Herbstimpressionen

Das ist mein Beitrag zu den Herbstimpressionen, im Forum zu finden unter http://forum.fanfiktion.de/t/12124/1



Papa,

die Blätter werden bunt. Es wird Herbst.

Früher war das die Zeit, in der wir unseren Drachen steigen ließen, nur 200 Meter bis zum Feld. Wie oft war ich beleidigt, wenn es bei Dir so mühelos aussah, während ich den Drachen kaum in der Luft halten konnte.

Jetzt beginnt die Zeit, in der wir uns früher in der Werkstatt verschanzt hätten, um Kerzen zu gießen. Den kleinen alten Ofen mit Holz befeuern und das Wachs in Töpfen darauf schmelzen lassen. Nur ins Haus gehen, um warmen Tee zu trinken und später, um Mama die Ergebnisse unserer "Arbeit" zu zeigen (die, nebenbei bemerkt, weder besonders hübsch waren noch besonders gut brannten, aber was machte das schon, wir hatten Spaß).

Laubhaufen durcheinander wirbeln und Kastanien sammeln, um Männchen zu basteln. Morgens frierend in Euer Bett kriechen, um von Euch gewärmt zu werden. Glitzernde Spinnennetze voller Tau bewundern und den Schwalben beim Sammeln zusehen.
Dann, später im Herbst, mein Geburtstag. Jedes Jahr anders, jedes Mal etwas Neues.

Ich habe so viel vergessen, ich kann mich an so wenig erinnern, was wirklich wichtig ist – Dein Lachen, Deine Stimme und Deine großen Hände. Aber nichts Konkretes.

Es war perfekt, ich weiß bis heute kein besseres Wort dafür. Nur manchmal kommen die Erinnerungen zurück wie ein Windstoß, der das Laub aufwirbelt. Dann erinnere ich mich an das Gefühl, in Deinen Händen zu fliegen, an Deinen Bart unter meinen kleinen Händen, an all die Liebe in Deinem Blick.

Die Blätter des Ahorns über Deinem Grab färben sich, orange und braun, rot und gelb. Diesen Herbst werden wir keine Kerzen gießen und keinen Drachen steigen lassen. Du wirst mich nie mehr durch die Luft wirbeln.

Im Frühling bist Du gestorben. Bis zum Herbst habe ich gebraucht, um zu begreifen, dass Du wirklich fort bist.

Ich vermisse Dich. Besonders im Herbst.