Briefe von Logan
von Nobodys Darling
Kurzbeschreibung
Als Lou auf dem Londoner Flughafen Heathrow zufälligerweise Logan Lerman in einem Cafe erspäht, ergreift sie ihre Chance und fragt, ob sie sich zu ihm setzten an. Logan, welcher Lou eigentlich am liebsten gleich abweisen würde, überlegt es sich spontan anders - angetan von Lous Mut - und bietet ihr den freien Platz neben sich an. Beide kommen ins Gespräch, welches ein abruptes Ende findet, als Lou aufeinmal ausgerufen wird. Sie ist kurz davor ihren Flug zu verpassen. Eilig hinterlässt sie Logan auf seine Bitte hin ihre Adresse, da sie ihm weder ihre Handynummer noch ihre E-Mail-Adresse verraten will. Sie meint, dass wenn er schon in Kontakt mit ihr bleiben will, es auf die altmodische Weise machen muss. Als Lou in ihr Flugzeug nach Hause steigt, glaubt sie nicht, dass Logan wirklich auf ihren Vorschlag eingehen wird, doch eine Woche später liegt schon sein erster Brief in ihrem Briefkasten...
GeschichteFreundschaft, Liebesgeschichte / P12 / Gen
06.07.2012
22.09.2012
9
27.997
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06.07.2012
2.641
Hey!
Da bin ich auch schon wieder. Hat jetzt ein bisschen länger gedauert, aber meine Freundin hatte das Wochenende Geburtstag und so bin ich nicht zum Schreiben gekommen.
Hoffe euch gefällt das neue Kapitel und werde mich beeilen alsbald weiterzuschreiben.
LG Robin
___________________________________________________________
Ich schaue jetzt schon zum fünften Mal auf die Digitaluhr auf meinem Handydisplay. Die Zeit vergeht, doch noch immer keine Spur von Marty. Es ist schon fast vier Uhr. Wenn sie nicht bald auftaucht, kann sie sich die Shoppingtour abschminken, denn sonst verpassen wir den Film. Ungeduldig trommel ich mit meinen Fingern auf der Tischplatte rum, während ich mir ein Stück von meinem Cinnabon Classic in den Mund schiebe. Zwar habe ich mir noch vor einem Monat geschworen die Finger auf ewig von dieser übergroßen, megasüßen und ganz und gar ungesunden Zimtschnecke zu lassen, aber mein Magen hat geknurrt und ich hatte Hunger. Tja, wenn ich in einem schlecht bin, dann darin jeglicher Versuchung ohne viel Gegenwehr zu widerstehen. Den Grund wieso ich der süßen Versuchung noch vor kurzem abgeschworen habe verdränge ich gekonnt.
Während ich kaue werfe ich erneut einen Blick auf mein Handydisplay. Doch das Einzige was ich sehe ist, dass die Zeit vergeht.
„Ähm, entschuldige bitte, aber ist dieser Platz zufällig noch frei?“, fragt da plötzlich eine männliche Stimme.
Überrascht hebe ich den Blick und mustere den Besitzer der Stimme. Sie gehört einem großgewachsenen Mann um die Ende Zwanzig, mit kurzem braunen Haar, dunkelbraunen, schon fast schwarzen Augen und einem strahlendend weißen Zahnpasta-Lächeln. Ich runzle die Stirn. Irgendwie kommt mir sein Gesicht bekannt vor. Er schaut mich erwartungsvoll an. Ich werfe einen Blick auf die anderen Tische rechts von mir. Kein Einziger ist besetzt.
„Eigentlich warte ich hier auf jemanden“, erwidere ich schlussendlich. Ich habe keine Lust mich jetzt in eine Unterhaltung verwickeln zu lassen, vor allem da Marty jeden Augenblick aufkreuzen kann.
Der Fremde grinst verschmitzt. „Du erkennst mich wohl nicht, oder?“
Ich schaue ihn verwirrt an. Erkennen? Ich habe den Typen noch nie in meinem Leben gesehen – was war das bitte für eine billige Anmache, hm? „Ich bezweifle, dass es da etwas zu erkennen gibt.“
Diesmal lacht er. „Nun ja, beim letzten Mal war ich auch nicht ganz so leger angezogen und hatte einen ordentlichen Seitenscheitel.“
Okay, was geht hier gerade vor? „Aha, interessant. Der Platz ist aber noch immer besetzt und ich warte noch immer auf jemanden, also…“
„London? Heathrow – sagt dir das etwas?“
Oh Mann, der ließ wohl nicht locker! Ich seufze und mustere ihn noch einmal von Kopf bis Fuß. London. Heathrow… Da fällt mir nur meine Begegnung mit Logan ein und das ich fast meinen Flug… Oh mein Gott!
„Oh mein Gott – jetzt erkenne ich dich! Du bist Mister Anzug!“, rutscht es mir unbeabsichtigt heraus und sofort schlage ich mir die Hand vor den Mund. Ich spüre wie mir die Hitze ins Gesicht steigt.
Doch Mister Anzug sieht die Sache gelassen. Er lacht und meint: „Netter Spitzname, aber eigentlich heiße ich Paul. Ist der Platz jetzt frei?“
Noch immer peinlich berührt von meinem Tritt ins Fettnäpfchen fehlen mir die Worte, also nicke ich einfach. Es macht mich wütend, dass mein Hirn auf einmal jegliche Denkfunktion eingestellt hat. Nicht einmal als ich Logan über den Weg gelaufen bin hat es mir die Sprache verschlagen. Das ist kein gutes Zeichen – definitiv nicht. Ganz und gar nicht!!
„Du schaust so entsetzt – habe ich dich etwa in Verlegenheit gebracht?“, fragt Paul nach einer Weile, nachdem er den ersten Bissen von seinem Cinnabon Classic heruntergeschluckt hat.
Ich schaue ihn mit großen Augen an. „Nein, mich bringt nichts so leicht in Verlegenheit!“
Paul lacht. „Das merkt man.“
Ich ignoriere den sarkastischen Unterton in seiner Stimme und frage stattdessen: „Wie hast du mich erkannt?“
„An deiner Nase“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Ich kann nicht umhin ihn noch ein Stückchen schockierter anzuschauen und greife mir unbewusst auf meine Nase. „Wirklich?“
„Mhm, ja – die ist unverkennbar“, antwortet er mit vollem Mund.
Na toll, er hat mich an meiner unverkennbaren Nase erkannt. „Soll ich das jetzt als Kompliment oder Beleidigung auffassen?“, frage ich, weil ich mir selbst nicht ganz sicher bin. Ich ärgere mich über meine eigene Unsicherheit. Normalerweise bin ich nicht so. Was ist bloß los mit mir?
Paul zuckt mit den Schultern. „So ein markantes Profil wie deins vergisst man halt nicht so leicht. Ich würde es an deiner Stelle als Kompliment auffassen.“
Ich mustere ihn kurz prüfend. Anscheinend meint er das ernst. „Na wenn das so ist, dann danke.“
„Keine Ursache.“
Ich lasse meine Hand langsam sinken und streiche dabei mit meinen Fingerkuppen über meinen Nasenrücken. Dabei streife ich die eine Stelle an der es sich anfühlt als würde sich ein Knochensplitter jeden Moment durch meine Haut durchbohren, was natürlich lächerlich ist, weil die Nase aus einem Knorpel besteht. Dennoch zucke ich wie immer wenn ich diese kleine Stelle berühre unwillkürlich zusammen und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
Paul muss mein Zusammenzucken bemerkt haben, denn er schaut mich mit gerunzelter Stirn an. „Alles in Ordnung?“
„Was?... Ähm, ja – alles okay. Es ist nur… ach nichts.“
„Was ist nur?“
„Nichts ist nur, vergiss es einfach, okay.“
„Okay. Themenwechsel?“
„Mhm…“
Es folgt eine kurze Pause. Dann fragt Paul: „Wie heißt du eigentlich? Da schenke ich einem Mädchen meinen Business Class Bordingpass und weiß noch nicht einmal ihren Namen.“
Ich zögere kurz, antworte aber schlussendlich doch noch. „Ich heiße Louisa, aber ich werde von allen nur Lou genannt.“
„Freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Lou“, erwidert Paul und streckt mir über den Tisch seine Hand entgegen.
Ich schaue diese kurz verwirrt an, ergreife sie dann aber und dann schütteln wir eine halbe Ewigkeit Hände. Irgendwann fangen wir beide plötzlich an zu lachen und lassen unsere Hände los.
„Ich glaube so lange habe ich noch nie mit einem Mädchen händegeschüttelt“, meint Paul und genehmigt sich noch ein Stück von seiner Zimtschnecke.
„Geht mir genauso. Ich meine natürlich mit einem Jungen… äh… Mann… äh…“ Ich schaue Paul hilflos an. Doch bevor er etwas darauf erwidern kann läutet auf einmal mein Handy. Die Titelmusik von „Zurück in die Zukunft“ ertönt und ich weiß sofort, dass es Marty ist. Eilig schnappe ich nach meinen Handy und brauche in meiner Eile drei Anläufe um auf dem Touchscreen abzuheben.
„Marty, verdammt wo steckst du? Ich warte hier schon seit einer Stunde auf dich. Ich komm mir vor wie bestellt und nicht abgeholt!“
„Hey, Lou! Sorry, dass ich nicht früher angerufen habe, aber wir müssen das Kino auf morgen verschieben.“
„Auf morgen verschieben, wieso?“
„Ich bin im Krankenhaus.“
„Du bist wo?“
„Keine Sorge, mir fehlt nichts.“
„Wieso bist du dann in einem Krankenhaus?“
„Wegen Sven.“
„Wegen Sven?“
„Ja, wir waren auf der Donauinsel Inlineskaten und er ist blöd gestürzt und hat sich dabei den Arm gebrochen und ein paar Schürfwunden davongetragen.“
„Er hat sich den Arm beim Inlineskaten gebrochen?“
„Ja, hab ich doch gerade gesagt. Und könntest du bitte aufhören mir alles nachzuplappern wie ein Papagei?“
„Beim Inlineskaten? Echt jetzt?“, wiederhole ich anstatt auf Martys genervten Kommentar einzugehen.
Ich höre ein Stöhnen am anderen Ende der Leitung. „Ja, Lou – beim Inlineskaten. Weißt du, Leute verletzten sich beim Sport ab und zu einmal.“
„Tja, jetzt weißt du auch wieso ich keinen Sport betreibe.“
„Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt um Witze zu reißen.“
„Ja, und es ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt um mir erst jetzt Bescheid zu sagen, dass das Kino abgeblasen ist.“
„Und es tut mir auch leid – aber in der ganzen Aufregung hab ich einfach ganz und gar auf dich vergessen. Sorry, Lou – aber…“
„Ist schon gut!“, sage ich etwas gereizter als beabsichtigt.
„Sei jetzt bitte nicht sauer.“
„Ich bin nicht sauer.“
„Du klingst aber so…“
„Tue ich nicht.“
„Doch.“
Ich seufze. Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf irgendwelche dämlichen Debatten mit Marty. „Ist noch etwas, sonst leg ich jetzt auf…“
„Ja. Also holen wir das Kino morgen nach?“
Ich überlege kurz ob ich morgen etwas vorhabe oder irgendwelchen Verpflichtungen nachgehen muss, doch mir fällt nichts ein. Ich seufze erneut. „Also gut, morgen dann. Aber ohne Shoppingtour vorher, okay? Ich will in die Millennium City und nicht ins Donauplex, wenn es sich schon vermeiden lässt.“
„Okay, wie du willst.“
„Gut, ich schau dann nach wegen der Uhrzeit. Ich ruf dich am Abend noch mal an.“
„Okay. Dann bis am Abend.“
„Bis am Abend. Und Marty?“
„Ja?“
„Wünsch Sven von mir gute Besserung und sag ihm, dass ich weiß, dass er den Stunt nur hingelegt hat um sich vor einer Shoppingtour mit dir zu drücken!“
Marty lacht. „Ich werd’s ihm ausrichten. Bye.“
„Bye“, verabschiede ich mich und warte darauf, dass Marty auflegt, sodass ich mich nicht wieder mit meinem Handytouchscreen herumärgern muss. Dann lege ich mein Handy wieder zur Seite und widme meine ganze Aufmerksamkeit wieder Paul, welcher indes gerade das letzte Stück von seinem Cinnabon Classic herunterschluckt. Ich kann nicht umhin einen Blick auf meine eigene Monsterzimtschnecke zu werfen an der ich schon seit fast einer halben Stunde mit einer Plastikgabel herum werkle und die scheinbar nicht kleiner sondern immer größer wird – die Zimtschnecke, nicht die Gabel (nur falls das hier nicht so ganz klar rübergekommen ist – meine Gedanken sind manchmal ein bisschen wirr…).
„Geplatzte Verabredung?“, fragt Paul dann plötzlich ganz unvermittelt, während ich mir gerade ein kleines Stück von meiner Zimtschnecke in den Mund schiebe und mich vor Überraschung beinahe daran verschlucke. Ich muss husten und schnappe nach Luft. Als ich endlich wieder welche bekomme antworte ich: „Kann man so sagen.“
„Kino?“
Ich schaue Paul kurz verirrt an. Soll das jetzt eine Einladung sein, oder was? „Wie bitte?“
„Na ich mein, ob du eine Kinoverabredung gehabt hast.“
Ich zögere einen Moment und genehmige mir noch einen süßen Bissen. „Ich wüsst zwar nicht was dich das angeht, aber ja.“
„Was für ein Film?“
Ich überlege kurz ob ich jetzt einfach lügen und irgendeinen Actionfilm nennen oder die Wahrheit sagen soll. Ich entschließe mich ehrlich zu sein. „Merida – Legende der Highlands.“
Ich mustere Pauls Gesicht mit prüfendem Blick und suche es nach Spuren von Entsetzen oder Amüsement ab, doch ich finde nichts dergleichen. Stattdessen meint er nur: „Den hab ich mir letztes Wochenende mit meiner kleinen Nichte angeschaut. Ist ganz gut.“
Vor Überraschung über diesen Kommentar verfehle ich mit der Gabel meinen Mund und so macht meine rechte Wange Bekanntschaft mit einem zu locker aufgespießten Zimtschneckenstück, welches prompt von der Gabel herunter auf meine gerade erst frisch gewaschene Lieblingsjeans fällt. „Verdammt!“, fluche ich und hebe das Stück mit den Fingern auf, schaue es kurz unentschlossen an, entschließe mich dann aber schlussendlich doch noch dafür es zu essen.
Paul lacht indes über meine Unschicklichkeit, steht auf und holt ein paar Servietten, von denen er mir gleich einmal eine entgegenhält. Dankbar nehme ich die Serviette entgegen und wische mir damit meine klebrige Wange ab und reibe dann ein bisschen an dem Fleck auf meiner Jeans herum, sehe aber ziemlich bald ein, dass es ein sinnloses Unterfangen ist.
„Ohne jetzt aufdringlich klingen zu wollen, aber hast du heute noch irgendetwas vor?“, fragt Paul nach einer Weile in der ich meine Zimtschnecke fast schon zu zwei Dritteln aufgegessen habe. Ich schiebe den Pappteller von mir, weil ich voll bin und weiß, dass wenn ich das letzte Drittel jetzt noch herunterwürgen würde mir mindestens drei Stunden lang kotzübel sein wird wie beim letzten Mal als ich mir unbedingt eingebildet habe die ganze Riesenzimtschnecke bis auf den letzten Krümel aufzuessen. Mein Magen mag zwar ein schwarzes Loch sein – aber es hat eine Schwachstelle…
Ich schaue Paul überrascht an und werfe dann einen Blick auf mein Handydisplay. Es ist schon fast halb fünf. Ich überlege kurz und zucke dann mit den Schultern. „Naja, bis auf Kino hab ich nichts geplant gehabt für heute Abend. Und da das abgeblasen ist hab ich eigentlich Zeit um irgendetwas zu unternehmen…“
„Hey, Lou! Post für dich“, höre ich Martin von unten schreien als ich gerade dabei bin mir ein gemütliches Kinooutfit auszusuchen. Schnell ziehe ich mir das erstbeste T-Shirt an das ich aus meiner Kommode fische und renne mit trampelnden Schritten eilig die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Fast stolpere ich auf dem letzten Stück über meine eigenen Füße und dann renne ich obendrein beinahe noch meinen Bruder um als ich auf meinen dünnen Socken auf dem Fliesenboden um die Ecke in die Küche rutschte, wo Martin gerade dabei ist die Post zu sortieren.
„Hey, nicht so stürmisch, Schwesterchen!“, lacht Martin und wedelt mit dem Brief vor meiner Nase herum. Ich will nach dem Umschlag schnappen, doch Martin hält ihn außer Reichweite.
„Gib schon her!“ Ich springe, bekomme den Umschlag aber nicht zu fassen. „Ach komm, Martin. Das ist nicht lustig! Gib schon her!“
Martin zieht ein nachdenkliches Gesicht und drückt mir dann seufzend den Brief in die Hand. „Früher war es irgendwie lustiger dich mit solchen Dingen zu ärgern.“
„Ja, ja – früher war alles besser und jetzt gib her“, maule ich, reiße ihm den Umschlag aus der Hand und eile dann aus der Küche raus.
„Na, wie geht’s deinem Hollywoodstar so?“, höre ich Martin mir hinterherrufen als ich schon fast wieder bei der Treppe bin. Ich halte mitten im Schritt inne und drehe mich überrascht um. Martin kommt locker aus der Küche geschlendert, hebt herausfordernd die Augenbraun und verschränkt die Arme vor seiner Brust.
„Woher…?“
„Ach, komm Lou! Vielleicht kannst du Pa täuschen mit deinem ‚den schreibt man mit zwei N‘-Quatsch, aber mich nicht.“
„Schnüffelst du mir etwa hinterher?“
„Nein, ich zähle bloß eins und zwei zusammen.“
„Tja, dann hast du dich eben verrechnet.“
„Du weißt aber schon, dass ich in Mathe schon immer besser war als du…“
„Na und? Mein Gott, dann schreib ich halt mit einem Star, davon geht die Welt doch nicht unter!“
„Das hast jetzt aber du gesagt – ich habe nichts dergleichen behauptet.“
„Auch gut. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich will meine Post lesen.“
„Tu was du nicht lassen kannst, Schwesterchen. Nur eines noch…“
Ich verdrehe die Augen. „Was denn noch?“
„Woher kennst du jemanden wie Logan Lerman?“
„Eifersüchtig?“
„Wohl eher neugierig.“
„London.“
„Interessant.“
„Ja, und tschüss!“ Ich mache am Absatz kehrt und renne die Treppe rauf ehe Martin mich noch weiter in dieses konfuse Gespräch verwickeln kann. In meinem Zimmer angekommen mache ich mir erst gar nicht die Mühe nach meinem Brieföffner zu suchen, der vor ein paar Tagen in dem endlosen wieder herrschenden Chaos auf meinen Schreibtisch verloren gegangen ist, sondern reiße den Umschlag einfach auf. Eilig überfliege ich die handgeschriebenen Briefzeilen. Es steht nichts Besonderes oder Außergewöhnliches in dem Brief, aber das macht nichts. War ja bei den anderen auch nicht anders gewesen. Logan erzählt darüber wie er mit seiner Schwester „Titanic“ in 3D im Kino anschauen war (gezwungenermaßen), das er „Den Säulen der Erde“ nichts viel abgewinnen kann obwohl er die Filme noch gar nicht gesehen hat, teilt mir mit, dass das mit den fliegenden Chucks wohl auf die Schnelle nichts werden wird und das er gerade irgendwo am Set von „Percy Jackson 2“ ist. Nur am Ende steht eine interessante Kleinigkeit. Er hatte mal eine Freundin die ihn ständig Lolo nannte. Mann, das ich nicht selbst darauf gekommen bin – allerdings, was lächerliche Spitznamen betrifft bin ich nicht gerade eine Meisterin darin, mal abgesehen von Mister Anzug…
Ich muss lachen und lege den Brief zur Seite. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch ein bisschen Zeit habe bevor Marty mich fürs Kino abholt. Noch genug Zeit um Logan eine Antwort zu schreiben und diese dann noch heute aufzugeben. Ich hole mein Briefpapier und meine Füllfeder aus der Schreibtischschublade und mache auf der Tischplatte ein wenig Platz.
Lieber Lolo!
Wie du an meiner Anrede siehst konnte ich der Versuchung einfach nicht wiederstehen. Man darf mir solche Sachen einfach nicht sagen! Aber du hast es ja auch provoziert muss ich dazusagen…
Da bin ich auch schon wieder. Hat jetzt ein bisschen länger gedauert, aber meine Freundin hatte das Wochenende Geburtstag und so bin ich nicht zum Schreiben gekommen.
Hoffe euch gefällt das neue Kapitel und werde mich beeilen alsbald weiterzuschreiben.
LG Robin
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5. Ein überraschendes Treffen
24 Stunden früher
24 Stunden früher
Ich schaue jetzt schon zum fünften Mal auf die Digitaluhr auf meinem Handydisplay. Die Zeit vergeht, doch noch immer keine Spur von Marty. Es ist schon fast vier Uhr. Wenn sie nicht bald auftaucht, kann sie sich die Shoppingtour abschminken, denn sonst verpassen wir den Film. Ungeduldig trommel ich mit meinen Fingern auf der Tischplatte rum, während ich mir ein Stück von meinem Cinnabon Classic in den Mund schiebe. Zwar habe ich mir noch vor einem Monat geschworen die Finger auf ewig von dieser übergroßen, megasüßen und ganz und gar ungesunden Zimtschnecke zu lassen, aber mein Magen hat geknurrt und ich hatte Hunger. Tja, wenn ich in einem schlecht bin, dann darin jeglicher Versuchung ohne viel Gegenwehr zu widerstehen. Den Grund wieso ich der süßen Versuchung noch vor kurzem abgeschworen habe verdränge ich gekonnt.
Während ich kaue werfe ich erneut einen Blick auf mein Handydisplay. Doch das Einzige was ich sehe ist, dass die Zeit vergeht.
„Ähm, entschuldige bitte, aber ist dieser Platz zufällig noch frei?“, fragt da plötzlich eine männliche Stimme.
Überrascht hebe ich den Blick und mustere den Besitzer der Stimme. Sie gehört einem großgewachsenen Mann um die Ende Zwanzig, mit kurzem braunen Haar, dunkelbraunen, schon fast schwarzen Augen und einem strahlendend weißen Zahnpasta-Lächeln. Ich runzle die Stirn. Irgendwie kommt mir sein Gesicht bekannt vor. Er schaut mich erwartungsvoll an. Ich werfe einen Blick auf die anderen Tische rechts von mir. Kein Einziger ist besetzt.
„Eigentlich warte ich hier auf jemanden“, erwidere ich schlussendlich. Ich habe keine Lust mich jetzt in eine Unterhaltung verwickeln zu lassen, vor allem da Marty jeden Augenblick aufkreuzen kann.
Der Fremde grinst verschmitzt. „Du erkennst mich wohl nicht, oder?“
Ich schaue ihn verwirrt an. Erkennen? Ich habe den Typen noch nie in meinem Leben gesehen – was war das bitte für eine billige Anmache, hm? „Ich bezweifle, dass es da etwas zu erkennen gibt.“
Diesmal lacht er. „Nun ja, beim letzten Mal war ich auch nicht ganz so leger angezogen und hatte einen ordentlichen Seitenscheitel.“
Okay, was geht hier gerade vor? „Aha, interessant. Der Platz ist aber noch immer besetzt und ich warte noch immer auf jemanden, also…“
„London? Heathrow – sagt dir das etwas?“
Oh Mann, der ließ wohl nicht locker! Ich seufze und mustere ihn noch einmal von Kopf bis Fuß. London. Heathrow… Da fällt mir nur meine Begegnung mit Logan ein und das ich fast meinen Flug… Oh mein Gott!
„Oh mein Gott – jetzt erkenne ich dich! Du bist Mister Anzug!“, rutscht es mir unbeabsichtigt heraus und sofort schlage ich mir die Hand vor den Mund. Ich spüre wie mir die Hitze ins Gesicht steigt.
Doch Mister Anzug sieht die Sache gelassen. Er lacht und meint: „Netter Spitzname, aber eigentlich heiße ich Paul. Ist der Platz jetzt frei?“
Noch immer peinlich berührt von meinem Tritt ins Fettnäpfchen fehlen mir die Worte, also nicke ich einfach. Es macht mich wütend, dass mein Hirn auf einmal jegliche Denkfunktion eingestellt hat. Nicht einmal als ich Logan über den Weg gelaufen bin hat es mir die Sprache verschlagen. Das ist kein gutes Zeichen – definitiv nicht. Ganz und gar nicht!!
„Du schaust so entsetzt – habe ich dich etwa in Verlegenheit gebracht?“, fragt Paul nach einer Weile, nachdem er den ersten Bissen von seinem Cinnabon Classic heruntergeschluckt hat.
Ich schaue ihn mit großen Augen an. „Nein, mich bringt nichts so leicht in Verlegenheit!“
Paul lacht. „Das merkt man.“
Ich ignoriere den sarkastischen Unterton in seiner Stimme und frage stattdessen: „Wie hast du mich erkannt?“
„An deiner Nase“, kommt es wie aus der Pistole geschossen.
Ich kann nicht umhin ihn noch ein Stückchen schockierter anzuschauen und greife mir unbewusst auf meine Nase. „Wirklich?“
„Mhm, ja – die ist unverkennbar“, antwortet er mit vollem Mund.
Na toll, er hat mich an meiner unverkennbaren Nase erkannt. „Soll ich das jetzt als Kompliment oder Beleidigung auffassen?“, frage ich, weil ich mir selbst nicht ganz sicher bin. Ich ärgere mich über meine eigene Unsicherheit. Normalerweise bin ich nicht so. Was ist bloß los mit mir?
Paul zuckt mit den Schultern. „So ein markantes Profil wie deins vergisst man halt nicht so leicht. Ich würde es an deiner Stelle als Kompliment auffassen.“
Ich mustere ihn kurz prüfend. Anscheinend meint er das ernst. „Na wenn das so ist, dann danke.“
„Keine Ursache.“
Ich lasse meine Hand langsam sinken und streiche dabei mit meinen Fingerkuppen über meinen Nasenrücken. Dabei streife ich die eine Stelle an der es sich anfühlt als würde sich ein Knochensplitter jeden Moment durch meine Haut durchbohren, was natürlich lächerlich ist, weil die Nase aus einem Knorpel besteht. Dennoch zucke ich wie immer wenn ich diese kleine Stelle berühre unwillkürlich zusammen und ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken.
Paul muss mein Zusammenzucken bemerkt haben, denn er schaut mich mit gerunzelter Stirn an. „Alles in Ordnung?“
„Was?... Ähm, ja – alles okay. Es ist nur… ach nichts.“
„Was ist nur?“
„Nichts ist nur, vergiss es einfach, okay.“
„Okay. Themenwechsel?“
„Mhm…“
Es folgt eine kurze Pause. Dann fragt Paul: „Wie heißt du eigentlich? Da schenke ich einem Mädchen meinen Business Class Bordingpass und weiß noch nicht einmal ihren Namen.“
Ich zögere kurz, antworte aber schlussendlich doch noch. „Ich heiße Louisa, aber ich werde von allen nur Lou genannt.“
„Freut mich deine Bekanntschaft zu machen, Lou“, erwidert Paul und streckt mir über den Tisch seine Hand entgegen.
Ich schaue diese kurz verwirrt an, ergreife sie dann aber und dann schütteln wir eine halbe Ewigkeit Hände. Irgendwann fangen wir beide plötzlich an zu lachen und lassen unsere Hände los.
„Ich glaube so lange habe ich noch nie mit einem Mädchen händegeschüttelt“, meint Paul und genehmigt sich noch ein Stück von seiner Zimtschnecke.
„Geht mir genauso. Ich meine natürlich mit einem Jungen… äh… Mann… äh…“ Ich schaue Paul hilflos an. Doch bevor er etwas darauf erwidern kann läutet auf einmal mein Handy. Die Titelmusik von „Zurück in die Zukunft“ ertönt und ich weiß sofort, dass es Marty ist. Eilig schnappe ich nach meinen Handy und brauche in meiner Eile drei Anläufe um auf dem Touchscreen abzuheben.
„Marty, verdammt wo steckst du? Ich warte hier schon seit einer Stunde auf dich. Ich komm mir vor wie bestellt und nicht abgeholt!“
„Hey, Lou! Sorry, dass ich nicht früher angerufen habe, aber wir müssen das Kino auf morgen verschieben.“
„Auf morgen verschieben, wieso?“
„Ich bin im Krankenhaus.“
„Du bist wo?“
„Keine Sorge, mir fehlt nichts.“
„Wieso bist du dann in einem Krankenhaus?“
„Wegen Sven.“
„Wegen Sven?“
„Ja, wir waren auf der Donauinsel Inlineskaten und er ist blöd gestürzt und hat sich dabei den Arm gebrochen und ein paar Schürfwunden davongetragen.“
„Er hat sich den Arm beim Inlineskaten gebrochen?“
„Ja, hab ich doch gerade gesagt. Und könntest du bitte aufhören mir alles nachzuplappern wie ein Papagei?“
„Beim Inlineskaten? Echt jetzt?“, wiederhole ich anstatt auf Martys genervten Kommentar einzugehen.
Ich höre ein Stöhnen am anderen Ende der Leitung. „Ja, Lou – beim Inlineskaten. Weißt du, Leute verletzten sich beim Sport ab und zu einmal.“
„Tja, jetzt weißt du auch wieso ich keinen Sport betreibe.“
„Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt um Witze zu reißen.“
„Ja, und es ist definitiv nicht der richtige Zeitpunkt um mir erst jetzt Bescheid zu sagen, dass das Kino abgeblasen ist.“
„Und es tut mir auch leid – aber in der ganzen Aufregung hab ich einfach ganz und gar auf dich vergessen. Sorry, Lou – aber…“
„Ist schon gut!“, sage ich etwas gereizter als beabsichtigt.
„Sei jetzt bitte nicht sauer.“
„Ich bin nicht sauer.“
„Du klingst aber so…“
„Tue ich nicht.“
„Doch.“
Ich seufze. Ich habe jetzt wirklich keine Lust auf irgendwelche dämlichen Debatten mit Marty. „Ist noch etwas, sonst leg ich jetzt auf…“
„Ja. Also holen wir das Kino morgen nach?“
Ich überlege kurz ob ich morgen etwas vorhabe oder irgendwelchen Verpflichtungen nachgehen muss, doch mir fällt nichts ein. Ich seufze erneut. „Also gut, morgen dann. Aber ohne Shoppingtour vorher, okay? Ich will in die Millennium City und nicht ins Donauplex, wenn es sich schon vermeiden lässt.“
„Okay, wie du willst.“
„Gut, ich schau dann nach wegen der Uhrzeit. Ich ruf dich am Abend noch mal an.“
„Okay. Dann bis am Abend.“
„Bis am Abend. Und Marty?“
„Ja?“
„Wünsch Sven von mir gute Besserung und sag ihm, dass ich weiß, dass er den Stunt nur hingelegt hat um sich vor einer Shoppingtour mit dir zu drücken!“
Marty lacht. „Ich werd’s ihm ausrichten. Bye.“
„Bye“, verabschiede ich mich und warte darauf, dass Marty auflegt, sodass ich mich nicht wieder mit meinem Handytouchscreen herumärgern muss. Dann lege ich mein Handy wieder zur Seite und widme meine ganze Aufmerksamkeit wieder Paul, welcher indes gerade das letzte Stück von seinem Cinnabon Classic herunterschluckt. Ich kann nicht umhin einen Blick auf meine eigene Monsterzimtschnecke zu werfen an der ich schon seit fast einer halben Stunde mit einer Plastikgabel herum werkle und die scheinbar nicht kleiner sondern immer größer wird – die Zimtschnecke, nicht die Gabel (nur falls das hier nicht so ganz klar rübergekommen ist – meine Gedanken sind manchmal ein bisschen wirr…).
„Geplatzte Verabredung?“, fragt Paul dann plötzlich ganz unvermittelt, während ich mir gerade ein kleines Stück von meiner Zimtschnecke in den Mund schiebe und mich vor Überraschung beinahe daran verschlucke. Ich muss husten und schnappe nach Luft. Als ich endlich wieder welche bekomme antworte ich: „Kann man so sagen.“
„Kino?“
Ich schaue Paul kurz verirrt an. Soll das jetzt eine Einladung sein, oder was? „Wie bitte?“
„Na ich mein, ob du eine Kinoverabredung gehabt hast.“
Ich zögere einen Moment und genehmige mir noch einen süßen Bissen. „Ich wüsst zwar nicht was dich das angeht, aber ja.“
„Was für ein Film?“
Ich überlege kurz ob ich jetzt einfach lügen und irgendeinen Actionfilm nennen oder die Wahrheit sagen soll. Ich entschließe mich ehrlich zu sein. „Merida – Legende der Highlands.“
Ich mustere Pauls Gesicht mit prüfendem Blick und suche es nach Spuren von Entsetzen oder Amüsement ab, doch ich finde nichts dergleichen. Stattdessen meint er nur: „Den hab ich mir letztes Wochenende mit meiner kleinen Nichte angeschaut. Ist ganz gut.“
Vor Überraschung über diesen Kommentar verfehle ich mit der Gabel meinen Mund und so macht meine rechte Wange Bekanntschaft mit einem zu locker aufgespießten Zimtschneckenstück, welches prompt von der Gabel herunter auf meine gerade erst frisch gewaschene Lieblingsjeans fällt. „Verdammt!“, fluche ich und hebe das Stück mit den Fingern auf, schaue es kurz unentschlossen an, entschließe mich dann aber schlussendlich doch noch dafür es zu essen.
Paul lacht indes über meine Unschicklichkeit, steht auf und holt ein paar Servietten, von denen er mir gleich einmal eine entgegenhält. Dankbar nehme ich die Serviette entgegen und wische mir damit meine klebrige Wange ab und reibe dann ein bisschen an dem Fleck auf meiner Jeans herum, sehe aber ziemlich bald ein, dass es ein sinnloses Unterfangen ist.
„Ohne jetzt aufdringlich klingen zu wollen, aber hast du heute noch irgendetwas vor?“, fragt Paul nach einer Weile in der ich meine Zimtschnecke fast schon zu zwei Dritteln aufgegessen habe. Ich schiebe den Pappteller von mir, weil ich voll bin und weiß, dass wenn ich das letzte Drittel jetzt noch herunterwürgen würde mir mindestens drei Stunden lang kotzübel sein wird wie beim letzten Mal als ich mir unbedingt eingebildet habe die ganze Riesenzimtschnecke bis auf den letzten Krümel aufzuessen. Mein Magen mag zwar ein schwarzes Loch sein – aber es hat eine Schwachstelle…
Ich schaue Paul überrascht an und werfe dann einen Blick auf mein Handydisplay. Es ist schon fast halb fünf. Ich überlege kurz und zucke dann mit den Schultern. „Naja, bis auf Kino hab ich nichts geplant gehabt für heute Abend. Und da das abgeblasen ist hab ich eigentlich Zeit um irgendetwas zu unternehmen…“
Am nächsten Tag
„Hey, Lou! Post für dich“, höre ich Martin von unten schreien als ich gerade dabei bin mir ein gemütliches Kinooutfit auszusuchen. Schnell ziehe ich mir das erstbeste T-Shirt an das ich aus meiner Kommode fische und renne mit trampelnden Schritten eilig die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Fast stolpere ich auf dem letzten Stück über meine eigenen Füße und dann renne ich obendrein beinahe noch meinen Bruder um als ich auf meinen dünnen Socken auf dem Fliesenboden um die Ecke in die Küche rutschte, wo Martin gerade dabei ist die Post zu sortieren.
„Hey, nicht so stürmisch, Schwesterchen!“, lacht Martin und wedelt mit dem Brief vor meiner Nase herum. Ich will nach dem Umschlag schnappen, doch Martin hält ihn außer Reichweite.
„Gib schon her!“ Ich springe, bekomme den Umschlag aber nicht zu fassen. „Ach komm, Martin. Das ist nicht lustig! Gib schon her!“
Martin zieht ein nachdenkliches Gesicht und drückt mir dann seufzend den Brief in die Hand. „Früher war es irgendwie lustiger dich mit solchen Dingen zu ärgern.“
„Ja, ja – früher war alles besser und jetzt gib her“, maule ich, reiße ihm den Umschlag aus der Hand und eile dann aus der Küche raus.
„Na, wie geht’s deinem Hollywoodstar so?“, höre ich Martin mir hinterherrufen als ich schon fast wieder bei der Treppe bin. Ich halte mitten im Schritt inne und drehe mich überrascht um. Martin kommt locker aus der Küche geschlendert, hebt herausfordernd die Augenbraun und verschränkt die Arme vor seiner Brust.
„Woher…?“
„Ach, komm Lou! Vielleicht kannst du Pa täuschen mit deinem ‚den schreibt man mit zwei N‘-Quatsch, aber mich nicht.“
„Schnüffelst du mir etwa hinterher?“
„Nein, ich zähle bloß eins und zwei zusammen.“
„Tja, dann hast du dich eben verrechnet.“
„Du weißt aber schon, dass ich in Mathe schon immer besser war als du…“
„Na und? Mein Gott, dann schreib ich halt mit einem Star, davon geht die Welt doch nicht unter!“
„Das hast jetzt aber du gesagt – ich habe nichts dergleichen behauptet.“
„Auch gut. Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich will meine Post lesen.“
„Tu was du nicht lassen kannst, Schwesterchen. Nur eines noch…“
Ich verdrehe die Augen. „Was denn noch?“
„Woher kennst du jemanden wie Logan Lerman?“
„Eifersüchtig?“
„Wohl eher neugierig.“
„London.“
„Interessant.“
„Ja, und tschüss!“ Ich mache am Absatz kehrt und renne die Treppe rauf ehe Martin mich noch weiter in dieses konfuse Gespräch verwickeln kann. In meinem Zimmer angekommen mache ich mir erst gar nicht die Mühe nach meinem Brieföffner zu suchen, der vor ein paar Tagen in dem endlosen wieder herrschenden Chaos auf meinen Schreibtisch verloren gegangen ist, sondern reiße den Umschlag einfach auf. Eilig überfliege ich die handgeschriebenen Briefzeilen. Es steht nichts Besonderes oder Außergewöhnliches in dem Brief, aber das macht nichts. War ja bei den anderen auch nicht anders gewesen. Logan erzählt darüber wie er mit seiner Schwester „Titanic“ in 3D im Kino anschauen war (gezwungenermaßen), das er „Den Säulen der Erde“ nichts viel abgewinnen kann obwohl er die Filme noch gar nicht gesehen hat, teilt mir mit, dass das mit den fliegenden Chucks wohl auf die Schnelle nichts werden wird und das er gerade irgendwo am Set von „Percy Jackson 2“ ist. Nur am Ende steht eine interessante Kleinigkeit. Er hatte mal eine Freundin die ihn ständig Lolo nannte. Mann, das ich nicht selbst darauf gekommen bin – allerdings, was lächerliche Spitznamen betrifft bin ich nicht gerade eine Meisterin darin, mal abgesehen von Mister Anzug…
Ich muss lachen und lege den Brief zur Seite. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich noch ein bisschen Zeit habe bevor Marty mich fürs Kino abholt. Noch genug Zeit um Logan eine Antwort zu schreiben und diese dann noch heute aufzugeben. Ich hole mein Briefpapier und meine Füllfeder aus der Schreibtischschublade und mache auf der Tischplatte ein wenig Platz.
Lieber Lolo!
Wie du an meiner Anrede siehst konnte ich der Versuchung einfach nicht wiederstehen. Man darf mir solche Sachen einfach nicht sagen! Aber du hast es ja auch provoziert muss ich dazusagen…