt hatte, passte er nun besser auf den gefährlichen Lichtspender auf.
Seine Zeichnung bestand eigentlich nur aus einem großen Berg mit Armen, was seinen Vater darstellen sollte und daneben ein mickrig im Vergleich aussehendes Strichmännchen, das Hicks darstellen sollte. Das Strichmännchen hatte die Hand des Berges ergriffen.
Kurz und einfach, dachte Hicks als er die hohen Stufen, die in sein Zimmer führten, hinabkroch.
Es brauchte sein gesamtes spärliches Gewicht, um die Eingangstür aufzuziehen und anschließend, als ihm dies gelungen war, wieder zu zudrücken.
Schnell lief er mit seinen kleinen Füßen die staubige Straße hinab, die ihn in die richtige Richtung führte, wobei er mehrmals beinahe über seine eigenen Beine gestolpert wäre.
„Hey, Kleiner! Sollst du nicht zu Hause bleiben?", rief ihm eine Frau zu, die gerade dabei war ihre Axt zu polieren.
Hicks rief ihr schnell ein „Guten Tag!“ über die Schulter hinweg zu und lief weiter. Er erhielt weitere ähnliche Ausrufe auf seinem Weg, schenkte ihnen aber kaum Beachtung.
Nach einigen Minuten kam er endlich vor den Stufen, die zur Halle führten, stehen. Es waren sehr viele, sehr große Stufen. Und Hicks hatte kurze, sehr kurze Beine.
Er senkte seine Augenbrauen in Entschlossenheit und begann seinen Aufstieg. Nach einer Weile gab er auf nur die Füße zu benutzen und behalf sich mit seinen Händen.
Zum Glück kam ihm keiner entgegen und als er schweratmend oben angekommen war, versteckte er sich schnell hinter einem Fass und wartete.
Mehrere Stunden vergingen. Die Sonne verfärbte sich bereits orange und senkte sich dem Horizont entgegen, als sich die Türen endlich öffneten. Heraus kamen die Wikinger, die in den Rat gewählt wurden. Viele waren noch in einem Gespräch über das Treffen vertieft und bemerkten den kleinen rotbraunen Schopf Haare nicht, der hinter einem Holzfass hervorlugte. Einer nach dem anderen strömten sie heraus bis keiner mehr heraustrat. Fast keiner.
Ein Vorbild von einem Wikinger schritt aus der Tür. Er hatte einen roten, wilden Bart, der einem zerzausten Busch ähnelte. Seine gewaltige Statur war... naja, gewaltig. Und im Vergleich zum kleinen, sich versteckenden Jungen war der Hüne ein Riese. Dicht hinter ihm folgte ein weiterer Wikinger, der kaum kürzer war als der erste. Dieser hatte einen langen geflochtenen, blonden Schnauzbart und sein Bein ersetze eine Prothese genauso wie eine seiner Hände. Die falsche Hand sah aus wie ein großer Holzbecher und wurde auch wahrscheinlich als solches benutzt. Außerdem ragte aus seinem Unterkiefer ein falscher Zahn aus Stein, dessen Nutzen eher fragwürdig erschien.
Hicks kannte beide Männer. Beim Mann mit dem blonden Bart handelte es sich um Grobian den Schmiedemeister und er war der beste Freund und Kriegskamerad des anderen Mannes, dessen Name Haudrauf der Stoische war. Zusätzlich war er Häuptling des Stammes und Hicks‘ Papa.
Schnell stolperte er hinter dem Fass hervor und blieb, wunderlicher Weise auf beiden Füßen, vor den Wikingern stehen. Die beiden Hünen rissen überrascht die dicken Augenbrauen hoch als sie ihn sahen, doch im Fall von Hicks‘ Papa hielt das nicht lange an und der Wikinger runzelte missbilligend die Stirn, wobei man seine heruntergezogenen Mundwinkel auch unter dem Bart vermuten konnte.
„Hicks!“, rief er ärgerlich und der Junge zuckte zusammen, „Was machst du hier!?“
Hicks ließ sich ausnahmsweise Mal nicht von der Lautstärke seines Papas einschüchtern, sondern trat brav nach vorne. Er hatte einen Plan und er würde nicht aufgeben bis er ihn durchgezogen hatte.
Ohne zu antworten stellte er sich neben Haudrauf und umfasste einen der Finger seines Papas, denn wirklich zu mehr war die Hand des Jungen zu klein. Mit kindlicher Erwartung blickte er zu dem Mann hoch und als er den überraschten Gesichtsausdruck des anderen sah, dachte Hicks, dass sein Plan geglückt sei.
Doch die Gesichtszüge des Häuptlings wurden streng und er schaute weg, nach vorne. Er begann die große Treppe hinab zu steigen, wobei er Hicks, der fortwährend stolperte, mitzog.
„Wir gehen nach Hause! Ich bin enttäuscht, dass du nicht auf mich gehört hast und, obwohl es dir verboten war, hier her gekommen bist!“, auf die laut tadelnde Stimme seines Papas hin, blickte Hicks nach unten und spürte wie hinter seinen Augen die kommenden Tränen brannten. Doch als seine Sicht verschwamm, blinkte er so schnell wie möglich mit den Augenlidern, um wieder klar sehen zu können, denn fast wäre er wirklich mit dem Kopf zuerst auf der Straße gelandet. Seine gesamte Konzentration lenkte er aufs Laufen und es half. Ein bisschen.
Sein Papa schaute ihn nicht an und er war froh darüber, denn Haudrauf der Stoische hatte wieder diesen merkwürdig traurigen Gesichtsausdruck auf.
‚Enttäuscht‘, hatte er es genannt.
„Du hast Hausarrest bis du aus deinen Fehlern gelernt hast!“
Hausarrest?, dachte Hicks beiläufig, er ging doch sowieso kaum aus seinem Zimmer.
Grobian, der hinter den beiden herlief, schüttelte sanft den Kopf, mischte sich jedoch nicht ein.
Zu Hause angekommen trennten sich Vater und Sohn ohne ein Wort und Hicks ging hoch in sein Zimmer. Das Blatt mit dem aufgezeichneten Bi… ,er, Plan herausnehmend setzte er die Kohle oben links an und schrieb in Krakliger Kinderschrift, wobei er einige Runen falsch schrieb, auf das Papier: Projekt Nr.1…
Nach kurzem Überlegen kreuzte er die Wörter durch und legte die Skizze zur Seite.
… Fehlgeschlagen.
~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~°~
Ein leckerer Duft durchströmte das Haus. Es roch würzig, voll und warm. Es war der Geruch von frischgebackenem Brot.
Hicks, der in seinem zehnten Lebensjahr war, hob das Brett mit dem köstlich duftenden und aussehenden Brot aus dem Ofen und auf den Tisch. Vor einiger Zeit hatte er das alte Rezeptbuch seiner verstorbenen Mutter gefunden und gelesen und nachdem er gesehen hatte wie sein Papa, aber auch Grobian der Schmiedemeister und andere Wikinger, leckeres Gebäck mit Freuden aßen, schloss er, dass er die gleiche Reaktion erhalten würde, wenn ihm ebenfalls etwas vergleichsweise gutes gelang.
Er hatte längst feststellen müssen, dass er anders war als die anderen Kinder aus dem Dorf. Er prügelte sich nicht gerne, war auch nicht stark oder konnte besonders gut mit irgendeiner Waffe umgehen, er war leise und höflich, sehr belesen und konnte sogar schreiben. Alles sehr unwikingerhafte Eigenschaften, auf die sein Vater, der Häuptling von Berg, nicht Stolz sein konnte. Doch Hicks, wäre nicht Hicks, wenn ihm nicht etwas eingefallen wäre.
Und so hat der rotbraunhaarige Junge den Plan aufgestellt in einer anderen Aktivität, außer sich zu prügeln, zu glänzen. In diesem Fall, backen. Es war bereits sein 96. Projekt.
Er musste zugeben, dass für seinen ersten Versuch das Brot gar nicht übel aussah und das Zubereiten hatte ihm sogar Spaß gemacht.
Er war außerdem gerade rechtzeitig fertig geworden, denn er hörte die große Tür im Eingangsbereich knarzen. Haudrauf der Stoische setzte einen Fuß in seine Hütte und nachdem er vollständig im Raum war, zog er die schwere Tür mit einer einfachen Handbewegung zu. Angelockt von dem brennenden Licht und dem unerwarteten Geruch, trat er in die Küche.
„Hallo, Papa! Wie war das Treffen?“, begrüßte ihn sein Sohn mit einem Lächeln im Gesicht.
Hicks versuchte still auf dem Stuhl eben dem Tisch zu sitzen und so lässig wie möglich zu erscheinen.
„Gut. Übrigens, der junge Schiefkinn hat heute seinen ersten Drachen erlegt!“, die Augen des Chief leuchteten kurz aufgeregt auf.
Schiefkinn war einer der Jugendlichen gewesen, die zu Drachentötern ausgebildet wurden und anscheinend war der Junge der Beste seines Jahrgangs gewesen und hatte die Privilegierung erhalten seinen ersten Drachen vor einem großen Publikum in der Arena zu erlegen.
„Und was hast du… gemacht?“, fragte Haudrauf etwas unsicher und mit gerunzelter Stirn.
Hicks sprang vom Stuhl. Er hatte auf diese Frage gewartet.
„Ich habe gebacken!“, antwortete er eifrig, „Das Brot ist sogar aufgegangen!“, er griff nach einem Messer, das er vorher vorbereitet hatte, „Ich sollte es sofort anschneiden, solange es noch frisch ist! Möchtest du ein Stück?“
Hicks wusste, dass es riskant war seinen Papa zuerst probieren zu lassen, bevor er selber kontrolliert hatte, ob es essbar war. Doch heute wollte er das Risiko eingehen.
„Nein.“
„Eh?“
„Sohn, du wirst später mal ein Mann und Männer kochen nicht! Das ist eine Aufgabe der Frauen. Das ich dich nicht wieder dabei erwische!“ Und mit diesen Worten kehrte Haudrauf der Stoische der Küche den Rücken zu und verließ den Raum enttäuscht den Kopf schüttelnd.
Hicks schaute ihm mit halboffenem Mund hinterher. Aufgabe der Frauen?, hatte er gesagt, wieso?, fragte sich Hicks, kochte sein Vater deswegen nicht, sondern nahm sie beide immer zu der Kantine?
Er seufzte niedergeschlagen. Ein weiterer Misserfolg, den er zu seinen angesammelten 95 Versuchen hinzufügen konnte.
Er legte das Messer unbenutzt zur Seite, wickelte sein noch dampfendes Brot in ein Stück Stoff ein und legte es auf ein hochgelegenes Regal mit der Hilfe des hölzernen Stuhles. Er hatte nicht wirklich Hunger.
Als er aus der Küche kam, sah er seinen Papa seine Streitaxt an die Wand aufhängen. Plötzlich sagte er:
„Ich habe nachgedacht. Es wird Zeit, dass du was Sinnvolles lernst.“
Hicks zog die Augenbrauen zusammen. War das Lernen von Lesen und Schreiben nicht sinnvoll gewesen?
„Ich gehe heute noch zu Grobian und frage ihn, ob er dich nicht als Lehrling bei sich aufnehmen kann. Wenn du schon nicht kämpfen kannst, ist die Schmiedekunst trotzdem eine Möglichkeit, wie du das Dorf später unterstützen kannst. Mach dich also bereit, mit ein wenig Glück, kannst du morgen anfangen.“
„Ja, Papa…“
Leise und mit herabhängenden Schultern verzog sich der Junge in sein Zimmer und setzte sich an seinen Schreibtisch. Schlecht gelaunt kreuzte er seinen neuesten Plan durch und legte ihn auf den wachsenden Stapel. Seiner ab morgen gültigen Aufgabe resigniert gegenüber eingestellt, fragte Hicks sich, ob nicht Grobian sein Brot essen würde, wenn er ihm nicht sagte, dass es von ihm war.
„…hat heute seinen ersten Drachen erlegt!“
Hicks blickte ruckartig auf. Das ist es! Sein Papa war begeistert von der Drachenjagd! Könnte der Junge einen Drachen töten, hätte er den sofortigen Stolz seines Vaters verdient. Und morgen würde er in der Schmiede anfangen, die gefüllt war mit Waffen zum Jagen von Drachen!
Der rotbraunhaarige Junge zog die Augenbrauen entschlossen zusammen und ein kleines, aufgeregtes Lächeln umspielte seine Lippen. Er würde nicht aufgeben.
Projekt Nr.97 begann langsam in seinem Kopf Form anzunehmen.
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Der zwölf Jahre alte Hicks strich entnervt sein Projekt Nr.227 durch.
Ok, vielleicht war die zusammenklappbare Axt doch keine so gute Idee gewesen. Wirklich, als ob etwas Schlimmes passiert wäre!, schnaufte der Junge in seinen Gedanken.
Er hatte in seiner Lehre zum Schmied bei Grobian unter anderem gelernt, dass spitze Waffen sehr viel Stauraum benötigten. Hicks dachte, es wäre viel zu unpraktisch, besonders, wenn man die Waffe irgendwo hin mitnehmen wollte.
Und so entstand der Plan für eine zusammenklappbare Axt.
Es hat Wochen gedauert die richtigen Teile aus Metall herzustellen. Zu seinem Glück war Grobian, sein Lehrer, sehr geduldig und er erlaubte ihm die Schmiede zu benutzen, wenn sie nicht gebraucht wurde. Der Schmiedemeister nannte es künstlerische Freiheit und erzählte seinem Vater nichts davon. Hicks war ihm sehr dankbar.
Doch noch am gleichen Tag, als die Scharnieren fertig waren und die Axt zusammen geschraubt war, hievte sie Hicks nach draußen, unter großer Anstrengung wohlgemerkt, um sie dort zu präsentieren.
Sein Vater war bereits an der Schmiede gewesen und unterhielt sich gerade mit Grobian und einem weiteren Wikinger, der Kapitän von einem der großen Fischerbote war, wenn sich Hicks nicht irrte, eine geringe Distanz von dem Schmiedegebäude entfernt in der Nähe der Straße.
Haudrauf der Stoische unterbrach, was er sagte, und runzelte die Stirn als er seinen Sohn, eine Axt hinter sich her schleifend, auf sie zukommen sah.
Hicks verdrehte die Augen. Als hätte sein Vater bereits sein Vorhaben als Enttäuschung gutgeschrieben.
„Hicks, was hast du denn da?“, fragte Grobian amüsiert, obwohl der Gegenstand offensichtlich das Werkzeug zum Hacken von robusten Sachen war, und zog die Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln hoch.
Der Auftritt des rotbraunhaarigen Jungen war anscheinend so lustig gewesen, dass einige Leute stehen blieben und belustigt tuschelten.
Hicks ignorierte sie gekonnt.
„Eine zusammenklappbare Axt. Sie muss nur noch getestet werden.“, antwortete er so nebenher wie möglich, wobei er seine Aufregung unterdrückte.
Er beobachtete gespannt die Reaktion der anderen.
Sein Vater hatte Skepsis auf seiner Stirn stehen und murmelte ein leises „Zusammenklappbar?“ ungläubig. Das hatte Hicks erwartet.
Grobian hatte währenddessen sein Hinterkopf in leichtem Interesse gekratzt und streckte nun seinen linken Arm auf dem der Prothesenaufsatz für Waffen noch vom Schmieden festgemacht war.
„Na, zeig mal her, Junge.“
Ja! Hicks boxte in Gedanken die Faust in die Luft. Alles verlief wie erwartet.
Da er selber nicht in der Lage war eine Axt zu schwingen, brauchte er jemand anderes, der sie demonstrieren würde. Seinen Vater hatte er gleich von Anfang an gestrichen, aber den Schmiedemeister könnte er vielleicht an einer modifizierten Waffe interessieren.
Grobian hob Hicks‘ Axt hoch und hielt sie mit dem Kopf nach oben in die Luft gestreckt.
„Und was jetzt? Es sieht nur ein bisschen anders aus als eine gewöhnliche Axt.“
„Ja, aber jetzt kommt das Besondere: Wenn du nämlich die Sicherung…“, der rotbraunhaarige Junge wurde unterbrochen, als besagte Sicherung sich mit einem ‚Bling‘ löste und wegsprang. Das Scharnier, das sich in der Mitte des Stiels befand löste sich somit und der obere Teil der Axt schwang hinab. Direkt auf den Arm zu, der den unteren Teil hielt…
Mit einem hässlichen Geräusch landete die zusammengeklappte Axt auf dem Boden neben der abgetrennten Hand des Benutzers.
…Oder besser gesagt, es wäre eine Hand gewesen, hätte sie Grobian nicht schon früher verloren gehabt.
Die Umstehenden schauten eine Weile perplex auf die herumliegenden Gegenstände, während im Hintergrund leise Gelächter zu hören war.
Die drei Männer blickten auf und starrten Hicks an, der verlegen mit dem Fuß auf dem Boden herumfuhr.
„Hehe, äh, ‘Tschuldigung… Ist alles in Ordnung Grobian?“
„…Ja…“
Dass sein Vater wütend gewesen war, war eine Untertreibung. Die Worte ‚Sinnlose Tätigkeit‘ und ‚Gefahr für das Dorf‘ waren unter anderem gefallen und Hicks wurde auf sein Zimmer geschickt.
Vielleicht wird’s mit dem nächsten Plan besser?
Ja klar, dachte der Junge sarkastisch. Seine Umklammerung um den Kohlestift wurde enger und er bemerkte kaum, dass er ihn entzwei gebrochen hatte.
Hicks presste die Lippen zusammen und kniff die Augen zu. Er würde nicht aufgeben. Aber was genau wollte er nochmal erreichen? Und war es ihm wirklich wert?
Sture Hartnäckigkeit war wirklich sein einziges Talent, spottete der Junge mit einem bitteren Lächeln auf dem Gesicht.
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Hicks setzte einen letzten Strich auf dem Plan der Konstruktion. Es sollte ein Flügel werden. Nicht nur irgendein Flügel, sondern der Schwanzflügels eines Drachens. Und nicht nur irgendwelchen Drachens.
Des Drachens, den er abgeschossen und gefunden hatte und mit dem er, wage er es zu behaupten, sich angefreundet hatte. Sein erster Freund übrigens.
Mit einem künstlichen Flügel wollte Hicks den ersetzten, den der Drache, der Junge fing an ihn ‚Ohnezahn‘ zu nennen, wegen ihm verloren hatte.
Bevor er seinen detaillierten Plan, der alle Richtigen Berechnungen und Längen beinhaltete greifen und mit ihm in die Schmiede flitzen konnte, um noch heute das geplante in die Realität umzusetzen, hielt der rotbraunhaarige Jugendliche inne.
Er setzte wieder auf dem Papier an. Links oben, in der Ecke. Fast wie aus Gewohnheit schrieb er in ordentlicher, kleiner Schrift: Projekt Nr.407.
Hicks hatte vergessen, wann er mit dem Nummerieren seiner Pläne begonnen hatte. Als er eines Tages nach dem ersten Plan suchte, fand er noch nicht einmal ein Dokument, das mit einer Zahl, die geringer war als hundert, beschriftet war.
Der Junge lächelte zufrieden, legte den Kohlestift beiseite und stürmte aufgeregt aus dem Zimmer.
Nur um wenige Sekunden später wieder zurück zu stürzen und geflissentlich die Kerze auszupusten, damit die kleine Flamme keinen Schaden anrichten konnte, während er nicht hinsah.
Schnellen Schrittes war Hicks wieder aus der Tür.
Er wusste nicht, dass dies sein erstes Projekt war, das nicht dafür konzipiert wurde, um seinen Vater Stolz auf ihn zu machen oder ein vorbildlicher Wikinger zu werden, sondern mit den Gedanken für jemand anderes.
Und er wusste auch nicht, dass es sein erster erfolgreicher Plan werden würde.
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Kommentar:
Hallo liebe Leser!
Ich liebe "Drachenzähmen leicht gemacht". Es war wirklich ein guter Film.
Jedenfalls... ich hab mich für die Namen entschieden, die im Film und nicht im Buch verwendet wurden, außer bei Hicks, denn ich finde 'der Hartnäckige' ist treffender.
Ich hoffe es hat Euch gefallen. Bitte schreibt mir Eure Meinung.
Liebe Grüße,
Dragon.