Another - Natürlich tot
von Drummer Queen
Kurzbeschreibung
Vor ein paar Monaten war die Klasse 9c noch eine normale Klasse wie jede andere. Doch plötzlich sterben Leute, die in Verbindung mit der Klasse stehen, auf mysteriöse Weise. Es scheint als stünde die 9c unter einem Fluch. Eine Gruppe Schüler versucht herauszufinden was dahinter steckt. Gibt es eine Möglichkeit unschuldige Leben zu retten? Und was hat der neue Mitschüler Naoya Teshigawara damit zu tun? >>Anime: Another <<
GeschichteHorror, Übernatürlich / P18 / Gen
10.09.2012
11.01.2015
8
19.086
1
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Dieses Kapitel
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10.09.2012
3.039
Zum Sterben schön…
So hier ist nun endlich das zweite Kapitel… nach über einem halben Jahr… sorry. Aber ab jetzt werde ich regelmäßiger posten, ganz fest versprochen. ;)
Ich bedanke mich besonders bei Hyouka, die mir eine liebe Review geschrieben hat. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das für ein Motivationsschub für mich war :D
Also falls ich irgendwann mir nochmal so fucking viel Zeit lassen sollte wisst ihr ja, was ihr zu tun habt ;)
… nämlich bei mir mit einem mit Mistgabeln und Fackeln bewaffneten wütenden Mob aufkreuzen^^
So genug Unsinn geschrieben *räusper* viel Spaß bei dem zweiten Kapitel :*
Randnotiz: Die Geschichte wird NORMALERWEISE aus der Ich-Perspektive geschrieben. Da der Ich-Erzähler aber nicht bei jedem Todesfall persönlich dabei sein kann, wird in diesem Fall aus der dritten Person erzählt, einfach weil man sonst die Hälfte der Tode nicht richtig mitbekommen würde und das wäre doch langweilig^^
Außerdem gibt es in der Klasse 9c zwei Carolins. Um sie zu unterscheiden schreibe ich bei der einen Carolin, bei der anderen Caro. Hoffe das geht so in Ordnung für euch, meine liebe Leserschaft. (Gott, ich schleime kein bisschen… nooiin..^^)
-Es gibt zwei Arten von Fußgängern - die schnellen und die toten.-
Montag, der 15. August
Wenn nur diese Stille nicht gewesen wäre. Diese verdammte Stille, die das bewies, was wir alle schon längst wussten.
Wir saßen schweigend auf unseren Plätzen im Klassenraum. Mein Blick wanderte die ganze Zeit zum leeren Stuhl vor mir. Dort wo er normalerweise saß… gesessen hatte. Mir schien als ob manche sogar die Luft angehalten hatten, um überhaupt kein Geräusch mehr von sich zu geben. Gott, diese verdammte Stille machte mich fast wahnsinnig. Es wär mir lieber gewesen, wenn sie darüber geredet oder getrauert hätten, aber dieses Schweigen war einfach nur schrecklich. Ein Schweigen von Schülern, die nicht wussten was sie machen oder wie sie sich verhalten sollten, Schüler die sich verloren fühlten.
Herr Heyl hatte und auch nur die Klasse aufgeschlossen und hatte uns dann mit den Worten, „Ich bin gleich wieder da“, alleine zurückgelassen.
Danach war dann nur noch diese verdammte Stille gewesen, nur unterbrochen von den Schritten eines Lehrers oder Schülers, der den Flur entlang ging.
Dauernd drehten sich ein paar Köpfe zur Tür, als ob sie hofften, dass plötzlich Arber aufreißen und uns mit den Worten „Na ihr Lappen! Dachtet ihr ich wär tot? Den Baba kann doch nichts umhauen!“, begrüßen würde.
Aber natürlich passierte dies nicht und jeder wusste es.
Carina hatte mir am Freitag eine SMS mit dem Inhalt „Arber ist gestorben, wollte nur Bescheid sagen“, geschrieben, daher wusste ich es. Wieder hörten wir Schritte auf dem Flur.
Die halbe Klasse zuckte zusammen, als die Tür geöffnet wurde und Herr Heyl den Raum betrat. Er ging zielstrebig nach vorne, wobei er sich an dem Tisch des Neuen, welcher weit in den Gang ragte, auf Grund seiner fülligeren Masse vorbeizwängen musste.
Vor der Tafel blieb er stehen und räusperte sich bevor er anfing mit ruhiger Stimme zu sprechen: „ Wie ihr wahrscheinlich alle wisst, ist Arber am Freitag noch auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Es ist wirklich tragisch und schockierend, was ihm passiert ist. Am Freitag ist seine Beerdigung. Es wäre schön wenn viele von euch kommen würden um ihm die letzte Ehre zu erweisen.“
Endlich setzte das Gemurmel untereinander wieder ein, endlich waren meine Mitschüler aus ihrer Schockstarre erwacht.
„Ich weiß, dass es euch sicher sehr beschäftigt“, schallte Herr Heyls Stimme über den Lärm der Gespräche, „also wenn ihr wollt könnt ihr mit mir darüber reden. Des Weitern wurdet ihr für heute vom Unterricht freigestellt. Eine kleine Bitte hätte noch. Naoya könntest du dich bitte auf den freien Platz setzen und mit Niklas zusammen den freien Tisch raustragen? Dann haben wir wieder mehr Platz. Ich bin zwar schon schlank, aber so zierlich bin ich dann doch wieder nicht.“
Überrascht sahen wir uns an. Hatte Herr Heyl gerade wirklich einen Witz gemacht?
Wiederstrebend taten Niklas und Naoya das, was Herr Heyl ihnen gesagt hatte. Der Japaner setzte sich vorsichtig und zögernd auf Arbers ehemaligen Platz. Und ich wusste nicht was ich unangebrachter fand. Den unangebrachten Witz oder der Neue, der jetzt da saß und den Platz eines Toten eingenommen hatte. Ihm musste wohl das Selbe durch den Kopf gehen, denn er hatte seine selbstbewusste und lockere Haltung verloren. Stattdessen saß er deutlich nervös auf seinem neuen Platz neben Felix.
Herr Heyl setzte sich nun an das Lehrerpult und begann mit uns weiter über die Geschehnisse zu reden. Obwohl wir jederzeit gehen durften, blieben wir so lange bis niemand mehr was zu sagen hatte.
Freitag, der 19. August
Natürlich waren wir alle, sogar der Neue, aus der 9c bei der Beerdigung anwesend. Manche saßen mit ihren Eltern auf den Bänken der großen Kirche. Der Rest hatte sich, wie ich, in eine Bankreihe in der Mitte der Kirche gesetzt, Die Kirche war sehr voll. Ich sah viele Lehrer und Schüler aus meiner Schule, die gekommen waren, um Arber die letzte Ehre zu erweisen. Die Orgel begann die ersten Töne eines Liedes zu spielen und alle in der Kirche erhoben sich. Nach dem Lied fing der Priester an von Gott und der Welt zu erzählen.
Ich war wirklich froh, als die Messe vorbei war und ich wieder vor der Kirche stand. Die traurige Stimmung da drin setzte mir echt zu. Dauernd hatten Leute angefangen zu weinen. Viele hatten Verzweiflung und Trauer in ihrem Gesicht. Ich lehnte ich gegen einen Baum uns wartete auf die anderen, die nach und nach aus der Kirche kamen. Schau nach vorne, dass Leben geht weiter, versuchte ich mich selbst zu motivieren. Das einzige was ich sah, als ich nach vorne sah, war die Schule, welche hoch auf dem Berg über die Kleinstadt thronte. Jetzt geht’s mir schon viel besser, dachte ich verbittert.
Langsam waren alle draußen und machten sich auf den Weg zum Friedhof. Ich schlenderte, meine Hände tief in der Hosentasche vergraben, neben Vanessa und Carina her. Plötzlich hörte ich eine Stimme meinen Namen rufen. Ich drehte meine Kopf zur Seite und sah, dass der Neue neben mir herging und mich ansah. Musste der immer so unerwartet auftauchen?
„Was gibt’s?“, ich versuchte möglichst neutral zu klingen, um meine schlechte Laune und die Verwunderung darüber, dass er mit mir sprach, zu verbergen.
Seit Montag hatte er nämlich mit Niemanden aus meiner Klasse mehr geredet und schweigsam und zurückhaltend im Unterricht da gesessen.
„ Ich habe da zwei Fragen“, sagte er.
„Ja?“, nun war ich neugierig geworden.
„Arber wohnt doch hier in der Stadt, wo die Schule steht? Kommen auch noch andere, außer mir, von hier?“, fragte er.
„Nee“, ich schüttelte den Kopf, „der Rest von uns komm aus den umliegenden Dörfern und fährt jeden Tag mit dem Bus, so wie ich, oder Zug zur Schule. Warum fragst du?“
„Ach, nur so, wollte wissen ob jemand von euch in meiner Nähe wohnt. Meine zweite Frage ist: Ist neben Arber noch jemand anderes gestorben, der mit der 9c zu tun hatte?“ Er sah mich erwartungsvoll an. Wieder schüttelte ich den Kopf.
„ Auch keine Verwandten von Jemandem? Onkel, Tanten, Eltern?“, hackte er nach.
„ Gott nein, kling ja fast so als wolltest du, dass irgendjemand gestorben ist“, antwortet ich und Vanessa und Carina stimmten mir zu.
Irgendwie wirkte Naoya au einmal, als ob er über irgendetwas erleichtert wäre.
„Nein, ich bin wirklich froh, dass niemand sonst gestorben ist. Es war wohl alles nur ein Zufall. Ich geh dann mal heim, bis Montag dann“, verabschiedete er sich schnell und auf seinem Gesicht erkannte man sogar kurz den Anflug eines kleinen Lächelns.
„Oh man… Was geht denn mit dem? Denkt der, in Deutschland sterben die ganze Zeit welche?“, sprach Vanessa das aus, was ich dachte.
„Und was meint der mit Zufall? Arbers Unfall? Was soll das denn sonst gewesen sein? Mord??“, fügte Carina hinzu. Ich zuckte nur mit den Schultern. Mittlerweile hatten wir den Friedhof erreicht. Arbers letzte Ruhestätte.
Samstag, der 27. August (Sichtwechsel)
„Ich weiß nicht, hab irgendwie keinen Bock feiern zu gehen.“ Carolin lag auf ihrem Bett und telefonierte mit ihrem Freund.
„Ach komm schon Schatz. Warum denn nicht?“, fragte Philipp, deutlich enttäuscht.
„Idiot!“, fauchte Carolin wütend ins Handy, „dir ist’s wirklich scheißegal, was mir alles passiert! Es geht immer nur um dich!“, unweigerlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. In letzter Zeit stritten sie sich oft.
„ Carolin, ich… Ist es immer noch wegen deinem Klassenkameraden? Das ist doch schon zwei Wochen her! Bedeutet der dir etwas mehr als ich?!“, nun verlor auch Philipp langsam die Geduld.
„ Bist du vollkommen bescheuert?! Das Weinfest ist nun mal in seiner Heimatstadt, er liegt da begraben. Wie würdest du dich an meiner Stelle fühlen?! Und dein letzter Satz war total… argh…“ Carolins Stimme wurde immer mehr von den Tränen erstickt, die ihr über die Wangen liefen. Zornig wischte sie, sie weg.
„Carolin!“, mit einem Ruck wurde Carolins Zimmertür geöffnet. Christina, ihre kleine Schwester, stürmte hinein.
„Ich darf mir doch dein schwarzes Top ausleihen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, begann sie in Carolins Schrank zu wühlen. Carolin sagte Philipp bevor er sie wieder anmeckern konnte, dass er kurz warten sollte und sprang auf um Chrissi davon abzuhalten, den kompletten Schrankinhalt auf den Boden zu verstreuen.
„Ey warte gefälligst meine Antwort ab! Wohin willst du überhaupt?!“
„Zum Weinfest. Mama hat’s mir erlaubt. Channi kommt mich gleich abholen und ich habe nichts zum anziehen. Ah da ist es ja!“ Christina hielt das Top hoch und grinste ihre Schwester frech an.
„Wie du darfst schon zum Weinfest?! Du bist doch erst in der Achten. Das ist unfair, ich durfte letztes Jahr noch nicht dahin!“ Carolins Laune sank noch weiter in den Keller.
„Tja, die jüngere hat’s halt besser!“, ärgerte Chrissi sie und verließ, das Top über den Kopf schwingend, den Raum.
Na warte, hättest du wohl gern, dass du vor mir alleine auf dem Weinfest warst dachte Carolin und griff nach ihrem Handy.
„Bist du noch da?“ Von dem anderen Ende kam ein schlecht gelauntes Grummeln. „Schatz, ich komm mit zum Fest. Hol mich bitte in ´ner halben Stunde ab, danke. Liebe dich.“
Carolin hörte noch ein überraschtes, „ Was? Okay… Ich dich auch“, dann legte sie auf und machte sich in Rekordzeit fertig. Sie trug ein hellblaues Top, darüber eine Kette und einen Cardigan, darunter eine Röhrenjeans.
Natürlich trug sie nur Markensachen und natürlich war sie, wie eigentlich immer, geschminkt. Ihre braunen Haare fielen ihr perfekt geglättet über die Schultern. Nur eine Sache fehlte noch um ihr Topmodel ähnliches Aussehen abzurunden. Da kam ihr die Idee. Ein böses Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.
Fast feierlich Schritt sie zu ihrem Schuhschrank und holte ein Paar Schuhe raus, DIE Schuhe. Auf Grund ihres schlicht gestalteten schwarzen Äußeren passten sie perfekt unter jedes Outfit. Doch bis jetzt hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt sie zu tragen, wenn sie mit ihrem Freund ausging. Die Erklärung war simpel; Philipp war 1,67m groß und Carolin 1,72m. Ohne Absätze überragte sie ihn schon knapp. DIE Schuhe hatten 7 cm Absätze: Sie würde also locker einen Kopf größer sein als er und welcher Kerl will schon, dass seine Freundin so viel größer als er selbst ist? Sie wusste auf jeden Fall, dass sie so Philipp ärgern konnte. Geschah ihm auch recht. Vielleicht würde er dich ja dann in Zukunft mehr für sie interessieren.
Vor der Haustür wartete Philipp bereits aus seinem Mofa. Als Carolin raus kam lief er sofort auf sie zu und wollte sich für alles entschuldigen. Doch schlagartig blieb er stehen und betrachtete seine Freundin, besonders ihre Schuhe.
„Das… das bringst du nicht wirklich, oder?“
Carolin kam mit einem triumphierendem Lächeln auf ihn zu, gab ihm einen Kuss und sagte: „Hallo Schatz, gefallen dir meine Schuhe?“
Ohne eine Antwort abzuwarten stolzierte sie zum Mofa und rief ungeduldig ihrem Freund zu: „ Kommst du? Ich wollte heute noch zum Fest.“
Philipp nickte leicht verärgert mit dem Kopf, er wusste, dass sie das nur tat um ihn zu provozieren aber darauf würde er sich nicht einlassen. Er wollte sich nicht schon wieder streiten.
Das Weinfest machte Carolin mehr Spaß, als sie gedacht hatte. Immer wieder traf sie Bekannte, auch viele aus der 9c waren da. Es war also in Ordnung zwei Wochen nach Arbers Tragödie wieder feiern zu gehen. Aylin und Timo tanzten sogar ausgelassen auf einem Tisch rum, bis dieser umfiel.
Der Stress mit Philipp hatte sich wieder gelegt, nachdem beide sich tausendmal entschuldigt hatten und Carolin. versprochen hatte DIE Schuhe nur noch zu tragen, wenn er nicht dabei war.
Während Carolin noch mit ein paar Freundinnen auf dem Festplatz feierte, war Philipp bereits vorgegangen um sich mit ein paar Freunden am nahegelegenen Flussufer zu treffen. Nach einiger Zeit beschloss auch Carolin zum Flussufer zu gehen und traf auf dem Weg dorthin ihre Schwester Chrissi, die deutlich mehr getrunken hatte, als eine Achtklässlerin vertrug und deren beste Freundin Chantal. Die zwei beschlossen sie zum Flussufer zu begleiten, doch schon nach kurzer Zeit trafen sie wieder einen Bekannten und blieben stehen um sich mit ihm zu unterhalten.
Carolin hatte keine Lust auf die zwei zu warten und ging allein weiter Richtung Flussufer.
An der Straße, die sie überqueren musste, blieb sie stehen und beobachtete wie ein Auto nach dem anderen an ihr vorbei rauschte. Sie vergrub die Hände in ihre Hosentaschen und stellte ihr rechtes Bein über ihr linkes. Langsam taten ihr die Füße vom tragen der High Heels weh.
Fast eine Minute lang musste sie warten, bis sich der Verkehr endlich lichtete. Nur auf der linken Straßenseite fuhr noch ein LKW, der noch etwa 15 Meter entfernt war. Wenn dieser vorbei gefahren war konnte sie endlich auf die andere Straßenseite.
„ Na, Schwesterchen, wir sind wieder da!“ begrüßte Chrissi, die plötzlich wieder mit Channi hinter Carolin aufgetaucht war, ihre große Schwester. Während sie die Worte sprach, schlug sie Carolin noch scherzhaft auf den Rücken. Doch der Schlag war heftiger als beabsichtigt gewesen, da Chrissi wegen ihrem Promillegehalt, sich nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte.
Carolin stolperte, vom Schlag überrascht und auf Grund ihres unsicheren Stand, nach vorne. Instinktiv riss sie die Hände aus den Hosentaschen und stellte ihr rechtes Bein zum abfangen einen Schritt nach vorne. Doch sie fand auf der Straße keinen Halt. Stattdessen spürte sie wie ihr rechter Fuß förmlich in die Straße rein sank. Panisch bemerkte sie, wie sie weiter nach vorne fiel. Sie blickte nach unten und sah die Ursache dafür, dass sie keinen Halt fand. Ihr schmaler Absatz war in einen Spalt eines Gullideckelgitters am Bürgersteigrand gerutscht.
Im Fallen warf sie einen Blick nach links und sah in die grellen Scheinwerfer des LKWs. Er war kaum mehr als drei Meter von ihr entfernt. Sie hörte das Quietschen der Räder, als der Lastkraftwagenfahrer auf die Bremse trat, doch im selben Moment wusste sie, dass es zu spät war.
Chrissi und Channi schrien erschrocken auf und Carolin wusste, dass auch sie ihr nicht mehr helfen konnten. Ich werde also jetzt sterben, stelle sie relativ nüchtern fest. Das alles nahm sie innerhalb weniger Sekunden wie in Zeitlupe wahr.
Dann schlug sie hart auf den Asphalt auf. Sie spürte noch wie die Straße unter den Reifen des LKWs leicht vibrierte. Wie gebannt starrte sie auf den riesigen Reifen, der immer näher kam, genau auf ihren Kopf zu. Wenigstens habe ich es so schnelles hinter mir, dachte sie und lachte innerlich ironisch auf. Sie schloss die Augen und dann überrollte der LKW Beine, Kopf und ihren linken Arm, der ausgestreckt neben dem Kopf lag.
„Neeeeeiiiin!! Lass mich zu meiner Schwester, Chantal!!“ Channi hielt Christina fest, die zu ihrer Schwester auf die Straße laufen wollte. Hysterisch schlug, zerrte und trat die verzweifelte Schwester um sich, doch Chantal ließ nicht locker.
„Chrissi, bitte, tu dir das nicht an. Du kannst nichts mehr für sie tun…“ redete Channi, während ihr Tränen in die Augen traten, auf ihre beste Freundin ein und tatsächlich; das Gezerre wurde weniger, bis Christins kraftlos auf die Knie sank. Ihr Körper wurde von Heulkrämpfen geschüttelt und sie schluchzte laut auf.
Philipp und seine Freunde standen am Straßenrand und blickten sich verwirrt um. Schreie, die bis zum Ufer erklangen waren, hatten ihre Aufmerksamkeit geweckt. Als Erstes sah Philipp, dass die Leute hier wegen etwas völlig geschockt schienen. Manche starrten wie gebannt auf einen LKW, der mitten auf der Straße stand, andere waren den Tränen nahe. Im Schein einer Straßenlaterne glänzte eine rote Flüssigkeit unter und neben dem LKW, eine riesige Blutlache, schoss es Philipp eisig durch den Kopf.
Indes kam der LKW-Fahrer telefonierend aus der Kabine. Aus ein paar Metern Entfernung begutachtete er sein „Werk“ und Philipp hörte ihm die ganze Zeit fluchen und Sachen wie „ … sie war doch noch so jung … ich wollte das nicht…“ sagen.
Wie von einer bösen Vorahnung gelähmt setzte Philipp einen Schritt vor den anderen. Die restlichen Leute standen immer noch nur rum und beobachteten ihn, wie er da hinging; selbst seine Freunde rührten sich nicht. Ein Auto, das auf der anderen Straßenseite fuhr, hupte und der Fahrer meckerte, dass er gefälligst von der Straße verschwinden sollte. Doch Philipp schenkte ihm keine Beachtung. Er ignorierte auch die Wörter, die ihm Channi und Chrissi zuriefen.
Er hörte nur noch die hämische Stimme in seinem Kopf, die ihm immer wieder zuflüsterte „Da liegt deine Freundin! Carolin liegt da, überfahren von einem LKW und du kannst nichts mehr tun! HAHAHA!!“
Unter dem LKW guckte eine zierliche Hand hervor. Sie lag in einer Blutlache. Philipp musterte sie… und dann brach seine Welt in sich zusammen. Eine Eiseskälte fuhr durch seinen Körper, löschte all seine Gefühle aus und ließ nur den Schmerz, den unerträglichen Schmerz, zurück.
Um das blutige Handgelenk hing ein Armband. Er hatte es Carolin gekauft, als sie zusammen in Paris Urlaub gemacht hatten. Wie in einem Albtraum griff er betäubt nach der Hand und verschränkte seine Finger mit dieser. Er flüsterte ihren Namen, dann begann er vorsichtig an der Hand zu ziehen. Er spürte keinen Widerstand… und dann bemerkte er auch warum.
Der LKW hatte den Unterarm vom Rest der Körpers abgetrennt! Geschockt ließ er die Hand los, doch immer noch spürte er die kalten Finger des blutigen Armstumpfes an seiner Haut. Er ließ sich rücklings auf die Straße fallen, schrie seinen Schmerz in den schwarzen Nachthimmel und hoffte, dass das hupende Auto ihn einfach auch überfahren würde.
So hier ist nun endlich das zweite Kapitel… nach über einem halben Jahr… sorry. Aber ab jetzt werde ich regelmäßiger posten, ganz fest versprochen. ;)
Ich bedanke mich besonders bei Hyouka, die mir eine liebe Review geschrieben hat. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, was das für ein Motivationsschub für mich war :D
Also falls ich irgendwann mir nochmal so fucking viel Zeit lassen sollte wisst ihr ja, was ihr zu tun habt ;)
… nämlich bei mir mit einem mit Mistgabeln und Fackeln bewaffneten wütenden Mob aufkreuzen^^
So genug Unsinn geschrieben *räusper* viel Spaß bei dem zweiten Kapitel :*
Randnotiz: Die Geschichte wird NORMALERWEISE aus der Ich-Perspektive geschrieben. Da der Ich-Erzähler aber nicht bei jedem Todesfall persönlich dabei sein kann, wird in diesem Fall aus der dritten Person erzählt, einfach weil man sonst die Hälfte der Tode nicht richtig mitbekommen würde und das wäre doch langweilig^^
Außerdem gibt es in der Klasse 9c zwei Carolins. Um sie zu unterscheiden schreibe ich bei der einen Carolin, bei der anderen Caro. Hoffe das geht so in Ordnung für euch, meine liebe Leserschaft. (Gott, ich schleime kein bisschen… nooiin..^^)
-Es gibt zwei Arten von Fußgängern - die schnellen und die toten.-
Montag, der 15. August
Wenn nur diese Stille nicht gewesen wäre. Diese verdammte Stille, die das bewies, was wir alle schon längst wussten.
Wir saßen schweigend auf unseren Plätzen im Klassenraum. Mein Blick wanderte die ganze Zeit zum leeren Stuhl vor mir. Dort wo er normalerweise saß… gesessen hatte. Mir schien als ob manche sogar die Luft angehalten hatten, um überhaupt kein Geräusch mehr von sich zu geben. Gott, diese verdammte Stille machte mich fast wahnsinnig. Es wär mir lieber gewesen, wenn sie darüber geredet oder getrauert hätten, aber dieses Schweigen war einfach nur schrecklich. Ein Schweigen von Schülern, die nicht wussten was sie machen oder wie sie sich verhalten sollten, Schüler die sich verloren fühlten.
Herr Heyl hatte und auch nur die Klasse aufgeschlossen und hatte uns dann mit den Worten, „Ich bin gleich wieder da“, alleine zurückgelassen.
Danach war dann nur noch diese verdammte Stille gewesen, nur unterbrochen von den Schritten eines Lehrers oder Schülers, der den Flur entlang ging.
Dauernd drehten sich ein paar Köpfe zur Tür, als ob sie hofften, dass plötzlich Arber aufreißen und uns mit den Worten „Na ihr Lappen! Dachtet ihr ich wär tot? Den Baba kann doch nichts umhauen!“, begrüßen würde.
Aber natürlich passierte dies nicht und jeder wusste es.
Carina hatte mir am Freitag eine SMS mit dem Inhalt „Arber ist gestorben, wollte nur Bescheid sagen“, geschrieben, daher wusste ich es. Wieder hörten wir Schritte auf dem Flur.
Die halbe Klasse zuckte zusammen, als die Tür geöffnet wurde und Herr Heyl den Raum betrat. Er ging zielstrebig nach vorne, wobei er sich an dem Tisch des Neuen, welcher weit in den Gang ragte, auf Grund seiner fülligeren Masse vorbeizwängen musste.
Vor der Tafel blieb er stehen und räusperte sich bevor er anfing mit ruhiger Stimme zu sprechen: „ Wie ihr wahrscheinlich alle wisst, ist Arber am Freitag noch auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. Es ist wirklich tragisch und schockierend, was ihm passiert ist. Am Freitag ist seine Beerdigung. Es wäre schön wenn viele von euch kommen würden um ihm die letzte Ehre zu erweisen.“
Endlich setzte das Gemurmel untereinander wieder ein, endlich waren meine Mitschüler aus ihrer Schockstarre erwacht.
„Ich weiß, dass es euch sicher sehr beschäftigt“, schallte Herr Heyls Stimme über den Lärm der Gespräche, „also wenn ihr wollt könnt ihr mit mir darüber reden. Des Weitern wurdet ihr für heute vom Unterricht freigestellt. Eine kleine Bitte hätte noch. Naoya könntest du dich bitte auf den freien Platz setzen und mit Niklas zusammen den freien Tisch raustragen? Dann haben wir wieder mehr Platz. Ich bin zwar schon schlank, aber so zierlich bin ich dann doch wieder nicht.“
Überrascht sahen wir uns an. Hatte Herr Heyl gerade wirklich einen Witz gemacht?
Wiederstrebend taten Niklas und Naoya das, was Herr Heyl ihnen gesagt hatte. Der Japaner setzte sich vorsichtig und zögernd auf Arbers ehemaligen Platz. Und ich wusste nicht was ich unangebrachter fand. Den unangebrachten Witz oder der Neue, der jetzt da saß und den Platz eines Toten eingenommen hatte. Ihm musste wohl das Selbe durch den Kopf gehen, denn er hatte seine selbstbewusste und lockere Haltung verloren. Stattdessen saß er deutlich nervös auf seinem neuen Platz neben Felix.
Herr Heyl setzte sich nun an das Lehrerpult und begann mit uns weiter über die Geschehnisse zu reden. Obwohl wir jederzeit gehen durften, blieben wir so lange bis niemand mehr was zu sagen hatte.
Freitag, der 19. August
Natürlich waren wir alle, sogar der Neue, aus der 9c bei der Beerdigung anwesend. Manche saßen mit ihren Eltern auf den Bänken der großen Kirche. Der Rest hatte sich, wie ich, in eine Bankreihe in der Mitte der Kirche gesetzt, Die Kirche war sehr voll. Ich sah viele Lehrer und Schüler aus meiner Schule, die gekommen waren, um Arber die letzte Ehre zu erweisen. Die Orgel begann die ersten Töne eines Liedes zu spielen und alle in der Kirche erhoben sich. Nach dem Lied fing der Priester an von Gott und der Welt zu erzählen.
Ich war wirklich froh, als die Messe vorbei war und ich wieder vor der Kirche stand. Die traurige Stimmung da drin setzte mir echt zu. Dauernd hatten Leute angefangen zu weinen. Viele hatten Verzweiflung und Trauer in ihrem Gesicht. Ich lehnte ich gegen einen Baum uns wartete auf die anderen, die nach und nach aus der Kirche kamen. Schau nach vorne, dass Leben geht weiter, versuchte ich mich selbst zu motivieren. Das einzige was ich sah, als ich nach vorne sah, war die Schule, welche hoch auf dem Berg über die Kleinstadt thronte. Jetzt geht’s mir schon viel besser, dachte ich verbittert.
Langsam waren alle draußen und machten sich auf den Weg zum Friedhof. Ich schlenderte, meine Hände tief in der Hosentasche vergraben, neben Vanessa und Carina her. Plötzlich hörte ich eine Stimme meinen Namen rufen. Ich drehte meine Kopf zur Seite und sah, dass der Neue neben mir herging und mich ansah. Musste der immer so unerwartet auftauchen?
„Was gibt’s?“, ich versuchte möglichst neutral zu klingen, um meine schlechte Laune und die Verwunderung darüber, dass er mit mir sprach, zu verbergen.
Seit Montag hatte er nämlich mit Niemanden aus meiner Klasse mehr geredet und schweigsam und zurückhaltend im Unterricht da gesessen.
„ Ich habe da zwei Fragen“, sagte er.
„Ja?“, nun war ich neugierig geworden.
„Arber wohnt doch hier in der Stadt, wo die Schule steht? Kommen auch noch andere, außer mir, von hier?“, fragte er.
„Nee“, ich schüttelte den Kopf, „der Rest von uns komm aus den umliegenden Dörfern und fährt jeden Tag mit dem Bus, so wie ich, oder Zug zur Schule. Warum fragst du?“
„Ach, nur so, wollte wissen ob jemand von euch in meiner Nähe wohnt. Meine zweite Frage ist: Ist neben Arber noch jemand anderes gestorben, der mit der 9c zu tun hatte?“ Er sah mich erwartungsvoll an. Wieder schüttelte ich den Kopf.
„ Auch keine Verwandten von Jemandem? Onkel, Tanten, Eltern?“, hackte er nach.
„ Gott nein, kling ja fast so als wolltest du, dass irgendjemand gestorben ist“, antwortet ich und Vanessa und Carina stimmten mir zu.
Irgendwie wirkte Naoya au einmal, als ob er über irgendetwas erleichtert wäre.
„Nein, ich bin wirklich froh, dass niemand sonst gestorben ist. Es war wohl alles nur ein Zufall. Ich geh dann mal heim, bis Montag dann“, verabschiedete er sich schnell und auf seinem Gesicht erkannte man sogar kurz den Anflug eines kleinen Lächelns.
„Oh man… Was geht denn mit dem? Denkt der, in Deutschland sterben die ganze Zeit welche?“, sprach Vanessa das aus, was ich dachte.
„Und was meint der mit Zufall? Arbers Unfall? Was soll das denn sonst gewesen sein? Mord??“, fügte Carina hinzu. Ich zuckte nur mit den Schultern. Mittlerweile hatten wir den Friedhof erreicht. Arbers letzte Ruhestätte.
Samstag, der 27. August (Sichtwechsel)
„Ich weiß nicht, hab irgendwie keinen Bock feiern zu gehen.“ Carolin lag auf ihrem Bett und telefonierte mit ihrem Freund.
„Ach komm schon Schatz. Warum denn nicht?“, fragte Philipp, deutlich enttäuscht.
„Idiot!“, fauchte Carolin wütend ins Handy, „dir ist’s wirklich scheißegal, was mir alles passiert! Es geht immer nur um dich!“, unweigerlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. In letzter Zeit stritten sie sich oft.
„ Carolin, ich… Ist es immer noch wegen deinem Klassenkameraden? Das ist doch schon zwei Wochen her! Bedeutet der dir etwas mehr als ich?!“, nun verlor auch Philipp langsam die Geduld.
„ Bist du vollkommen bescheuert?! Das Weinfest ist nun mal in seiner Heimatstadt, er liegt da begraben. Wie würdest du dich an meiner Stelle fühlen?! Und dein letzter Satz war total… argh…“ Carolins Stimme wurde immer mehr von den Tränen erstickt, die ihr über die Wangen liefen. Zornig wischte sie, sie weg.
„Carolin!“, mit einem Ruck wurde Carolins Zimmertür geöffnet. Christina, ihre kleine Schwester, stürmte hinein.
„Ich darf mir doch dein schwarzes Top ausleihen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, begann sie in Carolins Schrank zu wühlen. Carolin sagte Philipp bevor er sie wieder anmeckern konnte, dass er kurz warten sollte und sprang auf um Chrissi davon abzuhalten, den kompletten Schrankinhalt auf den Boden zu verstreuen.
„Ey warte gefälligst meine Antwort ab! Wohin willst du überhaupt?!“
„Zum Weinfest. Mama hat’s mir erlaubt. Channi kommt mich gleich abholen und ich habe nichts zum anziehen. Ah da ist es ja!“ Christina hielt das Top hoch und grinste ihre Schwester frech an.
„Wie du darfst schon zum Weinfest?! Du bist doch erst in der Achten. Das ist unfair, ich durfte letztes Jahr noch nicht dahin!“ Carolins Laune sank noch weiter in den Keller.
„Tja, die jüngere hat’s halt besser!“, ärgerte Chrissi sie und verließ, das Top über den Kopf schwingend, den Raum.
Na warte, hättest du wohl gern, dass du vor mir alleine auf dem Weinfest warst dachte Carolin und griff nach ihrem Handy.
„Bist du noch da?“ Von dem anderen Ende kam ein schlecht gelauntes Grummeln. „Schatz, ich komm mit zum Fest. Hol mich bitte in ´ner halben Stunde ab, danke. Liebe dich.“
Carolin hörte noch ein überraschtes, „ Was? Okay… Ich dich auch“, dann legte sie auf und machte sich in Rekordzeit fertig. Sie trug ein hellblaues Top, darüber eine Kette und einen Cardigan, darunter eine Röhrenjeans.
Natürlich trug sie nur Markensachen und natürlich war sie, wie eigentlich immer, geschminkt. Ihre braunen Haare fielen ihr perfekt geglättet über die Schultern. Nur eine Sache fehlte noch um ihr Topmodel ähnliches Aussehen abzurunden. Da kam ihr die Idee. Ein böses Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht.
Fast feierlich Schritt sie zu ihrem Schuhschrank und holte ein Paar Schuhe raus, DIE Schuhe. Auf Grund ihres schlicht gestalteten schwarzen Äußeren passten sie perfekt unter jedes Outfit. Doch bis jetzt hatte sie noch keine Gelegenheit gehabt sie zu tragen, wenn sie mit ihrem Freund ausging. Die Erklärung war simpel; Philipp war 1,67m groß und Carolin 1,72m. Ohne Absätze überragte sie ihn schon knapp. DIE Schuhe hatten 7 cm Absätze: Sie würde also locker einen Kopf größer sein als er und welcher Kerl will schon, dass seine Freundin so viel größer als er selbst ist? Sie wusste auf jeden Fall, dass sie so Philipp ärgern konnte. Geschah ihm auch recht. Vielleicht würde er dich ja dann in Zukunft mehr für sie interessieren.
Vor der Haustür wartete Philipp bereits aus seinem Mofa. Als Carolin raus kam lief er sofort auf sie zu und wollte sich für alles entschuldigen. Doch schlagartig blieb er stehen und betrachtete seine Freundin, besonders ihre Schuhe.
„Das… das bringst du nicht wirklich, oder?“
Carolin kam mit einem triumphierendem Lächeln auf ihn zu, gab ihm einen Kuss und sagte: „Hallo Schatz, gefallen dir meine Schuhe?“
Ohne eine Antwort abzuwarten stolzierte sie zum Mofa und rief ungeduldig ihrem Freund zu: „ Kommst du? Ich wollte heute noch zum Fest.“
Philipp nickte leicht verärgert mit dem Kopf, er wusste, dass sie das nur tat um ihn zu provozieren aber darauf würde er sich nicht einlassen. Er wollte sich nicht schon wieder streiten.
Das Weinfest machte Carolin mehr Spaß, als sie gedacht hatte. Immer wieder traf sie Bekannte, auch viele aus der 9c waren da. Es war also in Ordnung zwei Wochen nach Arbers Tragödie wieder feiern zu gehen. Aylin und Timo tanzten sogar ausgelassen auf einem Tisch rum, bis dieser umfiel.
Der Stress mit Philipp hatte sich wieder gelegt, nachdem beide sich tausendmal entschuldigt hatten und Carolin. versprochen hatte DIE Schuhe nur noch zu tragen, wenn er nicht dabei war.
Während Carolin noch mit ein paar Freundinnen auf dem Festplatz feierte, war Philipp bereits vorgegangen um sich mit ein paar Freunden am nahegelegenen Flussufer zu treffen. Nach einiger Zeit beschloss auch Carolin zum Flussufer zu gehen und traf auf dem Weg dorthin ihre Schwester Chrissi, die deutlich mehr getrunken hatte, als eine Achtklässlerin vertrug und deren beste Freundin Chantal. Die zwei beschlossen sie zum Flussufer zu begleiten, doch schon nach kurzer Zeit trafen sie wieder einen Bekannten und blieben stehen um sich mit ihm zu unterhalten.
Carolin hatte keine Lust auf die zwei zu warten und ging allein weiter Richtung Flussufer.
An der Straße, die sie überqueren musste, blieb sie stehen und beobachtete wie ein Auto nach dem anderen an ihr vorbei rauschte. Sie vergrub die Hände in ihre Hosentaschen und stellte ihr rechtes Bein über ihr linkes. Langsam taten ihr die Füße vom tragen der High Heels weh.
Fast eine Minute lang musste sie warten, bis sich der Verkehr endlich lichtete. Nur auf der linken Straßenseite fuhr noch ein LKW, der noch etwa 15 Meter entfernt war. Wenn dieser vorbei gefahren war konnte sie endlich auf die andere Straßenseite.
„ Na, Schwesterchen, wir sind wieder da!“ begrüßte Chrissi, die plötzlich wieder mit Channi hinter Carolin aufgetaucht war, ihre große Schwester. Während sie die Worte sprach, schlug sie Carolin noch scherzhaft auf den Rücken. Doch der Schlag war heftiger als beabsichtigt gewesen, da Chrissi wegen ihrem Promillegehalt, sich nicht mehr ganz unter Kontrolle hatte.
Carolin stolperte, vom Schlag überrascht und auf Grund ihres unsicheren Stand, nach vorne. Instinktiv riss sie die Hände aus den Hosentaschen und stellte ihr rechtes Bein zum abfangen einen Schritt nach vorne. Doch sie fand auf der Straße keinen Halt. Stattdessen spürte sie wie ihr rechter Fuß förmlich in die Straße rein sank. Panisch bemerkte sie, wie sie weiter nach vorne fiel. Sie blickte nach unten und sah die Ursache dafür, dass sie keinen Halt fand. Ihr schmaler Absatz war in einen Spalt eines Gullideckelgitters am Bürgersteigrand gerutscht.
Im Fallen warf sie einen Blick nach links und sah in die grellen Scheinwerfer des LKWs. Er war kaum mehr als drei Meter von ihr entfernt. Sie hörte das Quietschen der Räder, als der Lastkraftwagenfahrer auf die Bremse trat, doch im selben Moment wusste sie, dass es zu spät war.
Chrissi und Channi schrien erschrocken auf und Carolin wusste, dass auch sie ihr nicht mehr helfen konnten. Ich werde also jetzt sterben, stelle sie relativ nüchtern fest. Das alles nahm sie innerhalb weniger Sekunden wie in Zeitlupe wahr.
Dann schlug sie hart auf den Asphalt auf. Sie spürte noch wie die Straße unter den Reifen des LKWs leicht vibrierte. Wie gebannt starrte sie auf den riesigen Reifen, der immer näher kam, genau auf ihren Kopf zu. Wenigstens habe ich es so schnelles hinter mir, dachte sie und lachte innerlich ironisch auf. Sie schloss die Augen und dann überrollte der LKW Beine, Kopf und ihren linken Arm, der ausgestreckt neben dem Kopf lag.
„Neeeeeiiiin!! Lass mich zu meiner Schwester, Chantal!!“ Channi hielt Christina fest, die zu ihrer Schwester auf die Straße laufen wollte. Hysterisch schlug, zerrte und trat die verzweifelte Schwester um sich, doch Chantal ließ nicht locker.
„Chrissi, bitte, tu dir das nicht an. Du kannst nichts mehr für sie tun…“ redete Channi, während ihr Tränen in die Augen traten, auf ihre beste Freundin ein und tatsächlich; das Gezerre wurde weniger, bis Christins kraftlos auf die Knie sank. Ihr Körper wurde von Heulkrämpfen geschüttelt und sie schluchzte laut auf.
Philipp und seine Freunde standen am Straßenrand und blickten sich verwirrt um. Schreie, die bis zum Ufer erklangen waren, hatten ihre Aufmerksamkeit geweckt. Als Erstes sah Philipp, dass die Leute hier wegen etwas völlig geschockt schienen. Manche starrten wie gebannt auf einen LKW, der mitten auf der Straße stand, andere waren den Tränen nahe. Im Schein einer Straßenlaterne glänzte eine rote Flüssigkeit unter und neben dem LKW, eine riesige Blutlache, schoss es Philipp eisig durch den Kopf.
Indes kam der LKW-Fahrer telefonierend aus der Kabine. Aus ein paar Metern Entfernung begutachtete er sein „Werk“ und Philipp hörte ihm die ganze Zeit fluchen und Sachen wie „ … sie war doch noch so jung … ich wollte das nicht…“ sagen.
Wie von einer bösen Vorahnung gelähmt setzte Philipp einen Schritt vor den anderen. Die restlichen Leute standen immer noch nur rum und beobachteten ihn, wie er da hinging; selbst seine Freunde rührten sich nicht. Ein Auto, das auf der anderen Straßenseite fuhr, hupte und der Fahrer meckerte, dass er gefälligst von der Straße verschwinden sollte. Doch Philipp schenkte ihm keine Beachtung. Er ignorierte auch die Wörter, die ihm Channi und Chrissi zuriefen.
Er hörte nur noch die hämische Stimme in seinem Kopf, die ihm immer wieder zuflüsterte „Da liegt deine Freundin! Carolin liegt da, überfahren von einem LKW und du kannst nichts mehr tun! HAHAHA!!“
Unter dem LKW guckte eine zierliche Hand hervor. Sie lag in einer Blutlache. Philipp musterte sie… und dann brach seine Welt in sich zusammen. Eine Eiseskälte fuhr durch seinen Körper, löschte all seine Gefühle aus und ließ nur den Schmerz, den unerträglichen Schmerz, zurück.
Um das blutige Handgelenk hing ein Armband. Er hatte es Carolin gekauft, als sie zusammen in Paris Urlaub gemacht hatten. Wie in einem Albtraum griff er betäubt nach der Hand und verschränkte seine Finger mit dieser. Er flüsterte ihren Namen, dann begann er vorsichtig an der Hand zu ziehen. Er spürte keinen Widerstand… und dann bemerkte er auch warum.
Der LKW hatte den Unterarm vom Rest der Körpers abgetrennt! Geschockt ließ er die Hand los, doch immer noch spürte er die kalten Finger des blutigen Armstumpfes an seiner Haut. Er ließ sich rücklings auf die Straße fallen, schrie seinen Schmerz in den schwarzen Nachthimmel und hoffte, dass das hupende Auto ihn einfach auch überfahren würde.