PV 47 AM
von Gefion
Kurzbeschreibung
Jerome Bane ist ein junger, aufstrebender Forscher, der der Elite Tanaguras angehört. Dennoch ist das Leben nicht leicht und man braucht schon Glück, um anerkannt zu werden. "PV 47" ist Teil seiner Forschung. Ein neuartiges Pet, welches schon bald die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Auch jene von Raoul Am.Ob das Leben für die kleine 'Kreatur' jedoch leichter wird, muss sich erst noch heraus stellen. ...*
GeschichteDrama, Sci-Fi / P16 / Gen
26.02.2012
30.04.2012
9
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26.02.2012
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P V 47 A M
by GEFION
1.
Petauktionshalle – Midas – Mistral Park
Massen von Interessenten und Schaulustigen wälzten sich durch die Ausstellungsräume im Mistral Park. Die Luft schien zu schwirren vor Stimmen und Gemurmel, die sich in den hohen Hallen brachen. Die Lichter schienen gedämpft und neben den Gesprächen, waren es die Schritte, die widerhallten und alles in eine erwartungsfrohe Atmosphäre tauchten. Die jährliche Petauktion brachte viele Einflussreiche in den Mistral Park und nicht nur die Mitglieder der Acadamy waren nervös. Auch private Verkäufer und Aussteller waren angespannt, ob und wie gut ihre Waren ankamen. Jerome Bane war einer von ihnen, auch wenn seine Position und seine Stellung innerhalb der Academy es kaum zuließen, dass er die eigene Spannung offen zur Schau trug. Dennoch konnte er sich den Reflex nicht verkneifen, immer wieder an den Ärmeln seiner kostbaren Kleidung zu zupfen, während er versuchte würdig dreinzuschauen und einfach nur abzuwarten was geschehen würde. Einen Moment schaute er selber noch auf das große Wasserbassin, in dem sich die Früchte seiner bisherigen Forschungen tummelten.
Zwischen großblättrigen Wasserpflanzen und hübsch anzuschauenden Verzierungen, Geäst, Zweigen, eben allem, was man vermeinte auf einem geordneten Meeresgrund zu finden, schwammen seine kleinen Ornamental -Pets. Jerome hatte lange gebraucht, um die Forschungen seines Lehrers weiter zu führen und er war stolz auf die Ehre, bei einem Erfolg als Nachfolger in dessen Fußstapfen in der Acadamy treten zu dürfen, die sich auf das Züchten von wertvollen Pets spezialisiert hatte. Neuentwicklungen jeder erdenklichen Art wurden erwartet und das überzeugte Ego in ihm flüstere bereits, dass er Erfolg haben würde. Dennoch wich die Nervosität nicht, denn zwischen all den Schönheiten der eher als gewöhnlich einzustufenden Pets – im Gegensatz zu seinen – war es doch die reine Geneigtheit der Anwesenden, die über sein Schicksal und das seiner Forschung entscheiden würde.
Noch waren seine Pets nicht ausgereift und doch waren sie drollig anzusehen. Alle sehr jung, in einem Labor gezogen und sie entstammten keiner natürlichen Geburt. Sein Lehrer hatte Jahre gebraucht, um die Gencodes derartig zu arrangieren, dass diese possierlichen Wesen dabei heraus kamen. An die Fehlschläge wollte Jerome nicht denken. Die eigenen waren bereits ungezählt und nun hatte er es endlich doch geschafft, die gelungensten dieser kleinen Wesen präsentieren zu können. 'Dog Ningyo', lautete der Name, dabei war dieser nicht einmal annähernd korrekt. Man würde kein einziges Allel in den Genen dieser Kreaturen finden, das einem Hund entstammte. Viel eher waren es nur feine optische Anleihen eines Marders in Verbindung mit der Erscheinungsform einer Meerjungfrau.
Jerome drehte sich herum und schaute in das Bassin hinein, wie bereits einige Neugierige, die stehen geblieben waren. Hinter der Scheibe zeigte sich ein kleines Gesicht, groß wie eine geballte Faust. Eine schwarze Stupsnase presste sich gegen das Glas, verzog sich kurz in schnüffelnder Manier, ehe große, dunkelblaue Augen interessiert blinzelnd gegen die Barriere blickte. Es wurde von buschigem, dichten rot-braunem Haar umweht. Man sah nur flüchtig die Nickhaut, die einen leichten irritieren Reflex zurück warf, als ein Licht diese streifte. Sie schützte das Auge unter Wasser, dem eigentlichen Element dieser Wesen. Dort sahen sie elegant aus, dort waren sie schnell und wendig. Den Unterleib erinnerte an den eines Fisches, war mit hauchzarten Schuppen überzogen, die die Lichtreflexe zurückwarfen. Sie waren nicht silbrig, wie die eines Fisches, sondern eher dunkler Natur, mit feinen Rillen, welche von Ferne aussahen, als wären sie ein zarter Überzug aus Fell. Jerome lächelte als er erkannte, welches Pet es war, das sich so weit vor gewagt hatte. Er wusste, sie waren scheu.
Ein kindlicher, humanoider Oberkörper reckte sich, ließ das schnuppernde Gesicht noch näher kommen und es gegen das spähen, was es sah. Gedrungene, kurz Ärmchen streckten sich vor und eine winzige Hand stupste zaghaft gegen das Glas, nur um sich erneut schreckhaft zurück zu ziehen. Die Ningyos konnten die Schaulustigen nicht sehen. Die Innenwände des Beckens waren verspiegelt und gegen die Geräusche der Außenwelt abgeschirmt. Jerome wusste, wie schreckhaft sie waren, wie empfindlich sie zu sein vermochten und er wollte nicht das Risiko eingehen, dass sie den ganzen Tag versteckt hinter den Blättern kauerten und sich nicht zeigten. War er ehrlich, so war dies bereits geschehen und deshalb lächelte er nun, als er das winzige Gesicht ein weiteres Mal erblickte. Der Ningyo streckte neuerlich die Hand aus und setzte sie dieses Mal bestimmt gegen das Glas. Es war eine zierliche Hand, zwischen deren stummeligen Fingern sich dünne Schwimmhäute spannten, die man deutlich erkennen konnte, sobald die sich spreizte. Die mikroskopisch kleinen Härchen, die sich über die Handinnenfläche zogen, sah man mit bloßem Auge nicht. Sie waren seine Idee gewesen, damit die Ningyos sich auch an den rutschigen Flächen halten konnten.
Auf einem Display, welches vor dem Becken aufgestellt war, wie eine kleine Schautafel, blinkte eine Nummer auf. 'Petnummer: PV 47'. Jerome lächelte noch immer. Er hatte gehofft, dass PV 47 es sich auch an diesem Ort nicht nehmen lassen würde, seine Neugierde zu zeigen. Es war das kleinste der Wesen und das Jüngste. Gemessen an seinen bisherigen Beobachtungen, war dieses Pet in den sozialen Strukturen der Gruppe an der letzten Stelle und doch vermochte es, sich bestens durchzusetzen. Es war neugieriger als die anderen und in mancher Hinsicht verwegener.
„Ein Dog – Ningyo!“, sagte einer der Besucher, lachte kurz ungläubig und legte den Kopf schief, eher die Schaltflächen auf der Tafel betätigte, um mehr zu erfahren.
Jerome vermied, es sich als 'Schöpfer' vorzustellen, sondern zog sich ein wenig in den Hintergrund zurück, auch wenn dies bedeutete, seine 'Schöpfung' für eine Weile sich selbst zu überlassen. Er würde nichts mehr tun können. Alles was er zu tun vermochte war bereits geschehen und nun war er auf die Gunst der Menge angewiesen, die über das Wohl und Wehe der Zukunft seiner Forschung entschied.
Jerome hatte einige Zeit damit verbracht, sich die anderen Pets anzuschauen. Sich selbst eines zu kaufen, daran dachte er nicht. Er war jung, sein Kopf steckte voller Ideen und noch verfügte er über keine großartigen Geldmittel. Darüber hinaus stand ihm wenig der Sinn, sich eines dieser anmutigen, sphärischen Wesen zu kaufen, auch wenn er wusste, dass es einst so kommen würde. Vor einem der 'Zimmer' blieb er stehen. Wie auch bei seinem Wasserbassin hatte man sich Mühe gegeben, die besten Pets in dieser Art von Räumen auszustellen, bevor die eigentliche Auktion begann. Auch trennten Scheiben die Pets von den Besuchern. Seine Augen streiften das sich räkelnde Pet. Weiblich. Allerbeste Abstammung und es sah die Neugierigen mit verführerischen Blicken an. Anders als bei seinen Ningyos waren die Scheiben nicht verspiegelt und dieses Pet gab sein bestes, um einen gutbetuchten, einflussreichen Besitzer für sich zu gewinnen.
Sie waren rein humanoid, genetisch verbessert, dann gezüchtet und verfügten über die besten, reinblütigsten Stammbäume. Jerome seufzte, als sich das Augenmerk des Pets nun auf ihn richtete. Es lächelte verführerisch und wand seinen schlanken, halbentblößten Leib in den voluminösen Kissen. Eine tumbe Schönheit und auch er lächelte. Diese Pets hatten nichts außer ihrer Gestalt und ihrem Blut und Jerome kam sich einen Moment lang wie ein Außenseiter vor, der nicht einen Moment den Wunsch verspürte eine solche Kostbarkeit in seine Räume zu holen. Er, einer aus der Elite, hochgewachsen, mit tiefrotem, schimmerndem langen Haar. Dazu auserkoren, einer der Besten der Akademie zu werden, so sagte man zumindest, hatte kein Interesse an einem Pet! Nicht an einem solchen, denn an diesem gab es wohl nichts mehr zu studieren, als das reine Endprodukt der Züchtung.
R 97 AM, sagte das Display und Jerome seufzte leicht, als er erkannte, aus wessen Hand dieses Pet kam. Raoul Am. Er bewunderte den Blondie. Geschaffen, um zu den obersten der Elite zu gehören und begabt und sicher in allen Belangen, welche auch immer die Geheimnisse der Natur mit sich brachten. Er hatte einen Vortrag von ihm gehört in der Akademie, bewunderte seine Arbeiten, seinen Ehrgeiz als Züchter und natürlich auch die Kreise in denen der er verkehrte, ebenso wie dessen Expertentum in den biochemischen Belangen. Seit einigen Jahren hatte Raoul Am die Aufgaben seines Vorgängers übernommen und Jermone verhehlte vor seinem Inneren nicht, dass allein der Name „Am“, ihn mit Ehrfurcht erfüllte. Bereits jetzt. Und er? Der wissenschaftliche Assistent der Acadamy? Was hatte er erschaffen? Einen neuartigen Dog- Ningyo, von dessen Wesenszügen und Verhaltensrepertoire man noch gänzlich gar nichts wusste und über die er wohl auch kaum eine Aussage treffen konnte, die nicht in den genetischen Listen einzusehen war. Reine Ningyos waren ein Traum von einem Ornamental Pet, der sich bisher nicht in den erwünschten Bahnen erfüllt hatte. Gemessen daran, war seine Schöpfung mehr als nur unrein. Mit einem Schlag kam es ihm die Jahre seiner eigenen Arbeit lächerlich vor.
Jerome löste sich von dem Anblick, mit dem festen Entschluss, zurück zu gehen, um zu schauen welche Reaktionen sein Werk hervor rief. Es hatte keinen Sinn mehr, sich noch länger zu drücken und sich den Fragen nicht zu stellen. Sein Schritt beschleunigte sich, als er schon von Weitem sah, dass sich eine Menschentraube um das Becken gebildet hatte. Lachen ertönte und Hälse wurden gereckt, um besser sehen zu können. Es war ein tiefer Schrecken, der ihn erfasste als er erkannte, dass einer der Ingenieursgehilfen auf einer breiten metallenen Planke über dem Becken kniete und mit seiner Handfläche auf die Wasseroberfläche patschte. Die Menschen lachten und zeigten immer wieder mit dem Finger auf das Becken. Es war die reinste Ansammlung von Amüsement. Jermone wollte der Herzschlag aussetzen, als er näher eilte und zunächst doch nichts sehen konnte.
„Was ist passiert?“, fragte er Takyua Harris, einen seiner Freunde, einen der großen Männer, mit schwarzem, langen Haar, die verhalten und belustigt kicherten. Neben den Menschen aus Midas, waren sie diejenigen, die auch in den hinteren Reihen noch gut sehen konnten.
„Man sollte das auf die Monitore legen!“, scherzte einer und nickte mit dem Kopf hinter sich, über das Auktionspodest, über dem sich ein riesenhafter Bildschirm spannte. Überall gab es diese Monitore, größere, kleinere, damit später niemand das Geschehen auf der Zentralbühne verpasste, egal an welcher Stelle der Hallen er sich befand.
Noch hatte Jerome nicht erfasst, warum ausgerechnet seine Arbeit nun das Zentrum des Interesse darstellte und er war sich lange, quälende Moment auch nicht sicher, ob es das war, was er sich wünschte. Gezielt drängte er sich an den Menschen vorbei, arbeitete sich nach vorn, begleitet von unwilligen und erbosten Kommentaren derjenigen, die er zur Seite drückte. Doch er achtete nicht darauf, sonder stierte dem Becken entgegen, in dem PV 47 über dem Boden schwebte und höchst interessiert an einem schwarzen, großen Gegenstand schnüffelte, den es in den kleinen Händen hielt. Jermone hob den Blick zu dem Arbeiter empor, der das Gesicht verzog und entschuldigend drein schaute, als er Jermones fassungslosen Ausdruck sah. Es war eine Lampe. Eine schlichte Taschenlampe, mit der der Mann wohl die Sicherungen der Beckenlichter hatte sehen wollen, die tief in den Wänden eingelassen waren. Nun lag diese entglittene Lampe in den tastenden Fingern von PV 47, das entschlossen seine scharfen Eckzähnchen entblößte und herzhaft in den Griff hinein biss. Dann schüttelte es das Gerät und schnupperte daran, nur um einen ärgerlichen stummen Laut auszustoßen. Von den anderen Pets in dem Becken war nichts mehr sehen und Jermone suchte besorgt mit den Blicken die Blätter ab, hinter denen sie sich verbargen. Verschreckt, mit einem rasenden Herzschlag, den man beinahe sehen konnte.
Jerome schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Wie auch immer er es sich vorgestellt hatte, in irgendeiner Form Aufmerksamkeit zu erregen. So hatte es nicht sein sollen. Wieder schlug der Mann auf die Wasseroberfläche und seine Hand verursachte einige groben Wellen über dem Becken.
„Lassen Sie das, Mann! Die gehen mir ja ein!“, entfuhr es Jerome nun ärgerlich und er trat vor die Scheibe, als der Arbeiter seine Bemühungen, wieder derartig linkisch an seine Lampe zu kommen einstellte.
Die Pets hatten sich Blätter über den Körper gezogen und die Stiele der Pflanzen, an denen diese hingen, vibrierten unter dem Zittern. Auch PV 47 hatte sich erschrocken, wendete den Kopf hin und her, und schaute schließlich zur Wasseroberfläche hinauf. Die schmalen Augenbrauen pressten sich zusammen und es zog die Lampe näher zu sich, presste diese ebenso besitzergreifend wie schützend an den kleinen Leib. Wieder ertönte amüsiertes Gelächter, als es den Eindruck vermittelte, dem Arbeiter auf der Planke erbost entgegen zu bellen, als ein Lichtstrahl der Lampe entkam. Die runden Augen des Pets richteten sich darauf, ehe es zutiefst erschrocken das Gerät von sich warf, sich in einem harschen, sehr schnellen Zickzackkurs den Augen der Betrachter entzog und sich ebenfalls hinter einer der Pflanzen verbarg.
Jerome legte seine Hand beinahe hilflos gegen die Scheibe und wollte nicht wahr haben, dass die Menschentraube nun noch enger wurde. Er war besorgt. Nicht nur, wegen seiner Forschung, seinen Pets, sondern auch wegen seinem Ruf, der nun auf dem Spiel stand. Er würde die Pets aus dem Becken nehmen müssen, denn er befürchtete, dass sie dem Stress nicht stand hielten, würde diese Form des Interesses sich nun noch verschärfen.
Dann, endlich, löste sich das Gedränge und die Menschen traten ein wenig zurück, drehten sich herum. Wieder wurden Finger erhoben. Jerome drehte sich nicht herum, sondern sein Augenmerk blieb auf dem Becken, auf PV 47, das vorsichtig das große Blatt zur Seite knickte und mit großen Augen und scheinbar schnüffelder Nase auf die angeschaltete Lampe blickte, die nun herrenlos auf dem Beckengrund lag. Ihr Schein warf ein schummriges Licht und tauchte die nachgeahmte Meereslandschaft partiell in ein mystisches Blau. PV 47s Mund öffnete sich zu einem erstaunten Laut, der vom Wasser jedoch verschluckt wurde.
Täuschte sich Jerome oder wurde es in der Halle wirklich stiller. Es wurde gekichert. Hier und dort verstummten Gespräche. Leute, die sich gehend unterhalten hatten blieben stehen und besahen sich verwundert den Großbildschirm über dem Podest.
„Das nenne ich doch mal Unterhaltung,“ scherzte einer und legte die Hand an sein Kinn, während die Augen des Mannes sich nicht abwenden konnten von PV 47, das sich dicht über dem Boden hielt und sich dem ihm fremden Objekt rücklings näherte und es forschend mit einem winzigen Zeigefinger berührte. Die großen, blauen Augen waren starr und ernst auf das Objekt gerichtet. Es hatte eine ernste Forschung seinen sollen. Ein Meilenstein vielleicht, so hatte Jerome es sich gedacht und nun war die Art der Aufmerksamkeit eine Form des schieren Entertainments für die Anwesenden. Er wusste nicht, was er tun sollte und schwankte innerlich zwischen dem Beben der Blamage und dem Stolz über seine Schöpfung, die nun in Großaufnahme über der Halle schwebte und beidhändig an einer schnöden Taschenlampe zerrte.