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Russisch Roulette

Kurzbeschreibung
GeschichteDrama, Familie / P16 / Gen
22.02.2012
24.02.2013
7
9.978
 
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22.02.2012 999
 
Marie war gerade wieder einmal dabei bei arktischen Temperaturen die Welt zu retten, als es an ihrer Tür klopfte und sie den Kampf mit einem Drachen unterbrechen musste. Ein genervtes „Ja“ forderte den ungebetenen Besucher auf, die Eishöhle zu betreten. Die Schwarzhaarige warf nur einen kurzen Blick auf den blonden Jungen, rückte ihre Brille zurecht und setzte den Kampf fort. Ihre Aufmerksamkeit ruhte wieder auf dem Bildschirm und Gregs blaue Augen mussten sich nun entscheiden, ob sie auf den Kampf achteten, Marie ansahen oder fassungslos aus dem weitaufgerissenen Fenster starrten. Er entschied sich für die goldene Mitte und räusperte sich, um anzukündigen, dass er nun das Wort ergreifen würde.

„Ist das nicht zu kalt?“, versuchte er ein Gespräch zu beginnen und sein Blick huschte schnell zu dem Fenster, durch das die kalte Luft des Januars spazierte und es sich auf Maries Bett gemütlich machte.
„Wenn es so wäre, wäre das Fenster nicht auf, oder?“, erwiderte sie kalt, die Luft hatte schon ein wenig auf sie abgefärbt und nicht einmal das Feuerspucken des Drachens konnte ihren Ton erwärmen. Angestrengt versuchte sie Greg zu ignorieren und konzentrierte sich auf den Controller in ihrer Hand und den Gegner auf dem Bildschirm. „Was willst du?“

„Ich wollte fragen, ob du weißt, was ich Louise zum Geburtstag schenken könnte?“
„Woher soll ich das wissen?“, irritiert zog Marie die Augenbrauen zusammen und ihre grünen Augen konnten sich kurz von dem Kampf losreißen, um ihn anzusehen. „Du bist doch ihr Freund.“
„Aber du bist ihre Schwester.“
Marie überlegte kurz, gab einen weiteren Befehl ein und setzte dem Drachen erheblichen Schaden zu, während sie sagte: „Wenn du ihr wirklich eine Freude machen willst, dann könntest du mich umbringen.“
„Was?“
Das Maß an Verwirrung und Irritation im Raum stieg langsam und die kalte Luft fürchtete, dass es bald sehr eng werden würde.
„Das würde sie sicher glücklich machen“, fügte sie ergänzend hinzu, bevor ein mächtiger Wasserzauber dem Drachen einen Schock versetzte und sie zu den letzten Schlägen ansetzen konnte.
„Aber wie kommst du denn darauf?“, Greg verschränkte die Arme vor der Brust. Es wurde immer enger in dem eigentlich recht großen Raum und ein wenig begann Greg zu zittern, auch wenn er nicht wusste, ob das an der Luft oder an Marie lag.
„Sie hasst mich“, Marie warf die Worte nach einigen unruhigen Minuten der Stille in den Raum und betrachtete die Kampfbilanz, während es sich diese drei kleinen Wörter langsam in Gregs Ohren gemütlich machten. Das war auch gut so, denn wären sie im Raum geblieben, hätte man bald nicht mehr atmen können, so eng wäre es hier geworden.

Er starrte sie nun eine ganze Weile an, während sie einfach weiter durch ihre Welt rannte. Sie musste sie schließlich noch retten und in einer anderen Zeit wartete ein Freund auf sie. Marie hoffte, dass Greg nun bald gehen würde, jetzt da er eine Erklärung hatte, doch er blieb und nahm Platz weg. Die kalte Luft wurde zwischen der Verwirrung, Irritation und Greg langsam ungemütlich, denn normalerweise war es nie so voll, wenn sie da war.

„Wie kommst du darauf?“, dieser Junge stellte eindeutig zu viele Fragen und das war nicht nur Maries Meinung. Sie wäre froh gewesen, wenn er sich selbst, die Verwirrung und alles andere einfach gepackt hätte und gegangen wäre. Aber nein er musste unsicher mit verschränkten Armen dastehen und sie löchern.
„Alles andere würde mich wundern“, erklärte sie und stürzte sich in ein neues Gefecht, diesmal mit einem Puddingmonster und mit Worten. „In unserer Kindheit war ich konstant scheiße zu ihr und auch heute bin ich oft noch gemein, auch wenn ich es mittlerweile nicht mehr will und früher gut und schlecht nicht auseinander halten konnte. Es würde mich überraschen, wenn sie mich nach allem noch mögen würde. Und wenn es so wäre, was es nicht ist, dann wäre ihr Verhalten höchst eigenartig. Wenn man jemand mag, verhält man sich nicht so, wie sie sich mir gegenüber verhält.“
„Wie verhält sie sich denn dir gegenüber?“
„Wie jemand, der mich hasst“, erwiderte Marie und versetzte ihrem Gegner den finalen Schlag, in der Hoffnung dass auch Greg nun seine Fragen packen und sich davon scheren würde. Aber der Kerl blieb starr stehen. Vielleicht starr von der kalten Luft. Sie hätte das Fenster schließen sollen.
„Sie hasst dich nicht“, nun betrat auch noch eine Lüge den Raum. Huschte schamlos aus seinen Mund und verkroch sich genau in der Ecke, an die Marie beim Putzen so schwer rankam und die deshalb nie so gründlich gereinigt wurde wie der Rest des Zimmers. Den Schelm würde sie nun also eine ganze Weile beherbergen, bis er sich freiwillig aus dem Staub machte oder noch schlimmer bis sie starb.
„Kannst du das beweisen?“, sie versuchte gekonnt den kleinen Teufel zu ignorieren, der begann sein Gepäck abzustellen und ein Bild an die Wand zu nageln.
„Sie ist deine Schwester.“
„Das ist nur eine biologische Tatsache, kein Beweis.“ Zum Glück hatte sie das Fenster offen gelassen. Tränen gefrieren dadurch schneller und dachten deswegen gar nicht daran ihr in die Augen zu klettern.

Die Minuten verstrichen.

„Du weißt also nicht, was ich ihr schenken könnte?“, die letzte Frage, das hatte er sich vorgenommen. Zumindest die letzte Frage an Marie.
„Außer meiner Leiche fällt mir nichts ein“, schon wieder stand ein Kampf an. Dieses Spiel nervte sie langsam gewaltig, immer musste sie nur kämpfen. Nie konnte sie die Ruhe oder die Umgebung genießen.

Greg drehte sich nun endlich um, öffnete die Tür und die Verwirrung huschte zusammen mit seiner Irritation in den Flur hinaus. Bevor auch er nach draußen trat, sah er Marie noch einmal über die Schulter an. Bemerkte dann die kalte Luft in ihrem Bett und die Lüge in der Ecke. Warf einen Blick auf ihren Kampf und sagte: „Ich glaube nicht, dass sie dich hasst.“ Dann schloss er die Tür, aber nicht schnell genug. Ein kleiner Funken Hoffnung sprang aufgeregt im Zimmer herum und bewunderte sein neues zu Hause, entdeckte eine alte Freundin und zog in die Ecke neben der Lüge ein.
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