Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast 

Broken

von Shiny
Kurzbeschreibung
KurzgeschichteFreundschaft, Schmerz/Trost / P12 / Gen
Elena Fisher Nathan Drake Victor Sullivan
04.08.2012
04.08.2012
1
1.771
2
Alle Kapitel
5 Reviews
Dieses Kapitel
5 Reviews
 
 
 
04.08.2012 1.771
 
Heyy :)

Mal wieder ein kleiner OS von mir.
Und nur falls es jemand wissen will: Der Titel stammt von dem Song "Kings And Queens" von 30 Seconds To Mars.

_________________________________________

Das dicke Eisentor des Friedhofes kommt immer näher. Ich laufe dorthin, ich laufe gerade wirklich dorthin, sagt Nate sich in Gedanken. Er bewegt sich wirklich an den Ort, den er nie sehen wollte.

Es ist später Nachmittag. Kein schöner Tag, neblig, trüb, kalt, aber für einen Friedhof wahrscheinlich genau richtig. Nates eine Hand hat er in der Hosentasche verborgen, in der anderen trägt er ein kleines Präsent, was er für angemessen hält.

Scheiße, ich will da echt nicht hin, schießt es ihm durch den Kopf, als sich seine freie Hand auf die Gitterstäbe des Tores legt. Er muss nur drücken, um es aufzumachen. Dann ist er an dem Ort, der selbst ihm Angst macht.

Nate spürt, wie sein Herz schneller schlägt, als sich das Tor mit einem leichten Knarren bereitwillig öffnet und er den Friedhof langsam betritt.

Er wendet seinen Blick nach links und nach rechts auf die einzelnen Gräber, während er den kiesigen Weg entlang läuft. Er weiß genau, wo er hin muss, auch, wenn er noch nie dort gewesen ist. Ein hoch die Erklärungskünste seiner Freunde.

Je näher Nate besagtem Fleckchen jedoch kommt, desto schwerer werden seine Beine. Er hat das Gefühl, als wollen selbst sie nicht hingehen. Und dann, als er glaubt, das Grab zu entdecken, streiken sie komplett.

Also bleibt er stehen. Schaut auf das Grab mit knapp zehn Meter Entfernung. Bunte Blumen sind zu erkennen und ein Grabstein, welchen er aber noch nicht lesen kann. Nate befeuchte seine trockenen Lippen mit der Zunge und geht letztendlich weiter, gegen den Willen seiner Beine.

Und dann ist er plötzlich da. Obwohl er sich geschworen hat, nie hierhin zu gehen. Ein kühler Windstoß umgibt ihn, als er das Grab genau betrachtet. Es ist schlicht, nicht pompös, aber dennoch liebenswert. Der Grabstein ist komplett schwarz, ohne jegliche Schnörkel.

Nates Miene erstarrt, als er die großen weißen Buchstaben zum ersten Mal sieht: Victor Sullivan.

Wieder kommen die schrecklichen Erinnerungen in Nate hoch.

Es war ein Tag wie jeder andere gewesen, Nate hatte ein neue Spur und Sully und Elena auch sofort dazu überredet, ihr zu folgen. Sie waren weit gekommen, dem Schatz im wahrsten Sinne des Wortes schon zum Greifen nah, als ihnen plötzlich unerwünschte Gäste gegenüberstanden. Es war zu einem Schusswechsel gekommen und dieses eine Mal eben nicht alles gut gegangen. Dieses eine Mal war einer von den Guten gefallen.

Nate wird heiß und kalt, wenn er daran denkt. Wäre er nicht gewesen, wäre das alles nicht passiert. Er und seine dumme Abenteuerlust, die ihn und seine Freunde schon so oft in Gefahr gebracht hat.

Als er dann Sullys schmerzerfüllten Schrei gehört hatte, war für einen kurzen Augenblick Nates Welt stehen geblieben. Er hatte seinen Freund angesehen, wie er seine Hände gegen die Brust presste und zu Boden sank.

„Sully!“ hatte Nate gebrüllt und war ohne nachzudenken durch den Kugelhagel zu Sully gerannt – Nate ist es bis heute ein Rätsel, wieso er nichts abbekommen hat. Er hatte sich vor ihm niedergekniet und versucht, die Blutung der klaffenden Wunde an der Brust zu stoppen, doch erfolglos.

„Sully, nein … bleib bei mir.“, hatte Nate gestammelt, als Sullys Blick langsam ins Leere überging. Den Kopf seines Freundes in die Hände nehmend, sah Nate ihn an. Überall war Blut gewesen.

Sullys Blut.

Nate erinnert sich schwach daran, wie sie sich angesehen haben. Ein Blick … ein letzter Blick, der alles gesagt hatte. Als ob Sully ihm mitteilen wollte, dass alles nur halb so wild war. Nate hatte kraftlos seinen Namen geflüstert, den Namen seines Mentors. Er hatte gewusst, dass dies die letzten Sekunden waren, die er und sein Freund gemeinsam verbringen würden.

So war es dann auch gewesen. Sully war wenige Augenblicke später in den Armen Nates gestorben.

Nate schaut immer noch auf den Grabstein. Er war nicht bei der Beerdigung dabei gewesen, er hatte es nicht gekonnt. Die Wunde in seinem Herzen war einfach zu frisch gewesen, um sie noch schlimmer zu machen.

Aber jetzt merkt Nate, dass die Wunde noch immer nicht verheilt war. Jetzt, wo er hier steht, um sich ein für alle Mal bei Sully zu verabschieden, scheint es ihm, als ob sein Herz nie wieder gesund werden würde. Als ob es das einfach nicht mehr kann.

Denn es ist gebrochen und zwar kein glatter Bruch, sondern ein komplizierter. So etwas heilt nicht schnell, es zieht sich ewig hin.

Nate hatte nie daran gedacht, dass Sully nicht immer da sein würde. Dies ist ein dummer Gedanke, den die meisten Menschen haben. Man lacht zusammen, spricht miteinander und hat einfach eine schöne Zeit … und das am besten für immer. Erst jetzt merkt Nate, dass es so etwas wie „für immer“ niemals geben wird.

Er dreht das Mitbringsel in seiner Hand, eine kleine rote Rose.

Rot wie das Blut, das an Nates Kleidung und Händen geklebt hatte, als er Sully gestützt hatte. Es löst in ihm immer noch eine komische Art von Übelkeit hervor, zu wissen, dass dies Sullys Blut gewesen war.
Oder rot wie die Liebe, die zwischen ihnen geherrscht hatte und irgendwo auch immer noch ist. Es ist Liebe, da ist Nate sich sicher. Keine Liebe, die Verliebte teilen, einfach eine andere Liebe. Eine … familiäre Liebe.

Nate entscheidet sich für Letzteres. Er geht in die Hocke, um die Rose neben die anderen Blumen zu legen, welche schon langsam anfangen, zu verwelken. Diese Tatsache macht ihn traurig und ihm wird bewusst, dass auch seine Rose nicht ewig halten wird.

Nate seufzt und langsam merkt er, wie sich irgendwo in seinen Augen Dinge bilden, die normalerweise nie das Tageslicht erblicken: Tränen. Nate ist kurz davor, zu weinen. Er blinzelt, damit die Tränen nicht ihren Weg nach draußen finden.

„Sully …“, flüstert er schwach und kraftlos, und lässt sich komplett auf seine Knie fallen. Er hat ihn verloren. Er hat seinen besten Freund, seinen Mentor und seinen Vater verloren.

Denn Sully war sein Vater. Nate will sich gar nicht ausmalen, wie sein Leben verlaufen wäre, wenn Sully ihn nicht aufgenommen hätte. Vermutlich ziemlich beschissen. Und Sullys Leben wäre wahrscheinlich auch recht eintönig geworden, ohne jegliche Aufregung.

Denn Aufregung hatten die beiden wirklich, bei jedem einzelnen Abenteuer. Positive Aufregung, wie das Kribbeln im Bauch, bevor man seine Lieblingsachterbahn fährt.

Nate schüttelt den Kopf, kann nicht glauben, dass nun alles vorbei ist und wendet seinen Blick gen Himmel, welcher mit großen, grauen Wolken bestückt ist. Obwohl Nate nicht an Gott oder Ähnliches glaubt, fragt er sich, ob Sully wohl nun da oben sitzt und auf ihn runter schaut.

Wenn ja, dann schmunzelt er in diesem Moment vielleicht über Nates Unentschlossenheit oder er freut sich einfach, dass Nate doch noch zum Grab gekommen ist und sogar eine Rose mitgebracht hat.

Nates Blick verschwimmt, er blinzelt heftig, kann die Tränen nun aber doch nicht mehr zurückhalten. Seinen Kopf immer noch dem Himmel zugewandt, schließt er die Augen. Ein paar Tränen fließen seine Wangen hinunter und hinterlassen eine nasse Spur. Doch es ist ihm nun egal, gerade kein ach so harter Mann zu sein.

Für Sully darf man weinen.

Nates Gesicht wird immer nasser und als er die Augen wieder öffnet, erkennt er dicke Regentropfen, die sich ihren Weg auf die Erde bahnen. Der Himmel weint mit ihm. Was für eine Ironie.

„Scheiße …“, murmelt Nate. Aber nicht wegen des Wetters - das ist ihm gerade total egal -, sondern wegen der ganzen Situation.

„Scheiße!“, wiederholt er unter Tränen und hält sich die Hände vors Gesicht. Will immer noch nicht akzeptieren, dass sein schlimmster Albtraum wahr geworden ist.

Er weiß nicht, wie lange er im Regen verharrte, doch ein schüchternes „Nate?“ lässt ihn aufblicken.

Elena steht hinter ihm, das weiß er auch, ohne sich umzudrehen. Ihre Schritte sind auf dem Boden zu hören und sie kniet sich neben ihn.

„Wie lange willst du noch hier sitzen?“ fragt sie. „Du wirst doch ganz nass.“

„Ich bin nass.“, sagt Nate mit brüchiger Stimme und dreht seinen Kopf nun doch zu ihr. Sie hat eine Regenjacke an und ihre Kapuze übergezogen. Im Allgemeinen sieht sie gut aus, wenn auch sehr ausgelaugt.

Elena lächelt ein wenig. Nate glaubt, dass sie nicht weiß, was sie sagen soll. Er weiß es auch nicht.

So sitzen sie da und schauen auf das Grab. Vielleicht fünf Minuten, vielleicht eine Stunde. Nate hat kein Zeitgefühl mehr. Wenigstens hört der Regen irgendwann auf.

„Meinst du, Sully schaut gerade … auf uns?“ murmelt Nate, um seine Frage von vorhin aufzugreifen. Er dreht seinen Kopf und sieht seiner Frau ins Gesicht.

Elena, die ihre Kapuze nun abgezogen hat, nickt. „Ja, bestimmt.“, flüstert sie. Ihre Augen sind glasig, kurz vorm überlaufen. „Ich hoffe es zumindest."

Nate hofft es ebenfalls, auch wenn er sich noch immer nicht sicher ist.

„Ich bin schuld …“, murmelt er, kaum hörbar. „Ich habe euch dazu überredet.“

Aber Elena hört es natürlich. „Nein.“, sagt sie. „Du bist nicht schuld. Es … es war ein dummer Zufall.“

„War es nicht.“ Nate beharrt auf seiner Aussage. „Sully könnte noch leben.“

Darauf weiß Elena anscheinend auch nichts mehr, denn sie schweigt. Nate schweigt auch. Sein Gesicht ist immer noch nass vom Regen, seine Kleidung klebt unangenehm an seinem Körper und er fühlt sich dreckig. Dreckig, schuldbewusst und müde. Eine perfekte Mischung.

„Er ist stolz auf dich, Nate.“, sagt Elena nach einer Weile, ihre Stimme bricht beinahe ab. „Sehr stolz.“

„Ich weiß.“, entgegnet Nate, kein bisschen selbstverliebt. Denn er weiß es ja wirklich. Er weiß, dass Sully stolz auf ihn ist. Das war er immer. „Gehen wir?“

Elena bejaht und sie stehen beide auf. Es herrscht eine komische Stimmung zwischen ihnen, die jedoch auf irgendeine Weise nicht unangenehm ist. Klar, beide sind unendlich traurig und bedrückt, aber Nate weiß, dass sie nun noch näher zusammengerückt sind.

Nate nimmt seine Frau daraufhin wortlos in den Arm, nachdem er ihr eine kleine Träne von der Wange gewischt hat. Sie halten sich ganz fest und innig.

Elena ist das Einzige, was bleibt. Ihre kleine Familie ist somit nicht komplett zerstört, nur ganz schön kaputt. Aber sie kann heilen, wenn auch nur mit viel Geduld.

Dann lösen sie sich voneinander. Ein letztes Mal schaut Nate auf das Grab, sieht seine Rose. Sieht Sully vor sich, wie er an seiner Zigarre zieht, wie er lacht, wie er spricht. Wie er an Nates Verstand zweifelt und ihn maßregelt. Wie beide Spaß miteinander haben, sich gegenseitig necken.

Und Nate sieht, wie Sully einfach nur für ihn da ist.

Das wird er immer sein.

Nate versucht sich an einem kleinen Lächeln, was ihm sogar fast gelingt, bevor er und Elena den Friedhof endgültig verlassen.
Review schreiben
 
 
 Schriftgröße  Schriftart  Ausrichtung  Zeilenabstand  Zeilenbreite  Kontrast