Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Ningyou

von Holo25
Kurzbeschreibung
GeschichteFreundschaft / P12 / Gen
30.08.2012
27.09.2012
5
8.034
1
Alle Kapitel
5 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
30.08.2012 2.115
 
Als Mezumaru endlich an dem Ort in Ukiyoe City zum Stehen kam, an welchem Gyuuki Gozumaru aufgefordert hatte, auf ihre Rückkehr zu warten, wurde ihm bereits bewusst, das irgendetwas nicht stimmte. Wie von ihrem Befehlshaber angeordnet, hatte sein Partner den Rand des menschenleeren Parks zwar nicht verlassen, allerdings wirkte Gozu beinahe als habe er sich seit ihrer Trennung keinen Zentimeter bewegt. Er verharrte in exakt derselben Stellung, in der Mezu ihn zuletzt gesehen hatte und obwohl der andere Youkai ihn in diesem Moment kommen sehen musste, änderte sich nichts an seiner seltsamen Haltung. Hinzu kam der dichte Nebel, von dem noch nichts gekündet hatte, als er vom Anwesen des Nura-Clans aufgebrochen war. Die Stille auf den Straßen, die zu der Parkanlage führten, schien etwas Bedrohliches an sich zu haben.

Er versuchte diese Umstände jedoch so gut es ging zu ignorieren.

»Gozu«, stieß er erleichtert aus und hielt vor diesem inne.

»Du hast dich herausgehalten«, begann sein Partner, ehe Mezu in der Lage war etwas hinzuzufügen.

Verwirrt musterte er den anderen Youkai. Das war nicht unbedingt die Reaktion, mit der er nach seinem Auftauchen gerechnet hatte.

»Jetzt kannst du dich nicht mehr vor einer Position drücken«, führte Gozumaru ungerührt weiter auf.

Verständnislos öffnete er den Mund.

»Ich habe nie versucht mich-«, setzte er bereits an, wurde allerdings sofort von seinem Kameraden unterbrochen.

»Also, auf wessen Seite stehst du?«

So langsam besorgte ihn Gozumarus seltsames Verhalten. Er war es gewohnt, dass das Temperament hin und wieder mit seinem Partner durchging, aber so hatte er sich ihm gegenüber noch nie präsentiert.

»Was… was soll das?«, erkundigte er sich ängstlich. »Deshalb bin ich nicht hier«, versuchte er Gozu begreiflich zu machen.

Sein Herzschlag beschleunigte sich furchtsam unter der bizarren Situation. Also hatte sein Gefühl ihn doch nicht getäuscht.

»Auf wessen Seite stehst du?«, wiederholte Gozumaru erneut, diesmal jedoch mit deutlichem Nachdruck. »Auf meiner oder seiner?«, fügte er beinahe schon knurrend hinzu.

Mezumaru schluckte nervös. Sein Gegenüber schien überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, was er gesagt hatte. Er überlegte innerlich gerade, ob es sich lohnte Gozu ein weiteres Mal zu erklären, dass er nicht hier war, um sich auf irgendwelche Seiten zu schlagen, als die Hand seines Kameraden zu dem Katana zuckte. Was auch immer mit dem anderen Youkai nicht stimmte, er würde wohl keine Ruhe geben, bis er seine Antwort erhielt.

»Ich… ich sage nicht…, dass… dass du falsch liegst…«, stammelte er unbeholfen, die Augen starr auf Gozumarus Hand gerichtet, die den Griff des Katanas inzwischen umklammerte. »Aber… ich… ich habe Rikuo heute gesehen… und… ich denke…, dass Gyuuki-sama nicht ganz Unrecht hat, wenn… wenn er sagt…, dass wir ihn nach seinen Taten beurteilen sollten.«

»Also stimmt es!«, brauste Gozumaru laut auf und sorgte dafür, dass Mezumaru erschrocken zusammenfuhr. »Du verrätst mich! Genau wie er!«

»Nein!«, rief er schockiert aus und riss beschwichtigend die Arme in die Höhe. »Gozu, ich würde dich nie verraten!«

»Lüge!«, knurrte sein Kamerad aufgebracht.

»Nein, ist es nicht!«, seine Stimme überschlug sich vor lauter Panik. Wie sollte er Gozumaru nur begreiflich machen, dass er die Wahrheit sagte?!

Die Klinge des Katanas deutete bereits drohend auf ihn, als die Waffe dem anderen Youkai unvermittelt aus den Fingern rutschte. Mit einem schmerzhaften Zischen sank Gozu auf die Knie, die Hand die eben noch das Schwert umfasste inzwischen auf den Kopf gepresst, anscheinend litt er unter starken Schmerzen. Verzweifelt ließ sich Mezumaru neben seinem Partner nieder, umfasste dessen Schultern und rüttelte ihn beunruhigt, um dessen Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

»Gozu, was ist denn los?«

Schwerfällig hob dieser den Kopf, das Gesicht verzerrt vor Qual.

»Mezu«, brachte er flehentlich hervor, ehe ein Tritt aus dem Nichts Mezumaru von ihm fort schleuderte.

Benommen kämpfte sich Mezumaru hastig auf die Knie. Der Schädel dröhnte ihm von der heftigen Attacke und trieb ihm die Tränen in die Augen. Nur verschwommen machte er eine junge Frau an Gozumarus Seite aus, die seinen Arm ergriff und ihn aufforderte sich zu erheben. Sobald sie sich seines Blickes gewahrte, schenkte sie ihm ein boshaftes Lächeln, anschließend wandten sowohl sie, als auch Gozumaru ihm den Rücken zu. Taumelnd versuchte er sich zu erheben, ihnen zu folgen, doch seine Glieder, kaum zu kontrollieren durch den harten Tritt, der seinen Kopf getroffen hatte, versagten ihm den Dienst.

»Gozu!«

Als er vornüber stürzte, konnte er sich gerade noch mit den Ellenbogen abstützen. Weder die Frau noch Gozumaru wandten sich einmal zu ihm um, bevor der Nebel sie gänzlich verschluckte.

»Gozu!!!«







Das Innere des Gebäudes erinnerte ihn an eine verlassene Lagerhalle. Hier und da ragten ein paar morsche Holzkisten aus vergangenen Tagen auf, doch bis auf die Polster und das schwache Licht einer einzigen nackten Glühbirne umhüllte Dunkelheit seine Umgebung. Dabei konnte er sich nicht einmal entsinnen, wie er überhaupt an diesem Ort gelandet war. Seine Erinnerungen wiesen Lücken auf und selbst der Rest präsentierte sich seltsam verschwommen. Touki musste irgendetwas mit ihm angestellt haben, derzeit schlussfolgerte er auf den seltsamen Duft, den sie absonderte. Auch jetzt begleitete das moschusartige Aroma jeden seiner Atemzüge, was wohl dem Umstand geschuldet war, dass Touki neben ihm auf den weichen Kissen lag und ihm gleichmäßig über den Kopf fuhr, beinahe als stellte er ihr Haustier dar.

So sehr Gozumaru seine derzeitige Lage jedoch auch missfiel, es gelang ihm einfach nicht, seine betäubten Glieder zu einer Bewegung zu verleiten. Sein bruchstückhaftes Gedächtnis bestätigte ihm, dass dies bereits zum wiederholten Mal auftrat. Das Gespräch mit Mezu bildete nichts weiter als einen verschwommenen Schemen, bis zu dem Zeitpunkt, als sein Schädel formlich versucht hatte ihn zu massakrieren. Inzwischen glaubte er, dass dies damit zusammenhing, dass er einen Weg gefunden hatte, sich gegen ihre Kontrolle zu wehren. Möglichweise aufgrund der Tatsache, dass sie ihn zu irgendetwas hatte zwingen wollen, was er zu unterbinden versuchte. Wenn er nur herausfinden könnte, wie er ihrer Manipulation zum ersten Mal entkommen war!

Stattdessen verharrte er reglos an ihrer Seite, ließ zu, dass sie sich an ihn schmiegte und ihm durchs Haar strich. Er wollte schreien, um sich schlagen, Touki einfach nur irgendwie von sich stoßen, doch er war nicht mehr als ein Gefangener seines eigenen Körpers.

»Ich habe dich so lieb, Gozu«, hauchte sie zärtlich, während ihre Fingerspitzen seine Wange liebkosten.

Nimm deine Pfoten von mir!

»Aber es gibt da ein Problem«, ein bedauerliches Quietschen fand einen Weg über ihre Lippen, gleichzeitig schmiegte sie sich noch enger an seine Brust.

Ein Problem? Das würde hoffentlich vielversprechend für ihn enden.

»Wegen diesem kleinen Youkai sucht nun der ganze Nura-Clan nach mir. Das bedeutet, wir müssen bald von hier verschwinden.«

Verschwinden? Sein Herzschlag nahm einige Takte auf. Nein! Niemand wusste, wo er sich aufhielt! Er würde Touki in seinem momentanen Zustand überall hin folgen müssen und wenn sie erst einmal aus dem Einflussbereich des Clans verschwanden…

Mit einem erstaunten Laut bettete Touki ihr Ohr direkt über seinem Herzen und lauschte einige Zeit fasziniert dem rasanten Tempo.

»Ich weiß, ich möchte hier auch nicht fort. Immerhin habe ich es mir hier gerade etwas kuschliger gemacht«, wisperte sie ihm verschwörerisch zu.

Dieses Weib war verrückt! Vollkommen durchgeknallt! Sie behandelte ihn ja fast wie eine… Puppe. Puppen-Youkai. Jetzt ergab ihre Bezeichnung plötzlich einen Sinn.

»Aber uns bleibt dummerweise keine andere Wahl. Allerdings werden wir noch etwas erledigen müssen. Der kleine Youkai hat mich auf eine Fahndungsliste gesetzt und dich hat er hintergangen.«

Nein!

»Und weil ich dich so lieb habe-«

Nein!

»-kann ich ihm das natürlich nicht durchgehen lassen.«

Mezu!

Während sein Herz ihm im nächsten Augenblick in der Brust zu zerspringen drohte und eine Hitzewallung nach der anderen über seinem Körper zusammenschlug, öffnete sich unvermittelt eine Tür zu Toukis Unterschlupf. Ein gleißender Lichtstrahl durchbrach kurzzeitig die gedämpfte Helligkeit, die die Lagerhallte erfüllte.

Nur in seinem peripheren Blickwinkel nahm er die Gestalt einer jungen Frau wahr, die ein zweites Wesen grob vor Toukis Kissenlandschaft stieß. Das affenähnliche Etwas landete mit einem schmerzhaften Ächzen und starrte mit verzerrtem Gesicht zu ihnen auf. Gozumaru erkannte den Youkai fast in der gleichen Sekunde, in der sich auch das Erkennen in den Augen seines Gegenübers widerspiegelte. Satori zählte zu einem der schwächsten Mitglieder des Nura-Clans und trotz allem hatte mit ihn ausgesandt um nach ihm, Gozumaru, zu suchen.

»Ame-Onna, bring ihn näher«, befahl Touki neben ihm ruhig.

Als sich der Youkai zu Satori herunterbeugte, um seinen Arme zu ergreifen, gelang es ihm einen genaueren Blick auf Toukis Handlangerin zu erhaschen. Eine Frau mit schwarzem Haar, gekleidet in einen hellen blauen Yukata. Das wesentlich bedeutendere war jedoch ihre Haltung, die sie als Marionette überführte, genau wie er es zu diesem Zeitpunkt war. Zumindest erklärte ihre Anwesenheit nun den Nebel, der außerhalb des Gebäudes nie ganz von Touki hatte weichen wollen. Anstatt ihre Fähigkeiten zu nutzen um Regen zu erzeugen, bildete sie die feinen Dunstschleier um den Puppen-Youkai zu verbergen.

»Ich habe eine Aufgabe für dich«, der moschusähnliche Geruch verstärkte sich und trieb Gozumaru bereits die Tränen in die Augen.

Satori verneigte sich ehrfürchtig. Er lag also richtig mit seiner These.

»Kehre zu deinem Clan zurück und triff dich allein mit diesem…«, überlegend wandte sie sich zu ihm. »Wie war noch gleich sein Name, mein Lieber?«

Den Teufel würde er tun und ihr antworten!

»Mezu-… maru«, formte seine schwere Zunge wie von selbst.

Nein! Wieso besaß er nicht einmal mehr die Kontrolle über seine Stimme? Es durfte doch nicht möglich sein, dass ihm einzig sein Geist noch zur Verfügung stand!

»Richtig, Mezumaru. Du wirst ihm erklären, wo er mich finden kann und ihm außerdem auftragen mich allein aufzusuchen, andernfalls wird ein Unglück geschehen.«

»Ist das alles, Touki-sama?«, erkundigte sich Satori unterwürfig.

»Danach darfst du dir das Leben nehmen«, fügte sie desinteressiert hinzu und scheuchte ihn mit einer abwinkenden Handbewegung fort.

Nein! Tu irgendetwas! Beweg dich!

»Sehr wohl!«

Nein!

Aber so sehr sein Innerstes auch schrie und kämpfte, nach außen hin mimte sein Leib weiterhin die perfekte Puppe.







Schwummerig starrte er an die Decke des Nura-Anwesens. Er konnte sich nicht einmal daran erinnern, dass er überhaupt das Bewusstsein verloren hatte. Nachdem er vor wenigen Minuten zu sich gekommen war, hatte Gyuuki ihm berichtet, dass ein Youkai der Bakaneko ihn gefunden und zum Hauptsitz des Nura-Clans zurückgebracht hatte. Im ersten Moment war sofort das Geschehen wieder auf ihn eingeprasselt, sogleich hatte er aufspringen und nach Gozumaru suchen wollen, doch dann hatte sich seine Verletzung wieder bemerkbar gemacht. Übelkeit und Schwindel zwangen ihn nieder und räumten Gyuuki, Rihan und Nurarihyon die Möglichkeit ein, ihn über den Vorfall auszufragen.

Dadurch hatte auch er einige Erkenntnisse gewonnen. Bei der Frau an Gozumarus Seite handelte es sich um Touki, einen sogenannten Puppen-Youkai. Ihre Natur war dem Nura-Clan bereits seit längerer Zeit bekannt, allerdings hatte sie sich bis vor kurzem nicht in deren Territorium getraut. Daher hatten weder er noch Gozumaru bis zum heutigen Tag gewusst, dass ein Wesen wie sie existierte. Die Furcht vor dem, was sie mit Gozu vorhaben würde, schnürte ihm schier die Kehle zu. Um ihn zu befreien mussten sie allerdings zunächst ihr Versteck ausfindig machen. Bereits seit einigen Wochen sollten in Ukiyoe City immer wieder Leichen von Menschen und Youkai aufgetaucht sein, die ihre Handschrift trugen, weshalb sie sich irgendwo in dieser Gegend eingenistet haben musste.

Beinahe alle Youkai, die eigentlich die Geburt des Erben hatten feiern wollen, befanden sich nun auf der Suche nach Gozumaru und er… er lag untätig in diesem Zimmer, weil der Schwindel ihn einfach nicht loslassen wollte.

Zu seinem eigenen Ärger bemerkte er, dass er eingenickt war, als ihn bei Sonnenaufgang eine Gestalt im Schatten seines Raumes aufschreckte. Eiligst fuhr er in eine sitzende Position auf. Wenigstens fühlte er sich dafür endlich kräftig genug. Mezumaru erkannte grünes zerzaustes Fell und einen affenähnlichen Leib, sobald der Neuankömmling beschloss, sich ihm mit vorsichtigen Schritten zu nähern.

»Ich komme mit einer Nachricht von Touki«, bei diesen Worten beschleunigte sich Mezumarus Puls und seine Finger gruben sich in die schwere Decke, die noch immer seine Beine bedeckte.

Obwohl ein unangenehmes Rauschen in seinen Ohren nachhallte, verstand er dennoch jedes einzelne Wort der Adresse, die Satori ihm sorgsam nannte.

»Aber sie hat klargestellt, dass du allein kommen sollst, andernfalls würde ein Unglück geschehen«, erwiderte er ruhig, für Mezumarus Geschmack etwas zu ruhig.

»Was denn für ein Unglück?«, forderte er panisch zu erfahren.

»Das hat sie mir nicht mitgeteilt.«

Er ignorierte das leichte Pochen, das noch immer seinen Kopf malträtierte, sprang auf die Füße und schaute sich eiligst auf den Gängen des Anwesens um. Zu seinem Glück präsentierten sich diese vollkommen ausgestorben. Er musste sich sofort auf den Weg machen. Mezumaru mochte sich nicht vorstellen, was Touki ansonsten unter Umständen mit Gozumaru anstellen würde! Daher schenkte er Satori, der sich soeben die eigenen Hände um die Kehle legte, keine weitere Beachtung.
Review schreiben
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast