Feuerklinge
von Ignis
Kurzbeschreibung
»Das Lächeln auf Rocheforts Lippen bildete einen harten Kontrast zu dem kalten, hasserfüllten Feuer, das in seinem Auge brannte. Obgleich es ein Lächeln ohne Freude war, so war es auch nicht möglich, Gefühle wie Hass oder Wut aus ihm herauszulesen – dieses Lächeln stand für nichts, für keine der Emotionen, die gerade in seinem Inneren tobten. Es sollte lediglich den Mann verhöhnen, dessen Aufmerksamkeit er mit einer Stimme, erfüllt von Spott und Hohn, auf sich zog. „Habt Ihr also Euren Unruhestifter gefunden, Gascogner?“« [basiert auf dem Film von 1993]
KurzgeschichteThriller, Angst / P16 / Gen
Graf Rochefort
29.04.2012
29.04.2012
1
4.036
29.04.2012
4.036
A/N: Nach einer sehr langen Zeit in dem sie stets in einem einzigen Fandom verweilte, wagt die gute Ignis sich nun doch hierher, einen netten Oneshot im Gepäck :3
Wie man leicht erraten kann, ist es das erste Mal, dass ich etwas zu Rochefort bzw. ganz allgemein zu Den Drei Musketieren schreibe. Feedback ist mir - auch ungeachtet dessen - natürlich immer sehr willkommen! ^.^
Eine kleine Anmerkung zum Schluss vielleicht noch: Nicht nur der Film von 1993 diente hierbei als Inspiration, sondern auch der Oneshot Fading Vision von Somnium Glacies. Man könnte durchaus behaupten, dass dies hier eine Fortsetzung ist, sofern sie Somniums Werk auch nur ansatzweise würdig ist, natürlich. Wer ihren OS gelesen hat, wird hier also schnell erkennen, dass mein Oneshot einige Monate nach dem ersten Duell zwischen Rochefort und d'Artagnan senior spielt. Nun aber genug der Werbung, ich wünsche viel Freude beim Lesen! ^^
Lieder, die beim Lesen gehört werden können/sollten:
Archangel und Nemesis von Two Steps From Hell
Ultimate Power von Epic Score (eher gegen Ende des Oneshots)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die Finsternis flog hinfort, zog wie ein dunkles Banner an ihm vorbei, vermischte sich mit dem silbernen Licht des Mondes und ließ die Landschaft zu einem unruhigen Gemisch grauer und schwarzer Schlieren verschwimmen. Die Hufe seines Pferdes trommelten in raschem Tempo auf den Boden, machten den hektischen Rhythmus, den das Tier verfolgte, weithin hörbar, während das leise Klirren seines Degens, der immerzu gegen dessen Seite schlug, völlig verschluckt wurde. Es war ein Gesang, der durch die Dunkelheit schoss, ebenso schnell wie das Pferd und sein Reiter selbst – und mindestens genauso gefährlich.
Der Blick unter dem nunmehr schwarzen Hut war fest auf das Ziel, nein, die Beute gerichtet, welche immerzu drohte, von der nächtlichen Schwärze verschluckt zu werden. Doch er sah gut, sehr gut sogar. Sollte dieser ahnungslose Narr seinen Ritt genießen! Er würde keine Gelegenheit auf einen weiteren bekommen, dafür war gesorgt.
Ein Lächeln umspielte die Lippen des Reiters, Vorfreude glomm in den dunklen Tiefen seines Auges. Wie sehr hatte er sich darauf gefreut? Wie lange hatte er auf diese Gelegenheit warten müssen, wie viele Monate hatte er sich darauf vorbereitet? Jeder einzelne von ihnen war zu lang gewesen, hatte das Feuer in seinem Inneren weiter angefacht, das nur darauf wartete, aus ihm herauszubrechen und jenen Mann, jenen törichten Narren, der ihm so verhasst war, zu verschlingen.
Doch noch war es nicht so weit.
Der Gedanke daran vermochte die aufkeimende Begeisterung in seinem Inneren nur mäßig zu dämpfen. Ja, er würde sich noch einige Augenblicke gedulden müssen, ehe er ihn für das büßen lassen konnte, was er ihm angetan hatte, doch das war es wert. Er wartete schon so lange, nun voreilig zu handeln wäre mehr als dumm und das war er nicht. Keineswegs.
Ihr Plan war großartig, nahezu perfekt und genau darin lag das Problem: Es konnten immer noch Fehler passieren. Fehler, die er nicht dulden würde, weder, wenn es die seinen waren, doch noch viel weniger, wenn sie sein Compagnon zu verantworten hatte. Niemandem war es gestattet, ihn von diesem Kampf abzuhalten, niemand hatte die Erlaubnis, sich ihm in den Weg zu stellen und ihm seine Rache zu verwehren. Jeden, der es dennoch wagte, würde scharfer Stahl in seine Schranken weisen.
Nur noch vage Schemen ließen ihn den Aufenthaltsort des zweiten Reiters erahnen, der immer mehr drohte, mit der Finsternis zu verschmelzen. Etwas, das der Comte selbst schon lange getan hatte. Seine Kleidung war pechschwarz, nichts zeugte mehr von dem Musketier, der er einst gewesen war – gut so. Seine Person war nun eine andere, seine Aufgabe nicht mehr die, als des Königs Schild zu fungieren. Er würde ihre Kleider niemals mehr tragen, war ihm doch nur allzu sehr bewusst, dass er schon lange keiner mehr von ihnen war. Es machte ihm nicht das Geringste aus. Sein Hass galt nicht nur d’Artagnan, sondern jedem einzelnen von ihnen, die ihn immer noch wie einen Schwächling, ein Krüppel bemitleideten, wenngleich er bereits mehr als einmal bewiesen hatte, dass seine Stärke nicht im Mindesten gelitten hatte. Er wusste, wie sie ihn sahen, wusste, dass sie ihn als armen, verzweifelten Veteranen betrachteten, der immer noch nicht glauben konnte, dass seine Zeit als Fechter vorbei war. Narren, allesamt!
Flammender Hass verschlang den letzten Rest Vorfreude, verbrannte und zerfetzte sie, bis sie nicht mehr als ein Funken Asche in der Finsternis war. Das hier würde kein Duell werden, das Begeisterung in ihm weckte – in diesem Duell würden Hass und Wut toben und er war sich dessen nur allzu gut bewusst. Er würde d’Artagnan nicht einfach so davon kommen lassen, nachdem er sein Leben völlig zerstört hatte. Er würde ihm zeigen, was es bedeutete, jeglichen Sinn seiner Existenz einzubüßen und das, wofür er lebte, beinahe zu verlieren.
Er trieb sein Pferd an, sprengte hinter dem Narren hinterher, der glaubte, er verfolge einen Verbrecher und völlig vergaß, einen Blick über die Schulter zu werfen, um den Schatten zu sehen, der ihm nachjagte, nur auf seine Chance wartete, ihn von seinem Pferd zu reißen und in einem allerletzten Duell zu töten. Seine Zeit war abgelaufen, sein Vorsprung mehr als genug, hatte der Fechter ihn doch beinahe aus den Augen verloren. Genau, wie es sein sollte.
Das leise Rauschen der Seine drang an seine Ohren und seine Mundwinkel zuckten nach oben, als ein Funke des Triumphes das dunkle Feuer des Hasses für kurze Zeit in Helligkeit tauchte. Er währte nicht lange, denn als er dem Vorderen endlich nahe genug gekommen war und jene Person erblickte, die er mehr hasste, als jeden anderen Musketier, brach heiße, glühende Wut über ihn herein, verflocht sich zischend und fauchend mit dem Hass, der ihn fest in seinem Griff hielt.
Er zügelte sein Pferd, noch bevor d’Artagnan dasselbe tat, den Musketier nicht mehr aus den Augen lassend, auch dann nicht, als dieser schließlich abstieg, um den vermeintlichen Verbrecher zu stellen, dessen rein erfundener Fluchtweg von der Seine versperrt war. Leise drangen Worte an sein Ohr, doch scheuchte er sie hinfort. Ihn interessierte nicht, was dieser Narr sagte, allein seine Taten waren von Belang – und sein Degen. Ja, sein Degen würde ihm alles sagen, was er wissen musste, ohne auch nur die kleinste Silbe auszulassen.
Allerdings musste er doch zugeben, dass sein Geschwätz durchaus von Nutzen war: Es dämpfte das Rascheln seiner Kleidung, das leise Klirren seiner Waffe und das Schnauben seines Pferds, als er sich aus dem Sattel schwang. Die Jagd hatte ihr Ende gefunden, die Falle war zugeschnappt und nun galt es, das auch der Beute bewusst zu machen.
Das Lächeln auf Rocheforts Lippen bildete einen harten Kontrast zu dem kalten, hasserfüllten Feuer, das in seinem Auge brannte. Obgleich es ein Lächeln ohne Freude war, so war es auch nicht möglich, Gefühle wie Hass oder Wut aus ihm herauszulesen – dieses Lächeln stand für nichts, für keine der Emotionen, die gerade in seinem Inneren tobten. Es sollte lediglich den Mann verhöhnen, dessen Aufmerksamkeit er mit einer Stimme, erfüllt von Spott und Hohn, auf sich zog. „Habt Ihr also Euren Unruhestifter gefunden, Gascogner?“
Leise fauchend schabte der Stahl über die Innenseite der Scheide, als der Angesprochene herumfuhr und seine Waffe zog. Des Grafen Lächeln wurde breiter. Die Überraschung im Gesicht des Musketiers ließ einen Hauch von Genugtuung in ihm aufglimmen, welche sich langsam zu einer kleinen Flamme entzündete, als Misstrauen in seinen Augen flackerte.
„Rochefort. Ihr steht also wieder auf beiden Beinen?“ Der Degen des Soldaten zitterte leicht, kaum merklich, doch war es offensichtlich, dass er nicht wusste, was sein einstiger Kamerad vor hatte. Unruhig huschte sein Blick über die Schulter, zurück zu jenem Mann, den er zuvor noch als Feind betrachtet hatte.
Rochefort betrachtete die Klinge, die im Mondlicht leicht blitzte und deren Spitze sich mit leichtem Zögern auf Höhe seines Herzens begab. Seine Hand lag auf dem Griff seines Degens, er spürte die Kälte, die angenehm seine Finger hinauf kroch und nahm die Vorfreude wahr, die erneut in ihm hochwallte, beinahe von der Wut verschlungen wurde, die immer noch lichterloh in ihm brannte und dennoch nicht verlöschen wollte. Sonderbar – doch für ihn ohne jede Wichtigkeit.
Sein Blick huschte an d’Artagnan vorbei, in Richtung Seine und er vermochte nicht, ein kleines, spöttisches Grinsen zu unterdrücken, als genau das geschah, was er erwartet hatte. Der Musketier wandte seine Aufmerksamkeit dem Fremden zu, der soeben seine Waffe gezogen hatte.
Narr.
Eine Klinge zerschnitt die Finsternis, teilte sie zischend entzwei. Lautlos zerriss weicher Stoff, stumm floss Blut über den glänzenden Stahl und ein gellender Schrei hallte durch die Dunkelheit.
Jede Andeutung eines Lächelns war aus Rocheforts Gesicht verschwunden, nur kalter Hass brannte in seinem Auge, dessen Blick aufmerksam auf den jungen Mann gerichtet war, der wütend und nicht minder hasserfüllt zurückstarrte. Er wich einige Schritte zurück, um freie Sicht auf seine beiden Feinde zu haben, den Degen kampfbereit erhoben.
Blut sickerte aus einer tiefen Wunde, die sich quer über seinen Oberarm zog, färbte den kobaltblauen Umhang der Musketiere in ein dunkles Rot, das mit der Finsternis zu verschmelzen schien. „Was ist aus Eurer Ehre geworden, Rochefort? Seid Ihr nun zu schwach, um es in einem fairen Duell mit mir aufzunehmen?“
Mit einem Mal explodierte die Wut in seinem Körper, hüllte ihn in ein flammendes Inferno, das jedes andere Gefühl zu verschlingen drohte. Dieser Narr wagte es, ihm einen Vortrag über Ehre zu halten?! Ausgerechnet er, der einem Fechter nicht nur die Hälfte seiner Sehkraft geraubt hatte, sondern auch beinahe jeden Sinn, den sein Leben je besessen hatte?! Er, der ein solch schwerwiegendes Verbrechen begangen hatte, klagte ihn nun des unehrenhaften Verhaltens an?!
Der Griff um seinen Degen wurde stärker, doch ließ er nicht zu, dass die Flammen in seinem Inneren einfach so hervorbrachen. Er würde diesem Feuer Nahrung geben, so viel es nur wollte, jedoch Stück für Stück – d’Artagnan sollte genauso leiden, wie er es getan hatte.
Leise, beinahe lautlos bewegte er sich auf den Gascogner zu; seinen Compagnon hatte er bereits völlig vergessen. Er würde sich zu benehmen wissen – andernfalls hatte er die schmerzhaften Konsequenzen zu tragen.
Obgleich seine Bemerkung voller Hohn war, hatte sich keinerlei Lächeln auf die Lippen des Musketiers verirrt. Endlich schien er begriffen zu haben, dass dies das letzte Duell zwischen ihnen sein würde. Diese Beobachtung verschaffte dem Comte jedoch nicht die geringste Genugtuung – es war lediglich ein trockener Fakt.
Nein, was wirklich seinen Hunger nach Rache stillen würde, war das Klirren des Stahls, das wilde Fauchen der Klingen und die blutrote Pein, die sich schon bald auf dem Gesicht dieses Narren abzeichnen würde.
Rochefort hob seinen Degen und langsam setzte sich auch der Gascogner in Bewegung, den Kreis immer enger ziehend, den Abstand zwischen ihnen immer mehr verringernd – die Zeit seines Lebens rapide verkürzend.
Sein Schlag zerfetzte die Luft, der wilde Gesang der Klingen durchbrach die Dunkelheit, als d’Artagnan seinen Angriff abwehrte. Blitzschnell zuckte der glänzende, bereits vom Blut befleckte Stahl zurück, schoss erneut hervor, nur um ein weiteres Mal auf harten Widerstand zu treffen. Fauchend lösten sich die Klingen wieder von einander und der Musketier bewegte sich mit einem Ausfallschritt zur Seite – zur linken Seite.
Lächerlich.
Der Comte fuhr herum, parierte den Schlag, leichte Belustigung funkelte in seinem Auge. Er hatte so viel Zeit gehabt, sein eingeschränktes Sichtfeld durch Schnelligkeit und Vorsicht wieder auszugleichen, dachte dieser Narr denn überhaupt nicht nach? Jene Schwäche, die er zu sehen glaubte, existierte nicht!
Seine Klinge schoss nach oben, trieb die des anderen zur Seite und riss ein Loch in dessen Verteidigung. Kalt bohrte sich die Spitze seines Degens in die Schulter des Gascogners, laut schallte sein gequälter Schrei zwischen den Bäumen hindurch und verlor sich in der Finsternis. Mit einem dumpfen Geräusch schlug seine Waffe auf dem feuchten Waldboden auf.
Rochefort sah auf den Mann hinab, der vor ihm im Gras hockte und mit schmerzverzerrtem Gesicht eine Hand auf die frische Wunde presste. Aus dem Blick des Musketiers sprach eine Aufforderung, eingebettet in tiefschwarzem Hass. Langsam veränderte die metallene Spitze ihr Ziel, bewegte sich gen Boden. Des Grafen Aufmerksamkeit löste sich nur kurz von seinem Feind, wanderte zu dessen Degen, der neben ihm im Gras lag, ehe er d’Artagnans Blick nun seinerseits mit einer Aufforderung begegnete.
Nein, so würde das hier gewiss nicht enden.
Mit einem erzürnten Schnauben griff der Musketier nach seiner Waffe. Keine provokante Bemerkung kam über seine Lippen – die Zeit der Worte war vorüber. Nun würden ihre Klingen sprechen.
Ein amüsiertes Funkeln erhellte den dunklen Hass in seinem Auge für einen Moment, als der Comte die zitternde Klinge seines Gegenübers betrachtete. Wunden an beiden Armen – das Todesurteil eines jeden Fechters, der dreist genug war, seinen Kampf in diesem Zustand fortzusetzen. Der Gascogner hatte seinen Stolz, wie jeder, der dem Führen eines Degens würdig war. Niemals würde er aufgeben, nur der Tod beendete dieses Duell und auch wenn er genau das beabsichtigte, so würde Rochefort dafür sorgen, dass sein Leben nicht so schnell verlosch. Eine solche Gnade war von ihm nicht zu erwarten, nicht heute Nacht.
Eine silberne Schliere zuckte durch die Finsternis, kaum dass der Musketier wieder aufrecht stand. Von Neuem erscholl der Gesang der Klingen und von Neuem sickerte Blut durch den leichten Stoff seines Umhangs, als sein linker Arm unter der Wucht des Angriffs protestierte. Nicht lange und er wäre am Ende, sie beide wussten das, ebenso wie sie wussten, dass der Sieg an jenen gehen würde, dessen Herz am nächsten Tage noch schlug.
Ihre Klingen zerfetzten die Luft, ohne jedoch auf einander zu treffen. Der Musketier war ausgewichen, ließ sich von Rochefort zurücktreiben, der ihm mühelos hinterher setzte, sein Degen kaum mehr als zerfließendes Silber, das durch die Dunkelheit schoss. Er vergaß die Anstrengungen, die seinem Körper Energie raubten, blendete sie vollends aus, wie er es immer tat. Leidenschaft brannte in seinem Inneren, doch noch immer war es der Hass, der keinerlei Freude an diesem Duell zuließ, jeden kleinen Funken sofort verschlang, sobald er auch nur zu glimmen begann.
Kalt war der Stahl, als er d’Artagnans Hals berührte, sich hart und schwer an seine Haut presste und ihm jede Bewegung auf den Tod versagte. Er verharrte, zitternd und keuchend vor Erschöpfung, die sich wie Blei über seinen Körper gelegt hatte. Ohne den Kopf zu drehen, versuchte er, den Blick auf die fremde Klinge zu richten, die hinterrücks aus der Dunkelheit geschossen war und ihm nun seinen Kontrahenten wehrlos auslieferte.
Blind für alles, das nicht von Beginn an in dieses Duell verstrickt war, zischte der Degen des Comte durch die Finsternis, ausholend zum letzten Hieb, der seiner Rache eine Wohltat sein würde. Doch die Unbeweglichkeit seines Gegners überraschte ihn, die Seine mochte ihm zwar jeglichen Fluchtweg abschneiden, doch hatte er noch genug Raum, um seinem Schlag auszuweichen. Sein scharfer Blick durchbohrte die nächtliche Schwärze, durchdrang den Schleier des Hasses, der sich über sein Auge gelegt hatte und gab die Sicht auf den dritten Manne frei, der unmittelbar hinter dem Musketier Stellung bezogen hatte und ganz so wirkte, als wolle er sein Leben beenden, täte es denn der Comte selbst nicht.
Ärger durchzuckte ihn wie ein gleißender, flammender Blitz, rang das Feuer der Rachsucht für einen Augenblick nieder und ließ kalte Wut in ihm aufsteigen, die sich einzig und allein gegen den Compagnon richtete, der dreist genug war, sich in sein Duell einzumischen. Er duldete keine Störung, auch nicht von einem Gardisten des Kardinals!
Die glänzende, von dickflüssigem Blut befleckte, Klinge verharrte in der Luft, blieb, über dem Herzen des Gascogners schwebend, zurück und schoss dann wie ein silberner Pfeil auf die dritte, unerwünschte Klinge zu. Mit einem leisen, überraschten Aufschrei wich der Mann zurück, umklammerte den Griff seines Degens, damit er seiner Hand nicht entglitt.
Das blutdurchtränkte Gras verschluckte seine Schritte, als Rochefort sich an dem Musketier vorbei bewegte, den Störenfried mit bohrendem Blick fixierend, die verfärbte Klinge auf seine Kehle gerichtet. Je näher er ihm kam, desto schneller wich der Gardist zurück, Unverständnis, doch vielmehr noch Angst in den Augen, völlig die Tatsache vergessend, dass auch er eine Waffe besaß, mit der er sich eigentlich hätte verteidigen können. Die Drohung, die aus der Haltung des Comte sprach, vernichtete jeden Gedanken an Gegenwehr und ließ nicht mehr als beklemmende Furcht zurück, die sein Denken immer mehr zu lähmen schien.
„Ich dulde keine Störung.“ Rocheforts Stimme war ruhig, nahezu gelassen und von gnadenloser Strenge. Die Worte, die er sprach, glichen eindeutig einem Befehl, doch der dunkle Unterton ließ keinen Zweifel daran, dass dies zugleich eine Drohung war, die er ohne jegliches Zögern wahr machen würde.
Der Gardist nickte, doch wirkte es mehr wie ein verstörtes Zucken seines Kopfes, den er immer weiter nach hinten legte, um der gefährlichen Spitze der Klinge zu entkommen, die bereits über seine Kehle gestrichen war – einen Strich aus Blut zurücklassend, von dem er nicht zu sagen vermochte, ob es nun das seine war oder das des Musketiers.
Jener hatte die ihm geschenkte Zeit genutzt, um wieder etwas Kraft zu sammeln und ergriff nun die Gelegenheit, die ihm der – wie er empfand – schiere Leichtsinn, mit der sein Gegner ihm einfach so den Rücken zudrehte und ihm alle Aufmerksamkeit entzog, bot. Seine Schritte trugen ihn schnell auf ihn zu, doch der hohe Blutverlust ließ ihn leicht taumeln – er bewegte sich nicht halb so leise, wie Rochefort es tat und auch die Eleganz, an der es für gewöhnlich keinem respektablen Fechter mangelte, war aus seinen Bewegungen gewichen, doch in diesem Augenblick kümmerte ihn das nur wenig. Er hatte nicht vor zu sterben, nicht um seiner Ehre willen, doch wohl seiner Familie wegen.
Das linke Auge des Comte mochte zerstört sein, sein Sichtfeld eingeschränkt und der Blick des verbliebenen auf den zitternden Gardisten gerichtet, doch das bedeutete keineswegs, dass er jenen Mann völlig vergessen hatte, an dem er seine Rache ausüben wollte. Er wusste genau, dass d’Artagnan sich an einem Ort befand, der fern seiner Sicht lag, doch wäre er ein schlechter, ehrloser Fechter, wenn er nicht zumindest ein Ohr auf seinen Gegner hätte.
Er hörte die, vor Erschöpfung schweren, Schritte des anderen, schon lange bevor er die fauchende Klinge vernahm, die die Luft zerschnitt und sich auf ihn zu stürzen drohte.
Viel zu langsam.
Eine einfache Drehung machte den Hieb völlig wirkungslos, scheinbar ohne jede Mühe wischte er den Degen des verhassten Musketiers beiseite, auf dass er seinen entkräfteten Händen entglitt und erneut im Dreck landete. Von der Schwäche gepackt, sackte d’Artagnan in sich zusammen, hielt sich nur durch bloße Willenskraft auf unsicheren Beinen, die ihm schon bald den Dienst versagen würden.
Rochefort ließ nicht von ihm ab.
Unaufhörlich zischte seine Klinge durch die Luft, erneut flammte Hass in seinem Auge auf, leiser Triumph glitzerte in dem unbändigen Feuer, schwache Genugtuung versteckte sich hinter den wilden Flammenzungen.
Mühevoll wich der Gascogner zurück, immer noch nicht bereit, seinen Weg ins Jenseits anzutreten, immer noch voller Lebensgier klammerte er sich an das letzte Bisschen Kraft, das sich noch in ihm befand – und das nur allzu bald verlöschen würde wie eine schwächliche Kerzenflamme.
Ein Ausfallschritt brachte ihm seinen Gegner näher, ein weiterer Hieb brachte das leise Reißen von Stoff mit sich, erneuter Schmerz ließ d’Artagnan aufstöhnen. Er taumelte zurück, seine Beine kaum noch fähig, ihn zu tragen. Ein naher Baum beendete seinen Rückzug und mit Ersterben jeglicher Bewegung, gaben seine Knie letztendlich nach, ließen den schwer verwundeten Fechter einfach im Stich, sodass er zusammenbrach und lediglich sein Bewusstsein ihm noch die Vorgänge um ihn herum vermittelte, ohne dass er jedoch die Chance hätte, irgendwie einzugreifen.
Mit einem Male war Rochefort vor ihm, packte ihn am Kragen und drückte ihn gewaltsam gegen den Baumstamm, wollte, dass der Musketier aufrecht stand, ihm auf gleicher Höhe in die Augen blicken konnte – wenn er ihn tötete. Vor Erschöpfung und Schmerz am ganzen Leibe zitternd, halb blind vor Pein und kaum noch wahrnehmend, was um ihn herum geschah, blickte d’Artagnan seinem Feind entgegen, eine Hand auf die frische Wunde an seiner Hüfte gepresst, die andere verkrampft an den Baum gelegt, in der Hoffnung, etwas Halt zu finden. Wenn er hier starb, so wollte auch er nicht, dass er vor seinem Mörder auf dem Boden kroch, sein Stolz und seine Ehre geboten einen aufrechten Tod, auch wenn die Angst tief in seinen Knochen saß. Nein, sterben wollte er nicht, doch er wusste, dass es nun kein Entrinnen mehr gab – das hatte es nie gegeben. Er hatte dieses Ende herausgefordert, hatte ein Verbrechen begangen, das er nicht abbüßen, sondern nur sein Leben dafür geben konnte. Das Leben, das Rochefort ihm nun nehmen würde, ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, ohne irgendwelches Bedauern für ihn zu empfinden, nicht einmal Reue würde er danach fühlen, so stark flammte der Hass in ihm.
Dies würde das letzte Mal sein, dass ihre Blicke sich trafen.
Ein dunkles Auge voller Hass und Wut – helle Iriden, die nicht minder hasserfüllt zurückstarrten, doch glomm in ihnen auch Angst, Verzweiflung – ein Flehen, das seine Ehre zutiefst verletzte und das er zu unterdrücken versuchte.
Es verschaffte Rochefort unerwartete Genugtuung; besonders in dem Augenblick, in dem es verlosch.
Mit einer leichten Bewegung, so schnell ausgeführt, dass sie für den vernebelten Verstand d’Artagnans kaum sichtbar war, zerriss die blutige Klinge ein weiteres Male die Finsternis, durchstieß ohne jede Schwierigkeit Umhang und Kleidung, hinterließ zischenden, brennenden Schmerz in seiner Brust und ließ Ströme warmen Blutes in den schmutzigen Stoff sickern. Plötzlich ließ die Qual nach, die seinen Körper umfangen hielt, entschwand in der Taubheit, die eine wahre Wohltat für seine Seele war – und ohne weiter nachzudenken, gab er sich ihr hin, voll und ganz.
Blut floss die Klinge hinab, durchdrang den dicken Stoff seines Handschuhs, ließ ihn das Verbrechen fühlen, das er soeben begangen hatte. D’Artagnan war tot, gestorben durch seine Hand, genau in diesem Augenblick. Er hatte das Leben dieses Mannes ausgelöscht, genau wie er auch das seine einfach vernichtet hatte. Doch der Comte hatte ein neues Leben erhalten, noch bevor sein altes verloschen war – ein solches Glück war dem Musketier nicht vergönnt gewesen, nicht in Rocheforts Augen. Er hatte es nicht verdient, hätte wissen müssen, dass der Tod auf ihn warten würde, wenn er ein solches Verbrechen beging. Der Comte zweifelte seine Tat keine Sekunde an, bedauerte den Dahingeschiedenen nicht, doch auch sein Hass gedachte nicht, nun zu verlöschen. Er hatte es gewusst, von Anfang an. Dass er d’Artagnan getötet hatte, hatte seinen Wunsch nach Rache nur leicht verringert, kaum merklich, aber das machte nichts, damit hatte er gerechnet.
Er kehrte dem Musketier den Rücken, wandte sich dem Gardisten zu, der sich bis ans nahe Ufer der Seine zurückgezogen hatte und mit Furcht im Blick zu ihm herübersah. Ohne sich auch nur einmal umzudrehen, ging er auf den Gardisten zu, der sogleich zurückwich, fürchtend, dass er erneut einen Fehler begangen und nun sein Leben verwirkt hatte.
„Aufsitzen!“, befahl er und der Klang seiner schneidenden Stimme ließ den Mann zusammenzucken. „Seine Eminenz soll vom Tod des Gascogners unterrichtet werden. Ihr wisst, welche Worte Ihr wählen müsst.“
Obgleich Rochefort noch kein Mitglied der Kardinalsgarde war, dachte der Gardist gar nicht daran, sich seinem Befehl zu widersetzen, zu tief saß die Angst, die er ihm nur wenige Minuten zuvor eingejagt hatte – jeder seiner Blicke schien ihn aufzuspießen und er war nicht gewillt, diesem Mann einen Anlass zu geben, ihm dieses Gefühl nochmals mit seiner Klinge beizubringen.
Die Lippen, aus Angst, ein falsches Wort mochte über sie kommen, fest zusammengepresst, nickte er also nur überdeutlich und hastete mit großen Schritten zu seinem Pferd.
Rochefort würdigte den Mann keines Blickes mehr, trat an sein eigenes Reittier heran und schwang sich auf dessen Rücken. Erschöpfung befiel ihn, ließ ihn nun jene Anstrengungen fühlen, die er seinem Körper abverlangt und völlig verdrängt hatte. Doch es kümmerte ihn nicht.
Er drückte seine Fersen leicht in die Seiten des Pferdes und das Tier setzte sich in Bewegung, trug ihn fort von d’Artagnan, mit dessen Tode auch seine Vergangenheit endlich gestorben war. Nein, er war kein Musketier mehr und er würde auch nicht zu ihnen zurück kehren, viel zu tief saß der Hass auf sie alle und ihre erbärmliche Arroganz. Er ließ all das zurück, sein altes Leben war vergangen und nun konnte er sich seinem neuen zuwenden – einem Leben an der Seite des Kardinals. Jenem Menschen, der ihm gegenüber trat, ohne auch nur das geringste Mitleid für ihn zu empfinden. Jenem Mann, der seiner Treue würdig war.
Wie man leicht erraten kann, ist es das erste Mal, dass ich etwas zu Rochefort bzw. ganz allgemein zu Den Drei Musketieren schreibe. Feedback ist mir - auch ungeachtet dessen - natürlich immer sehr willkommen! ^.^
Eine kleine Anmerkung zum Schluss vielleicht noch: Nicht nur der Film von 1993 diente hierbei als Inspiration, sondern auch der Oneshot Fading Vision von Somnium Glacies. Man könnte durchaus behaupten, dass dies hier eine Fortsetzung ist, sofern sie Somniums Werk auch nur ansatzweise würdig ist, natürlich. Wer ihren OS gelesen hat, wird hier also schnell erkennen, dass mein Oneshot einige Monate nach dem ersten Duell zwischen Rochefort und d'Artagnan senior spielt. Nun aber genug der Werbung, ich wünsche viel Freude beim Lesen! ^^
Lieder, die beim Lesen gehört werden können/sollten:
Archangel und Nemesis von Two Steps From Hell
Ultimate Power von Epic Score (eher gegen Ende des Oneshots)
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Die Finsternis flog hinfort, zog wie ein dunkles Banner an ihm vorbei, vermischte sich mit dem silbernen Licht des Mondes und ließ die Landschaft zu einem unruhigen Gemisch grauer und schwarzer Schlieren verschwimmen. Die Hufe seines Pferdes trommelten in raschem Tempo auf den Boden, machten den hektischen Rhythmus, den das Tier verfolgte, weithin hörbar, während das leise Klirren seines Degens, der immerzu gegen dessen Seite schlug, völlig verschluckt wurde. Es war ein Gesang, der durch die Dunkelheit schoss, ebenso schnell wie das Pferd und sein Reiter selbst – und mindestens genauso gefährlich.
Der Blick unter dem nunmehr schwarzen Hut war fest auf das Ziel, nein, die Beute gerichtet, welche immerzu drohte, von der nächtlichen Schwärze verschluckt zu werden. Doch er sah gut, sehr gut sogar. Sollte dieser ahnungslose Narr seinen Ritt genießen! Er würde keine Gelegenheit auf einen weiteren bekommen, dafür war gesorgt.
Ein Lächeln umspielte die Lippen des Reiters, Vorfreude glomm in den dunklen Tiefen seines Auges. Wie sehr hatte er sich darauf gefreut? Wie lange hatte er auf diese Gelegenheit warten müssen, wie viele Monate hatte er sich darauf vorbereitet? Jeder einzelne von ihnen war zu lang gewesen, hatte das Feuer in seinem Inneren weiter angefacht, das nur darauf wartete, aus ihm herauszubrechen und jenen Mann, jenen törichten Narren, der ihm so verhasst war, zu verschlingen.
Doch noch war es nicht so weit.
Der Gedanke daran vermochte die aufkeimende Begeisterung in seinem Inneren nur mäßig zu dämpfen. Ja, er würde sich noch einige Augenblicke gedulden müssen, ehe er ihn für das büßen lassen konnte, was er ihm angetan hatte, doch das war es wert. Er wartete schon so lange, nun voreilig zu handeln wäre mehr als dumm und das war er nicht. Keineswegs.
Ihr Plan war großartig, nahezu perfekt und genau darin lag das Problem: Es konnten immer noch Fehler passieren. Fehler, die er nicht dulden würde, weder, wenn es die seinen waren, doch noch viel weniger, wenn sie sein Compagnon zu verantworten hatte. Niemandem war es gestattet, ihn von diesem Kampf abzuhalten, niemand hatte die Erlaubnis, sich ihm in den Weg zu stellen und ihm seine Rache zu verwehren. Jeden, der es dennoch wagte, würde scharfer Stahl in seine Schranken weisen.
Nur noch vage Schemen ließen ihn den Aufenthaltsort des zweiten Reiters erahnen, der immer mehr drohte, mit der Finsternis zu verschmelzen. Etwas, das der Comte selbst schon lange getan hatte. Seine Kleidung war pechschwarz, nichts zeugte mehr von dem Musketier, der er einst gewesen war – gut so. Seine Person war nun eine andere, seine Aufgabe nicht mehr die, als des Königs Schild zu fungieren. Er würde ihre Kleider niemals mehr tragen, war ihm doch nur allzu sehr bewusst, dass er schon lange keiner mehr von ihnen war. Es machte ihm nicht das Geringste aus. Sein Hass galt nicht nur d’Artagnan, sondern jedem einzelnen von ihnen, die ihn immer noch wie einen Schwächling, ein Krüppel bemitleideten, wenngleich er bereits mehr als einmal bewiesen hatte, dass seine Stärke nicht im Mindesten gelitten hatte. Er wusste, wie sie ihn sahen, wusste, dass sie ihn als armen, verzweifelten Veteranen betrachteten, der immer noch nicht glauben konnte, dass seine Zeit als Fechter vorbei war. Narren, allesamt!
Flammender Hass verschlang den letzten Rest Vorfreude, verbrannte und zerfetzte sie, bis sie nicht mehr als ein Funken Asche in der Finsternis war. Das hier würde kein Duell werden, das Begeisterung in ihm weckte – in diesem Duell würden Hass und Wut toben und er war sich dessen nur allzu gut bewusst. Er würde d’Artagnan nicht einfach so davon kommen lassen, nachdem er sein Leben völlig zerstört hatte. Er würde ihm zeigen, was es bedeutete, jeglichen Sinn seiner Existenz einzubüßen und das, wofür er lebte, beinahe zu verlieren.
Er trieb sein Pferd an, sprengte hinter dem Narren hinterher, der glaubte, er verfolge einen Verbrecher und völlig vergaß, einen Blick über die Schulter zu werfen, um den Schatten zu sehen, der ihm nachjagte, nur auf seine Chance wartete, ihn von seinem Pferd zu reißen und in einem allerletzten Duell zu töten. Seine Zeit war abgelaufen, sein Vorsprung mehr als genug, hatte der Fechter ihn doch beinahe aus den Augen verloren. Genau, wie es sein sollte.
Das leise Rauschen der Seine drang an seine Ohren und seine Mundwinkel zuckten nach oben, als ein Funke des Triumphes das dunkle Feuer des Hasses für kurze Zeit in Helligkeit tauchte. Er währte nicht lange, denn als er dem Vorderen endlich nahe genug gekommen war und jene Person erblickte, die er mehr hasste, als jeden anderen Musketier, brach heiße, glühende Wut über ihn herein, verflocht sich zischend und fauchend mit dem Hass, der ihn fest in seinem Griff hielt.
Er zügelte sein Pferd, noch bevor d’Artagnan dasselbe tat, den Musketier nicht mehr aus den Augen lassend, auch dann nicht, als dieser schließlich abstieg, um den vermeintlichen Verbrecher zu stellen, dessen rein erfundener Fluchtweg von der Seine versperrt war. Leise drangen Worte an sein Ohr, doch scheuchte er sie hinfort. Ihn interessierte nicht, was dieser Narr sagte, allein seine Taten waren von Belang – und sein Degen. Ja, sein Degen würde ihm alles sagen, was er wissen musste, ohne auch nur die kleinste Silbe auszulassen.
Allerdings musste er doch zugeben, dass sein Geschwätz durchaus von Nutzen war: Es dämpfte das Rascheln seiner Kleidung, das leise Klirren seiner Waffe und das Schnauben seines Pferds, als er sich aus dem Sattel schwang. Die Jagd hatte ihr Ende gefunden, die Falle war zugeschnappt und nun galt es, das auch der Beute bewusst zu machen.
Das Lächeln auf Rocheforts Lippen bildete einen harten Kontrast zu dem kalten, hasserfüllten Feuer, das in seinem Auge brannte. Obgleich es ein Lächeln ohne Freude war, so war es auch nicht möglich, Gefühle wie Hass oder Wut aus ihm herauszulesen – dieses Lächeln stand für nichts, für keine der Emotionen, die gerade in seinem Inneren tobten. Es sollte lediglich den Mann verhöhnen, dessen Aufmerksamkeit er mit einer Stimme, erfüllt von Spott und Hohn, auf sich zog. „Habt Ihr also Euren Unruhestifter gefunden, Gascogner?“
Leise fauchend schabte der Stahl über die Innenseite der Scheide, als der Angesprochene herumfuhr und seine Waffe zog. Des Grafen Lächeln wurde breiter. Die Überraschung im Gesicht des Musketiers ließ einen Hauch von Genugtuung in ihm aufglimmen, welche sich langsam zu einer kleinen Flamme entzündete, als Misstrauen in seinen Augen flackerte.
„Rochefort. Ihr steht also wieder auf beiden Beinen?“ Der Degen des Soldaten zitterte leicht, kaum merklich, doch war es offensichtlich, dass er nicht wusste, was sein einstiger Kamerad vor hatte. Unruhig huschte sein Blick über die Schulter, zurück zu jenem Mann, den er zuvor noch als Feind betrachtet hatte.
Rochefort betrachtete die Klinge, die im Mondlicht leicht blitzte und deren Spitze sich mit leichtem Zögern auf Höhe seines Herzens begab. Seine Hand lag auf dem Griff seines Degens, er spürte die Kälte, die angenehm seine Finger hinauf kroch und nahm die Vorfreude wahr, die erneut in ihm hochwallte, beinahe von der Wut verschlungen wurde, die immer noch lichterloh in ihm brannte und dennoch nicht verlöschen wollte. Sonderbar – doch für ihn ohne jede Wichtigkeit.
Sein Blick huschte an d’Artagnan vorbei, in Richtung Seine und er vermochte nicht, ein kleines, spöttisches Grinsen zu unterdrücken, als genau das geschah, was er erwartet hatte. Der Musketier wandte seine Aufmerksamkeit dem Fremden zu, der soeben seine Waffe gezogen hatte.
Narr.
Eine Klinge zerschnitt die Finsternis, teilte sie zischend entzwei. Lautlos zerriss weicher Stoff, stumm floss Blut über den glänzenden Stahl und ein gellender Schrei hallte durch die Dunkelheit.
Jede Andeutung eines Lächelns war aus Rocheforts Gesicht verschwunden, nur kalter Hass brannte in seinem Auge, dessen Blick aufmerksam auf den jungen Mann gerichtet war, der wütend und nicht minder hasserfüllt zurückstarrte. Er wich einige Schritte zurück, um freie Sicht auf seine beiden Feinde zu haben, den Degen kampfbereit erhoben.
Blut sickerte aus einer tiefen Wunde, die sich quer über seinen Oberarm zog, färbte den kobaltblauen Umhang der Musketiere in ein dunkles Rot, das mit der Finsternis zu verschmelzen schien. „Was ist aus Eurer Ehre geworden, Rochefort? Seid Ihr nun zu schwach, um es in einem fairen Duell mit mir aufzunehmen?“
Mit einem Mal explodierte die Wut in seinem Körper, hüllte ihn in ein flammendes Inferno, das jedes andere Gefühl zu verschlingen drohte. Dieser Narr wagte es, ihm einen Vortrag über Ehre zu halten?! Ausgerechnet er, der einem Fechter nicht nur die Hälfte seiner Sehkraft geraubt hatte, sondern auch beinahe jeden Sinn, den sein Leben je besessen hatte?! Er, der ein solch schwerwiegendes Verbrechen begangen hatte, klagte ihn nun des unehrenhaften Verhaltens an?!
Der Griff um seinen Degen wurde stärker, doch ließ er nicht zu, dass die Flammen in seinem Inneren einfach so hervorbrachen. Er würde diesem Feuer Nahrung geben, so viel es nur wollte, jedoch Stück für Stück – d’Artagnan sollte genauso leiden, wie er es getan hatte.
Leise, beinahe lautlos bewegte er sich auf den Gascogner zu; seinen Compagnon hatte er bereits völlig vergessen. Er würde sich zu benehmen wissen – andernfalls hatte er die schmerzhaften Konsequenzen zu tragen.
Obgleich seine Bemerkung voller Hohn war, hatte sich keinerlei Lächeln auf die Lippen des Musketiers verirrt. Endlich schien er begriffen zu haben, dass dies das letzte Duell zwischen ihnen sein würde. Diese Beobachtung verschaffte dem Comte jedoch nicht die geringste Genugtuung – es war lediglich ein trockener Fakt.
Nein, was wirklich seinen Hunger nach Rache stillen würde, war das Klirren des Stahls, das wilde Fauchen der Klingen und die blutrote Pein, die sich schon bald auf dem Gesicht dieses Narren abzeichnen würde.
Rochefort hob seinen Degen und langsam setzte sich auch der Gascogner in Bewegung, den Kreis immer enger ziehend, den Abstand zwischen ihnen immer mehr verringernd – die Zeit seines Lebens rapide verkürzend.
Sein Schlag zerfetzte die Luft, der wilde Gesang der Klingen durchbrach die Dunkelheit, als d’Artagnan seinen Angriff abwehrte. Blitzschnell zuckte der glänzende, bereits vom Blut befleckte Stahl zurück, schoss erneut hervor, nur um ein weiteres Mal auf harten Widerstand zu treffen. Fauchend lösten sich die Klingen wieder von einander und der Musketier bewegte sich mit einem Ausfallschritt zur Seite – zur linken Seite.
Lächerlich.
Der Comte fuhr herum, parierte den Schlag, leichte Belustigung funkelte in seinem Auge. Er hatte so viel Zeit gehabt, sein eingeschränktes Sichtfeld durch Schnelligkeit und Vorsicht wieder auszugleichen, dachte dieser Narr denn überhaupt nicht nach? Jene Schwäche, die er zu sehen glaubte, existierte nicht!
Seine Klinge schoss nach oben, trieb die des anderen zur Seite und riss ein Loch in dessen Verteidigung. Kalt bohrte sich die Spitze seines Degens in die Schulter des Gascogners, laut schallte sein gequälter Schrei zwischen den Bäumen hindurch und verlor sich in der Finsternis. Mit einem dumpfen Geräusch schlug seine Waffe auf dem feuchten Waldboden auf.
Rochefort sah auf den Mann hinab, der vor ihm im Gras hockte und mit schmerzverzerrtem Gesicht eine Hand auf die frische Wunde presste. Aus dem Blick des Musketiers sprach eine Aufforderung, eingebettet in tiefschwarzem Hass. Langsam veränderte die metallene Spitze ihr Ziel, bewegte sich gen Boden. Des Grafen Aufmerksamkeit löste sich nur kurz von seinem Feind, wanderte zu dessen Degen, der neben ihm im Gras lag, ehe er d’Artagnans Blick nun seinerseits mit einer Aufforderung begegnete.
Nein, so würde das hier gewiss nicht enden.
Mit einem erzürnten Schnauben griff der Musketier nach seiner Waffe. Keine provokante Bemerkung kam über seine Lippen – die Zeit der Worte war vorüber. Nun würden ihre Klingen sprechen.
Ein amüsiertes Funkeln erhellte den dunklen Hass in seinem Auge für einen Moment, als der Comte die zitternde Klinge seines Gegenübers betrachtete. Wunden an beiden Armen – das Todesurteil eines jeden Fechters, der dreist genug war, seinen Kampf in diesem Zustand fortzusetzen. Der Gascogner hatte seinen Stolz, wie jeder, der dem Führen eines Degens würdig war. Niemals würde er aufgeben, nur der Tod beendete dieses Duell und auch wenn er genau das beabsichtigte, so würde Rochefort dafür sorgen, dass sein Leben nicht so schnell verlosch. Eine solche Gnade war von ihm nicht zu erwarten, nicht heute Nacht.
Eine silberne Schliere zuckte durch die Finsternis, kaum dass der Musketier wieder aufrecht stand. Von Neuem erscholl der Gesang der Klingen und von Neuem sickerte Blut durch den leichten Stoff seines Umhangs, als sein linker Arm unter der Wucht des Angriffs protestierte. Nicht lange und er wäre am Ende, sie beide wussten das, ebenso wie sie wussten, dass der Sieg an jenen gehen würde, dessen Herz am nächsten Tage noch schlug.
Ihre Klingen zerfetzten die Luft, ohne jedoch auf einander zu treffen. Der Musketier war ausgewichen, ließ sich von Rochefort zurücktreiben, der ihm mühelos hinterher setzte, sein Degen kaum mehr als zerfließendes Silber, das durch die Dunkelheit schoss. Er vergaß die Anstrengungen, die seinem Körper Energie raubten, blendete sie vollends aus, wie er es immer tat. Leidenschaft brannte in seinem Inneren, doch noch immer war es der Hass, der keinerlei Freude an diesem Duell zuließ, jeden kleinen Funken sofort verschlang, sobald er auch nur zu glimmen begann.
Kalt war der Stahl, als er d’Artagnans Hals berührte, sich hart und schwer an seine Haut presste und ihm jede Bewegung auf den Tod versagte. Er verharrte, zitternd und keuchend vor Erschöpfung, die sich wie Blei über seinen Körper gelegt hatte. Ohne den Kopf zu drehen, versuchte er, den Blick auf die fremde Klinge zu richten, die hinterrücks aus der Dunkelheit geschossen war und ihm nun seinen Kontrahenten wehrlos auslieferte.
Blind für alles, das nicht von Beginn an in dieses Duell verstrickt war, zischte der Degen des Comte durch die Finsternis, ausholend zum letzten Hieb, der seiner Rache eine Wohltat sein würde. Doch die Unbeweglichkeit seines Gegners überraschte ihn, die Seine mochte ihm zwar jeglichen Fluchtweg abschneiden, doch hatte er noch genug Raum, um seinem Schlag auszuweichen. Sein scharfer Blick durchbohrte die nächtliche Schwärze, durchdrang den Schleier des Hasses, der sich über sein Auge gelegt hatte und gab die Sicht auf den dritten Manne frei, der unmittelbar hinter dem Musketier Stellung bezogen hatte und ganz so wirkte, als wolle er sein Leben beenden, täte es denn der Comte selbst nicht.
Ärger durchzuckte ihn wie ein gleißender, flammender Blitz, rang das Feuer der Rachsucht für einen Augenblick nieder und ließ kalte Wut in ihm aufsteigen, die sich einzig und allein gegen den Compagnon richtete, der dreist genug war, sich in sein Duell einzumischen. Er duldete keine Störung, auch nicht von einem Gardisten des Kardinals!
Die glänzende, von dickflüssigem Blut befleckte, Klinge verharrte in der Luft, blieb, über dem Herzen des Gascogners schwebend, zurück und schoss dann wie ein silberner Pfeil auf die dritte, unerwünschte Klinge zu. Mit einem leisen, überraschten Aufschrei wich der Mann zurück, umklammerte den Griff seines Degens, damit er seiner Hand nicht entglitt.
Das blutdurchtränkte Gras verschluckte seine Schritte, als Rochefort sich an dem Musketier vorbei bewegte, den Störenfried mit bohrendem Blick fixierend, die verfärbte Klinge auf seine Kehle gerichtet. Je näher er ihm kam, desto schneller wich der Gardist zurück, Unverständnis, doch vielmehr noch Angst in den Augen, völlig die Tatsache vergessend, dass auch er eine Waffe besaß, mit der er sich eigentlich hätte verteidigen können. Die Drohung, die aus der Haltung des Comte sprach, vernichtete jeden Gedanken an Gegenwehr und ließ nicht mehr als beklemmende Furcht zurück, die sein Denken immer mehr zu lähmen schien.
„Ich dulde keine Störung.“ Rocheforts Stimme war ruhig, nahezu gelassen und von gnadenloser Strenge. Die Worte, die er sprach, glichen eindeutig einem Befehl, doch der dunkle Unterton ließ keinen Zweifel daran, dass dies zugleich eine Drohung war, die er ohne jegliches Zögern wahr machen würde.
Der Gardist nickte, doch wirkte es mehr wie ein verstörtes Zucken seines Kopfes, den er immer weiter nach hinten legte, um der gefährlichen Spitze der Klinge zu entkommen, die bereits über seine Kehle gestrichen war – einen Strich aus Blut zurücklassend, von dem er nicht zu sagen vermochte, ob es nun das seine war oder das des Musketiers.
Jener hatte die ihm geschenkte Zeit genutzt, um wieder etwas Kraft zu sammeln und ergriff nun die Gelegenheit, die ihm der – wie er empfand – schiere Leichtsinn, mit der sein Gegner ihm einfach so den Rücken zudrehte und ihm alle Aufmerksamkeit entzog, bot. Seine Schritte trugen ihn schnell auf ihn zu, doch der hohe Blutverlust ließ ihn leicht taumeln – er bewegte sich nicht halb so leise, wie Rochefort es tat und auch die Eleganz, an der es für gewöhnlich keinem respektablen Fechter mangelte, war aus seinen Bewegungen gewichen, doch in diesem Augenblick kümmerte ihn das nur wenig. Er hatte nicht vor zu sterben, nicht um seiner Ehre willen, doch wohl seiner Familie wegen.
Das linke Auge des Comte mochte zerstört sein, sein Sichtfeld eingeschränkt und der Blick des verbliebenen auf den zitternden Gardisten gerichtet, doch das bedeutete keineswegs, dass er jenen Mann völlig vergessen hatte, an dem er seine Rache ausüben wollte. Er wusste genau, dass d’Artagnan sich an einem Ort befand, der fern seiner Sicht lag, doch wäre er ein schlechter, ehrloser Fechter, wenn er nicht zumindest ein Ohr auf seinen Gegner hätte.
Er hörte die, vor Erschöpfung schweren, Schritte des anderen, schon lange bevor er die fauchende Klinge vernahm, die die Luft zerschnitt und sich auf ihn zu stürzen drohte.
Viel zu langsam.
Eine einfache Drehung machte den Hieb völlig wirkungslos, scheinbar ohne jede Mühe wischte er den Degen des verhassten Musketiers beiseite, auf dass er seinen entkräfteten Händen entglitt und erneut im Dreck landete. Von der Schwäche gepackt, sackte d’Artagnan in sich zusammen, hielt sich nur durch bloße Willenskraft auf unsicheren Beinen, die ihm schon bald den Dienst versagen würden.
Rochefort ließ nicht von ihm ab.
Unaufhörlich zischte seine Klinge durch die Luft, erneut flammte Hass in seinem Auge auf, leiser Triumph glitzerte in dem unbändigen Feuer, schwache Genugtuung versteckte sich hinter den wilden Flammenzungen.
Mühevoll wich der Gascogner zurück, immer noch nicht bereit, seinen Weg ins Jenseits anzutreten, immer noch voller Lebensgier klammerte er sich an das letzte Bisschen Kraft, das sich noch in ihm befand – und das nur allzu bald verlöschen würde wie eine schwächliche Kerzenflamme.
Ein Ausfallschritt brachte ihm seinen Gegner näher, ein weiterer Hieb brachte das leise Reißen von Stoff mit sich, erneuter Schmerz ließ d’Artagnan aufstöhnen. Er taumelte zurück, seine Beine kaum noch fähig, ihn zu tragen. Ein naher Baum beendete seinen Rückzug und mit Ersterben jeglicher Bewegung, gaben seine Knie letztendlich nach, ließen den schwer verwundeten Fechter einfach im Stich, sodass er zusammenbrach und lediglich sein Bewusstsein ihm noch die Vorgänge um ihn herum vermittelte, ohne dass er jedoch die Chance hätte, irgendwie einzugreifen.
Mit einem Male war Rochefort vor ihm, packte ihn am Kragen und drückte ihn gewaltsam gegen den Baumstamm, wollte, dass der Musketier aufrecht stand, ihm auf gleicher Höhe in die Augen blicken konnte – wenn er ihn tötete. Vor Erschöpfung und Schmerz am ganzen Leibe zitternd, halb blind vor Pein und kaum noch wahrnehmend, was um ihn herum geschah, blickte d’Artagnan seinem Feind entgegen, eine Hand auf die frische Wunde an seiner Hüfte gepresst, die andere verkrampft an den Baum gelegt, in der Hoffnung, etwas Halt zu finden. Wenn er hier starb, so wollte auch er nicht, dass er vor seinem Mörder auf dem Boden kroch, sein Stolz und seine Ehre geboten einen aufrechten Tod, auch wenn die Angst tief in seinen Knochen saß. Nein, sterben wollte er nicht, doch er wusste, dass es nun kein Entrinnen mehr gab – das hatte es nie gegeben. Er hatte dieses Ende herausgefordert, hatte ein Verbrechen begangen, das er nicht abbüßen, sondern nur sein Leben dafür geben konnte. Das Leben, das Rochefort ihm nun nehmen würde, ohne auch nur ein einziges Mal zu zögern, ohne irgendwelches Bedauern für ihn zu empfinden, nicht einmal Reue würde er danach fühlen, so stark flammte der Hass in ihm.
Dies würde das letzte Mal sein, dass ihre Blicke sich trafen.
Ein dunkles Auge voller Hass und Wut – helle Iriden, die nicht minder hasserfüllt zurückstarrten, doch glomm in ihnen auch Angst, Verzweiflung – ein Flehen, das seine Ehre zutiefst verletzte und das er zu unterdrücken versuchte.
Es verschaffte Rochefort unerwartete Genugtuung; besonders in dem Augenblick, in dem es verlosch.
Mit einer leichten Bewegung, so schnell ausgeführt, dass sie für den vernebelten Verstand d’Artagnans kaum sichtbar war, zerriss die blutige Klinge ein weiteres Male die Finsternis, durchstieß ohne jede Schwierigkeit Umhang und Kleidung, hinterließ zischenden, brennenden Schmerz in seiner Brust und ließ Ströme warmen Blutes in den schmutzigen Stoff sickern. Plötzlich ließ die Qual nach, die seinen Körper umfangen hielt, entschwand in der Taubheit, die eine wahre Wohltat für seine Seele war – und ohne weiter nachzudenken, gab er sich ihr hin, voll und ganz.
Blut floss die Klinge hinab, durchdrang den dicken Stoff seines Handschuhs, ließ ihn das Verbrechen fühlen, das er soeben begangen hatte. D’Artagnan war tot, gestorben durch seine Hand, genau in diesem Augenblick. Er hatte das Leben dieses Mannes ausgelöscht, genau wie er auch das seine einfach vernichtet hatte. Doch der Comte hatte ein neues Leben erhalten, noch bevor sein altes verloschen war – ein solches Glück war dem Musketier nicht vergönnt gewesen, nicht in Rocheforts Augen. Er hatte es nicht verdient, hätte wissen müssen, dass der Tod auf ihn warten würde, wenn er ein solches Verbrechen beging. Der Comte zweifelte seine Tat keine Sekunde an, bedauerte den Dahingeschiedenen nicht, doch auch sein Hass gedachte nicht, nun zu verlöschen. Er hatte es gewusst, von Anfang an. Dass er d’Artagnan getötet hatte, hatte seinen Wunsch nach Rache nur leicht verringert, kaum merklich, aber das machte nichts, damit hatte er gerechnet.
Er kehrte dem Musketier den Rücken, wandte sich dem Gardisten zu, der sich bis ans nahe Ufer der Seine zurückgezogen hatte und mit Furcht im Blick zu ihm herübersah. Ohne sich auch nur einmal umzudrehen, ging er auf den Gardisten zu, der sogleich zurückwich, fürchtend, dass er erneut einen Fehler begangen und nun sein Leben verwirkt hatte.
„Aufsitzen!“, befahl er und der Klang seiner schneidenden Stimme ließ den Mann zusammenzucken. „Seine Eminenz soll vom Tod des Gascogners unterrichtet werden. Ihr wisst, welche Worte Ihr wählen müsst.“
Obgleich Rochefort noch kein Mitglied der Kardinalsgarde war, dachte der Gardist gar nicht daran, sich seinem Befehl zu widersetzen, zu tief saß die Angst, die er ihm nur wenige Minuten zuvor eingejagt hatte – jeder seiner Blicke schien ihn aufzuspießen und er war nicht gewillt, diesem Mann einen Anlass zu geben, ihm dieses Gefühl nochmals mit seiner Klinge beizubringen.
Die Lippen, aus Angst, ein falsches Wort mochte über sie kommen, fest zusammengepresst, nickte er also nur überdeutlich und hastete mit großen Schritten zu seinem Pferd.
Rochefort würdigte den Mann keines Blickes mehr, trat an sein eigenes Reittier heran und schwang sich auf dessen Rücken. Erschöpfung befiel ihn, ließ ihn nun jene Anstrengungen fühlen, die er seinem Körper abverlangt und völlig verdrängt hatte. Doch es kümmerte ihn nicht.
Er drückte seine Fersen leicht in die Seiten des Pferdes und das Tier setzte sich in Bewegung, trug ihn fort von d’Artagnan, mit dessen Tode auch seine Vergangenheit endlich gestorben war. Nein, er war kein Musketier mehr und er würde auch nicht zu ihnen zurück kehren, viel zu tief saß der Hass auf sie alle und ihre erbärmliche Arroganz. Er ließ all das zurück, sein altes Leben war vergangen und nun konnte er sich seinem neuen zuwenden – einem Leben an der Seite des Kardinals. Jenem Menschen, der ihm gegenüber trat, ohne auch nur das geringste Mitleid für ihn zu empfinden. Jenem Mann, der seiner Treue würdig war.