Coincidence
von Kiba21
Kurzbeschreibung
Raoul findet bei einem Arbeitsbesuch, den er Katze Jahre nach Jasons Tod abstattet, zufällig heraus, dass Rikis kurzer Flirt mit Mimea nicht ohne Folgen geblieben ist. Aus einer Laune heraus, entschließt er sich, das Ergebnis - einen Jungen, der Riki fast aufs Haar gleicht - mitzunehmen.
GeschichteAllgemein / P18 / MaleSlash
Katze
OC (Own Character)
Rhoul
07.08.2012
10.02.2016
44
110.449
18
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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07.08.2012
2.224
VORBEMERKUNGEN:
Dies ist eine Fanfiction zu Reiko Yoshiharas Werk „Ai no Kusabi“. Die daraus bekannten Charaktere und das Setting leihe ich mir lediglich aus. Ich habe versucht, mich an die Vorgaben des Originals zu halten, doch waren zu dem Zeitpunkt, als ich die Geschichte zu schreiben begann, die Romane noch nicht übersetzt worden und somit weiche ich an den Stellen, an denen mir Referenzen fehlten das ein oder andere Mal vom Kanon ab.
Ich habe diese Geschichte ursprünglich mehr als Übung zum Englisch lernen auf adultfanfiction.net unter dem gleichen Namen veröffentlicht. Vor nicht allzu langer Zeit fragte mich jemand per Mail, ob der Text auch auf Deutsch verfügbar sei. Da die Mail sehr nett gehalten war, begann ich meinen Originaltext ins Deutsche zu übertragen. Und nun bin ich - Asche auf mein Haupt - ein wenig neugierig, ob sie vielleicht doch dem ein oder anderen so gefällt.
Katze raunte: „Ein Tag voller Überraschungen. Fühl dich, wie zu Hause.“ während der Blondie sein Appartement betrat und auf einen Stuhl neben dem rothaarigen Mann zusteuerte. Ja, es war ein Tag voller Überraschungen. Raoul schenkte sich selbst ein Glas Wein ein und nahm Platz: „Es ist schon eine Weile her.“ Katze lenkte seine Aufmerksamkeit von seinem Monitor auf Raoul, dem der Sinn offensichtlich nicht nach Smalltalk stand. „Hazall“ , äußerte er und kam damit gleich auf das Thema zu sprechen, das ihn schon den ganzen Tag beschäftigt hatte.
Katze seufzte fast lautlos und bemerkte, „Ich halte ihn im Auge.“
„Gut, informiere mich über alles, was er tut.“
„Natürlich.“
„Alles, Katze, ich möchte über jeden einzelnen Schritt informiert werden.“
Der rothaarige Dealer, obschon in seinen späten Dreißigern immernoch atemberaubend hübsch, warf ihm einen Speicherchip zu: „Nichts davon ist konkret, aber dennoch ziemlich interessant.“
Zum ersten Mal an diesem Tag gelang es Raoul ansatzweise zu entspannen. Entspannung war ein allzu seltener Zustand in seinem Leben geworden, seit Jasons Tod. Er und Kyle leiteten das Syndikat seither gemeinsam, doch selbst zu zweit gelang es ihnen kaum, den großen Iason Mink zu ersetzen. Zu allem Überfluss stieß Raoul Kyles Gegenwart die meiste Zeit über ab mit seinen unverhohlenen Bekundungen von Zuneigung zu ihm und seiner Abneigung zu Iason, die er zugegebenermaßen nicht offen zur Schau stellte. Für Raoul war dieses neue Leben eine Bürde, dessen Aufgaben nicht zu seinem genetischen makeup passten. Frustration stahl sich seine Gefühlswelt, doch Jupiter nahm keine Rücksicht auf seine Gefühle, noch hatte es Verwendung dafür. Gefühle – was für ein merkwürdiges Wort.
Dahna Bahn lag Jahre zurück. Katze stand ihm seit damals hilfreich zur Seite und irgendwann im Verlauf der Zeit stellte Raoul fest, dass er nicht nur verstanden hatte, was Iason meinte, als er Katze als 'Mann mit Talenten' beschrieb, sondern dass er ihn selbst so sah. Katzes Nutzen im Schwarzmarkt war unbestreitbar.
Wie auch immer, Iasons Fußstapfen waren schwer zu füllen, doch Raoul meisterte es irgendwie. Um so länger er seinen Posten bekleidete, um so ähnlicher wurde er Iason auch in seiner Art, die Dinge zu handhaben, auch in Bezug auf Katze. Seine Anfragen wurden zu Anweisungen und seine Besuche selten. Man könnte sagen, er hatte sich mit seiner Situation abgefunden … mit der Situation, jedoch nicht dem Verlust. Iason …. weshalb?
Plötzlicher Lärm riss Raoul aus seinen Gedanken. Die Tür öffnete sich mit einem ärgerlichen Pfeifen und ein Teenager stürmte herein, der dem Blondie auf den ersten Blick bekannt vorkam.
„Katze, du hättest mich warnen können!“
Der Junge pfefferte ein blutiges Taschentuch in die Spüle, dass er bis eben noch auf seine Nase gepresst hatte.
„Benimm dich, Raven! Wir haben einen Gast.“
Der Junge hatte in seiner Wut den wirklich schwer zu übersehenden Blondie nicht mal bemerkt. Nun wandte er sich ihm mit einem entschuldigenden Lächeln zu, unsicher, was er sagen solle. Bei Raoul wiederum löste sein Anblick ein Kribbeln im Nacken aus – Riki!
Als er seinen Irrtum bemerkte, musterte er den jungen Mongrel vor ihm von Kopf bis Fuß. Die Augenfarbe war anders, blau, doch der Rest ähnelte Riki wie ein Ei dem anderen. Die Erinnerung an Mimea stahl sich in seine Gedanken und das wiederum erfüllte ihn mit Ärger und zu tiefst empfundenen Hass.
Irgendwie gelang es Katze den Jungen aus dem Raum zu schieben, bevor Raoul wieder zu Sinnen kam: „Mach dich nützlich!“
„Stimmt was nicht, Katze?“
„Nicht, das dich betrifft. An die Arbeit!“
„Ich geh ja schon.“
Der Dealer zündete sich hastig eine Zigarette an, genau wissend, dass er dem Thema nicht ausweichen konnte, stellte er fest: „Du hast es also bemerkt.“
„Wie könnte ich nicht.“
Katze kannte Raoul gut genug, um ihm den Ärger anzuhören. Raoul war aufgebracht und ohne zu wissen, warum eigentlich, befahl er Katze den Jungen zurückzurufen. Der Dealer zögerte einen kurzen Moment bevor er einen Knopf an seinem Terminal drückte: „Nimm ihn, wenn du unbedingt musst...“
„Halt den Mund!“
Bevor sich beide weiter austauschen konnten, kehrte der Junge zurück. Irritiert, aber ansonsten präsentabel, da er sich das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte und einen der blauen Lagerhausoveralls trug. Sein Blick wanderte von Katze zu Raoul und wieder zurück. Unter dem stechenden Blick des Blondies kam deutliches Unbehagen in ihm auf. Trotzdem hielt er dem eisigen Blick stand, wagte sogar zurückzustarren. Ich bin ein Mongrel und stolz drauf. Hast du ein Problem damit, Blondie? Alles an ihm brachte deutlich zum Ausdruck, dass er weder das Knie vor dem Tanagura-Elite beugen, noch einer Konfrontation ausweichen würde.
„Reiß dich zusammen, Raven!“ , bellte Katze. Überraschenderweise gehorchte der Junge und nahm eine ergebenere Körperhaltung an. Seine Augen jedoch sprachen Bände und wichen Raouls Blick nach wie vor nicht aus.
„Sehr gut, Katze. Bring ihm die Grundlagen bei. Ich erwarte ihn innerhalb der nächsten zehn Minuten am Auto.“ Mit dieser Bemerkung ließ er die beiden Mongrel in ihrer Verwirrung zurück.
„Katze?“
Ravens Gesichtsfarbe wechselte von fahl zu kalkweiß, während Katze sich eine Zigarette anzündete und nach außen unbewegt wie immer wirkte.
„Katze!“
„Betrachte es als Chance.“
„Chance? Das glaubst du doch selbst nicht.“
Katzes Gleichgültigkeit ließ Ravens Ärger die Überhand gewinnen und während er noch: „Ich hoffe, du hast ein gutes Geschäft gemacht.“ zischte, nach dem Dealer ausholen.
Der Junge war schnell, aber Katze überwältigte ihn mit Leichtigkeit: „Du bist Lichtjahre zu jung, um es mit mir aufzunehmen.“
Raven schrie förmlich: „Lass mich los!“ , aber Katze zog ihn an seine Brust ohne sich darum zu kümmern. Obwohl er wollte, brachte Raven es nicht über sich, sich dagegen zu wehren und presste vergrub sein Gesicht in Katzes Schulter. Er bekam kaum mit, was der Dealer ihm zuflüsterte. Mit jedem Schauer, der ihm den Rücken runterlief, verschwand auch ein Stück Ärger. Stattdessen errichtete er eine Mauer aus Selbstbeherrschung und dumpfer Betäubung um sich, in der Gefühle keinen Platz hatten.
Katze kannten diesen Blick allzu gut. Er erinnerte daran, wie er Raven bewusstlos hinter einem Lagercontainer gefunden hatte. Ein Bein war gebrochen, er bestand quasi von Kopf bis Fuß aus blauen Flecken und ein hässliches Fieber schüttelte ihn. Seine blutigen Fäuste und auch der trotzige Gesichtsausdruck, den er selbst in diesem Zustand hatte, ließen keinen Zweifel daran, dass der Junge heftig Prügel bezogen hatte. Er ähnelte Riki so sehr, dass selbst Katze schockiert war und aus einer momentanen Regung heraus entschied, ihn aufzunehmen.
Hätten seine Augen ihn nicht verraten, hätte Katze damals kaum sagen können, in welcher Stimmung der Junge war. Er gab selten Preis, was ihn bewegte, zeigte kaum Gefühle und war überhaupt sehr beherrscht und still. Trotzdem konnte sich Katze des Gefühls nicht erwehren, dass er irgendeinen Groll gegen ihn hegte. Doch was Katze gewaltig auf die Nerven ging, war, dass ihn der Junge immer und immer wieder an ihn selbst erinnerte. Er mochte Riki bis aufs Haar gleichen, aber sonst hätten sie verschiedener nicht sein können.
Nachdem Katze mehr durch Zufall festgestellt hatte, dass Raven außergewöhnlich talentiert im Umgang mit Computern war, verbrachten sie mehr und mehr Zeit miteinander – meistens in absoluter Stiller, jeder von beiden vor sich hin tippend oder in Gedanken. Katze setzte ihn im Depot ein, aber sorgte dafür, dass er außer Sichtweite der meisten Angestellten blieb. Raven hielt das Appartement sauber und sorgte für Essen. Er schlief auf dem Sofa, obwohl man kaum von Schlaf reden konnte, so unruhig warf er sich hin und her. Katze fragte sich oft, welche Träume den Jungen plagen mochte bis er schließlich feststellte, selbst der Grund dafür zu sein. Nicht dass er sich dessen schuldig gefühlt hätte. Raven – obwohl er unglaublich jung war – war Mitglied einer respektablen Ceres-Gang, die sich Midgets nannte und es zu ihrer selbst erklärten Aufgabe gemacht hatte, allerlei Waren aus dem Markt nach Ceres umzulenken. Sie mochten sich bislang auf Lebensmittel und Arzneien beschränkt haben, doch es war im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis attraktivere Güter zu ihrem Ziel wurden.
Ceres Banden hätten im Normalfall kaum eine Reaktion bei Katze hervorgerufen. Genauso schnell, wie sie sich an 'seinen' Gütern vergriffen, verschwanden sie auch wieder von der Bildfläche – entweder durch Katze selbst oder die Midas-Polizei, die nur allzu gern Dampf an ein paar Rowdys abließ. Die Midgets jedoch schafften es bis auf Katzes persönliches Radar. Sie hackten sich immer wieder in seine Datenbanken und lenkten die Container einfach um, ohne eine direkte Konfrontation zu riskieren. Diesen Affront konnte er nicht auf sich sitzen lassen und ganz der Hacker, der er selbst war, lud er die Midgets zu einem Gefecht, dem sie nicht gewachsen waren. Wie auch immer, eines der Bandenmitglieder entkam. Die Midas-Polizei kümmerte sich nicht weiter drum, da sie in dem Glücklichen nur das Kind sahen, dass ihrer Ansicht nach nicht mehr als ein Mitläufer sein konnte.
Katze jedoch erkannte, wen oder besser was er da auf seinem Sofa beherbergte. Er hätte jedes Recht gehabt, den Jungen auszuliefern und war mehr als einmal kurz davor, doch eine merkwürdige Mischung aus Stolz und Scham hielt ihn davon ab. Obwohl Riki nie erfahren hatte, dass er einen Sohn hatte und es ihm – durch und durch der Mongrel, der er war – vielleicht nichts bedeutet hätte, fühlte sich Katze dennoch verantwortlich für das Kind. Ein Kind, das in Fleisch und Blut für all das stand, was Riki und Iason verband und das ihn auf merkwürdige Weise beiden Männern verbunden hielt. Schließlich öffnete er sich, Stück für Stück und Katze ging es nicht anders. Das war fast drei Jahre her...
Raven wand sich aus Katzes Griff: „Bringen wir es hinter uns. Wie es scheint, bist du wiedermal mein Schicksal.“ Mit diesen Worten als Abschiedsgeschenk, verließ er das Appartement und plötzlich erkannte Katze, dass der Junge es auch wusste.
Der Junge stand still wie eine Statue im Türrahmen zu Katzes Schlafzimmer. Eine Mischung aus Hass, Feindseligkeit und auch Bewunderung verzerrte seine Gesichtszüge. Dieser Mann, weshalb immer wieder dieser Mann? Der Dealer begleitete ihn seine halbe Kindheit als Albtraum, der immer präsent war. Als namenlose Bedrohung am Anfang und später als Gesicht, das ihn bis in seine dunkelsten Träume verfolgte. Wie ich dich hasse. Der Gestank dieses Ortes hing in Katzes und er weckte Erinnerungen in ihm, denen er nicht entkommen konnte. Als wäre es heute gewesen, erinnerte er sich an die Stimmen, lachende und weinende und an die Schritte und Geräusche, die von der Etage über ihm dumpf an sein Ohr drangen. Er hatte keine Erinnerung an das Erdgeschoss selbst, aber er malte sich aus, wie es ausgesehen haben musste mit all den Kindern. Er fragte sich, ob sie wussten, was unter ihren Füßen verborgen lag und ob es sie gekümmert hätte. In seinen Augen waren sie glücklich, die Anderen, die über ihm. Obwohl Jahre vergangen waren, rissen ihn die Schreie aus dem düstere Labor neben ihm immer noch aus dem Schlaf. Er hätte es bevorzugt diesen Raum nie zu betreten. Es war schlimm genug allein zu sein, der Gnade eines Wahnsinnigen ausgeliefert doch dieser Wahnsinnige ersparte ihm nichts. Er schleppte ihn mit in das Labor, zwang ihn zuzusehen, als sie die armen Jungen, die kaum älter waren als er selbst, verstümmelten. „Sieh in seine Augen. Das wird aus dir, wenn ich dich dem Dealer überlasse.“ Soul hielt ihn in einem eisernen Griff umklammert, der jeden Gedanken an Flucht im Keim erstickte, lachte ihn aus: „Bruder, ich hab ein Geschenk für dich.“ Raven wehrte sich, schrie und strampelte, doch nichts half und auch sein leises Wimmern oder Betteln schaffte es nicht, den Vorhang aus Wahn zu lichten, hinter dem irgendwann mal ein menschliches Wesen gehaust haben musste ...
Obwohl Raven in diesen Jahren fest davon überzeugt war, sich den Tod herbeizusehnen, hing er doch am Leben. Irgendwann lernte er der Prügel zu entgehen, doch jeder einzelne Schrei, der auf seinen Lippen erstarb, grub sich in seine Seele ein und fraß ihn innerlich auf. Er biss sich auf die Lippen. Ja, er hatte den Dealer gefürchtet, doch ironischerweise war es der Dealer, der ihm ohne es zu wollen oder wissen, den Ausweg gezeigt hatte und Raven ergriff seine Chance bei der ersten Gelegenheit. Tief verängstigt kämpfte er im sich im Dunkeln durch das Wasser des Abwasserkanals. Er rannte ums nackte Überleben von einem orangen Licht zum nächsten. Durchnässt und halberfroren erreichte er Chalaza – und damit die Freiheit.
Er betrachtete Katze in seinem ruhigen Schlaf und es erschien ihm unfair. Er verstand die verwirrenden Gefühle nicht, die er für den Mann hegte. Verzweifelt versuchte er am Hass festzuhalten, doch er konnte nicht … konnte einfach nicht … denn ... ich liebe dich.
Dies ist eine Fanfiction zu Reiko Yoshiharas Werk „Ai no Kusabi“. Die daraus bekannten Charaktere und das Setting leihe ich mir lediglich aus. Ich habe versucht, mich an die Vorgaben des Originals zu halten, doch waren zu dem Zeitpunkt, als ich die Geschichte zu schreiben begann, die Romane noch nicht übersetzt worden und somit weiche ich an den Stellen, an denen mir Referenzen fehlten das ein oder andere Mal vom Kanon ab.
Ich habe diese Geschichte ursprünglich mehr als Übung zum Englisch lernen auf adultfanfiction.net unter dem gleichen Namen veröffentlicht. Vor nicht allzu langer Zeit fragte mich jemand per Mail, ob der Text auch auf Deutsch verfügbar sei. Da die Mail sehr nett gehalten war, begann ich meinen Originaltext ins Deutsche zu übertragen. Und nun bin ich - Asche auf mein Haupt - ein wenig neugierig, ob sie vielleicht doch dem ein oder anderen so gefällt.
Kapitel 1: Fügung
Katze raunte: „Ein Tag voller Überraschungen. Fühl dich, wie zu Hause.“ während der Blondie sein Appartement betrat und auf einen Stuhl neben dem rothaarigen Mann zusteuerte. Ja, es war ein Tag voller Überraschungen. Raoul schenkte sich selbst ein Glas Wein ein und nahm Platz: „Es ist schon eine Weile her.“ Katze lenkte seine Aufmerksamkeit von seinem Monitor auf Raoul, dem der Sinn offensichtlich nicht nach Smalltalk stand. „Hazall“ , äußerte er und kam damit gleich auf das Thema zu sprechen, das ihn schon den ganzen Tag beschäftigt hatte.
Katze seufzte fast lautlos und bemerkte, „Ich halte ihn im Auge.“
„Gut, informiere mich über alles, was er tut.“
„Natürlich.“
„Alles, Katze, ich möchte über jeden einzelnen Schritt informiert werden.“
Der rothaarige Dealer, obschon in seinen späten Dreißigern immernoch atemberaubend hübsch, warf ihm einen Speicherchip zu: „Nichts davon ist konkret, aber dennoch ziemlich interessant.“
Zum ersten Mal an diesem Tag gelang es Raoul ansatzweise zu entspannen. Entspannung war ein allzu seltener Zustand in seinem Leben geworden, seit Jasons Tod. Er und Kyle leiteten das Syndikat seither gemeinsam, doch selbst zu zweit gelang es ihnen kaum, den großen Iason Mink zu ersetzen. Zu allem Überfluss stieß Raoul Kyles Gegenwart die meiste Zeit über ab mit seinen unverhohlenen Bekundungen von Zuneigung zu ihm und seiner Abneigung zu Iason, die er zugegebenermaßen nicht offen zur Schau stellte. Für Raoul war dieses neue Leben eine Bürde, dessen Aufgaben nicht zu seinem genetischen makeup passten. Frustration stahl sich seine Gefühlswelt, doch Jupiter nahm keine Rücksicht auf seine Gefühle, noch hatte es Verwendung dafür. Gefühle – was für ein merkwürdiges Wort.
Dahna Bahn lag Jahre zurück. Katze stand ihm seit damals hilfreich zur Seite und irgendwann im Verlauf der Zeit stellte Raoul fest, dass er nicht nur verstanden hatte, was Iason meinte, als er Katze als 'Mann mit Talenten' beschrieb, sondern dass er ihn selbst so sah. Katzes Nutzen im Schwarzmarkt war unbestreitbar.
Wie auch immer, Iasons Fußstapfen waren schwer zu füllen, doch Raoul meisterte es irgendwie. Um so länger er seinen Posten bekleidete, um so ähnlicher wurde er Iason auch in seiner Art, die Dinge zu handhaben, auch in Bezug auf Katze. Seine Anfragen wurden zu Anweisungen und seine Besuche selten. Man könnte sagen, er hatte sich mit seiner Situation abgefunden … mit der Situation, jedoch nicht dem Verlust. Iason …. weshalb?
Plötzlicher Lärm riss Raoul aus seinen Gedanken. Die Tür öffnete sich mit einem ärgerlichen Pfeifen und ein Teenager stürmte herein, der dem Blondie auf den ersten Blick bekannt vorkam.
„Katze, du hättest mich warnen können!“
Der Junge pfefferte ein blutiges Taschentuch in die Spüle, dass er bis eben noch auf seine Nase gepresst hatte.
„Benimm dich, Raven! Wir haben einen Gast.“
Der Junge hatte in seiner Wut den wirklich schwer zu übersehenden Blondie nicht mal bemerkt. Nun wandte er sich ihm mit einem entschuldigenden Lächeln zu, unsicher, was er sagen solle. Bei Raoul wiederum löste sein Anblick ein Kribbeln im Nacken aus – Riki!
Als er seinen Irrtum bemerkte, musterte er den jungen Mongrel vor ihm von Kopf bis Fuß. Die Augenfarbe war anders, blau, doch der Rest ähnelte Riki wie ein Ei dem anderen. Die Erinnerung an Mimea stahl sich in seine Gedanken und das wiederum erfüllte ihn mit Ärger und zu tiefst empfundenen Hass.
Irgendwie gelang es Katze den Jungen aus dem Raum zu schieben, bevor Raoul wieder zu Sinnen kam: „Mach dich nützlich!“
„Stimmt was nicht, Katze?“
„Nicht, das dich betrifft. An die Arbeit!“
„Ich geh ja schon.“
Der Dealer zündete sich hastig eine Zigarette an, genau wissend, dass er dem Thema nicht ausweichen konnte, stellte er fest: „Du hast es also bemerkt.“
„Wie könnte ich nicht.“
Katze kannte Raoul gut genug, um ihm den Ärger anzuhören. Raoul war aufgebracht und ohne zu wissen, warum eigentlich, befahl er Katze den Jungen zurückzurufen. Der Dealer zögerte einen kurzen Moment bevor er einen Knopf an seinem Terminal drückte: „Nimm ihn, wenn du unbedingt musst...“
„Halt den Mund!“
Bevor sich beide weiter austauschen konnten, kehrte der Junge zurück. Irritiert, aber ansonsten präsentabel, da er sich das Blut aus dem Gesicht gewischt hatte und einen der blauen Lagerhausoveralls trug. Sein Blick wanderte von Katze zu Raoul und wieder zurück. Unter dem stechenden Blick des Blondies kam deutliches Unbehagen in ihm auf. Trotzdem hielt er dem eisigen Blick stand, wagte sogar zurückzustarren. Ich bin ein Mongrel und stolz drauf. Hast du ein Problem damit, Blondie? Alles an ihm brachte deutlich zum Ausdruck, dass er weder das Knie vor dem Tanagura-Elite beugen, noch einer Konfrontation ausweichen würde.
„Reiß dich zusammen, Raven!“ , bellte Katze. Überraschenderweise gehorchte der Junge und nahm eine ergebenere Körperhaltung an. Seine Augen jedoch sprachen Bände und wichen Raouls Blick nach wie vor nicht aus.
„Sehr gut, Katze. Bring ihm die Grundlagen bei. Ich erwarte ihn innerhalb der nächsten zehn Minuten am Auto.“ Mit dieser Bemerkung ließ er die beiden Mongrel in ihrer Verwirrung zurück.
„Katze?“
Ravens Gesichtsfarbe wechselte von fahl zu kalkweiß, während Katze sich eine Zigarette anzündete und nach außen unbewegt wie immer wirkte.
„Katze!“
„Betrachte es als Chance.“
„Chance? Das glaubst du doch selbst nicht.“
Katzes Gleichgültigkeit ließ Ravens Ärger die Überhand gewinnen und während er noch: „Ich hoffe, du hast ein gutes Geschäft gemacht.“ zischte, nach dem Dealer ausholen.
Der Junge war schnell, aber Katze überwältigte ihn mit Leichtigkeit: „Du bist Lichtjahre zu jung, um es mit mir aufzunehmen.“
Raven schrie förmlich: „Lass mich los!“ , aber Katze zog ihn an seine Brust ohne sich darum zu kümmern. Obwohl er wollte, brachte Raven es nicht über sich, sich dagegen zu wehren und presste vergrub sein Gesicht in Katzes Schulter. Er bekam kaum mit, was der Dealer ihm zuflüsterte. Mit jedem Schauer, der ihm den Rücken runterlief, verschwand auch ein Stück Ärger. Stattdessen errichtete er eine Mauer aus Selbstbeherrschung und dumpfer Betäubung um sich, in der Gefühle keinen Platz hatten.
Katze kannten diesen Blick allzu gut. Er erinnerte daran, wie er Raven bewusstlos hinter einem Lagercontainer gefunden hatte. Ein Bein war gebrochen, er bestand quasi von Kopf bis Fuß aus blauen Flecken und ein hässliches Fieber schüttelte ihn. Seine blutigen Fäuste und auch der trotzige Gesichtsausdruck, den er selbst in diesem Zustand hatte, ließen keinen Zweifel daran, dass der Junge heftig Prügel bezogen hatte. Er ähnelte Riki so sehr, dass selbst Katze schockiert war und aus einer momentanen Regung heraus entschied, ihn aufzunehmen.
Hätten seine Augen ihn nicht verraten, hätte Katze damals kaum sagen können, in welcher Stimmung der Junge war. Er gab selten Preis, was ihn bewegte, zeigte kaum Gefühle und war überhaupt sehr beherrscht und still. Trotzdem konnte sich Katze des Gefühls nicht erwehren, dass er irgendeinen Groll gegen ihn hegte. Doch was Katze gewaltig auf die Nerven ging, war, dass ihn der Junge immer und immer wieder an ihn selbst erinnerte. Er mochte Riki bis aufs Haar gleichen, aber sonst hätten sie verschiedener nicht sein können.
Nachdem Katze mehr durch Zufall festgestellt hatte, dass Raven außergewöhnlich talentiert im Umgang mit Computern war, verbrachten sie mehr und mehr Zeit miteinander – meistens in absoluter Stiller, jeder von beiden vor sich hin tippend oder in Gedanken. Katze setzte ihn im Depot ein, aber sorgte dafür, dass er außer Sichtweite der meisten Angestellten blieb. Raven hielt das Appartement sauber und sorgte für Essen. Er schlief auf dem Sofa, obwohl man kaum von Schlaf reden konnte, so unruhig warf er sich hin und her. Katze fragte sich oft, welche Träume den Jungen plagen mochte bis er schließlich feststellte, selbst der Grund dafür zu sein. Nicht dass er sich dessen schuldig gefühlt hätte. Raven – obwohl er unglaublich jung war – war Mitglied einer respektablen Ceres-Gang, die sich Midgets nannte und es zu ihrer selbst erklärten Aufgabe gemacht hatte, allerlei Waren aus dem Markt nach Ceres umzulenken. Sie mochten sich bislang auf Lebensmittel und Arzneien beschränkt haben, doch es war im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis attraktivere Güter zu ihrem Ziel wurden.
Ceres Banden hätten im Normalfall kaum eine Reaktion bei Katze hervorgerufen. Genauso schnell, wie sie sich an 'seinen' Gütern vergriffen, verschwanden sie auch wieder von der Bildfläche – entweder durch Katze selbst oder die Midas-Polizei, die nur allzu gern Dampf an ein paar Rowdys abließ. Die Midgets jedoch schafften es bis auf Katzes persönliches Radar. Sie hackten sich immer wieder in seine Datenbanken und lenkten die Container einfach um, ohne eine direkte Konfrontation zu riskieren. Diesen Affront konnte er nicht auf sich sitzen lassen und ganz der Hacker, der er selbst war, lud er die Midgets zu einem Gefecht, dem sie nicht gewachsen waren. Wie auch immer, eines der Bandenmitglieder entkam. Die Midas-Polizei kümmerte sich nicht weiter drum, da sie in dem Glücklichen nur das Kind sahen, dass ihrer Ansicht nach nicht mehr als ein Mitläufer sein konnte.
Katze jedoch erkannte, wen oder besser was er da auf seinem Sofa beherbergte. Er hätte jedes Recht gehabt, den Jungen auszuliefern und war mehr als einmal kurz davor, doch eine merkwürdige Mischung aus Stolz und Scham hielt ihn davon ab. Obwohl Riki nie erfahren hatte, dass er einen Sohn hatte und es ihm – durch und durch der Mongrel, der er war – vielleicht nichts bedeutet hätte, fühlte sich Katze dennoch verantwortlich für das Kind. Ein Kind, das in Fleisch und Blut für all das stand, was Riki und Iason verband und das ihn auf merkwürdige Weise beiden Männern verbunden hielt. Schließlich öffnete er sich, Stück für Stück und Katze ging es nicht anders. Das war fast drei Jahre her...
Raven wand sich aus Katzes Griff: „Bringen wir es hinter uns. Wie es scheint, bist du wiedermal mein Schicksal.“ Mit diesen Worten als Abschiedsgeschenk, verließ er das Appartement und plötzlich erkannte Katze, dass der Junge es auch wusste.
Rückblende:
Der Junge stand still wie eine Statue im Türrahmen zu Katzes Schlafzimmer. Eine Mischung aus Hass, Feindseligkeit und auch Bewunderung verzerrte seine Gesichtszüge. Dieser Mann, weshalb immer wieder dieser Mann? Der Dealer begleitete ihn seine halbe Kindheit als Albtraum, der immer präsent war. Als namenlose Bedrohung am Anfang und später als Gesicht, das ihn bis in seine dunkelsten Träume verfolgte. Wie ich dich hasse. Der Gestank dieses Ortes hing in Katzes und er weckte Erinnerungen in ihm, denen er nicht entkommen konnte. Als wäre es heute gewesen, erinnerte er sich an die Stimmen, lachende und weinende und an die Schritte und Geräusche, die von der Etage über ihm dumpf an sein Ohr drangen. Er hatte keine Erinnerung an das Erdgeschoss selbst, aber er malte sich aus, wie es ausgesehen haben musste mit all den Kindern. Er fragte sich, ob sie wussten, was unter ihren Füßen verborgen lag und ob es sie gekümmert hätte. In seinen Augen waren sie glücklich, die Anderen, die über ihm. Obwohl Jahre vergangen waren, rissen ihn die Schreie aus dem düstere Labor neben ihm immer noch aus dem Schlaf. Er hätte es bevorzugt diesen Raum nie zu betreten. Es war schlimm genug allein zu sein, der Gnade eines Wahnsinnigen ausgeliefert doch dieser Wahnsinnige ersparte ihm nichts. Er schleppte ihn mit in das Labor, zwang ihn zuzusehen, als sie die armen Jungen, die kaum älter waren als er selbst, verstümmelten. „Sieh in seine Augen. Das wird aus dir, wenn ich dich dem Dealer überlasse.“ Soul hielt ihn in einem eisernen Griff umklammert, der jeden Gedanken an Flucht im Keim erstickte, lachte ihn aus: „Bruder, ich hab ein Geschenk für dich.“ Raven wehrte sich, schrie und strampelte, doch nichts half und auch sein leises Wimmern oder Betteln schaffte es nicht, den Vorhang aus Wahn zu lichten, hinter dem irgendwann mal ein menschliches Wesen gehaust haben musste ...
Obwohl Raven in diesen Jahren fest davon überzeugt war, sich den Tod herbeizusehnen, hing er doch am Leben. Irgendwann lernte er der Prügel zu entgehen, doch jeder einzelne Schrei, der auf seinen Lippen erstarb, grub sich in seine Seele ein und fraß ihn innerlich auf. Er biss sich auf die Lippen. Ja, er hatte den Dealer gefürchtet, doch ironischerweise war es der Dealer, der ihm ohne es zu wollen oder wissen, den Ausweg gezeigt hatte und Raven ergriff seine Chance bei der ersten Gelegenheit. Tief verängstigt kämpfte er im sich im Dunkeln durch das Wasser des Abwasserkanals. Er rannte ums nackte Überleben von einem orangen Licht zum nächsten. Durchnässt und halberfroren erreichte er Chalaza – und damit die Freiheit.
Er betrachtete Katze in seinem ruhigen Schlaf und es erschien ihm unfair. Er verstand die verwirrenden Gefühle nicht, die er für den Mann hegte. Verzweifelt versuchte er am Hass festzuhalten, doch er konnte nicht … konnte einfach nicht … denn ... ich liebe dich.