Nur in meinen Träumen
von bakasi
Kurzbeschreibung
Eines ist Lois klar, Clark verhält sich seltsam. Obwohl es noch nicht lange her ist, dass sie beste Freunde waren, zeigt er ihr nun die kalte Schulter. Ausgerechnet nun, da Lois endlich klar geworden ist, wie sehr sie ihn liebt. Und das etwas nicht stimmt, weiß nicht nur Lois. Perry ist schließlich nicht Chefredakteur geworden, weil er so gut jodeln kann. Und deshalb schickt er die beiden zu recherchen in ein Hotel, das sich auf Paarberatung spezialisiert hat.
GeschichteDrama / P16 / Gen
Clark Kent
Lois Lane
14.09.2012
11.10.2012
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14.09.2012
6.279
Nur in meinen Träumen…
„Lois?“, hörte ich ihn mit warmer Stimme fragen. Unwillkürlich begann mein Herz zu klopfen. Ich hob den Kopf. Clark lächelte mich breit an. „Kaffee?“, fragte er leise und hielt mir die Tasse entgegen.
Mit einem Seufzer schob ich die Akten beiseite und nahm den Becher, den er mir anbot. Dampfend verströmte die Tasse einen aromatischen Duft. Clark nippte bedächtig an seinem Kaffee und setzte sich auf die Kante meines Schreibtisches. Fasziniert beobachtete ich das Spiel seiner Muskeln unter dem Hemd, sah die Kraft in seinen Bewegungen. Dann beugte er sich langsam zu mir hinüber, streckte seine Hand nach mir aus und wischte Milchschaum von meinen Lippen. Ich hatte ihn nicht einmal bemerkt. Doch Clarks Berührung spürte ich intensiv. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Gesicht aus, als sein Zeigefinger mich zärtlich streichelte.
„Ich würde dich gerne zum Abendessen einladen“, murmelte Clark und seine Stimme klang noch ein bisschen tiefer als gewöhnlich. Seine Augen ruhten auf mir und ich konnte stumme Bewunderung in ihnen erkennen. Clark atmete ein bisschen rascher und er nestelte unruhig an seiner Krawatte, als könnte er sich nur mühsam davon abhalten, mich noch einmal zu berühren.
„Heute Abend?“, fragte ich aufgeregt und ärgerte mich ein bisschen darüber, dass ich meine Freude so offensichtlich zeigte. Doch auf diesen Moment hatte ich einfach zu lange gewartet. „Holst du mich um sieben ab?“
Clark nickte stumm und Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Offenbar konnte er sein Glück gar nicht fassen – genauso wenig wie ich. Ein schmales Lächeln wurde in seinen Mundwinkeln sichtbar. Sie zuckten leicht und ich spürte, dass sich dieses Lächeln auch in meinem Gesicht auszubreiten begann. Eine Weile lächelten wir uns gegenseitig an, zu Anfang scheu, doch dann zunehmend mutiger.
Mein Partner stellte seine Kaffeetasse auf meinem Schreibtisch ab und rutschte die Kante entlang noch ein bisschen näher auf mich zu. Auch mich trieb es zu ihm hin. Unruhig fragte ich mich, ob ich auf dem Stuhl sitzen bleiben sollte. Wenn ich es nicht tat, dann würde es die ganze Redaktion sehen, dann würden alle wissen...
Clark beugte sich vor, streckte noch einmal seine Hand nach mir aus. Er strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr und ließ seinen Daumen über meine Wange wandern, bis schließlich seine ganze Hand dort ruhte. Seine Augen schienen hinter den Brillengläsern eine noch dunklere Färbung anzunehmen und eine feine Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ich sah ihn schlucken, während er sich noch weiter vorbeugte. Seine Lippen öffneten sich leicht und dann küsste er mich.
Ich schloss die Augen. Da war nur sein Mund, seine Zunge, die meine sanft liebkoste. Zärtlich knabberte er an meiner Unterlippe, saugte leicht daran und ließ sie wieder los. Seine Wärme schien auf mich überzugehen und mir wurde heiß. Meine Wangen brannten und hungrig erwiderte ich seinen Kuss, presste meine Lippen an seine und versuchte noch mehr von seiner Zärtlichkeit zu bekommen.
Clark atmete schwer und seine Hände streichelten sanft über meine Arme. Wo immer er mich berührte, hinterließen seine Finger eine wohlige Gänsehaut. Ich begann meinerseits, seinen Körper zu erkunden, fühlte seine festen Muskeln unter meinen Händen. Clark zog mich näher an sich, umarmte mich und begann mein Gesicht mit Küssen zu bedecken. Leicht, wie warme Tropfen eines Sommerregens, berührten seine Lippen meine Nase, meine Wimpern, meine Wangen. Ich spürte seinen Atem in meinem Gesicht, fühlte das Prickeln, das bald meinen ganzen Körper erfasste...
Langsam verblasste der Traum der vergangenen Nacht vor meinem inneren Auge. Laute Stimmen aus dem Büro des Chefredakteurs holten mich endgültig in die Gegenwart zurück. Perrys Stimme klang ruhig, gefährlich ruhig. Ich verstand nicht genau, was er sagte, doch jedem in der Redaktion war sein Tonfall eine Warnung.
„Auf gar keinen Fall, Chef!“, flog die Antwort unüberhörbar hinterher. Ich war nicht die einzige, die zusammenzuckte.
Alle starten zur Tür von Perrys Büro, während ich verlegen meine rechte Hand sinken ließ, die gerade noch auf meiner Brust geruht hatte. Hastig schaute ich mich um, doch offenbar hatte mich niemand beobachtet. So wie die Dinge lagen, war ich ganz sicher nicht der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Dafür hatte mein Partner gesorgt.
Die ganze Redaktion hielt vor Überraschung über diesen Ausbruch in Perrys Büro den Atem an, alle außer mir. Ich seufzte leise und konzentrierte mich mit wachsendem Zorn wieder auf meine Arbeit. Niemals würde ich offen zugeben, dass es mir etwas ausmachte. Und vielleicht würde ich auch endlich darüber hinwegkommen, wenn nur diese Träume aufhörten. Ich musste wieder zur Vernunft kommen, dachte ich verzweifelt, während ich versuchte, das Gespräch in Perrys Büro zu ignorieren.
„Das war keine Frage, das ist ein Auftrag“, antwortete Perry gereizt. Seine Stimme war ebenfalls im ganzen Redaktionsraum deutlich zu hören. Ich glaubte nicht, dass sie es darauf angelegt hatten, vor aller Ohren miteinander zu streiten. Doch sie hatten vergessen, die Tür richtig zu schließen. „Ich brauche euch da, euch beide! Würdet ihr euch bitte daran erinnern, dass ihr professionelle Reporter seid und euren Job tun?“
„Das ist nicht so einfach“, erwiderte mein Partner ärgerlich. „Perry, ich...“ Clark, der bisher gesessen hatte, sprang auf und begann auf und abzugehen. Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, wie so oft, wenn ihm etwas unangenehm war. Dann hob er die Hände, als wollte er etwas sagen, doch Perry ließ ihn nicht dazu kommen.
„Ich bitte euch undercover als verheiratete Pärchen ein Hotel zu testen, das sich auf Eheberatung spezialisiert hat. Was ist daran nicht einfach?“, wollte Perry wissen und es war klar, dass er die Diskussion als beendet betrachtete.
„Perry, bitte...“, versuchte Clark noch einmal unseren Chefredakteur umzustimmen, doch er hatte keine Chance.
„Clark, ich verstehe dich nicht. Wenn Lois so laut protestieren würde, wäre ich nicht überrascht“, unterbrach Perry ihn heftig. „Ich dachte wirklich, dass ihr reif genug seid, eure privaten Probleme vom Beruflichen zu trennen. Aber was mich wirklich ärgert, ist, dass du offenbar glaubst, mich umstimmen zu können. Mir fällt niemand ein, der diese Aufgabe besser erledigen könnte“, erklärte Perry deutlich und wurde dann ein wenig leiser. „Und wenn jemand hier eine Partnerberatung benötigt, dann eindeutig ihr. Ich möchte gar nicht wissen, was zwischen euch beiden vorgefallen ist“, wehrte er ab, als Clark die Hand hob, um einen weiteren Erklärungsversuch zu starten. „Ihr beiden arbeitet an dieser Story. Und bei allen Hits von Elvis, das ist mein letztes Wort!“
Die Tür zu Perrys Büro krachte gegen die Wand, als er sie aufriss. Er blickte ein wenig verwirrt drein, als ihm klar wurde, dass sie die ganze Zeit offen gestanden hatte. Dann sah er mich an. Er versuchte wohl zu ergründen, ob ich Clark zu diesem Besuch angestiftet hatte, oder ob er aus eigenem Antrieb gekommen war. Was er in meinen Augen las, brachte ihn ganz offensichtlich noch mehr durcheinander. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass alle ihre Arbeit angesichts des Streits vergessen hatten, ging er in sein Büro zurück und drückte die Tür ins Schloss.
Den Kopf zwischen den Schultern geduckt, schlich Clark an seinen Platz zurück. Er würdigte mich kaum eines Blickes. Noch wütender und vor allem trauriger vergrub ich mich in meine Arbeit. Ich blinzelte die Tränen weg, die mir in die Augen getreten waren und für einen Augenblick war ich versucht, einfach aufzustehen und mein Heil in der Flucht zu suchen. Doch mit eisernem Willen zwang ich mich auf den Bildschirm zu sehen. Die Worte des Artikels wurden klarer und verschwammen dann wieder.
In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass jemand neben mir einen Fehler machte, für den ich ihn anblaffen konnte. Doch niemand tat mir den Gefallen. Im Gegenteil, alle schienen absichtlich einen Bogen um mich zu machen. Pete von der Sportabteilung nahm meist einen Umweg zu Kaffeemaschine, statt wie sonst an meinem Schreibtisch vorbeizugehen. Jimmy kam nicht mehr so oft vorbei, um mir über seine Recherchen zu berichten. Und gerade in diesem Augenblick sprach er mit einem merkwürdigen Herrn mit Bowler am anderen Ende der Redaktion.
Ich hatte mich beim Daily Planet selten so einsam gefühlt. Wo war nur mein bester Freund geblieben? Wo war mein Partner, der mir in allen Lebenslagen beigestanden hatte? Verstohlen blickte ich zu ihm hinüber, sah ihm zu, wie er vor sich hingrummelte. Eine Weile tippte er irgendetwas in den Computer.
Wahrscheinlich war es einer jener kleineren Artikel, über die er mir längst nicht mehr alles erzählte. Nicht, dass es besonders wichtig für mich war, zu wissen, welches Rührstück, wie ich es zu nennen pflegte, er gerade schrieb. Doch ich vermisste diesen Austausch, selbst wenn ich ihn früher des Öfteren abgeblockt hatte. Jetzt bedauerte ich das. Er hatte noch nicht lange gearbeitet, da blickte Clark auf und starrte ins Leere. Dann sprang er auf und kam eilig zu mir herüber.
„Ich muss noch mal weg, Lois. Bin gleich wieder da“, sagte er und mein Herz verkrampfte sich in meiner Brust, als mir bewusst wurde, dass ich sogar seine grandios schlechten Ausreden vermisste.
* * *
Als Clark zurückkam, war eine gewisse Normalität in die Redaktion eingekehrt. Er rückte erst seine Krawatte, dann seine Brille zurecht und schlenderte auf seinen Schreibtisch zu. Mitten auf dem Weg dorthin überlegte er es sich offenbar noch einmal anders, blieb kurz stehen, drehte sich um und kam auf mich zu. Wie in einem Kaleidoskop spiegelten sich verschiedene Gefühle in rascher Abfolge auf seinem Gesicht wieder. Ich konnte Angst in seinen Augen sehen, ein schlechtes Gewissen, Bedauern.
„Lois“, begann er bedrückt und suchte meinen Blick, kurz nur, um herauszufinden, ob er meine Aufmerksamkeit hatte. Dann huschten seine Augen weiter, blieben noch einmal kurz an mir hängen und verschwanden wieder in die Ferne.
Ich beeilte mich nicht damit, von meiner Arbeit aufzublicken. Meine Finger tippten mechanisch. Das meiste war sicherlich Unsinn, doch ich wollte ihn bewusst ignorieren. Wie konnte ich zulassen, dass er noch mehr Macht über mich gewann? Obwohl ich allen Grund hatte, böse auf Clark zu sein und ihn mit Verachtung zu strafen, gelang es mir doch nicht.
„Lois“, sagte Clark ein wenig lauter und bestimmter. „Es... es tut mir Leid“, murmelte er zerknirscht. Ich gestattete mir, ihn offen anzusehen, statt nur unauffällig zu mustern. Sein Gesicht war blass, seine Lippen kaum mehr als ein schmaler Strich.
„Was tut dir Leid, Clark?“ fragte ich böse und versuchte alle Härte, deren ich fähig war, in meine Stimme zu legen. „Dass du zu Perry gegangen bist, oder dass ich es mit anhören musste?“ Clark zuckte unter der Schärfe meiner Worte zusammen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg aber dann doch.
Ich hatte nicht die Absicht, ihn einfach so davonkommen zu lassen. „Was ist los, Clark? Hast du Angst, dass Mayson eifersüchtig wird? Es ist nur ein Job, weißt du? Ich werde dich schon nicht verführen!“, höhnte ich wütend.
Ich hasste, dass er mit Mayson ging. Ich hasste, wie reserviert er mich behandelte und vor allem hasste ich, dass mein Herz schneller schlug, sobald ich ihn sah.
Clark zögerte einen Augenblick und sah plötzlich sehr traurig aus. „Es tut mir Leid, was ich zu Perry gesagt habe, Lois. Es sollte nicht so klingen, als wäre es etwas Schlimmes, Zeit mit dir zu verbringen“, gab er leise zurück. Meine Bemerkung zu Mayson überging er geflissentlich. „Denn das ist es nicht, wirklich nicht“, beeilte er sich zu sagen, als sein Blick über meine gerunzelte Stirn glitt. „Ich... es ist nicht leicht für mich in letzter Zeit“, erklärte er schließlich nebulös und verfiel wieder in angespanntes Schweigen.
„Warum lässt du dich bloß so von ihr einwickeln, Clark?“, zornig sprang ich auf, um ihm die Worte direkt ins Gesicht zu schleudern. „Vor kaum zwei Wochen warst du durchaus noch dazu in der Lage mit mir zusammen einen Film anzusehen, und nun tust du geradeso, als ob ich die Pest hätte“, warf ich ihm vor. Manchmal fragte ich mich, ob Mayson wirklich der einzige Grund für Clarks merkwürdiges Verhalten war. Fest stand jedenfalls, dass er auf Abstand gegangen war, seit er Mayson kannte.
Auf Clarks Gesicht breitete sich Entsetzen aus. „Lois, ich...“, begann er, hielt dann aber inne und schien seinen Satz hinunterzuschlucken. Einen Moment lang sah er mich einfach nur mit großen Augen Hilfe suchend an, dann fasste er sich offenbar wieder und erklärte viel ruhiger, „Es liegt nicht an dir, Lois. Es tut mir Leid, wenn es den Eindruck erweckt hat“, seine Stimme klang monoton, fast so, als hätte er den Satz einstudiert. Er schluckte hart, bevor er fortfuhr. „Was würdest du denn denken, wenn wir zusammen wären, und ich einfach so mit einer anderen Frau zu einer Paarberatung fahre?“, fragte er leise.
„Wir haben kein Date, Clark, wir schreiben zusammen an einer Story. Und wir sind Partner, wenn ich dich daran erinnern darf“, sagte ich kalt und ließ seine Frage dabei absichtlich unbeantwortet.
Der Gedanke, dass ich Rücksicht auf Maysons Gefühle nehmen sollte, behagte mir gar nicht. Sicher hatte Clark mit seiner Feststellung Recht und ich hätte an ihrer Stelle sicherlich auch meine Zweifel gehabt. Dennoch fühlte ich, dass Clark nicht Aufrichtig zu mir war. Etwas an seinen Ausführungen klang falsch, ohne dass ich genau hätte sagen können, was es war.
„Clark“, erklang eine glockenhelle Stimme, wie immer zum falschesten Zeitpunkt.
Mayson Drake musste ein Gespür dafür haben, ein Warnsystem, das ihr sagte, wann ich mit Clark ein ernstes Gespräch führen wollte. Sie unterbrach uns zuverlässig jedes Mal. Ihr Gesicht strahlte, als sie zu uns herüberwinkte, oder besser gesagt zu Clark. Mich bedachte sie meist nur mit einem kurzen, blicklosen Gruß, um sich dann ganz Clark zuzuwenden. Sie hatte sich verändert seit unserer ersten Begegnung. Ein stilles Leuchten war in ihre Augen getreten, ihre Wangen glühten und sie verströmte eine Aura purer Glückseeligkeit. Ich bekam jedes Mal Magenkrämpfe, wenn ich daran dachte, dass Clark das bewirkt hatte. Bei ihr, nicht bei mir. Mayson Drake war schöner denn je, blond, schlank, bei allen beliebt und sehr um Clark bemüht. Ich hasste sie aus tiefstem Herzen.
„Mayson“, begrüßte Clark seine Freundin seltsam tonlos.
Er schaute auf, blickte sie an, ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und seine Schultern entspannten sich. Dennoch blieb ein harter Zug um seinen Mund und seine Hände verkrampften sich. Irrte ich mich, oder war er nicht allzu glücklich darüber, sie zu sehen? Doch seine Starre hielt nur einen Moment an, dann lösten sich seine Finger wieder aus ihrer verkrampften Haltung und Clark ging ein paar Schritte auf die Staatsanwältin zu.
„Schön dich zu sehen“, sagte er mit warmer Stimme. „Ich hatte dich heute nicht erwartet. Gab es da nicht noch einen Fall, an dem du arbeiten wolltest?“, fragte er sie leise.
Mayson strahlte ein aufgesetztes Lächeln und wackelte mit dem Zeigefinger. „Bekomme ich denn gar keinen Kuss?“, fragte sie und zog eine Schnute, die wohl verführerisch wirken sollte. Gern hätte ich Abstand von den beiden genommen, doch sie turtelten direkt neben meinem Schreibtisch.
„Natürlich“, erwiderte Clark und ich bildete mir ein, dass er es ohne besondere Begeisterung tat.
Dann machte er einen Schritt auf Mayson zu und küsste sie kurz auf den Mund. Sie schloss die Augen, blinzelte dann aber enttäuscht, als es kein inniger Kuss wurde. Auch ich war verwirrt, hatte ich doch schon weitaus intimere Begegnungen der beiden miterlebt. Ich dankte meinem Schicksal, dass es mich an diesem Tag nicht noch schlimmer quälte.
„Ich war in der Nähe und wollte nur auf einen Sprung vorbeischauen, Clark“, erklärte Mayson und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Es bleibt doch bei heute Abend, oder?“, gurrte sie in einer Weise, die mich schwer an Cat Grant erinnerte. Mayson lehnte sich an Clark und legte ihre Hand Besitz ergreifend auf seine Brust. Der Blick in ihren Augen sagte alles – sie war schlimmer als Cat auf der Jagd.
„Ähm... Mayson, darüber...“, Clark kam nicht weiter. Seine Worte wurden von einem hungrigen Kuss verschluckt. Er ließ es einen Moment lang zu, bevor er sie sanft von sich weg drückte. „Mayson, bitte...“, flüsterte er stöhnend. „Nicht hier... ich muss mit dir reden, heute Abend“, sagte er dann, während Mayson einen verklärten Blick bekam.
Wer konnte schon wissen, was sie sich ausmalte. Dachte sie vielleicht, dass Clark ihr die bewusste Frage stellte? Mein Herz begann plötzlich wild zu klopfen. Was, wenn er es tat? Was, wenn er sie an diesem Abend tatsächlich um ihre Hand bitten würde? Mir wurde plötzlich schlecht, mein Magen verkrampfte sich immer weiter und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich wollte sie so gerne ignorieren, so tun, als ob mich das alles nicht berührte. Doch mein Blick hing wie gebannt an den beiden.
„Ich muss jetzt weiter arbeiten, Perry guckt schon so grimmig“, erklärte Clark ihr, obwohl weit und breit kein Chefredakteur in Sicht war. Das beruhigte mich ein wenig. Clark deckte nicht nur mich mit Lügen ein.
„Och...“, sagte Mayson enttäuscht und zog schon wieder eine Schnute. „Ich dachte, du würdest vielleicht mit mir Mittag essen gehen“, schmollte sie.
„Ist es dafür nicht ein bisschen spät, Mayson?“, gab Clark zu bedenken und winkte ab. „Nein, ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Lois und ich müssen uns nachher noch mit einer Quelle treffen und dann... wir sehen uns heute Abend, versprochen“, vertröstete er sie und gab ihr zum Abschied noch einen Kuss auf die Wange. Damit hatte er offenbar Erfolg. Das blonde Gift wandte sich zum Gehen und winkte ihm zum Abschied.
„Dann bis heute Abend, Clark“, rief sie wieder vergnügt und stolzierte davon.
Clark sackte gegen meinen Schreibtisch, während er ihr nachschaute. „Gott“, murmelte er gepresst und stöhnte.
Verblüfft beobachtete ich, wie seine Schultern nach vorn fielen und er immer kleiner wurde. Ich hatte gerade meinen Mund geöffnet, um ihn zu fragen, was da vor sich ging, da stieß er sich von meinem Schreibtisch ab.
„Ich muss noch mal weg, Lois“, verkündete er hastig und tat, was er immer tat, wenn es ernst wurde. Er verschwand.
Verwirrt blickte ich ihm nach. Ein Räuspern neben mir ließ mich zusammen schrecken. Mit klopfendem Herzen drehte ich mich um und sah einen schwarzen Bowler, darunter einen altmodisch gekleideten Herren mit Nickelbrille.
„Verzeihen Sie, Miss…“ Er schaute schuldbewusst drein. „Ich wollte Sie keineswegs erschrecken.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Mein Name ist Wells und ich würde mich gern einmal mit Mr. Kent unterhalten.“
„Da sind Sie nicht der Einzige“, murmelte ich bedrückt und mehr zu mir selbst. Dann wandte ich mich dem Fremden zu, der mich irritiert anstarrte. „Entschuldigen Sie bitte, Mr. Wells. Mein Partner hat gerade das Haus verlassen und ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Vielleicht wollen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?“
* * *
Einige Stunden später
Das Telefon klingelte endlich. Ich schreckte aus dem Dämmerschlaf, in den ich verfallen war. Doch es musste ein zweites und ein drittes Mal klingeln, bis ich begriffen hatte, dass das endlich der Anruf war, auf den ich schon eine halbe Ewigkeit wartete. Meine Hand schnellte zum Hörer, doch blieb sie unvermittelt ein paar Zentimeter vor dem Ziel in der Luft schweben. Nun, da es so weit war, war ich mir nicht mehr so sicher, dass ich tatsächlich auch mit meiner Schwester sprechen wollte. Es klingelte noch ein viertes, ein fünftes Mal und schließlich ergriff ich den Hörer. Ich konnte doch nicht alle Welt verrückt machen und schließlich das Gespräch nicht annehmen.
„Lois Lane“, meldete ich mich mit unsicherer Stimme, als ich abgehoben hatte.
Es war meine Schwester, wie ich bereits vermutet hatte. Sie ließ einen Schwall Worte auf mich hernieder regnen, von denen ich nur die Hälfte verstand. Ich erfuhr, dass sie so schnell wie es nur ging nach Hause gefahren war, weil Mom sie auf der Arbeit angerufen hat. Und dass sie sich Sorgen gemacht hatte, weil ich nicht sofort an den Apparat gegangen war.
„Tut mir Leid, Luce“, entgegnete ich etwas kleinlaut und suchte hastig nach einer Entschuldigung. „Ich war unter der Dusche. Und überhaupt habe ich Mom nur gesagt, dass du mich anrufen sollst, weil ich deine neue Nummer noch nicht habe. Sie konnte sich auch gerade nicht daran erinnern, deshalb dachte ich...“
„Also was ist so fürchterlich wichtig, Schwesterherz?“, unterbrach mich Lucy besorgt. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie mir meine Erklärung nicht abnahm. Da war ein fordernder Ton in ihrer Stimme, den sie immer an den Tag legte, wenn sie Antworten haben wollte.
„Wichtig? Es ist nicht wirklich wichtig“, wich ich aus und biss mir auf die Zunge. Plötzlich wollte ich lieber auflegen, als mit Lucy darüber zu sprechen, was ich auf dem Herzen hatte. Warum bereitete mir das nur so viel Unbehagen? Ich redete völligen Unsinn. Natürlich war es wichtig, sonst...
„Natürlich ist es wichtig, Lois. Sonst hättest du mich gar nicht erst angerufen. Du rufst nie an, wenn es nicht wichtig ist“, führte Lucy meinen Gedanken ungerührt fort.
Das stimmte. Obwohl ich immer so tat, als sei die Beziehung zu meiner Schwester ein reines Desaster, kannte sie mich wirklich gut. Mit ziemlicher Sicherheit wusste sie mehr von mir als meine Eltern. Neben Clark war sie wahrscheinlich der einzige Mensch, der mich je verletzlich erlebt hatte. Und trotzdem sprachen wir nur selten miteinander. Ich schämte mich, dass ich sie jetzt mit meinen Problemen belästigte, während ich sie sonst so oft ignorierte. Aber es gab wirklich niemand anderen, mit dem ich hätte reden können.
„Es ist wegen Clark...“, sagte ich und mein Hals schien schon bei dem Wort zuzuschwellen.
„Dein süßer Kollege?“ Ich hatte eindeutig Lucys Neugier geweckt. „Was ist mit ihm? Hat er dich endlich um ein Date gebeten und nun hast du kalte Füße?“, fragte sie aufgeregt.
„Mmhh, so ähnlich“, brummte ich. Es war nicht so ähnlich. Wenn es so ähnlich wäre, bräuchte ich dieses Gespräch nicht. Ich sollte mich endlich aufraffen und mir von der Seele reden, was ich einfach jemandem erzählen musste. „Die Sache mit Lex Luthor sitzt mir immer noch ziemlich in den Gliedern“, sagte ich langsam und atmete tief. „Clark meinte, ich müsste mal wieder unter Menschen. Ein Date haben.“
Das war nicht das eigentliche Problem. Dass ich mal wieder ein Date haben sollte, hatte Clark mir schon vor Wochen gesagt. Nun redete er ja kaum noch mit mir, wie auch heute Nachmittag wieder. Kurz vor Feierabend hatte ich noch einmal zu einem Interview gemusst. Als ich in die Redaktion zurückgekommen war, hatte ich eine Notiz auf meinem Schreibtisch gefunden.
Ich hole dich morgen Mittag bei dir zu Hause ab. Bis dann, Clark.
Obwohl wir uns nach Clarks Rückkehr noch gemeinsam mit einer Quelle getroffen hatten, hatte er bis zu meinem Interview gewartet, um mir den Zettel auf den Schreibtisch zu legen. Wie stellte Perry sich unsere Undercover-Aktion denn vor, wenn Clark sich kaum dazu überwinden konnte, mit mir zu reden? Inzwischen kam ich jeden Morgen mit klopfendem Herzen zur Arbeit und erwartete beinahe, dass Perry mich in sein Büro rufen würde, weil Clark unsere Partnerschaft aufgekündigt hatte und gänzlich verschwunden war. Das alles erfüllte mich mit Angst und Verzweiflung, aber auch mit Wut. Ich war zornig darüber, dass Clark mir nicht sagte, was ihm an mir neuerdings so gegen den Strich ging. Warum konnten wir nicht darüber reden wie zwei erwachsene Menschen? Warum zog er es vor Verstecken zu spielen?
Doch als ich davon sprach mal wieder mit jemandem auszugehen, konnte ich Lucy am anderen Ende der Leitung förmlich nicken sehen. Sie hatte das auch schon vorgeschlagen, und nicht nur einmal. Ich hörte sie atmen und sie schien sich zu überlegen, ob sie dem Vorschlag begeistert zustimmen sollte, oder ob es besser war Vorsicht walten zu lassen, um mich nicht auf die Palme zu bringen. Ich war diesem Vorschlag gegenüber bisher nicht besonders aufgeschlossen gewesen - um es vorsichtig auszudrücken.
„Das ist doch toll, Lois. Also wo ist das Problem?“, wollte Lucy begeistert wissen. Sie hatte offenbar beschlossen für mich den Dating-Cheerleader zu spielen.
„Ich äh...ich...“ Ich brachte es nicht über die Lippen. Die Erkenntnis fand ich eigentlich auch jetzt noch zu schockierend, um sie in Worte zu fassen. „Ich hätte gerne das Clark dieses Date ist“, sagte ich leise. Nun war es heraus und ich atmete schwer, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mich gebracht.
„Ich wusste es...“, jubelte Lucy. „Lois, es ist großartig, dass du endlich siehst, was für einen tollen Partner du da hast. Ich habe ja die ganze Zeit die Daumen gedrückt, dass aus euch was wird. Herzlichen Glückwunsch, Schwesterherz!“ Ich konnte praktisch hören, wie sie am anderen Ende auf und ab hüpfte. Der Jubel war nur leider etwas verfrüht – um nicht zu sagen denkbar fehl am Platze.
„Clark hasst mich, Lucy“, fasste ich mit heiserer Stimme den Haken an der Sache zusammen. „Er ist ein guter Partner, er arbeitet mit mir zusammen, aber er hasst mich.“ Ich überlegte mir, dass er inzwischen vielleicht auch kein so guter Partner mehr war, sagte aber nichts. Stattdessen stand ich ruhelos vom Bett auf und begann in meinem Schlafzimmer auf und abzugehen.
Die Leitung war für einen Moment totenstill und ich schluckte selbst bei dem Geständnis, dass ich gerade gemacht hatte. Es hatte gedauert, bis es mir bewusst geworden war. Die Förmlichkeit mit der Clark mich behandelte, war schier unerträglich. Wir arbeiteten zusammen, ja, aber wir sprachen nur das Nötigste. Mit anderen Worten, wir sprachen über die Arbeit. Es war Wochen her, dass Clark mich das letzte Mal zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er schottete sich vor mir förmlich ab. Wenn er nicht unbedingt musste, sah er mich nicht einmal mehr an.
Ich dachte daran, dass wir schon einmal ein Flitterwochenpärchen gespielt hatten, doch diesmal würde es bestimmt nicht lustig werden. Sehnsuchtsvoll erinnerte ich mich an jene ersten Monate unserer Partnerschaft. Was wäre wohl aus uns geworden, wenn ich damals nicht gar so verbohrt gewesen wäre? Hatte es tatsächlich einmal diese geheime Anziehungskraft zwischen uns gegeben, an die ich mich jetzt nur noch vage erinnerte? Es gab mir einen Stich und unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen.
„Er hasst dich nicht, Lois. Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, widersprach mir meine Schwester beschwichtigend.
„Es ist aber so. Als ich mich letztens auf ein Video bei ihm einladen wollte, hat er mir gesagt, dass ich mich mal wieder mit jemandem verabreden solle“, ich schluchzte fast. „Er will mich los sein.“
„Das war bestimmt nur ein freundschaftlicher Rat – ich dachte ihr wärt beste Freunde“, meinte Lucy beschwichtigend. Ihre Worte trösteten mich wenig. Ich wusste, dass es nicht so war.
„Das dachte ich auch“, seufzte ich und stand vom Bett auf. „Nach der Sache mit Luthor hat er sich anfangs auch sehr lieb um mich gekümmert. Aber dann hat er irgendwann angefangen sich zurückzuziehen.“
Unruhig lief ich in meinem Schlafzimmer auf und ab, als könnte das dabei helfen meine Gefühle klarer zu schildern. Doch wie sollte ich die Ereignisse der letzten Monate in ein einziges Telefongespräch packen? Schließlich musste ich morgen früh aufstehen und Lucy sicherlich ebenfalls. Bei meiner Wanderung durch die Wohnung war ich unterdessen im Wohnzimmer gelandet und mit einem weiteren Seufzer ließ ich mich auf mein viel zu ungemütliches Sofa fallen.
„Ach, ich weiß auch nicht“, fuhr ich fort. „Als wir uns kennen lernten, dachte ich, er hätte etwas für mich übrig. Vor allem als er dann anfing mir Lex Luthor ausreden zu wollen. Aber dann wurde mir klar, dass er gar nicht eifersüchtig war, sondern wusste, was für miese Geschäfte Luthor machte.“ Ich seufzte erneut.
Als Clark mich damals aus dem LNN Gebäude in den Centenniel - Park gezerrt hatte, da hatte ich tatsächlich für einen Moment gedacht, dass er mir nun eine Liebeserklärung machen wollte. Die Art, wie er mich angesehen hatte, der zärtliche Blick seiner braunen Augen – der Moment hatte etwas Magisches gehabt. Und trotzdem, damals hatte ich in ihm noch nicht den Mann gesehen, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. Clark war für mich wie ein großer Bruder gewesen, ein treuer Freund, aber doch nicht mein Liebhaber. Ich hatte mir fast schon die, wie ich damals hoffte, liebevolle Zurückweisung zurechtgelegt. Doch dann war es anders gekommen.
Clark blickte plötzlich zu Boden und die Magie des Augenblicks verschwand in einem tiefen Räuspern. Als er mich wieder ansah, war der liebevolle Ausdruck in seinen Augen verschwunden. Es war, als hätte er sich an etwas Unangenehmes erinnert, etwas, das jeden Funken der Hoffnung zerstört hatte.
„Lex Luthor ist kein guter Mensch, Lois“, sagte Clark sachlich, geradezu emotionslos. Nichts in seiner Stimme erinnerte an die Eifersucht, die ich noch wenige Tage zuvor in ihm gespürt hatte. „Superman hat mir erzählt, in welche Machenschaften er verwickelt ist. Du magst mir nicht glauben, aber er hat seine Finger in so ziemlich jedem Verbrechen, dass in dieser Stadt geschehen ist. Heirate Luthor nicht, warte bis ich dir Beweise liefern kann. Du würdest eine Ehe mit Luthor bitter bereuen.“
Inzwischen war ich ganz froh, dass ich damals nicht dazu gekommen war ihn zurückzuweisen. Es war schon schlimm genug, dass ich nicht auf ihn gehört hatte. Hätte er mir damals die Liebeserklärung gemacht, würde er mich jetzt wahrscheinlich nur noch mehr hassen.
„Vielleicht ist er einfach nur schüchtern und will dir Zeit lassen, damit du über Lex hinweg kommst“, versuchte Lucy mich zu beruhigen. „Frag ihn doch einfach mal, ob er mit dir ausgeht, Lois.“
„Vielleicht hast du Recht, Luce“, sagte ich langsam. Innerlich stimmte ich ihr in keiner Weise zu. Doch so sehr ich ihr auch alles erzählen wollte, ich war mir nicht sicher, ob sie es wirklich verstehen würde. „Vielleicht sollte ich ihn fragen. Aber er ist jetzt mit einer anderen Frau zusammen und heute Abend... heute Abend...“, tonlos brach ich ab und musste schlucken. Bisher war es mir halbwegs gelungen, die Bilder zu verdrängen, doch nun drängten sie mit aller Macht in meine Vorstellung zurück. Mayson und Clark in inniger Umarmung, Mayson, wie sie Clark küsste, Mayson… „Lucy, er schläft mit ihr“, brach es unwillkürlich aus mir heraus und ich hörte mich selber laut aufschluchzen. Weinte ich tatsächlich? „Er...Clark schläft mit ihr, statt mit mir. Nicht mal, als wir beide unter den Pher...omonen standen, hat er...“, stammelte ich mühsam und völlig zusammenhanglos.
„Dich hat es aber ganz schön erwischt“, murmelte Lucy verblüfft. „Lois...“, fügte sie zögerlich hinzu und überlegte wahrscheinlich wie sehr ich darauf bestehen würde, keine andere Beziehung zu zerstören. Angesichts meiner tiefen Zuneigung zu diesem blonden Gift würde mir mein Gewissen in diesem Falle wohl kaum schlaflose Nächte bereiten. Der Bruch dieser Beziehung wäre eher Rettung als Katastrophe. Doch wie groß waren meine Chancen schon, mich zwischen die beiden zu werfen? „...bitte vergiss nicht: es ist erst vorbei, wenn du aufgegeben hast.“ Das musste ich auch schon das ein oder andere Mal zu ihr gesagt haben, dennoch wirkte es tröstlich.
„Danke, Luce“, sagte ich leise. „Du hast mir sehr geholfen.“
„Gern geschehen. Ich bin immer für dich da, Lois. Wenn du reden willst, ruf mich jederzeit an“, gab meine Schwester zurück und ich fragte mich, wie ich sie je als die Pest hatte bezeichnen können. Manchmal war sie mir näher als sonst jemand auf dieser Welt. „Ich würde gerne noch weiter reden, aber ich muss noch mal weg. Ist das in Ordnung?“, wollte Lucy wissen.
„Ja, natürlich“, antwortete ich sofort und war traurig und erleichtert zugleich, dass das Gespräch zu Ende war. Ich wusste nicht genau, was ich von einem Gespräch mit Lucy erhofft hatte. Welche Lösung hätte sie mir schon anbieten können? Sie hatte mir ein wenig Trost gegeben und mehr war unter den gegebenen Umständen auch nicht zu erwarten gewesen. „Danke, dass du zurückgerufen hast, Luce. Mach es gut.“
„Halte mich auf dem Laufenden, Lois“, bat meine Schwester mich und ich versprach es ihr. Dann nannte sie mir noch ihre neue Nummer, bevor wir schließlich unser Gespräch beendeten.
Ich starrte auf den Hörer in meiner Hand. Schlauer war ich nicht. Doch immerhin war ich nicht allein mit dem Eindruck, dass Clark einmal etwas für mich empfunden hatte. Wenn es doch nur immer noch so wäre, dachte ich, bevor ich ebenfalls auflegte. Ich tigerte noch eine Weile rastlos durch meine Wohnung, bis ich mich eine schiere Ewigkeit später auf mein Bett legte um etwas zur Ruhe zu kommen. Mit leerem Blick starrte ich an die Decke und versuchte einzuschlafen. Doch es dauerte lange, bis der scheue Gesell schließlich zu mir kam.
Das Bett gab ein wenig nach, als Clark sich neben mich setzte. Wärme breitete sich in meinem Arm aus, als er einen Kuss auf meine nackte Haut hauchte. Sanft strich seine Hand über meine Seite, während seine Lippen langsam über meinen Oberarm wanderten. Sein Atem kitzelte in meiner Halsbeuge. Clark wusste, dass ich dieses Gefühl liebte und er nahm sich Zeit mich ausgiebig zu verwöhnen. Ein wohliger Schauer nach dem anderen breitete sich über meinem Körper aus, während er zärtlich an meinem Hals saugte. Das Gefühl war elektrisierend, und meine Finger kribbelten vor Verlangen auch seinen Körper zu erkunden. Ich wollte ihn an mich drücken, wollte seine Wärme und Schwere überall spüren. Doch das ließ er nicht zu, sondern suchte sich unbeirrt den Weg zu meinen Lippen.
„Lois“, murmelte er an meinem Mund.
Seine Lippen öffneten sich einen Spalt weit und legten sich sanft auf meine. Er verharrte einen Augenblick auf diese Weise und neckte mich mit dem zärtlichen Spiel seiner Zunge. Jede Berührung war verheißungsvoll, doch viel zu kurz um meine wachsende Sehnsucht zu stillen. Seine Hände begannen über meine Haut zu streicheln, so sanft, dass es beinahe kitzelte. Ich fasste seine Schultern und zog ihn näher, fühlte seinen Körper auf meinem. Clarks Kuss wurde intensiver und immer hungriger. Seine Zunge erkundete meinen Mund und verfiel in einen zärtlichen Tanz, als sie meine berührte.
Langsam glitten meine Hände über seine Schultern. Ich spürte das Spiels seiner festen Muskeln unter seiner warmen, weichen Haut. Mühelos fand ich den Weg unter sein Hemd. Clark löste den Kuss und ließ mich das Hemd von seinen Schultern streifen, bis es den Blick auf seine Brust freigab. Einen Moment lang starrte ich diesen Oberkörper einfach nur bewundernd an.
„Du bist wunderschön“, sagte er leise und wischte mir mit der Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „So wunderschön“, flüsterte er andächtig.
Ich genoss den Blick, mit dem er mich bedachte. Er lächelte mich liebevoll an, während seine Augen auf mir ruhten. In diesen Augen wollte ich versinken. Ihr dunkles Braun hielt mich gefangen, faszinierte mich und ließ meinen Atem immer schneller werden. Dort, wo seine Hand mein Gesicht berührt hatte, prickelte meine Haut. Ich wollte mehr von ihm spüren, mehr als nur diese leichte Berührung.
„Clark“, sagte ich sehnsüchtig und streckte meine Hand nach ihm aus.
Meine Finger glitten über seine Lippen, und er begann sanft daran zu knabbern. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Mit einer Hand streifte er den Träger meines Nachtshemds von meiner Schulter und begann mich dort zu küssen. Langsam wanderten seine Lippen hinab über meine Brust. Zärtlich widmete er sich der Warze, die sich unter seinen Bemühungen aufrichtete. Ich seufzte wohlig und fühlte, wie ein angenehmes Prickeln sich über meine gesamte Haut ausbreitete. Jeder Zentimeter an mir schien empfindlicher als sonst. Ich hatte den Eindruck jede von Clarks Bewegungen wahrzunehmen, als gäbe es nichts anderes auf der Welt.
„Lois“, flüsterte Clark rau. Seine Stimme war beinahe eine Oktave tiefer als sonst. „Ich liebe...dich...“ Obwohl sein Atem in Stößen kam, klangen seine Worte wie ein feierliches Versprechen. Er sah mir tief in die Augen, hielt einen Moment inne und sein Blick flehte geradezu, ihm zu glauben. „...so sehr.“
Ich nickte lächelnd und unbändig glücklich. „Ich weiß.“
„Nein“, erwiderte er verzweifelt, beinahe atemlos. Sein Blick verdunkelte sich ein wenig, oder wirkte es nur so im Dämmerlicht meines Apartments? „Nein“, wiederholte er und Schmerz schwang in seiner Stimme mit.
Dann küsste er mich plötzlich wie ein Verhungernder. Das Spiel seiner Zunge war fordernd. Wie von selbst ergab ich mich in den alten Tanz, spürte, wie seine Finger über meinen Körper glitten, warm und liebevoll, aber nicht mehr ganz so geduldig wie zuvor.
Wie von Geisterhand brach der Kontakt und ich lag allein in meinem Bett.
Als ich aus dem Schlaf schreckte, hatte sich die Situation nicht geändert. Ich war allein. Doch mein schneller Atem und brennendes, aufgestautes Verlangen zeugten noch von meinem Traum. Resigniert sank ich in die Kissen zurück. Das war nicht der erste Traum dieser Art und ich hatte das ungute Gefühl, dass es auch nicht der Letzte bleiben würde. So sehr mir der Inhalt meiner Phantasien auch gefiel, sie blieben doch unerfüllt. Dabei hatte ich in dieser Nacht noch geradezu Glück gehabt. Manchmal führten sie Clark und mich noch viel weiter und dann war es wirklich schwierig mit dem Verlust zurechtzukommen.
Ein Blick auf meinen Wecker sagte mir, dass die Nacht noch lange nicht vorbei war. Unruhig stand ich auf, denn ich wusste aus Erfahrung, dass ich nach einem solchen Traum nur schlecht wieder einschlafen konnte. Meistens half es, wenn ich mich eine Weile lang ablenkte. Nach einem kurzen Blick hinüber zu meinem Fernseher, entschied ich mich für die Küche. Das mochte nicht die beste aller Ideen sein, doch Schokoladeneis war immer noch das einzig wahre Mittel gegen Liebeskummer.
Während ich meinen Morgenmantel vom Haken nahm, überlegte ich, wann diese spezielle Sorte von erotischen Phantasien begonnen hatte. Doch mir kam kein Datum in den Sinn. Es war mehr so eine Art Phase, in der aus freundschaftlicher Zuneigung zuerst Distanziertheit und dann Abneigung geworden war, jedenfalls was Clark betraf. Für mich war diese Phase leider in völlig anderer Richtung verlaufen und nun steckte ich mitten drin im Desaster.
Mit hängenden Schultern schlich ich zum Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, erinnerte ich mich daran, dass ich das letzte Schokoladeneis bereits in der vergangenen Nacht aufgebraucht hatte. Ich fluchte erst verhalten und dann laut und deutlich.
„Verdammter Mist. Wie soll ich das bloß durchstehen!“ haderte ich mit meinem Schicksal. Noch so ein Traum, Clark im selben Hotelzimmer und kein Schokoladeneis in Sicht würden mich sicher um den Verstand bringen, falls das nicht schon längst geschehen war. „Lois Lane, du musst deinen Partner endlich vergessen!“, sprach ich mir selbst Mut zu. Das war nur leider leichter gesagt, als getan.
„Lois?“, hörte ich ihn mit warmer Stimme fragen. Unwillkürlich begann mein Herz zu klopfen. Ich hob den Kopf. Clark lächelte mich breit an. „Kaffee?“, fragte er leise und hielt mir die Tasse entgegen.
Mit einem Seufzer schob ich die Akten beiseite und nahm den Becher, den er mir anbot. Dampfend verströmte die Tasse einen aromatischen Duft. Clark nippte bedächtig an seinem Kaffee und setzte sich auf die Kante meines Schreibtisches. Fasziniert beobachtete ich das Spiel seiner Muskeln unter dem Hemd, sah die Kraft in seinen Bewegungen. Dann beugte er sich langsam zu mir hinüber, streckte seine Hand nach mir aus und wischte Milchschaum von meinen Lippen. Ich hatte ihn nicht einmal bemerkt. Doch Clarks Berührung spürte ich intensiv. Ein Kribbeln breitete sich in meinem Gesicht aus, als sein Zeigefinger mich zärtlich streichelte.
„Ich würde dich gerne zum Abendessen einladen“, murmelte Clark und seine Stimme klang noch ein bisschen tiefer als gewöhnlich. Seine Augen ruhten auf mir und ich konnte stumme Bewunderung in ihnen erkennen. Clark atmete ein bisschen rascher und er nestelte unruhig an seiner Krawatte, als könnte er sich nur mühsam davon abhalten, mich noch einmal zu berühren.
„Heute Abend?“, fragte ich aufgeregt und ärgerte mich ein bisschen darüber, dass ich meine Freude so offensichtlich zeigte. Doch auf diesen Moment hatte ich einfach zu lange gewartet. „Holst du mich um sieben ab?“
Clark nickte stumm und Überraschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Offenbar konnte er sein Glück gar nicht fassen – genauso wenig wie ich. Ein schmales Lächeln wurde in seinen Mundwinkeln sichtbar. Sie zuckten leicht und ich spürte, dass sich dieses Lächeln auch in meinem Gesicht auszubreiten begann. Eine Weile lächelten wir uns gegenseitig an, zu Anfang scheu, doch dann zunehmend mutiger.
Mein Partner stellte seine Kaffeetasse auf meinem Schreibtisch ab und rutschte die Kante entlang noch ein bisschen näher auf mich zu. Auch mich trieb es zu ihm hin. Unruhig fragte ich mich, ob ich auf dem Stuhl sitzen bleiben sollte. Wenn ich es nicht tat, dann würde es die ganze Redaktion sehen, dann würden alle wissen...
Clark beugte sich vor, streckte noch einmal seine Hand nach mir aus. Er strich eine Haarsträhne hinter mein Ohr und ließ seinen Daumen über meine Wange wandern, bis schließlich seine ganze Hand dort ruhte. Seine Augen schienen hinter den Brillengläsern eine noch dunklere Färbung anzunehmen und eine feine Röte breitete sich auf seinem Gesicht aus. Ich sah ihn schlucken, während er sich noch weiter vorbeugte. Seine Lippen öffneten sich leicht und dann küsste er mich.
Ich schloss die Augen. Da war nur sein Mund, seine Zunge, die meine sanft liebkoste. Zärtlich knabberte er an meiner Unterlippe, saugte leicht daran und ließ sie wieder los. Seine Wärme schien auf mich überzugehen und mir wurde heiß. Meine Wangen brannten und hungrig erwiderte ich seinen Kuss, presste meine Lippen an seine und versuchte noch mehr von seiner Zärtlichkeit zu bekommen.
Clark atmete schwer und seine Hände streichelten sanft über meine Arme. Wo immer er mich berührte, hinterließen seine Finger eine wohlige Gänsehaut. Ich begann meinerseits, seinen Körper zu erkunden, fühlte seine festen Muskeln unter meinen Händen. Clark zog mich näher an sich, umarmte mich und begann mein Gesicht mit Küssen zu bedecken. Leicht, wie warme Tropfen eines Sommerregens, berührten seine Lippen meine Nase, meine Wimpern, meine Wangen. Ich spürte seinen Atem in meinem Gesicht, fühlte das Prickeln, das bald meinen ganzen Körper erfasste...
Langsam verblasste der Traum der vergangenen Nacht vor meinem inneren Auge. Laute Stimmen aus dem Büro des Chefredakteurs holten mich endgültig in die Gegenwart zurück. Perrys Stimme klang ruhig, gefährlich ruhig. Ich verstand nicht genau, was er sagte, doch jedem in der Redaktion war sein Tonfall eine Warnung.
„Auf gar keinen Fall, Chef!“, flog die Antwort unüberhörbar hinterher. Ich war nicht die einzige, die zusammenzuckte.
Alle starten zur Tür von Perrys Büro, während ich verlegen meine rechte Hand sinken ließ, die gerade noch auf meiner Brust geruht hatte. Hastig schaute ich mich um, doch offenbar hatte mich niemand beobachtet. So wie die Dinge lagen, war ich ganz sicher nicht der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit. Dafür hatte mein Partner gesorgt.
Die ganze Redaktion hielt vor Überraschung über diesen Ausbruch in Perrys Büro den Atem an, alle außer mir. Ich seufzte leise und konzentrierte mich mit wachsendem Zorn wieder auf meine Arbeit. Niemals würde ich offen zugeben, dass es mir etwas ausmachte. Und vielleicht würde ich auch endlich darüber hinwegkommen, wenn nur diese Träume aufhörten. Ich musste wieder zur Vernunft kommen, dachte ich verzweifelt, während ich versuchte, das Gespräch in Perrys Büro zu ignorieren.
„Das war keine Frage, das ist ein Auftrag“, antwortete Perry gereizt. Seine Stimme war ebenfalls im ganzen Redaktionsraum deutlich zu hören. Ich glaubte nicht, dass sie es darauf angelegt hatten, vor aller Ohren miteinander zu streiten. Doch sie hatten vergessen, die Tür richtig zu schließen. „Ich brauche euch da, euch beide! Würdet ihr euch bitte daran erinnern, dass ihr professionelle Reporter seid und euren Job tun?“
„Das ist nicht so einfach“, erwiderte mein Partner ärgerlich. „Perry, ich...“ Clark, der bisher gesessen hatte, sprang auf und begann auf und abzugehen. Er fuhr sich mit der Hand durch sein Haar, wie so oft, wenn ihm etwas unangenehm war. Dann hob er die Hände, als wollte er etwas sagen, doch Perry ließ ihn nicht dazu kommen.
„Ich bitte euch undercover als verheiratete Pärchen ein Hotel zu testen, das sich auf Eheberatung spezialisiert hat. Was ist daran nicht einfach?“, wollte Perry wissen und es war klar, dass er die Diskussion als beendet betrachtete.
„Perry, bitte...“, versuchte Clark noch einmal unseren Chefredakteur umzustimmen, doch er hatte keine Chance.
„Clark, ich verstehe dich nicht. Wenn Lois so laut protestieren würde, wäre ich nicht überrascht“, unterbrach Perry ihn heftig. „Ich dachte wirklich, dass ihr reif genug seid, eure privaten Probleme vom Beruflichen zu trennen. Aber was mich wirklich ärgert, ist, dass du offenbar glaubst, mich umstimmen zu können. Mir fällt niemand ein, der diese Aufgabe besser erledigen könnte“, erklärte Perry deutlich und wurde dann ein wenig leiser. „Und wenn jemand hier eine Partnerberatung benötigt, dann eindeutig ihr. Ich möchte gar nicht wissen, was zwischen euch beiden vorgefallen ist“, wehrte er ab, als Clark die Hand hob, um einen weiteren Erklärungsversuch zu starten. „Ihr beiden arbeitet an dieser Story. Und bei allen Hits von Elvis, das ist mein letztes Wort!“
Die Tür zu Perrys Büro krachte gegen die Wand, als er sie aufriss. Er blickte ein wenig verwirrt drein, als ihm klar wurde, dass sie die ganze Zeit offen gestanden hatte. Dann sah er mich an. Er versuchte wohl zu ergründen, ob ich Clark zu diesem Besuch angestiftet hatte, oder ob er aus eigenem Antrieb gekommen war. Was er in meinen Augen las, brachte ihn ganz offensichtlich noch mehr durcheinander. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass alle ihre Arbeit angesichts des Streits vergessen hatten, ging er in sein Büro zurück und drückte die Tür ins Schloss.
Den Kopf zwischen den Schultern geduckt, schlich Clark an seinen Platz zurück. Er würdigte mich kaum eines Blickes. Noch wütender und vor allem trauriger vergrub ich mich in meine Arbeit. Ich blinzelte die Tränen weg, die mir in die Augen getreten waren und für einen Augenblick war ich versucht, einfach aufzustehen und mein Heil in der Flucht zu suchen. Doch mit eisernem Willen zwang ich mich auf den Bildschirm zu sehen. Die Worte des Artikels wurden klarer und verschwammen dann wieder.
In diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass jemand neben mir einen Fehler machte, für den ich ihn anblaffen konnte. Doch niemand tat mir den Gefallen. Im Gegenteil, alle schienen absichtlich einen Bogen um mich zu machen. Pete von der Sportabteilung nahm meist einen Umweg zu Kaffeemaschine, statt wie sonst an meinem Schreibtisch vorbeizugehen. Jimmy kam nicht mehr so oft vorbei, um mir über seine Recherchen zu berichten. Und gerade in diesem Augenblick sprach er mit einem merkwürdigen Herrn mit Bowler am anderen Ende der Redaktion.
Ich hatte mich beim Daily Planet selten so einsam gefühlt. Wo war nur mein bester Freund geblieben? Wo war mein Partner, der mir in allen Lebenslagen beigestanden hatte? Verstohlen blickte ich zu ihm hinüber, sah ihm zu, wie er vor sich hingrummelte. Eine Weile tippte er irgendetwas in den Computer.
Wahrscheinlich war es einer jener kleineren Artikel, über die er mir längst nicht mehr alles erzählte. Nicht, dass es besonders wichtig für mich war, zu wissen, welches Rührstück, wie ich es zu nennen pflegte, er gerade schrieb. Doch ich vermisste diesen Austausch, selbst wenn ich ihn früher des Öfteren abgeblockt hatte. Jetzt bedauerte ich das. Er hatte noch nicht lange gearbeitet, da blickte Clark auf und starrte ins Leere. Dann sprang er auf und kam eilig zu mir herüber.
„Ich muss noch mal weg, Lois. Bin gleich wieder da“, sagte er und mein Herz verkrampfte sich in meiner Brust, als mir bewusst wurde, dass ich sogar seine grandios schlechten Ausreden vermisste.
* * *
Als Clark zurückkam, war eine gewisse Normalität in die Redaktion eingekehrt. Er rückte erst seine Krawatte, dann seine Brille zurecht und schlenderte auf seinen Schreibtisch zu. Mitten auf dem Weg dorthin überlegte er es sich offenbar noch einmal anders, blieb kurz stehen, drehte sich um und kam auf mich zu. Wie in einem Kaleidoskop spiegelten sich verschiedene Gefühle in rascher Abfolge auf seinem Gesicht wieder. Ich konnte Angst in seinen Augen sehen, ein schlechtes Gewissen, Bedauern.
„Lois“, begann er bedrückt und suchte meinen Blick, kurz nur, um herauszufinden, ob er meine Aufmerksamkeit hatte. Dann huschten seine Augen weiter, blieben noch einmal kurz an mir hängen und verschwanden wieder in die Ferne.
Ich beeilte mich nicht damit, von meiner Arbeit aufzublicken. Meine Finger tippten mechanisch. Das meiste war sicherlich Unsinn, doch ich wollte ihn bewusst ignorieren. Wie konnte ich zulassen, dass er noch mehr Macht über mich gewann? Obwohl ich allen Grund hatte, böse auf Clark zu sein und ihn mit Verachtung zu strafen, gelang es mir doch nicht.
„Lois“, sagte Clark ein wenig lauter und bestimmter. „Es... es tut mir Leid“, murmelte er zerknirscht. Ich gestattete mir, ihn offen anzusehen, statt nur unauffällig zu mustern. Sein Gesicht war blass, seine Lippen kaum mehr als ein schmaler Strich.
„Was tut dir Leid, Clark?“ fragte ich böse und versuchte alle Härte, deren ich fähig war, in meine Stimme zu legen. „Dass du zu Perry gegangen bist, oder dass ich es mit anhören musste?“ Clark zuckte unter der Schärfe meiner Worte zusammen. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schwieg aber dann doch.
Ich hatte nicht die Absicht, ihn einfach so davonkommen zu lassen. „Was ist los, Clark? Hast du Angst, dass Mayson eifersüchtig wird? Es ist nur ein Job, weißt du? Ich werde dich schon nicht verführen!“, höhnte ich wütend.
Ich hasste, dass er mit Mayson ging. Ich hasste, wie reserviert er mich behandelte und vor allem hasste ich, dass mein Herz schneller schlug, sobald ich ihn sah.
Clark zögerte einen Augenblick und sah plötzlich sehr traurig aus. „Es tut mir Leid, was ich zu Perry gesagt habe, Lois. Es sollte nicht so klingen, als wäre es etwas Schlimmes, Zeit mit dir zu verbringen“, gab er leise zurück. Meine Bemerkung zu Mayson überging er geflissentlich. „Denn das ist es nicht, wirklich nicht“, beeilte er sich zu sagen, als sein Blick über meine gerunzelte Stirn glitt. „Ich... es ist nicht leicht für mich in letzter Zeit“, erklärte er schließlich nebulös und verfiel wieder in angespanntes Schweigen.
„Warum lässt du dich bloß so von ihr einwickeln, Clark?“, zornig sprang ich auf, um ihm die Worte direkt ins Gesicht zu schleudern. „Vor kaum zwei Wochen warst du durchaus noch dazu in der Lage mit mir zusammen einen Film anzusehen, und nun tust du geradeso, als ob ich die Pest hätte“, warf ich ihm vor. Manchmal fragte ich mich, ob Mayson wirklich der einzige Grund für Clarks merkwürdiges Verhalten war. Fest stand jedenfalls, dass er auf Abstand gegangen war, seit er Mayson kannte.
Auf Clarks Gesicht breitete sich Entsetzen aus. „Lois, ich...“, begann er, hielt dann aber inne und schien seinen Satz hinunterzuschlucken. Einen Moment lang sah er mich einfach nur mit großen Augen Hilfe suchend an, dann fasste er sich offenbar wieder und erklärte viel ruhiger, „Es liegt nicht an dir, Lois. Es tut mir Leid, wenn es den Eindruck erweckt hat“, seine Stimme klang monoton, fast so, als hätte er den Satz einstudiert. Er schluckte hart, bevor er fortfuhr. „Was würdest du denn denken, wenn wir zusammen wären, und ich einfach so mit einer anderen Frau zu einer Paarberatung fahre?“, fragte er leise.
„Wir haben kein Date, Clark, wir schreiben zusammen an einer Story. Und wir sind Partner, wenn ich dich daran erinnern darf“, sagte ich kalt und ließ seine Frage dabei absichtlich unbeantwortet.
Der Gedanke, dass ich Rücksicht auf Maysons Gefühle nehmen sollte, behagte mir gar nicht. Sicher hatte Clark mit seiner Feststellung Recht und ich hätte an ihrer Stelle sicherlich auch meine Zweifel gehabt. Dennoch fühlte ich, dass Clark nicht Aufrichtig zu mir war. Etwas an seinen Ausführungen klang falsch, ohne dass ich genau hätte sagen können, was es war.
„Clark“, erklang eine glockenhelle Stimme, wie immer zum falschesten Zeitpunkt.
Mayson Drake musste ein Gespür dafür haben, ein Warnsystem, das ihr sagte, wann ich mit Clark ein ernstes Gespräch führen wollte. Sie unterbrach uns zuverlässig jedes Mal. Ihr Gesicht strahlte, als sie zu uns herüberwinkte, oder besser gesagt zu Clark. Mich bedachte sie meist nur mit einem kurzen, blicklosen Gruß, um sich dann ganz Clark zuzuwenden. Sie hatte sich verändert seit unserer ersten Begegnung. Ein stilles Leuchten war in ihre Augen getreten, ihre Wangen glühten und sie verströmte eine Aura purer Glückseeligkeit. Ich bekam jedes Mal Magenkrämpfe, wenn ich daran dachte, dass Clark das bewirkt hatte. Bei ihr, nicht bei mir. Mayson Drake war schöner denn je, blond, schlank, bei allen beliebt und sehr um Clark bemüht. Ich hasste sie aus tiefstem Herzen.
„Mayson“, begrüßte Clark seine Freundin seltsam tonlos.
Er schaute auf, blickte sie an, ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und seine Schultern entspannten sich. Dennoch blieb ein harter Zug um seinen Mund und seine Hände verkrampften sich. Irrte ich mich, oder war er nicht allzu glücklich darüber, sie zu sehen? Doch seine Starre hielt nur einen Moment an, dann lösten sich seine Finger wieder aus ihrer verkrampften Haltung und Clark ging ein paar Schritte auf die Staatsanwältin zu.
„Schön dich zu sehen“, sagte er mit warmer Stimme. „Ich hatte dich heute nicht erwartet. Gab es da nicht noch einen Fall, an dem du arbeiten wolltest?“, fragte er sie leise.
Mayson strahlte ein aufgesetztes Lächeln und wackelte mit dem Zeigefinger. „Bekomme ich denn gar keinen Kuss?“, fragte sie und zog eine Schnute, die wohl verführerisch wirken sollte. Gern hätte ich Abstand von den beiden genommen, doch sie turtelten direkt neben meinem Schreibtisch.
„Natürlich“, erwiderte Clark und ich bildete mir ein, dass er es ohne besondere Begeisterung tat.
Dann machte er einen Schritt auf Mayson zu und küsste sie kurz auf den Mund. Sie schloss die Augen, blinzelte dann aber enttäuscht, als es kein inniger Kuss wurde. Auch ich war verwirrt, hatte ich doch schon weitaus intimere Begegnungen der beiden miterlebt. Ich dankte meinem Schicksal, dass es mich an diesem Tag nicht noch schlimmer quälte.
„Ich war in der Nähe und wollte nur auf einen Sprung vorbeischauen, Clark“, erklärte Mayson und zwinkerte ihm verschwörerisch zu. „Es bleibt doch bei heute Abend, oder?“, gurrte sie in einer Weise, die mich schwer an Cat Grant erinnerte. Mayson lehnte sich an Clark und legte ihre Hand Besitz ergreifend auf seine Brust. Der Blick in ihren Augen sagte alles – sie war schlimmer als Cat auf der Jagd.
„Ähm... Mayson, darüber...“, Clark kam nicht weiter. Seine Worte wurden von einem hungrigen Kuss verschluckt. Er ließ es einen Moment lang zu, bevor er sie sanft von sich weg drückte. „Mayson, bitte...“, flüsterte er stöhnend. „Nicht hier... ich muss mit dir reden, heute Abend“, sagte er dann, während Mayson einen verklärten Blick bekam.
Wer konnte schon wissen, was sie sich ausmalte. Dachte sie vielleicht, dass Clark ihr die bewusste Frage stellte? Mein Herz begann plötzlich wild zu klopfen. Was, wenn er es tat? Was, wenn er sie an diesem Abend tatsächlich um ihre Hand bitten würde? Mir wurde plötzlich schlecht, mein Magen verkrampfte sich immer weiter und das Blut rauschte in meinen Ohren. Ich wollte sie so gerne ignorieren, so tun, als ob mich das alles nicht berührte. Doch mein Blick hing wie gebannt an den beiden.
„Ich muss jetzt weiter arbeiten, Perry guckt schon so grimmig“, erklärte Clark ihr, obwohl weit und breit kein Chefredakteur in Sicht war. Das beruhigte mich ein wenig. Clark deckte nicht nur mich mit Lügen ein.
„Och...“, sagte Mayson enttäuscht und zog schon wieder eine Schnute. „Ich dachte, du würdest vielleicht mit mir Mittag essen gehen“, schmollte sie.
„Ist es dafür nicht ein bisschen spät, Mayson?“, gab Clark zu bedenken und winkte ab. „Nein, ich habe jetzt wirklich keine Zeit. Lois und ich müssen uns nachher noch mit einer Quelle treffen und dann... wir sehen uns heute Abend, versprochen“, vertröstete er sie und gab ihr zum Abschied noch einen Kuss auf die Wange. Damit hatte er offenbar Erfolg. Das blonde Gift wandte sich zum Gehen und winkte ihm zum Abschied.
„Dann bis heute Abend, Clark“, rief sie wieder vergnügt und stolzierte davon.
Clark sackte gegen meinen Schreibtisch, während er ihr nachschaute. „Gott“, murmelte er gepresst und stöhnte.
Verblüfft beobachtete ich, wie seine Schultern nach vorn fielen und er immer kleiner wurde. Ich hatte gerade meinen Mund geöffnet, um ihn zu fragen, was da vor sich ging, da stieß er sich von meinem Schreibtisch ab.
„Ich muss noch mal weg, Lois“, verkündete er hastig und tat, was er immer tat, wenn es ernst wurde. Er verschwand.
Verwirrt blickte ich ihm nach. Ein Räuspern neben mir ließ mich zusammen schrecken. Mit klopfendem Herzen drehte ich mich um und sah einen schwarzen Bowler, darunter einen altmodisch gekleideten Herren mit Nickelbrille.
„Verzeihen Sie, Miss…“ Er schaute schuldbewusst drein. „Ich wollte Sie keineswegs erschrecken.“ Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Mein Name ist Wells und ich würde mich gern einmal mit Mr. Kent unterhalten.“
„Da sind Sie nicht der Einzige“, murmelte ich bedrückt und mehr zu mir selbst. Dann wandte ich mich dem Fremden zu, der mich irritiert anstarrte. „Entschuldigen Sie bitte, Mr. Wells. Mein Partner hat gerade das Haus verlassen und ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Vielleicht wollen Sie ihm eine Nachricht hinterlassen?“
* * *
Einige Stunden später
Das Telefon klingelte endlich. Ich schreckte aus dem Dämmerschlaf, in den ich verfallen war. Doch es musste ein zweites und ein drittes Mal klingeln, bis ich begriffen hatte, dass das endlich der Anruf war, auf den ich schon eine halbe Ewigkeit wartete. Meine Hand schnellte zum Hörer, doch blieb sie unvermittelt ein paar Zentimeter vor dem Ziel in der Luft schweben. Nun, da es so weit war, war ich mir nicht mehr so sicher, dass ich tatsächlich auch mit meiner Schwester sprechen wollte. Es klingelte noch ein viertes, ein fünftes Mal und schließlich ergriff ich den Hörer. Ich konnte doch nicht alle Welt verrückt machen und schließlich das Gespräch nicht annehmen.
„Lois Lane“, meldete ich mich mit unsicherer Stimme, als ich abgehoben hatte.
Es war meine Schwester, wie ich bereits vermutet hatte. Sie ließ einen Schwall Worte auf mich hernieder regnen, von denen ich nur die Hälfte verstand. Ich erfuhr, dass sie so schnell wie es nur ging nach Hause gefahren war, weil Mom sie auf der Arbeit angerufen hat. Und dass sie sich Sorgen gemacht hatte, weil ich nicht sofort an den Apparat gegangen war.
„Tut mir Leid, Luce“, entgegnete ich etwas kleinlaut und suchte hastig nach einer Entschuldigung. „Ich war unter der Dusche. Und überhaupt habe ich Mom nur gesagt, dass du mich anrufen sollst, weil ich deine neue Nummer noch nicht habe. Sie konnte sich auch gerade nicht daran erinnern, deshalb dachte ich...“
„Also was ist so fürchterlich wichtig, Schwesterherz?“, unterbrach mich Lucy besorgt. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass sie mir meine Erklärung nicht abnahm. Da war ein fordernder Ton in ihrer Stimme, den sie immer an den Tag legte, wenn sie Antworten haben wollte.
„Wichtig? Es ist nicht wirklich wichtig“, wich ich aus und biss mir auf die Zunge. Plötzlich wollte ich lieber auflegen, als mit Lucy darüber zu sprechen, was ich auf dem Herzen hatte. Warum bereitete mir das nur so viel Unbehagen? Ich redete völligen Unsinn. Natürlich war es wichtig, sonst...
„Natürlich ist es wichtig, Lois. Sonst hättest du mich gar nicht erst angerufen. Du rufst nie an, wenn es nicht wichtig ist“, führte Lucy meinen Gedanken ungerührt fort.
Das stimmte. Obwohl ich immer so tat, als sei die Beziehung zu meiner Schwester ein reines Desaster, kannte sie mich wirklich gut. Mit ziemlicher Sicherheit wusste sie mehr von mir als meine Eltern. Neben Clark war sie wahrscheinlich der einzige Mensch, der mich je verletzlich erlebt hatte. Und trotzdem sprachen wir nur selten miteinander. Ich schämte mich, dass ich sie jetzt mit meinen Problemen belästigte, während ich sie sonst so oft ignorierte. Aber es gab wirklich niemand anderen, mit dem ich hätte reden können.
„Es ist wegen Clark...“, sagte ich und mein Hals schien schon bei dem Wort zuzuschwellen.
„Dein süßer Kollege?“ Ich hatte eindeutig Lucys Neugier geweckt. „Was ist mit ihm? Hat er dich endlich um ein Date gebeten und nun hast du kalte Füße?“, fragte sie aufgeregt.
„Mmhh, so ähnlich“, brummte ich. Es war nicht so ähnlich. Wenn es so ähnlich wäre, bräuchte ich dieses Gespräch nicht. Ich sollte mich endlich aufraffen und mir von der Seele reden, was ich einfach jemandem erzählen musste. „Die Sache mit Lex Luthor sitzt mir immer noch ziemlich in den Gliedern“, sagte ich langsam und atmete tief. „Clark meinte, ich müsste mal wieder unter Menschen. Ein Date haben.“
Das war nicht das eigentliche Problem. Dass ich mal wieder ein Date haben sollte, hatte Clark mir schon vor Wochen gesagt. Nun redete er ja kaum noch mit mir, wie auch heute Nachmittag wieder. Kurz vor Feierabend hatte ich noch einmal zu einem Interview gemusst. Als ich in die Redaktion zurückgekommen war, hatte ich eine Notiz auf meinem Schreibtisch gefunden.
Ich hole dich morgen Mittag bei dir zu Hause ab. Bis dann, Clark.
Obwohl wir uns nach Clarks Rückkehr noch gemeinsam mit einer Quelle getroffen hatten, hatte er bis zu meinem Interview gewartet, um mir den Zettel auf den Schreibtisch zu legen. Wie stellte Perry sich unsere Undercover-Aktion denn vor, wenn Clark sich kaum dazu überwinden konnte, mit mir zu reden? Inzwischen kam ich jeden Morgen mit klopfendem Herzen zur Arbeit und erwartete beinahe, dass Perry mich in sein Büro rufen würde, weil Clark unsere Partnerschaft aufgekündigt hatte und gänzlich verschwunden war. Das alles erfüllte mich mit Angst und Verzweiflung, aber auch mit Wut. Ich war zornig darüber, dass Clark mir nicht sagte, was ihm an mir neuerdings so gegen den Strich ging. Warum konnten wir nicht darüber reden wie zwei erwachsene Menschen? Warum zog er es vor Verstecken zu spielen?
Doch als ich davon sprach mal wieder mit jemandem auszugehen, konnte ich Lucy am anderen Ende der Leitung förmlich nicken sehen. Sie hatte das auch schon vorgeschlagen, und nicht nur einmal. Ich hörte sie atmen und sie schien sich zu überlegen, ob sie dem Vorschlag begeistert zustimmen sollte, oder ob es besser war Vorsicht walten zu lassen, um mich nicht auf die Palme zu bringen. Ich war diesem Vorschlag gegenüber bisher nicht besonders aufgeschlossen gewesen - um es vorsichtig auszudrücken.
„Das ist doch toll, Lois. Also wo ist das Problem?“, wollte Lucy begeistert wissen. Sie hatte offenbar beschlossen für mich den Dating-Cheerleader zu spielen.
„Ich äh...ich...“ Ich brachte es nicht über die Lippen. Die Erkenntnis fand ich eigentlich auch jetzt noch zu schockierend, um sie in Worte zu fassen. „Ich hätte gerne das Clark dieses Date ist“, sagte ich leise. Nun war es heraus und ich atmete schwer, als hätte ich einen Marathonlauf hinter mich gebracht.
„Ich wusste es...“, jubelte Lucy. „Lois, es ist großartig, dass du endlich siehst, was für einen tollen Partner du da hast. Ich habe ja die ganze Zeit die Daumen gedrückt, dass aus euch was wird. Herzlichen Glückwunsch, Schwesterherz!“ Ich konnte praktisch hören, wie sie am anderen Ende auf und ab hüpfte. Der Jubel war nur leider etwas verfrüht – um nicht zu sagen denkbar fehl am Platze.
„Clark hasst mich, Lucy“, fasste ich mit heiserer Stimme den Haken an der Sache zusammen. „Er ist ein guter Partner, er arbeitet mit mir zusammen, aber er hasst mich.“ Ich überlegte mir, dass er inzwischen vielleicht auch kein so guter Partner mehr war, sagte aber nichts. Stattdessen stand ich ruhelos vom Bett auf und begann in meinem Schlafzimmer auf und abzugehen.
Die Leitung war für einen Moment totenstill und ich schluckte selbst bei dem Geständnis, dass ich gerade gemacht hatte. Es hatte gedauert, bis es mir bewusst geworden war. Die Förmlichkeit mit der Clark mich behandelte, war schier unerträglich. Wir arbeiteten zusammen, ja, aber wir sprachen nur das Nötigste. Mit anderen Worten, wir sprachen über die Arbeit. Es war Wochen her, dass Clark mich das letzte Mal zu sich nach Hause eingeladen hatte. Er schottete sich vor mir förmlich ab. Wenn er nicht unbedingt musste, sah er mich nicht einmal mehr an.
Ich dachte daran, dass wir schon einmal ein Flitterwochenpärchen gespielt hatten, doch diesmal würde es bestimmt nicht lustig werden. Sehnsuchtsvoll erinnerte ich mich an jene ersten Monate unserer Partnerschaft. Was wäre wohl aus uns geworden, wenn ich damals nicht gar so verbohrt gewesen wäre? Hatte es tatsächlich einmal diese geheime Anziehungskraft zwischen uns gegeben, an die ich mich jetzt nur noch vage erinnerte? Es gab mir einen Stich und unwillkürlich traten mir Tränen in die Augen.
„Er hasst dich nicht, Lois. Das kann ich mir gar nicht vorstellen“, widersprach mir meine Schwester beschwichtigend.
„Es ist aber so. Als ich mich letztens auf ein Video bei ihm einladen wollte, hat er mir gesagt, dass ich mich mal wieder mit jemandem verabreden solle“, ich schluchzte fast. „Er will mich los sein.“
„Das war bestimmt nur ein freundschaftlicher Rat – ich dachte ihr wärt beste Freunde“, meinte Lucy beschwichtigend. Ihre Worte trösteten mich wenig. Ich wusste, dass es nicht so war.
„Das dachte ich auch“, seufzte ich und stand vom Bett auf. „Nach der Sache mit Luthor hat er sich anfangs auch sehr lieb um mich gekümmert. Aber dann hat er irgendwann angefangen sich zurückzuziehen.“
Unruhig lief ich in meinem Schlafzimmer auf und ab, als könnte das dabei helfen meine Gefühle klarer zu schildern. Doch wie sollte ich die Ereignisse der letzten Monate in ein einziges Telefongespräch packen? Schließlich musste ich morgen früh aufstehen und Lucy sicherlich ebenfalls. Bei meiner Wanderung durch die Wohnung war ich unterdessen im Wohnzimmer gelandet und mit einem weiteren Seufzer ließ ich mich auf mein viel zu ungemütliches Sofa fallen.
„Ach, ich weiß auch nicht“, fuhr ich fort. „Als wir uns kennen lernten, dachte ich, er hätte etwas für mich übrig. Vor allem als er dann anfing mir Lex Luthor ausreden zu wollen. Aber dann wurde mir klar, dass er gar nicht eifersüchtig war, sondern wusste, was für miese Geschäfte Luthor machte.“ Ich seufzte erneut.
Als Clark mich damals aus dem LNN Gebäude in den Centenniel - Park gezerrt hatte, da hatte ich tatsächlich für einen Moment gedacht, dass er mir nun eine Liebeserklärung machen wollte. Die Art, wie er mich angesehen hatte, der zärtliche Blick seiner braunen Augen – der Moment hatte etwas Magisches gehabt. Und trotzdem, damals hatte ich in ihm noch nicht den Mann gesehen, mit dem ich mein Leben verbringen wollte. Clark war für mich wie ein großer Bruder gewesen, ein treuer Freund, aber doch nicht mein Liebhaber. Ich hatte mir fast schon die, wie ich damals hoffte, liebevolle Zurückweisung zurechtgelegt. Doch dann war es anders gekommen.
Clark blickte plötzlich zu Boden und die Magie des Augenblicks verschwand in einem tiefen Räuspern. Als er mich wieder ansah, war der liebevolle Ausdruck in seinen Augen verschwunden. Es war, als hätte er sich an etwas Unangenehmes erinnert, etwas, das jeden Funken der Hoffnung zerstört hatte.
„Lex Luthor ist kein guter Mensch, Lois“, sagte Clark sachlich, geradezu emotionslos. Nichts in seiner Stimme erinnerte an die Eifersucht, die ich noch wenige Tage zuvor in ihm gespürt hatte. „Superman hat mir erzählt, in welche Machenschaften er verwickelt ist. Du magst mir nicht glauben, aber er hat seine Finger in so ziemlich jedem Verbrechen, dass in dieser Stadt geschehen ist. Heirate Luthor nicht, warte bis ich dir Beweise liefern kann. Du würdest eine Ehe mit Luthor bitter bereuen.“
Inzwischen war ich ganz froh, dass ich damals nicht dazu gekommen war ihn zurückzuweisen. Es war schon schlimm genug, dass ich nicht auf ihn gehört hatte. Hätte er mir damals die Liebeserklärung gemacht, würde er mich jetzt wahrscheinlich nur noch mehr hassen.
„Vielleicht ist er einfach nur schüchtern und will dir Zeit lassen, damit du über Lex hinweg kommst“, versuchte Lucy mich zu beruhigen. „Frag ihn doch einfach mal, ob er mit dir ausgeht, Lois.“
„Vielleicht hast du Recht, Luce“, sagte ich langsam. Innerlich stimmte ich ihr in keiner Weise zu. Doch so sehr ich ihr auch alles erzählen wollte, ich war mir nicht sicher, ob sie es wirklich verstehen würde. „Vielleicht sollte ich ihn fragen. Aber er ist jetzt mit einer anderen Frau zusammen und heute Abend... heute Abend...“, tonlos brach ich ab und musste schlucken. Bisher war es mir halbwegs gelungen, die Bilder zu verdrängen, doch nun drängten sie mit aller Macht in meine Vorstellung zurück. Mayson und Clark in inniger Umarmung, Mayson, wie sie Clark küsste, Mayson… „Lucy, er schläft mit ihr“, brach es unwillkürlich aus mir heraus und ich hörte mich selber laut aufschluchzen. Weinte ich tatsächlich? „Er...Clark schläft mit ihr, statt mit mir. Nicht mal, als wir beide unter den Pher...omonen standen, hat er...“, stammelte ich mühsam und völlig zusammenhanglos.
„Dich hat es aber ganz schön erwischt“, murmelte Lucy verblüfft. „Lois...“, fügte sie zögerlich hinzu und überlegte wahrscheinlich wie sehr ich darauf bestehen würde, keine andere Beziehung zu zerstören. Angesichts meiner tiefen Zuneigung zu diesem blonden Gift würde mir mein Gewissen in diesem Falle wohl kaum schlaflose Nächte bereiten. Der Bruch dieser Beziehung wäre eher Rettung als Katastrophe. Doch wie groß waren meine Chancen schon, mich zwischen die beiden zu werfen? „...bitte vergiss nicht: es ist erst vorbei, wenn du aufgegeben hast.“ Das musste ich auch schon das ein oder andere Mal zu ihr gesagt haben, dennoch wirkte es tröstlich.
„Danke, Luce“, sagte ich leise. „Du hast mir sehr geholfen.“
„Gern geschehen. Ich bin immer für dich da, Lois. Wenn du reden willst, ruf mich jederzeit an“, gab meine Schwester zurück und ich fragte mich, wie ich sie je als die Pest hatte bezeichnen können. Manchmal war sie mir näher als sonst jemand auf dieser Welt. „Ich würde gerne noch weiter reden, aber ich muss noch mal weg. Ist das in Ordnung?“, wollte Lucy wissen.
„Ja, natürlich“, antwortete ich sofort und war traurig und erleichtert zugleich, dass das Gespräch zu Ende war. Ich wusste nicht genau, was ich von einem Gespräch mit Lucy erhofft hatte. Welche Lösung hätte sie mir schon anbieten können? Sie hatte mir ein wenig Trost gegeben und mehr war unter den gegebenen Umständen auch nicht zu erwarten gewesen. „Danke, dass du zurückgerufen hast, Luce. Mach es gut.“
„Halte mich auf dem Laufenden, Lois“, bat meine Schwester mich und ich versprach es ihr. Dann nannte sie mir noch ihre neue Nummer, bevor wir schließlich unser Gespräch beendeten.
Ich starrte auf den Hörer in meiner Hand. Schlauer war ich nicht. Doch immerhin war ich nicht allein mit dem Eindruck, dass Clark einmal etwas für mich empfunden hatte. Wenn es doch nur immer noch so wäre, dachte ich, bevor ich ebenfalls auflegte. Ich tigerte noch eine Weile rastlos durch meine Wohnung, bis ich mich eine schiere Ewigkeit später auf mein Bett legte um etwas zur Ruhe zu kommen. Mit leerem Blick starrte ich an die Decke und versuchte einzuschlafen. Doch es dauerte lange, bis der scheue Gesell schließlich zu mir kam.
Das Bett gab ein wenig nach, als Clark sich neben mich setzte. Wärme breitete sich in meinem Arm aus, als er einen Kuss auf meine nackte Haut hauchte. Sanft strich seine Hand über meine Seite, während seine Lippen langsam über meinen Oberarm wanderten. Sein Atem kitzelte in meiner Halsbeuge. Clark wusste, dass ich dieses Gefühl liebte und er nahm sich Zeit mich ausgiebig zu verwöhnen. Ein wohliger Schauer nach dem anderen breitete sich über meinem Körper aus, während er zärtlich an meinem Hals saugte. Das Gefühl war elektrisierend, und meine Finger kribbelten vor Verlangen auch seinen Körper zu erkunden. Ich wollte ihn an mich drücken, wollte seine Wärme und Schwere überall spüren. Doch das ließ er nicht zu, sondern suchte sich unbeirrt den Weg zu meinen Lippen.
„Lois“, murmelte er an meinem Mund.
Seine Lippen öffneten sich einen Spalt weit und legten sich sanft auf meine. Er verharrte einen Augenblick auf diese Weise und neckte mich mit dem zärtlichen Spiel seiner Zunge. Jede Berührung war verheißungsvoll, doch viel zu kurz um meine wachsende Sehnsucht zu stillen. Seine Hände begannen über meine Haut zu streicheln, so sanft, dass es beinahe kitzelte. Ich fasste seine Schultern und zog ihn näher, fühlte seinen Körper auf meinem. Clarks Kuss wurde intensiver und immer hungriger. Seine Zunge erkundete meinen Mund und verfiel in einen zärtlichen Tanz, als sie meine berührte.
Langsam glitten meine Hände über seine Schultern. Ich spürte das Spiels seiner festen Muskeln unter seiner warmen, weichen Haut. Mühelos fand ich den Weg unter sein Hemd. Clark löste den Kuss und ließ mich das Hemd von seinen Schultern streifen, bis es den Blick auf seine Brust freigab. Einen Moment lang starrte ich diesen Oberkörper einfach nur bewundernd an.
„Du bist wunderschön“, sagte er leise und wischte mir mit der Hand eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „So wunderschön“, flüsterte er andächtig.
Ich genoss den Blick, mit dem er mich bedachte. Er lächelte mich liebevoll an, während seine Augen auf mir ruhten. In diesen Augen wollte ich versinken. Ihr dunkles Braun hielt mich gefangen, faszinierte mich und ließ meinen Atem immer schneller werden. Dort, wo seine Hand mein Gesicht berührt hatte, prickelte meine Haut. Ich wollte mehr von ihm spüren, mehr als nur diese leichte Berührung.
„Clark“, sagte ich sehnsüchtig und streckte meine Hand nach ihm aus.
Meine Finger glitten über seine Lippen, und er begann sanft daran zu knabbern. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Mit einer Hand streifte er den Träger meines Nachtshemds von meiner Schulter und begann mich dort zu küssen. Langsam wanderten seine Lippen hinab über meine Brust. Zärtlich widmete er sich der Warze, die sich unter seinen Bemühungen aufrichtete. Ich seufzte wohlig und fühlte, wie ein angenehmes Prickeln sich über meine gesamte Haut ausbreitete. Jeder Zentimeter an mir schien empfindlicher als sonst. Ich hatte den Eindruck jede von Clarks Bewegungen wahrzunehmen, als gäbe es nichts anderes auf der Welt.
„Lois“, flüsterte Clark rau. Seine Stimme war beinahe eine Oktave tiefer als sonst. „Ich liebe...dich...“ Obwohl sein Atem in Stößen kam, klangen seine Worte wie ein feierliches Versprechen. Er sah mir tief in die Augen, hielt einen Moment inne und sein Blick flehte geradezu, ihm zu glauben. „...so sehr.“
Ich nickte lächelnd und unbändig glücklich. „Ich weiß.“
„Nein“, erwiderte er verzweifelt, beinahe atemlos. Sein Blick verdunkelte sich ein wenig, oder wirkte es nur so im Dämmerlicht meines Apartments? „Nein“, wiederholte er und Schmerz schwang in seiner Stimme mit.
Dann küsste er mich plötzlich wie ein Verhungernder. Das Spiel seiner Zunge war fordernd. Wie von selbst ergab ich mich in den alten Tanz, spürte, wie seine Finger über meinen Körper glitten, warm und liebevoll, aber nicht mehr ganz so geduldig wie zuvor.
Wie von Geisterhand brach der Kontakt und ich lag allein in meinem Bett.
Als ich aus dem Schlaf schreckte, hatte sich die Situation nicht geändert. Ich war allein. Doch mein schneller Atem und brennendes, aufgestautes Verlangen zeugten noch von meinem Traum. Resigniert sank ich in die Kissen zurück. Das war nicht der erste Traum dieser Art und ich hatte das ungute Gefühl, dass es auch nicht der Letzte bleiben würde. So sehr mir der Inhalt meiner Phantasien auch gefiel, sie blieben doch unerfüllt. Dabei hatte ich in dieser Nacht noch geradezu Glück gehabt. Manchmal führten sie Clark und mich noch viel weiter und dann war es wirklich schwierig mit dem Verlust zurechtzukommen.
Ein Blick auf meinen Wecker sagte mir, dass die Nacht noch lange nicht vorbei war. Unruhig stand ich auf, denn ich wusste aus Erfahrung, dass ich nach einem solchen Traum nur schlecht wieder einschlafen konnte. Meistens half es, wenn ich mich eine Weile lang ablenkte. Nach einem kurzen Blick hinüber zu meinem Fernseher, entschied ich mich für die Küche. Das mochte nicht die beste aller Ideen sein, doch Schokoladeneis war immer noch das einzig wahre Mittel gegen Liebeskummer.
Während ich meinen Morgenmantel vom Haken nahm, überlegte ich, wann diese spezielle Sorte von erotischen Phantasien begonnen hatte. Doch mir kam kein Datum in den Sinn. Es war mehr so eine Art Phase, in der aus freundschaftlicher Zuneigung zuerst Distanziertheit und dann Abneigung geworden war, jedenfalls was Clark betraf. Für mich war diese Phase leider in völlig anderer Richtung verlaufen und nun steckte ich mitten drin im Desaster.
Mit hängenden Schultern schlich ich zum Kühlschrank. Als ich ihn öffnete, erinnerte ich mich daran, dass ich das letzte Schokoladeneis bereits in der vergangenen Nacht aufgebraucht hatte. Ich fluchte erst verhalten und dann laut und deutlich.
„Verdammter Mist. Wie soll ich das bloß durchstehen!“ haderte ich mit meinem Schicksal. Noch so ein Traum, Clark im selben Hotelzimmer und kein Schokoladeneis in Sicht würden mich sicher um den Verstand bringen, falls das nicht schon längst geschehen war. „Lois Lane, du musst deinen Partner endlich vergessen!“, sprach ich mir selbst Mut zu. Das war nur leider leichter gesagt, als getan.