Belongo
von Ace Kaiser
Kurzbeschreibung
Eine nicht authentische und verfremdete Geschichte über eine Diamantenmine in Afrika. Recherche zu Technik und Ausrüstung sind von Stinkstiefel.
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.09.2011
23.02.2017
37
260.000
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Dieses Kapitel
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14.07.2016
5.563
Als die beiden Männer in Begleitung des Hauptmanns das sogenannte Beratungszelt betraten, der Sheik wie immer von Wanaganas Tochter begleitet und geführt, richteten sich die Blicke der Anwesenden auf sie. Neben Axel und Niklas Herwig waren dies Wanagana, Ldunga, der Kriegsherr Lobando, Captain Scott und Meike Herryhaus.
„Darf ich sie sehen?“, fragte der Sheik.
„Sie?“, fragte Axel.
„Die Ärztin mit den Wunderhänden.“
„Oh. Sie.“ Axel grinste schief. „Meike, würdest du dich bitte dem Imam vorstellen?“
Die junge Ärztin sah ihren Freund und Weggefährten überrascht an. Dann aber nickte sie und trat vor den blinden Mann. „Ich bin Meike Herryhaus.“ Sie nahm seine Hände und legte sie sich auf ihr Gesicht. Der alte Prediger betastete es vorsichtig, aber ausgiebig, bevor er zufrieden war. Dann tastete er nach Meikes Händen, hob sie vor sein Gesicht und küsste sie. „Allah hat uns gesegnet, indem er dich gesandt hat, Meike Herryhaus. Die Gerüchte von deinen Wundertaten haben sich wie ein Buschfeuer auch auf die Ostseite des Lagabandas verbreitet und die Menschen dort in Flammen gesetzt.“
„Ich habe nur meine Pflicht getan.“
„Die du dir selbst ausgesucht hast“, stichelte Niklas.
„Einer musste eben mal damit anfangen, etwas zu tun“, erwiderte sie ein wenig zu bissig.
„Und wir sind dankbar, dass du damit angefangen hast, Meike Herryhaus.“
„Meike. Meike reicht vollkommen, Abu. Kommen Sie, hier ist ein Stuhl. Die Predigt wird Sie erschöpft haben.
Der alte Mann ließ sich willig von Wanaganas Tochter und der Ärztin führen und nahm am einzigen Klappstuhl im Besprechungsraum Platz.
„Doktor Herryhaus. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich persönlich vorzustellen“, sagte Shatterfield und reichte Meike die Rechte, „aber ich bin auch hier, um Ihnen den Dank einer Nation dafür zu überbringen, dass Sie für jedes einzelne Leben gekämpft haben, das zu Ihnen raus zur Farm geschickt wurde.“
Die junge Frau wurde rot. „Ich... Ich hätte gerne mehr getan, aber ich konnte sie nicht retten...“
„Das hätte sicher niemand. Aber Sie haben getan, was Sie konnten, und dafür haben Sie auch die eigene Gesundheit riskiert. Ich kenne eine Menge Ärzte, viele von ihnen herausragende Menschen mit Hingabe und Opferbereitschaft versehen, Männer wie Frauen. Und nach allem, was ich über Sie erfahren habe, zum Beispiel aus den Berichten meiner Leute, muss ich schließen, dass Sie zu den Besten aus diesem Kreis gehören, Doktor Herryhaus.“
Meike schluckte heftig. „Danke, Sir.“
„Das war kein Kompliment, es war eine Feststellung. Ich werde sehen, ob wir Ihre Arbeit im besonderen Maß ehren können, vielleicht mit einem zivilen Orden oder einer Anstellung in einem unserer Universitätskrankenhäuser.“
„Netter Versuch, unseren Chefarzt abzuwerben“, sagte Axel, legte einen Arm um Meike und drückte sie an sich, „aber das wird nicht funktionieren. Meike wird hier nicht weg wollen, egal, was Sie ihr anbieten, General. Oder Ihre Nation.“
„Axel...“, raunte sie erstaunt.
„Und das wissen Sie so genau woher?“, fragte der General schmunzelnd.
„Na, weil sie bei Ihnen ein Arzt von vielen wäre. Hier aber ist sie der unumstrittene Boss, und das gibt sie für niemanden auf. Auuuuu!“
Meike funkelte ihn böse an. „Das klingt so, als wäre ich herrschsüchtig, Axel Herwig!“
„Musst du mir deshalb auf die Zehen treten?“, murrte er.
„Natürlich muss ich das. Dummheit sollte nämlich wehtun“, erwiderte sie schnippisch.
Das laute Lachen des Kriegsherrn Lobando Tarans unterbrach ihre Konversation. Er war bereits ein alter Mann, nicht zu vergleichen mit dem drahtigen, bärtigen Ldunga, oder dem großen, massigen Glatzkopf Wanagana. Er war alt, dürre, gebeugt, und sein Bart war mehr weiß als schwarz. Auch sein Haupthaar war fast ausschließlich weiß. Aber seine Augen, die Augen zeigten, dass er noch lange nicht so alt sein konnte, wie er auf einen Betrachter wirkte. „Der Elan der Jugend“, schmunzelte er. „Das wird uns hier noch gut tun. Aber wollen wir nicht zum Thema zurückkommen?“
„Natürlich, Taran. Entschuldigen Sie“, sagte Axel, ließ Meike los und trat an den Tisch, um den sie standen und eine Karte von Belongo betrachteten. „Wie ich vorhin schon sagte, so werde ich die Zeit der Belongo Mining um einen weiteren Monat verlängern. So ich denn genug Leute kriege, kann das bis auf ein halbes Jahr oder länger ausgedehnt werden, aber Sie müssen bedenken, immer im Hinterkopf haben, dass wir nicht für ewig hierbleiben werden. Wir sind keine Kolonisten. Wir sind Glücksritter. Und Glücksritter fahren weiter, wenn sie ihr Glück gefunden haben.“
„Ein Monat für den Anfang ist in Ordnung“, sagte Ldunga mit Nachdruck in der Stimme. „Und es ehrt dich, dass du und Belongo Mining sich hier nicht als neue Besatzungsmacht festbeißen wollen und ehrlich mit uns sind. Ebenso finde ich die Idee gut, die Mine unter Belongoischer Leitung weiterzuführen und unsere Leute auf eurem militärischen Gerät auszubilden. Aber ich bin mir sicher, es wird mindestens ein halbes Jahr dauern, bis wir so weit sind, die Diamantenmine ähnlich profitabel auszubeuten. Darum meine Bitte: Bleiben Sie ab jetzt mit so vielen Leuten, die Sie dafür begeistern können, ein halbes Jahr hier, Axel, Niklas, Hannes.“
Die anderen beiden Kriegsherren nickten zustimmend. Und auch der Imam ließ einen zustimmenden Laut hören.
Die beiden Brüder wechselten einen kurzen Blick miteinander, dann sah Axel Hannes und Meike an. „Wie ich schon sagte, wir sind nicht hier, um das Land zu unterwerfen, und...“
„Sehen wir es doch realistisch, Axel Herwig“, fiel ihm Lobando Taran ins Wort. „Der Moment, in dem Sie hier starten und nicht wiederkommen, ist der Moment, in dem die alten Verhältnisse einziehen, die Stämme wieder gegeneinander kämpfen und die stärkste Partei die Macht über die Mine erlangen wird, indem sie die anderen Parteien so gut sie kann reduziert. Diese Macht wird die Base de l'Air sein.“
„Ich sehe große stabilisierende Effekte im Land“, entgegnete Meike. „Wagondas, Lulugengos, ja, Ihre Atuti, Taran, und viele andere Völker arbeiten am Krankenhaus Seite an Seite miteinander, die alten Feindseligkeiten vergessend, was nicht nur unserer exzellenten Diplomatin zu verdanken ist, sondern auch dem guten Willen, dem sie überall begegnet... Wo ist Heide überhaupt?“
Niklas zog die Augenbrauen hoch. „Thomas hat zwei Deutsche als Gäste aufgenommen. Aus dem Verteidigungsministerium. Sie lässt sich gerade von Boxie rüberfliegen, um mit ihnen zu reden. Sein Mi-24 ist ohnehin mit dem Wartungsturnus dran, deshalb fliegt er in beginnender Dämmerung. Wenn die Nacht hereinbricht, wird er schon über panadianischem Boden sein.“
„Hoffentlich. Noch einen Absturz können wir nicht gebrauchen“, murmelte Axel und hoffte, dass ihn niemand gehört hatte.
Niklas ging darüber hinweg, indem er mit den Schultern zuckte.
„Diese stabilisierenden Effekte, Doktor Herryhaus, und auch die Zusammenarbeit der Menschen der verschiedenen Völker haben genau einen einzigen Grund, einen einzigen Anker. Sie, die Belongo Mining.“ Ldunga und Wanagana nickten zustimmend zu den Worten des Alten.
„Sobald Sie davon fliegen, ist es egal, wie viele Schulen Sie errichtet haben, wie viele Kilometer Straßen Sie gebaut haben und wer das Krankenhaus betreibt. Sie müssen verstehen, auch in unserer Zeit ist der Dschungel ein gefährlicher Ort. Man schließt sich zu Gruppen zusammen, um gemeinsam zu überleben. Diese Gruppen versprechen Schutz, eine Teilung der Aufgaben, eine Verteilung der Lasten. Wie finden sich diese Gruppen? Einige wie die Milizen, die noch immer nach zwanzig Jahren durch den Dschungel toben, finden sich, indem sie sich um einen Kommandeur scharen, der sie anleitet. Der sie führt. Der für sie das Denken übernimmt. Die anderen gehen nach der Familie, nach der Volkszugehörigkeit. Sie werden, vor die Wahl gestellt, immer ihren Stamm vorziehen. Ein Wagonda wird eher einen Wagonda unterstützen als einen Atuti oder einen Kelegaba. Das ist unser Erbe. Es hat uns geholfen, die Fremdherrschaft der Belgier zu überleben. Als Volk zu überleben. Und es hat uns geholfen, durch all die Phasen des Feuers und der Gewalt zu kommen, die die Base de l'Air über uns gebracht hat, aber auch die Gewalt, die wir selbst übereinander gebracht haben.“
„Wohl wahr“, murmelte der Sheik.
Wanagana sah die Herwigs sehr, sehr ernst an. „Dieses System hat zwanzig Jahre funktioniert und zumindest die Völker erhalten, als es unzählige Einzelschicksale gab, die mit Tod und Gewalt zu tun hatten. Und noch immer haben, selbst in diesem Moment. Sehen Sie, ich, mein Kollege Ldunga und auch der gute Taran, wir haben, das gebe ich offen zu, viele Dinge getan, die in Ihren europäischen Augen gewalttätig sind, brutal, ja, Kriegsverbrechen. Aber wir haben es nicht getan, um einen anderen Stamm auszurotten. Wir haben es getan, um unsere Stämme zu beschützen. Der stetige Kreislauf der Gewalt dreht und dreht sich weiter, solange die Base de l'Air die Kriegsherren besticht, die Menschen aufhetzt und jene tötet, die bei diesem Karussell nicht mitfahren wollen. Das macht uns sicher nicht besser, gerade nicht in Ihren Augen. Aber wir haben hier auch keine europäischen Verhältnisse, wir haben belongoische Verhältnisse. Wenn wir also etwas tun wollen, etwas verändern, etwas verbessern, zum Beispiel Keounda City wieder aufbauen, den Wohlstand zurück in unser Land holen wollen, indem wir den Handel wieder aufleben lassen, wenn wir unseren Kindern eine gute Bildung zukommen lassen wollen, damit ihre Generation es besser hat, und es besser macht, dann brauchen wir das Krankenhaus. Und wir brauchen Belongo Mining.“ Der Kriegsherr schwieg einen kurzen Moment. Er sah Shatterfield an. „Ich denke, gerade Sie wollen das nicht hören, General.“
„Und ob ich das hören will. Ich denke, das, was ich hier erfahre, wird maßgeblich dazu beitragen, um zu entscheiden, wie wir mit euch umgehen werden. Bisher bin ich eher positiv gestimmt.“
„Ach, tatsächlich? Und wenn ich Ihnen sage, dass meine Leute geplündert, Wehrlose ermordet und Frauen vergewaltigt haben, dass sie kleine Kinder aufgelesen und an der Waffe ausgebildet haben?“
„Dann würde ich Ihnen sagen, dass es einen Punkt geben muss, an dem man einen Schlussstrich ziehen kann, um ganz neu anzufangen. Bedenken Sie, um was es geht. Nämlich nicht nur um Ihre Völker, sondern um alle Völker, um alle Menschen, die in Belongo leben, und die Tag und Nacht von Tod und Zerstörung bedroht sind. Aber das ist nur die Meinung eines alten, erfahrenen Soldaten, nicht die offizielle Haltung der US-Regierung.“
Die beiden Männer maßen sich mit einem ernsten Blick, bis sie beide nickten.
Ldunga sah Meike ernst an. „Doktor Herryhaus, wir brauchen Sie. Sie, genau Sie. Wir brauchen Axel, wir brauchen Niklas. Wir brauchen Hauptmann Malicke. Wir brauchen Boxie. Wir brauchen jeden, der nicht aus diesem Land stammt, der zu keinem Volk gehört, aber bereit ist, für dieses Land zu kämpfen. Und kommen Sie mir nicht mit den Diamanten. Jeder Mensch in Belongo, der durch Sie bereits Hilfe erfahren hat oder auch nur dank Ihrer Anwesenheit Hoffnung schöpfen darf, gönnt es der Belongo Mining und ihren Mitarbeitern, dass sie reich werden, auch auf unsere Kosten. Denn das, was Belongo Mining jetzt ins Land schafft, Hilfsgüter, Generatoren, Solarpanel, Schulen, Straßenbauvehikel, die Minenwölfe, und, und, und... Die Impfungen, die medizinische Versorgung, die unglaubliche Großtat einer jungen Frau, die einem Kindersoldaten, der ihr Leben bedroht, eine Ohrfeige gibt, ihm die Waffe abnimmt, und dann tröstend in die Arme schließt, das ist alles so viel mehr als alles, was es die letzten zwanzig Jahre hier gegeben hat. Dies ist ohne Zweifel die beste Zeit, die Belongo in den letzten zweihundert Jahren je erlebt hat.
Axel, die Belongo Mining ist hier sehr, sehr willkommen. Nehmt euch alle Diamanten, die Ihr findet, beutet auch die zweite und die dritte Mine aus, werdet reich, wir alle gönnen es euch. Denn keiner von uns könnte das an eurer Stelle tun. Das, was Ihr stattdessen für das Land tut, ist so gewaltig, dass wir es kaum in Worte fassen können.“
„Das sind große Worte“, sagte der Sheik. „Aber wie willst du sie mit Leben füllen? Willst du alle Pflichten in die Hand von Belongo Mining legen und dir nur die Privilegien sichern? Ich weiß, dass du Rinder erhalten wirst, die von Axels Leuten in Panadia gekauft und eingeflogen werden.“
„Mich interessiert eigentlich mehr, woher du von der zweiten potentiellen Lagerstätte weißt“, sagte Axel.
Ldunga grinste. „Es ist ja nicht so, als gäbe es hier kein Internet. Ich musste nur ein wenig googlen, und dann fand ich im Wikipedia-Eintrag zu Belongo einen neuen Zusatz über die Axel-Mine und zwei weitere, vermutete Lagerstätten auf unserem Gebiet.“
„Was, bitte? Axel-Mine? Wikipedia-Eintrag?“
Niklas lachte schallend auf. „Wir hätten die Handyfunk-Antenne im Camp Diamond nicht aufbauen dürfen, scheint mir.“
„Auch die anderen Bodenschätze, die es in diesem Land gibt, einschließlich des Erdöls“, setzte Wanagana die Worte des anderen Kriegsherren fort, „würden wir ohne zu zögern Belongo Mining überantworten. Denn jetzt kriegen wir von dem Erdöl, das von der Base de l'Air gefördert wird, nur die Kugeln zurück, die damit gekauft werden. Belongo Mining aber würde aus dem Land, das reich an Bodenschätzen ist, ein Land machen, das reich an Kultur und Lebensqualität ist.“
Niklas fiel es wie Schuppen von den Augen. „Ihr wollt uns bestechen.“
„Ja“, gestand Wanagana. „Wenn Ihr den Abbau und den Ressourcenverkauf abwickelt, können wir sicher sein, dass ganz Belongo etwas davon abbekommt. Vielleicht wird es nicht gleichmäßig sein, vielleicht nicht ganz gerecht. Aber ohne euch würden viele Menschen gar nichts kriegen.“
„Da hat er wohl nicht ganz unrecht“, murmelte Meike.
„Das beantwortet aber meine Frage nicht“, sagte der Sheik.
Ldunga sagte: „Verzeihung, ehrenwerter Imam, ich wollte nicht ausweichen. Wie Sie wissen, weiser Mann, bin ich trotz einiger Differenzen der Verbündete von Belongo Mining. Und deshalb haben meine Speere ungeachtet aller Dinge, die gewesen sind, Seite an Seite mit Niklas' Kriegern und den Soldaten aus den USA gekämpft und das Böse aus Keounda City vertrieben. Das ist eine Tat, die ich meinen Leuten nicht hoch genug anrechnen kann. Wohl wissend, dass es ohne die Ranger und ohne die Mine niemals funktioniert hätte. Meine Speere waren stets an Zahl unterlegen, und selbst wenn sie es bis zu den Brücken geschafft hätten, die Panzer und der Schwimmpanzer hätten sie niedergemäht. Aber ich bin gewillt, und ich stehe dazu, meine Leute jederzeit wieder für Belongo Mining kämpfen zu lassen, weil das bedeutet, für eine höhere Idee zu kämpfen. Solange ich meine Leute für Axel kämpfen lassen kann, wird mir niemand vorwerfen, ein Volk oder eine besondere Fraktion zu bevorzugen.“
Wanagana räusperte sich. „Ich habe viel, sehr viel gehört, bevor Heide Schuster auch mich besucht hat. Aber ich war gespalten. Ich fürchtete mich vor der militärischen Macht der Mine und wollte sie gewähren lassen, weil ein Kampf mit ihnen meine Speere dezimiert hätte, ohne Gewinn zu versprechen. Als ich aber hörte, dass die Minengesellschaft um Keounda City kämpft, da nahm ich es als Zeichen an. Als Zeichen, dass sich etwas ändert, und zwar für ganz Belongo. Und wer Teil der neuen Zeit werden will, darf nicht in der Vergangenheit verharren.“
„Um die Worte zu erklären, vor allem für unseren Gast aus Amerika“, nahm Taran das Wort wieder auf, „so sind wir drei gewillt, unsere Kraft und unsere Speere zur Verfügung zu stellen, um Belongo unter der Supervision der Belongo Mining zu beschützen. Im neuen Belongo sollte es keine Kriegsherren mehr geben, denn unsere Völker werden nicht mehr als Völker beschützt werden müssen, nur noch als Personen. Darum ist die Zukunft der Speere aus drei verschiedenen Völkern die Bildung einer neuen, völkerübergreifenden Armee, die Frieden, gerechte Verteilung der Güter und den Schutz aller Bürger Belongos garantieren wird.“
Nachdem der Atuti geendet hatte, lag eine atemlose Stille über dem Tisch.
Axel war der erste, der seine Stimme wiederfand. „Wir sollen die neue Miliz ausbilden, oder meinetwegen die neue Volksarmee.“
„Ja. Sie ausbilden, sie bewaffnen, sie auf schwerem Gerät schulen. Wir werden dafür die Speere aller Kriegsherren aufrufen, sich anzuschließen, um das neue Heer zu bilden, das nicht nach Völkern und Sippen unterscheiden wird, sondern wie im alten Belongo als Hort der Gleichheit empfiehlt.“ Taran machte eine kurze Pause, um Axel in die Augen zu sehen. „Als hier vor zwanzig Jahren, elf Monaten und vier Tagen Ngali ausgelöscht wurde, von Luftangriffen und Bodenangriffen der Base de l'Air, begannen für Belongo schlimme Tage der Gewalt und des Todes. Die Stämme wurden gegeneinander aufgehetzt, die Miliz wurde gesplittet, weil jeder Soldat sein eigenes Volk beschützen wollte, und das Symbol der Einheit und des Friedens in Belongo, die Hauptstadt, wurde zum Hort des Bösen. Belongo wurde enthauptet und blieb es lange Zeit, bis der Riki vertrieben werden konnte. Nun gibt es die Hauptstadt wieder. Nun gibt es die Hoffnung wieder. Und Belongo Mining hat bewiesen, dass jedermann, der auf sie zutritt, Hilfe bekommt, ungeachtet des sozialen Rangs, des Volkes, der Herkunft. Würde ich nun die Miliz ausrufen, dann würde man mir nicht zu Unrecht vorwerfen, ich würde damit die Rolle der Atuti stärken wollen, und genau das würde ich auch versuchen. So ist es in meinem Blut, so habe ich es die letzten zwanzig Jahre getan. Nicht, dass ich sie übermäßig bevorzugen würde, aber die meisten Offiziere kämen aus meinem Volk. So haben wir diese dunkle Zeit überlebt. Würde Ldunga dieses Amt übernehmen, wären die meisten Offiziere Lulugengo. Würde Wanagana übernehmen, würde er die Kelegaba bevorzugen. Weil es bisher genauso in Belongo gehandhabt wurde. Ja, auch in Ndongo. Und was wir davon haben, wenn ein, zwei, drei elitäre Stämme alles für sich wollen und nichts für die anderen, das haben wir gesehen. Aber wenn die Belongo Mining das übernimmt... Ich sehe ein, in der nächsten, der allernächsten Zeit wird Krieg herrschen. Aber kein Krieg zwischen einander, sondern ein Krieg zwischen uns und unseren wahren Unterdrückern, die Upeti, die Llangoto, die Fufalla.
Unter der Führung von Niklas wären viele Kriegsherren bereit, darauf zu vertrauen, dass die neue Miliz ihre Völker auf einer neutralen Basis beschützt, sodass sie keine Speere mehr brauchen. Sie würden sie unter sein Kommando stellen. Wir würden damit unsere Kräfte bündeln und uns erstmals in unserer Geschichte gemeinsam gegen Ndongo wehren. Und was Keounda City angeht, wenn keiner unserer Stämme, vor allem die zahlreichen Wagonda, unsere Hauptstadt für sich beansprucht, sondern alle Völker sie beanspruchen, unter einem Anführer, der aus keinem der Völker stammt, dann kann sie die Keimzelle für eine stabile Zukunft sein.“
Axel war blass geworden. „I-ich bin kein Politiker. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: Ich bin jetzt das Oberhaupt von Belongo.“
„Sie können was nicht sagen?“, fragte der Atuti.“
„Na, ich bin das Oberhaupt von Belongo.“
„Das machen Sie aber schon ganz gut“, frohlockte Taran. „Axel, geben Sie uns dieses eine halbe Jahr. Übernehmen Sie es, in diesem halben Jahr das Land zu ordnen und überlassen Sie es Ihrem Bruder und Hannes Malicke, eine Armee zu unserer Verteidigung aufzustellen und sie zu trainieren. Ein halbes Jahr, das würde uns reichen. Dann können unsere ausgebildeten Leute diese Armee übernehmen, dann können wir freie Wahlen abhalten, um ein demokratisch gewähltes Oberhaupt zu finden.“
„Ich kann doch nicht...“
„Du musst sogar“, sagte Ldunga mit fester Stimme. „Alle Stämme, alle Dörfer, sehen es als Omen an, dass du als Wehrloser nach Keounda City gekommen bist, und nun als Sieger über die Stadt herrschst. Ich gebe zu, Heide Schuster hat noch nicht jedes Dorf besucht, noch nicht mit jedem Kriegsherrn gesprochen, und auch wir haben erst fünf weitere Kriegsherren auf unserer Seite, die Meisten von ihnen Wagonda. Aber es gibt eine Entwicklung. Und vereinzelt haben wir von Milizen gehört, die sich im Dschungel verstecken und die für eine Generalamnestie bereit sind, sich deinem Oberbefehl zu unterstellen. Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung, und wenn diese Veränderung von jemandem angeführt wird, der keinen Stamm bevorzugt, weil er kein Teil unseres Stammessystems ist, dann können die Menschen vertrauen.“
„Hm“, machte Meike skeptisch. „Ihr bereitet einen Krieg vor.“
„Der Krieg ist schon lange da, Doktor Herryhaus“, sagte Wanagana. „Und bisher haben wir ihn immer gegen uns selbst gefochten, sehr zur Freude unserer Unterdrücker, denn uns blieb keine andere Wahl. Aber jetzt stehen die Dinge anders. Wir können jetzt etwas für den Frieden tun.“
„Was wir erwarten“, sagte der Atuti schließlich, „das ist, dass die Belongo Mining für den Austausch der Diamanten, die sie hier findet, weiterhin Hilfsgüter ins Land bringt. Dass die Hälfte des Gewinns an die Mitarbeiter geht, begrüßen wir sogar, denn Sie tun hier etwas, was noch nie jemand zuvor getan hat, was niemand zuvor für möglich gehalten hat. Wir gönnen euch den Reichtum, schenkt Ihr uns doch einen Reichtum, den wir schon lange verloren glaubten. Frieden zwischen unseren Völkern. Axel Herwig, ein halbes Jahr. Niklas Herwig, ein halbes Jahr. Wir bitten euch.“
Wie abgesprochen senkten alle drei Kriegsherren die Häupter vor den beiden Brüdern.
Axel runzelte die Stirn. „Wie ich schon sagte, wir planen, die Mine nach Ablauf der Frist in die Hände der Leute zu geben, die wir für diese Aufgabe ausbilden. Leon ist da viel versprechend. Und wir werden auch die Wege finden, um das Krankenhaus weiter zu betreiben, wie wir es versprochen haben. Wir lasen auch unsere Waffen und unser Gerät hier, zum Nutzen Belongos. Müssen wir wirklich noch mehr tun?“
„Oh, du wirst noch mehr tun, Axel Herwig“, sagte der alte Imam lachend. „Weil du nicht anders kannst als Leute zu beschützen, denen du noch nie begegnet bist, und von denen du keinen Nutzen zu erfahren hast, einfach weil sie Hilfe brauchen und du diese Hilfe leisten kannst. Also ist es doch eine kluge Idee, wenn du dies mit dem Segen aller tust.“
Axel blickte den blinden Mann erstaunt an. „Sicher, das würde ich, aber... Abu, wenn...“
„Ich kann nicht das Oberhaupt sein. Gewiss, ich bin geachtet und geschätzt in weiten Teilen des Landes. Deshalb wird meine Stimme, die ich für dich erhebe, auch Gewicht haben. Aber ich bin nicht du, Axel Herwig. Ich bin nicht du.“
„Vom Standpunkt des Präsidenten aus gesehen“, meldete sich der General zu Wort, „sehen wir nach den Vorfällen mit den russischen Raketen einen Konflikt mit Ndongo nicht als unausweichlich an. Eine stabile Regierung in Belongo, die unseren Beistand wünscht, würde es uns allerdings erleichtern, vor dem Kongress zu vertreten, das Flugverbot weiterhin durchzusetzen. Es muss keinen Krieg mit Ndongo geben. Nicht zwangsläufig. Aber sollte es ein neues Landesoberhaupt geben, und würde dieses Landesoberhaupt den Präsidenten fragen, ob er das Flugverbot über den Zeitraum der Untersuchung hinaus durchsetzen kann, würde Präsident Etranger dies mit einem präsidialen Dekret erst einmal gewähren und dann vor dem Kongress und dem Senat vertreten.“
„Oder einfacher ausgedrückt“, sagte Captain Scott, „es wird eine neue Band gegründet, und die braucht einen Frontmann.“
Alle Augen richteten sich auf Axel Herwig, auch die des blinden Imam.
***
„Ma'am?“
Anette Burdelle wandte sich der Frauenstimme zu. „Was gibt es, Lieutenant?“
McMasters deutete die von Straßenlampen kaum erleuchtete Straße hinab, wo sie bis vor kurzem noch den Mob gehört hatten. „Sie ziehen ab.“
Anette Burdelle schüttelte den Kopf. „Tun sie nicht.“
„Aber sie werden leiser.“
„Ariele, Sie kennen diese Straßen besser als ich. Gibt es im direkten Umkreis eine breitere Straße als diese? Einen Platz zum Beispiel?“
„Nein, Ma'am, nicht im näheren Umkreis.“
„Diese Straße ist also der einzige Ort, an dem sie eine große Menschenmenge versammeln können, richtig?“
„Zumindest in diesem Viertel, ja.“
Burdelle hob ihr Fernglas und spähte die Straße ab. „Warum also sollte sich der Mob zurückziehen, immer vorausgesetzt, er steht noch unter der Kontrolle der Rädelsführer?“
Die junge Frau dachte nach. „Sie haben ein lohnenderes Ziel gefunden?“
„Hm. Und dieses Ziel wäre? Erinnern Sie sich daran, der Mob schaukelte auf, als herauskam, dass ein US-Kampfschiff einen Frachter aus dem Besitz des Präsidenten versenkt hat. Das hat sich nicht geändert. Warum also sollte der Mob abziehen? Glauben Sie, die Cola und das Geld und der Schmuck haben gereicht?“
„Um sie alle zufrieden zu stellen? Nein, Ma'am.“ Sie sah erstaunt drein. „Vielleicht liegt es an den Nachrichten! Es geht ja gerade durch das Staatsfernsehen, dass Keounda City heute Abend eingenommen wurde und die Rebellen vertrieben werden konnten, und dass die Base de l'Air de Belongo maßgeblichen Anteil an der Sicherung der Stadt hat. Vielleicht gehen sie feiern.“
„Das glauben Sie doch selbst nicht, Ariele. Sie wissen zu gut, dass nicht ein ndongoianischer Soldat an dieser Aktion beteiligt war, und dass die Base de l'Air nur in einem Punkt überhaupt in der Geschichte involviert war, nämlich als der dortige Kommandeur versucht hat, zwei unserer Ranger-Platoons festzusetzen. Nein, Ariele, die Propaganda schlachtet das Thema aus, weil es nach allem eine gute Nachricht ist. Und wahrscheinlich wird sich Ndongo in naher Zukunft nachhaltig darüber beschweren, dass die USA ihren Truppen den Zugang zur Stadt verwehren. Aber das ist etwas, was morgen stattfinden wird. Die Verdienste der Army Ranger und der Krauts zu vereinnahmen... Wie typisch.“
„Darum bringen sie es in den Nachrichten? Um selbst gut dazustehen?“
„Und um politische Vorteile herauszuschlagen. Denn wenn dieser Körperteile tragende Bastard Keounda City nicht mehr beherrscht, dann muss es Ndongo sein, sonst passiert wer weiß sonst noch was mit der Region. Nachher erklärt sich der 17. Bundesstaat noch für unabhängig. Und dann ist all das schöne Öl futsch, das sie fördern.“ Sie nahm das Fernglas ab. „Die Ospreys kommen wann?“
„Der von Keounda City ist in achtzehn Minuten da. Der von der Abe braucht noch etwa drei Stunden.“
„Treffen Sie eine Vorauswahl von Leuten, die zuerst ausgeflogen werden. Sehen Sie zu, dass Sie so viele Menschen wie irgend möglich reinquetschen. Bevorzugen Sie Frauen und Kinder. Nationalität ist egal. Und sorgen Sie dafür, dass der Botschafter an Bord sein wird. Ist wenigstens eine der Maschinen leer?“
„Nein, Ma'am. Beide bringen uns je zwei zusätzliche Firesquads und Munition. Frauen, Kinder und der Botschafter zuerst?“
„Ja.“
„Ist das die Antwort auf die Frage, warum sich der Mob zurückzieht?“
„Richtig.“
„Also, warum zieht sich der Mob zurück?“
Anette Burdelle grinste freudlos. „Damit er nicht ins Kreuzfeuer gerät. Machen Sie die Leute bereit. Sobald der erste Schuss gefallen ist, freies Feuer auf jeden Schwarzafrikaner, der bewaffnet auf dieses Gebäude zugerannt kommt. Und machen Sie ein paar der Javelins klar, die ich mitgebracht habe.“
Ariele McMasters wurde kreidebleich. „Panzer?“
„Wir haben sie vorhin gehört, Ariele.“ Burdelle klopfte der Jüngeren auf die Schulter. „Sie machen das schon. Sehen Sie zu, dass wir auch zu den Seiten und nach hinten ausreichend wachsam sind. Ach, und noch was. Ich glaube ja persönlich nicht daran, dass die Ndongoianer so etwas wagen, aber sollte ihre Luftwaffe eine ähnliche Schweinerei vorhaben wie mit den Army Rangern in Belongo, sollten wir auch ein paar Stinger auspacken und Gefechtsklar machen.“
„Sie meinen Napalm, Ma'am?“
„Himmel, ich hoffe doch, so verrückt sind sie nicht. Die ganze Straße würde brennen. Aber Beschuss oder Luft-Boden-Raketen, das würde ich ihnen zutrauen. Gehen Sie jetzt, Ariele. Solange wir den Mob noch hören, geht es erst los, wenn wir die Panzerketten wieder hören.“
„Verstanden, Ma'am.“ Die Lieutenant nickte, anstatt zu salutieren, bevor sie sich aufmachte, die Anweisungen auszuführen. Der schwerste Teil würde sein, Botschafter Hayle dazu zu bringen, in den Osprey zu steigen.
Es vergingen fast zehn Minuten, bevor der Mob nicht mehr zu hören war. Dann klangen wie erwartet die Geräusche von Ketten auf. Eigentlich war es politischer Wahnsinn, Panzer gegen eine US-Botschaft einzusetzen. Es war eine offene Kriegserklärung. Aber von einem Gegner, der politische Gegner auf offener Straße hinrichtete, um seinen Clan bei Laune zu halten, war alles zu erwarten. So ziemlich alles. Burdelle hörte mit spitzen Ohren zu, bevor sie sich erhob und das Dach verließ. Schade, sie hatte es hier oben gemocht.
„McMasters!“
„Captain?“
„Es sind bis jetzt nur zwei. Beide kommen aus Süden. Bringen Sie zwei Leute mit Javelins so unauffällig wie möglich in den Vorgarten. Sagen Sie den Spähposten, dass sie die anderen Seiten aber nicht vernachlässigen sollen.“
„Jawohl, Ma'am. Schätze, die sind wirklich sauer, was?“
„Nein, das denke ich nicht. Die sind nicht sauer, die wollen einen Krieg. Wir...“ Ihre spitzen Ohren hörten das sehr charakteristische Geräusch von einstürzenden Wänden, wenn auch aus einiger Entfernung. „Nanu?“
Sie eilte wieder aufs Dach, McMasters dicht hinter sich, nachdem sie zwei Javelin-Teams in den Vorgarten gejagt hatte.
Burdelle schlich auf dem Flachdach bis zum südlichen Beobachtungsposten. „Was sehen Sie, Private?“
„Einen Panzer, Ma'am. Russisches Modell, T-55, Standardausrüstung der ndongoischen Armee. Fährt eine eigentlich ganz hübsche alte Villa platt, achthundert Yards die Straße runter.“
„Eine Botschaft?“, fragte sie.
McMasters spähte mit ihrem Fernglas nach Süden. „Oh. Das nenne ich eine späte Rache. Ist die ehemalige Villa des belgischen Gouverneurs. Stand eh leer, das Gebäude, weil sich die Regierung nie darauf einigen konnte, was sie mit dem verhassten Bauwerk der verhassten Kolonialherren machen sollten. Scheint so, als hätte jetzt jemand eine Entscheidung getroffen.“
Beinahe hätte Anette Burdelle aufgelacht. „Sollen sie ruhig das Gebäude platt walzen. Dann haben sie weniger Zeit für uns. Wann kommt der erste Osprey jetzt?“
„Geplante Ankunftszeit sieben Minuten, Ma'am.“
„Falls ihn kein Black Star vom Himmel pflückt“, wandte der Späher ein.
„Oh, da hat wohl jemand Lust auf zweitausend Liegestütze“, sagte Burdelle zwischen Amüsement und Ärger gefangen. „Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man die Menetekel in Ruhe lassen soll und niemals an die Wand malt, Private?“
„Nein, Ma'am, das wurde bei meiner Ausbildung vergessen.“
„Gut, dann will ich nachsichtig sein. Aber sagen Sie so etwas nie wieder.“
„Werde mich bemühen, Captain.“
Ein flüchtiges Grinsen ging über ihr Gesicht. In weniger als fünf Minuten würde ein Teil ihrer Sorgen von ihr genommen werden. Was danach kam, konnte schlimm werden. Aber sie hatte gute Leute hier. Sie würden schon was reißen können.
„Machen Sie weiter, McMasters.“
„Ja, Ma'am.“
„Ach, und falls der Botschafter nicht einsteigen will: Holen Sie die Flagge ein und bringen Sie sie auf den Osprey.“
„Ja, Ma'am.“
Die Wartezeit auf den zweiten Osprey würde sehr lang werden, oder sehr kurzweilig ausfallen. Aus naheliegenden Gründen war ihr Langeweile derzeit viel lieber.
***
An Bord der Abraham Lincoln herrschte Gefechtsbereitschaft, also Verdunklung, volle Patrouille, volle Schichten am Radar, und, und, und. Die Situation an Bord des Trägers und seiner ihn begleitenden Kampfgruppe war nicht gerade konzentriert, allerdings auch verfahren genug. Mit jeder Stunde kamen die Piloten dem Einsatzgebiet Ndongo näher, die Flotte passierte gerade Viemibia mit Höchstfahrt, würde bald Anjula erreichen, und dann vor der Küste Ndongos kreuzen können. Die Colorado kam ihnen entgegengedampft, so schnell es ihre Kessel erlaubten, und damit allein würden sie ein sehr deutliches Zeichen an Präsident Rousseau sein. Bisher mussten ihre Flieger, um Belongo zu erreichen, viemibischen Luftraum durchqueren, dann panadianischen. Vor der Küste Ndongos kreuzend konnte sich das ändern. Vor allem, wenn Anjula den US-Fliegern endlich Überflugerlaubnis erteilte.
Dennoch schien Admiral Philips von alldem im Moment unberührt. Er hatte zwar ein Headset auf dem Kopf und lauschte dem, was in der CIC vor sich ging, aber ansonsten saß er neben dem Krankenbett auf der Intensivstation des Trägers und betrachtete den jungen Piloten, der nach seiner schweren Operation aufzuwachen versuchte. Und dann schaffte er es tatsächlich.
„Was?“, entfuhr es Second Lieutenant Keiichi Tanaka, während er in das grelle Licht der Decke blinzelte.
Sofort war Doktor Brown bei ihm. „Können Sie mich hören, Lieutenant?“ Er griff zu seinem Leuchtstab und überprüfte die Pupillenreflexe des Piloten.
„Ja...“
„Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern können?“
Verständnislos sah Tanaka den Arzt an, dann ließ er sich seufzend wieder auf das Kissen sinken, von dem er aufgefahren war. „Rakete... Verletzung... Notlandung...“ Er fuhr wieder hoch. „Mein Bein...“
„Ruhig, Lieutenant, Ihr Bein ist noch dran. Sie haben ein schönes Loch drin, und mit dem Fliegen ist es in der nächsten Zeit erst mal Essig, aber Sie werden es nicht verlieren. Und die Prognose, ob Sie es nach der Rekon wieder normal benutzen können, sehen relativ gut aus. Hat hauptsächlich Muskelfleisch erwischt. Da haben Sie wirklich Glück gehabt.“
„Was? Oh...“ Er tastete nach dem Bein. Philips half ihm und führte seine Hand, bis der Pilot das Bein selbst ergreifen und betasten konnte. „Gut...“, murmelte er. Dann wollte er wieder auffahren. „Topper?“
Philips und der Arzt drückten ihn zurück auf die Kissen. „Lieutenant Martell geht es gut. Sie hat eine erstklassige Landung hingelegt und damit Ihr Leben gerettet, Lieutenant Tanaka. Sie war bis vor einer Stunde hier, aber ich habe sie ins Bett befohlen. Sie muss morgen wieder fliegen.“
„Verstehe...“
„Ich werde ihr persönlich sagen, dass Sie aus der Narkose erwacht sind“, sagte Philips. „Wissen Sie, wer ich bin, Badger?“
Die Augen des Asiaten zuckten von Brown zum Admiral. „Sir.“
„Nein, bleiben Sie liegen, Badger. Gute Arbeit da draußen. Sie haben die Karuma erwischt. Und Ihnen wird es auch wieder gut gehen, ganz davon abgesehen, dass Ihr Jet wieder nach Hause gebracht wurde. Der Skipper der Colorado ist voll des Lobes über Sie und Topper. Und auch ich werde eine entsprechende Anmerkung in Ihre und Toppers Akte setzen. Tja, mit dem Fliegen ist es wirklich erst mal vorbei. Also sehen Sie zu, dass Sie sich ausruhen, denn umso schneller kann die Rekonvaleszenz losgehen, und umso eher kriegen Sie Ihre Flugfreigabe wieder.“
Tanaka sah Philip aus glasigen Augen an, bevor sein Widerstand erlosch und er sich wieder auf das Kissen sinken ließ. „Verstanden, Admiral.“
Philips klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Schön, dass Sie es geschafft haben, Lieutenant.“
„Danke... Dass Sie hier waren.“
Eines seiner seltenen Lächeln ging über Cedric Philips Gesicht. „Es war mir eine Ehre, Badger.“
Er nickte dem Japano-Amerikaner noch einmal zu, dann den Doktor, und anschließend verließ er das Krankenrevier, um sich auf den Weg zu den Pilotenquartieren zu machen, wo eine gewisse junge Dame statt zu schlafen sicher gerade Furchen in den Schiffsboden lief. Er würde ihr die gute Nachricht überbringen und dann selbst versuchen, etwas Schlaf zu finden. Die Nacht würde nicht viele Überraschungen bringen, der Tag hingegen schon. Vermutete er.
„Darf ich sie sehen?“, fragte der Sheik.
„Sie?“, fragte Axel.
„Die Ärztin mit den Wunderhänden.“
„Oh. Sie.“ Axel grinste schief. „Meike, würdest du dich bitte dem Imam vorstellen?“
Die junge Ärztin sah ihren Freund und Weggefährten überrascht an. Dann aber nickte sie und trat vor den blinden Mann. „Ich bin Meike Herryhaus.“ Sie nahm seine Hände und legte sie sich auf ihr Gesicht. Der alte Prediger betastete es vorsichtig, aber ausgiebig, bevor er zufrieden war. Dann tastete er nach Meikes Händen, hob sie vor sein Gesicht und küsste sie. „Allah hat uns gesegnet, indem er dich gesandt hat, Meike Herryhaus. Die Gerüchte von deinen Wundertaten haben sich wie ein Buschfeuer auch auf die Ostseite des Lagabandas verbreitet und die Menschen dort in Flammen gesetzt.“
„Ich habe nur meine Pflicht getan.“
„Die du dir selbst ausgesucht hast“, stichelte Niklas.
„Einer musste eben mal damit anfangen, etwas zu tun“, erwiderte sie ein wenig zu bissig.
„Und wir sind dankbar, dass du damit angefangen hast, Meike Herryhaus.“
„Meike. Meike reicht vollkommen, Abu. Kommen Sie, hier ist ein Stuhl. Die Predigt wird Sie erschöpft haben.
Der alte Mann ließ sich willig von Wanaganas Tochter und der Ärztin führen und nahm am einzigen Klappstuhl im Besprechungsraum Platz.
„Doktor Herryhaus. Ich bin noch nicht dazu gekommen, mich persönlich vorzustellen“, sagte Shatterfield und reichte Meike die Rechte, „aber ich bin auch hier, um Ihnen den Dank einer Nation dafür zu überbringen, dass Sie für jedes einzelne Leben gekämpft haben, das zu Ihnen raus zur Farm geschickt wurde.“
Die junge Frau wurde rot. „Ich... Ich hätte gerne mehr getan, aber ich konnte sie nicht retten...“
„Das hätte sicher niemand. Aber Sie haben getan, was Sie konnten, und dafür haben Sie auch die eigene Gesundheit riskiert. Ich kenne eine Menge Ärzte, viele von ihnen herausragende Menschen mit Hingabe und Opferbereitschaft versehen, Männer wie Frauen. Und nach allem, was ich über Sie erfahren habe, zum Beispiel aus den Berichten meiner Leute, muss ich schließen, dass Sie zu den Besten aus diesem Kreis gehören, Doktor Herryhaus.“
Meike schluckte heftig. „Danke, Sir.“
„Das war kein Kompliment, es war eine Feststellung. Ich werde sehen, ob wir Ihre Arbeit im besonderen Maß ehren können, vielleicht mit einem zivilen Orden oder einer Anstellung in einem unserer Universitätskrankenhäuser.“
„Netter Versuch, unseren Chefarzt abzuwerben“, sagte Axel, legte einen Arm um Meike und drückte sie an sich, „aber das wird nicht funktionieren. Meike wird hier nicht weg wollen, egal, was Sie ihr anbieten, General. Oder Ihre Nation.“
„Axel...“, raunte sie erstaunt.
„Und das wissen Sie so genau woher?“, fragte der General schmunzelnd.
„Na, weil sie bei Ihnen ein Arzt von vielen wäre. Hier aber ist sie der unumstrittene Boss, und das gibt sie für niemanden auf. Auuuuu!“
Meike funkelte ihn böse an. „Das klingt so, als wäre ich herrschsüchtig, Axel Herwig!“
„Musst du mir deshalb auf die Zehen treten?“, murrte er.
„Natürlich muss ich das. Dummheit sollte nämlich wehtun“, erwiderte sie schnippisch.
Das laute Lachen des Kriegsherrn Lobando Tarans unterbrach ihre Konversation. Er war bereits ein alter Mann, nicht zu vergleichen mit dem drahtigen, bärtigen Ldunga, oder dem großen, massigen Glatzkopf Wanagana. Er war alt, dürre, gebeugt, und sein Bart war mehr weiß als schwarz. Auch sein Haupthaar war fast ausschließlich weiß. Aber seine Augen, die Augen zeigten, dass er noch lange nicht so alt sein konnte, wie er auf einen Betrachter wirkte. „Der Elan der Jugend“, schmunzelte er. „Das wird uns hier noch gut tun. Aber wollen wir nicht zum Thema zurückkommen?“
„Natürlich, Taran. Entschuldigen Sie“, sagte Axel, ließ Meike los und trat an den Tisch, um den sie standen und eine Karte von Belongo betrachteten. „Wie ich vorhin schon sagte, so werde ich die Zeit der Belongo Mining um einen weiteren Monat verlängern. So ich denn genug Leute kriege, kann das bis auf ein halbes Jahr oder länger ausgedehnt werden, aber Sie müssen bedenken, immer im Hinterkopf haben, dass wir nicht für ewig hierbleiben werden. Wir sind keine Kolonisten. Wir sind Glücksritter. Und Glücksritter fahren weiter, wenn sie ihr Glück gefunden haben.“
„Ein Monat für den Anfang ist in Ordnung“, sagte Ldunga mit Nachdruck in der Stimme. „Und es ehrt dich, dass du und Belongo Mining sich hier nicht als neue Besatzungsmacht festbeißen wollen und ehrlich mit uns sind. Ebenso finde ich die Idee gut, die Mine unter Belongoischer Leitung weiterzuführen und unsere Leute auf eurem militärischen Gerät auszubilden. Aber ich bin mir sicher, es wird mindestens ein halbes Jahr dauern, bis wir so weit sind, die Diamantenmine ähnlich profitabel auszubeuten. Darum meine Bitte: Bleiben Sie ab jetzt mit so vielen Leuten, die Sie dafür begeistern können, ein halbes Jahr hier, Axel, Niklas, Hannes.“
Die anderen beiden Kriegsherren nickten zustimmend. Und auch der Imam ließ einen zustimmenden Laut hören.
Die beiden Brüder wechselten einen kurzen Blick miteinander, dann sah Axel Hannes und Meike an. „Wie ich schon sagte, wir sind nicht hier, um das Land zu unterwerfen, und...“
„Sehen wir es doch realistisch, Axel Herwig“, fiel ihm Lobando Taran ins Wort. „Der Moment, in dem Sie hier starten und nicht wiederkommen, ist der Moment, in dem die alten Verhältnisse einziehen, die Stämme wieder gegeneinander kämpfen und die stärkste Partei die Macht über die Mine erlangen wird, indem sie die anderen Parteien so gut sie kann reduziert. Diese Macht wird die Base de l'Air sein.“
„Ich sehe große stabilisierende Effekte im Land“, entgegnete Meike. „Wagondas, Lulugengos, ja, Ihre Atuti, Taran, und viele andere Völker arbeiten am Krankenhaus Seite an Seite miteinander, die alten Feindseligkeiten vergessend, was nicht nur unserer exzellenten Diplomatin zu verdanken ist, sondern auch dem guten Willen, dem sie überall begegnet... Wo ist Heide überhaupt?“
Niklas zog die Augenbrauen hoch. „Thomas hat zwei Deutsche als Gäste aufgenommen. Aus dem Verteidigungsministerium. Sie lässt sich gerade von Boxie rüberfliegen, um mit ihnen zu reden. Sein Mi-24 ist ohnehin mit dem Wartungsturnus dran, deshalb fliegt er in beginnender Dämmerung. Wenn die Nacht hereinbricht, wird er schon über panadianischem Boden sein.“
„Hoffentlich. Noch einen Absturz können wir nicht gebrauchen“, murmelte Axel und hoffte, dass ihn niemand gehört hatte.
Niklas ging darüber hinweg, indem er mit den Schultern zuckte.
„Diese stabilisierenden Effekte, Doktor Herryhaus, und auch die Zusammenarbeit der Menschen der verschiedenen Völker haben genau einen einzigen Grund, einen einzigen Anker. Sie, die Belongo Mining.“ Ldunga und Wanagana nickten zustimmend zu den Worten des Alten.
„Sobald Sie davon fliegen, ist es egal, wie viele Schulen Sie errichtet haben, wie viele Kilometer Straßen Sie gebaut haben und wer das Krankenhaus betreibt. Sie müssen verstehen, auch in unserer Zeit ist der Dschungel ein gefährlicher Ort. Man schließt sich zu Gruppen zusammen, um gemeinsam zu überleben. Diese Gruppen versprechen Schutz, eine Teilung der Aufgaben, eine Verteilung der Lasten. Wie finden sich diese Gruppen? Einige wie die Milizen, die noch immer nach zwanzig Jahren durch den Dschungel toben, finden sich, indem sie sich um einen Kommandeur scharen, der sie anleitet. Der sie führt. Der für sie das Denken übernimmt. Die anderen gehen nach der Familie, nach der Volkszugehörigkeit. Sie werden, vor die Wahl gestellt, immer ihren Stamm vorziehen. Ein Wagonda wird eher einen Wagonda unterstützen als einen Atuti oder einen Kelegaba. Das ist unser Erbe. Es hat uns geholfen, die Fremdherrschaft der Belgier zu überleben. Als Volk zu überleben. Und es hat uns geholfen, durch all die Phasen des Feuers und der Gewalt zu kommen, die die Base de l'Air über uns gebracht hat, aber auch die Gewalt, die wir selbst übereinander gebracht haben.“
„Wohl wahr“, murmelte der Sheik.
Wanagana sah die Herwigs sehr, sehr ernst an. „Dieses System hat zwanzig Jahre funktioniert und zumindest die Völker erhalten, als es unzählige Einzelschicksale gab, die mit Tod und Gewalt zu tun hatten. Und noch immer haben, selbst in diesem Moment. Sehen Sie, ich, mein Kollege Ldunga und auch der gute Taran, wir haben, das gebe ich offen zu, viele Dinge getan, die in Ihren europäischen Augen gewalttätig sind, brutal, ja, Kriegsverbrechen. Aber wir haben es nicht getan, um einen anderen Stamm auszurotten. Wir haben es getan, um unsere Stämme zu beschützen. Der stetige Kreislauf der Gewalt dreht und dreht sich weiter, solange die Base de l'Air die Kriegsherren besticht, die Menschen aufhetzt und jene tötet, die bei diesem Karussell nicht mitfahren wollen. Das macht uns sicher nicht besser, gerade nicht in Ihren Augen. Aber wir haben hier auch keine europäischen Verhältnisse, wir haben belongoische Verhältnisse. Wenn wir also etwas tun wollen, etwas verändern, etwas verbessern, zum Beispiel Keounda City wieder aufbauen, den Wohlstand zurück in unser Land holen wollen, indem wir den Handel wieder aufleben lassen, wenn wir unseren Kindern eine gute Bildung zukommen lassen wollen, damit ihre Generation es besser hat, und es besser macht, dann brauchen wir das Krankenhaus. Und wir brauchen Belongo Mining.“ Der Kriegsherr schwieg einen kurzen Moment. Er sah Shatterfield an. „Ich denke, gerade Sie wollen das nicht hören, General.“
„Und ob ich das hören will. Ich denke, das, was ich hier erfahre, wird maßgeblich dazu beitragen, um zu entscheiden, wie wir mit euch umgehen werden. Bisher bin ich eher positiv gestimmt.“
„Ach, tatsächlich? Und wenn ich Ihnen sage, dass meine Leute geplündert, Wehrlose ermordet und Frauen vergewaltigt haben, dass sie kleine Kinder aufgelesen und an der Waffe ausgebildet haben?“
„Dann würde ich Ihnen sagen, dass es einen Punkt geben muss, an dem man einen Schlussstrich ziehen kann, um ganz neu anzufangen. Bedenken Sie, um was es geht. Nämlich nicht nur um Ihre Völker, sondern um alle Völker, um alle Menschen, die in Belongo leben, und die Tag und Nacht von Tod und Zerstörung bedroht sind. Aber das ist nur die Meinung eines alten, erfahrenen Soldaten, nicht die offizielle Haltung der US-Regierung.“
Die beiden Männer maßen sich mit einem ernsten Blick, bis sie beide nickten.
Ldunga sah Meike ernst an. „Doktor Herryhaus, wir brauchen Sie. Sie, genau Sie. Wir brauchen Axel, wir brauchen Niklas. Wir brauchen Hauptmann Malicke. Wir brauchen Boxie. Wir brauchen jeden, der nicht aus diesem Land stammt, der zu keinem Volk gehört, aber bereit ist, für dieses Land zu kämpfen. Und kommen Sie mir nicht mit den Diamanten. Jeder Mensch in Belongo, der durch Sie bereits Hilfe erfahren hat oder auch nur dank Ihrer Anwesenheit Hoffnung schöpfen darf, gönnt es der Belongo Mining und ihren Mitarbeitern, dass sie reich werden, auch auf unsere Kosten. Denn das, was Belongo Mining jetzt ins Land schafft, Hilfsgüter, Generatoren, Solarpanel, Schulen, Straßenbauvehikel, die Minenwölfe, und, und, und... Die Impfungen, die medizinische Versorgung, die unglaubliche Großtat einer jungen Frau, die einem Kindersoldaten, der ihr Leben bedroht, eine Ohrfeige gibt, ihm die Waffe abnimmt, und dann tröstend in die Arme schließt, das ist alles so viel mehr als alles, was es die letzten zwanzig Jahre hier gegeben hat. Dies ist ohne Zweifel die beste Zeit, die Belongo in den letzten zweihundert Jahren je erlebt hat.
Axel, die Belongo Mining ist hier sehr, sehr willkommen. Nehmt euch alle Diamanten, die Ihr findet, beutet auch die zweite und die dritte Mine aus, werdet reich, wir alle gönnen es euch. Denn keiner von uns könnte das an eurer Stelle tun. Das, was Ihr stattdessen für das Land tut, ist so gewaltig, dass wir es kaum in Worte fassen können.“
„Das sind große Worte“, sagte der Sheik. „Aber wie willst du sie mit Leben füllen? Willst du alle Pflichten in die Hand von Belongo Mining legen und dir nur die Privilegien sichern? Ich weiß, dass du Rinder erhalten wirst, die von Axels Leuten in Panadia gekauft und eingeflogen werden.“
„Mich interessiert eigentlich mehr, woher du von der zweiten potentiellen Lagerstätte weißt“, sagte Axel.
Ldunga grinste. „Es ist ja nicht so, als gäbe es hier kein Internet. Ich musste nur ein wenig googlen, und dann fand ich im Wikipedia-Eintrag zu Belongo einen neuen Zusatz über die Axel-Mine und zwei weitere, vermutete Lagerstätten auf unserem Gebiet.“
„Was, bitte? Axel-Mine? Wikipedia-Eintrag?“
Niklas lachte schallend auf. „Wir hätten die Handyfunk-Antenne im Camp Diamond nicht aufbauen dürfen, scheint mir.“
„Auch die anderen Bodenschätze, die es in diesem Land gibt, einschließlich des Erdöls“, setzte Wanagana die Worte des anderen Kriegsherren fort, „würden wir ohne zu zögern Belongo Mining überantworten. Denn jetzt kriegen wir von dem Erdöl, das von der Base de l'Air gefördert wird, nur die Kugeln zurück, die damit gekauft werden. Belongo Mining aber würde aus dem Land, das reich an Bodenschätzen ist, ein Land machen, das reich an Kultur und Lebensqualität ist.“
Niklas fiel es wie Schuppen von den Augen. „Ihr wollt uns bestechen.“
„Ja“, gestand Wanagana. „Wenn Ihr den Abbau und den Ressourcenverkauf abwickelt, können wir sicher sein, dass ganz Belongo etwas davon abbekommt. Vielleicht wird es nicht gleichmäßig sein, vielleicht nicht ganz gerecht. Aber ohne euch würden viele Menschen gar nichts kriegen.“
„Da hat er wohl nicht ganz unrecht“, murmelte Meike.
„Das beantwortet aber meine Frage nicht“, sagte der Sheik.
Ldunga sagte: „Verzeihung, ehrenwerter Imam, ich wollte nicht ausweichen. Wie Sie wissen, weiser Mann, bin ich trotz einiger Differenzen der Verbündete von Belongo Mining. Und deshalb haben meine Speere ungeachtet aller Dinge, die gewesen sind, Seite an Seite mit Niklas' Kriegern und den Soldaten aus den USA gekämpft und das Böse aus Keounda City vertrieben. Das ist eine Tat, die ich meinen Leuten nicht hoch genug anrechnen kann. Wohl wissend, dass es ohne die Ranger und ohne die Mine niemals funktioniert hätte. Meine Speere waren stets an Zahl unterlegen, und selbst wenn sie es bis zu den Brücken geschafft hätten, die Panzer und der Schwimmpanzer hätten sie niedergemäht. Aber ich bin gewillt, und ich stehe dazu, meine Leute jederzeit wieder für Belongo Mining kämpfen zu lassen, weil das bedeutet, für eine höhere Idee zu kämpfen. Solange ich meine Leute für Axel kämpfen lassen kann, wird mir niemand vorwerfen, ein Volk oder eine besondere Fraktion zu bevorzugen.“
Wanagana räusperte sich. „Ich habe viel, sehr viel gehört, bevor Heide Schuster auch mich besucht hat. Aber ich war gespalten. Ich fürchtete mich vor der militärischen Macht der Mine und wollte sie gewähren lassen, weil ein Kampf mit ihnen meine Speere dezimiert hätte, ohne Gewinn zu versprechen. Als ich aber hörte, dass die Minengesellschaft um Keounda City kämpft, da nahm ich es als Zeichen an. Als Zeichen, dass sich etwas ändert, und zwar für ganz Belongo. Und wer Teil der neuen Zeit werden will, darf nicht in der Vergangenheit verharren.“
„Um die Worte zu erklären, vor allem für unseren Gast aus Amerika“, nahm Taran das Wort wieder auf, „so sind wir drei gewillt, unsere Kraft und unsere Speere zur Verfügung zu stellen, um Belongo unter der Supervision der Belongo Mining zu beschützen. Im neuen Belongo sollte es keine Kriegsherren mehr geben, denn unsere Völker werden nicht mehr als Völker beschützt werden müssen, nur noch als Personen. Darum ist die Zukunft der Speere aus drei verschiedenen Völkern die Bildung einer neuen, völkerübergreifenden Armee, die Frieden, gerechte Verteilung der Güter und den Schutz aller Bürger Belongos garantieren wird.“
Nachdem der Atuti geendet hatte, lag eine atemlose Stille über dem Tisch.
Axel war der erste, der seine Stimme wiederfand. „Wir sollen die neue Miliz ausbilden, oder meinetwegen die neue Volksarmee.“
„Ja. Sie ausbilden, sie bewaffnen, sie auf schwerem Gerät schulen. Wir werden dafür die Speere aller Kriegsherren aufrufen, sich anzuschließen, um das neue Heer zu bilden, das nicht nach Völkern und Sippen unterscheiden wird, sondern wie im alten Belongo als Hort der Gleichheit empfiehlt.“ Taran machte eine kurze Pause, um Axel in die Augen zu sehen. „Als hier vor zwanzig Jahren, elf Monaten und vier Tagen Ngali ausgelöscht wurde, von Luftangriffen und Bodenangriffen der Base de l'Air, begannen für Belongo schlimme Tage der Gewalt und des Todes. Die Stämme wurden gegeneinander aufgehetzt, die Miliz wurde gesplittet, weil jeder Soldat sein eigenes Volk beschützen wollte, und das Symbol der Einheit und des Friedens in Belongo, die Hauptstadt, wurde zum Hort des Bösen. Belongo wurde enthauptet und blieb es lange Zeit, bis der Riki vertrieben werden konnte. Nun gibt es die Hauptstadt wieder. Nun gibt es die Hoffnung wieder. Und Belongo Mining hat bewiesen, dass jedermann, der auf sie zutritt, Hilfe bekommt, ungeachtet des sozialen Rangs, des Volkes, der Herkunft. Würde ich nun die Miliz ausrufen, dann würde man mir nicht zu Unrecht vorwerfen, ich würde damit die Rolle der Atuti stärken wollen, und genau das würde ich auch versuchen. So ist es in meinem Blut, so habe ich es die letzten zwanzig Jahre getan. Nicht, dass ich sie übermäßig bevorzugen würde, aber die meisten Offiziere kämen aus meinem Volk. So haben wir diese dunkle Zeit überlebt. Würde Ldunga dieses Amt übernehmen, wären die meisten Offiziere Lulugengo. Würde Wanagana übernehmen, würde er die Kelegaba bevorzugen. Weil es bisher genauso in Belongo gehandhabt wurde. Ja, auch in Ndongo. Und was wir davon haben, wenn ein, zwei, drei elitäre Stämme alles für sich wollen und nichts für die anderen, das haben wir gesehen. Aber wenn die Belongo Mining das übernimmt... Ich sehe ein, in der nächsten, der allernächsten Zeit wird Krieg herrschen. Aber kein Krieg zwischen einander, sondern ein Krieg zwischen uns und unseren wahren Unterdrückern, die Upeti, die Llangoto, die Fufalla.
Unter der Führung von Niklas wären viele Kriegsherren bereit, darauf zu vertrauen, dass die neue Miliz ihre Völker auf einer neutralen Basis beschützt, sodass sie keine Speere mehr brauchen. Sie würden sie unter sein Kommando stellen. Wir würden damit unsere Kräfte bündeln und uns erstmals in unserer Geschichte gemeinsam gegen Ndongo wehren. Und was Keounda City angeht, wenn keiner unserer Stämme, vor allem die zahlreichen Wagonda, unsere Hauptstadt für sich beansprucht, sondern alle Völker sie beanspruchen, unter einem Anführer, der aus keinem der Völker stammt, dann kann sie die Keimzelle für eine stabile Zukunft sein.“
Axel war blass geworden. „I-ich bin kein Politiker. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: Ich bin jetzt das Oberhaupt von Belongo.“
„Sie können was nicht sagen?“, fragte der Atuti.“
„Na, ich bin das Oberhaupt von Belongo.“
„Das machen Sie aber schon ganz gut“, frohlockte Taran. „Axel, geben Sie uns dieses eine halbe Jahr. Übernehmen Sie es, in diesem halben Jahr das Land zu ordnen und überlassen Sie es Ihrem Bruder und Hannes Malicke, eine Armee zu unserer Verteidigung aufzustellen und sie zu trainieren. Ein halbes Jahr, das würde uns reichen. Dann können unsere ausgebildeten Leute diese Armee übernehmen, dann können wir freie Wahlen abhalten, um ein demokratisch gewähltes Oberhaupt zu finden.“
„Ich kann doch nicht...“
„Du musst sogar“, sagte Ldunga mit fester Stimme. „Alle Stämme, alle Dörfer, sehen es als Omen an, dass du als Wehrloser nach Keounda City gekommen bist, und nun als Sieger über die Stadt herrschst. Ich gebe zu, Heide Schuster hat noch nicht jedes Dorf besucht, noch nicht mit jedem Kriegsherrn gesprochen, und auch wir haben erst fünf weitere Kriegsherren auf unserer Seite, die Meisten von ihnen Wagonda. Aber es gibt eine Entwicklung. Und vereinzelt haben wir von Milizen gehört, die sich im Dschungel verstecken und die für eine Generalamnestie bereit sind, sich deinem Oberbefehl zu unterstellen. Die Zeichen der Zeit stehen auf Veränderung, und wenn diese Veränderung von jemandem angeführt wird, der keinen Stamm bevorzugt, weil er kein Teil unseres Stammessystems ist, dann können die Menschen vertrauen.“
„Hm“, machte Meike skeptisch. „Ihr bereitet einen Krieg vor.“
„Der Krieg ist schon lange da, Doktor Herryhaus“, sagte Wanagana. „Und bisher haben wir ihn immer gegen uns selbst gefochten, sehr zur Freude unserer Unterdrücker, denn uns blieb keine andere Wahl. Aber jetzt stehen die Dinge anders. Wir können jetzt etwas für den Frieden tun.“
„Was wir erwarten“, sagte der Atuti schließlich, „das ist, dass die Belongo Mining für den Austausch der Diamanten, die sie hier findet, weiterhin Hilfsgüter ins Land bringt. Dass die Hälfte des Gewinns an die Mitarbeiter geht, begrüßen wir sogar, denn Sie tun hier etwas, was noch nie jemand zuvor getan hat, was niemand zuvor für möglich gehalten hat. Wir gönnen euch den Reichtum, schenkt Ihr uns doch einen Reichtum, den wir schon lange verloren glaubten. Frieden zwischen unseren Völkern. Axel Herwig, ein halbes Jahr. Niklas Herwig, ein halbes Jahr. Wir bitten euch.“
Wie abgesprochen senkten alle drei Kriegsherren die Häupter vor den beiden Brüdern.
Axel runzelte die Stirn. „Wie ich schon sagte, wir planen, die Mine nach Ablauf der Frist in die Hände der Leute zu geben, die wir für diese Aufgabe ausbilden. Leon ist da viel versprechend. Und wir werden auch die Wege finden, um das Krankenhaus weiter zu betreiben, wie wir es versprochen haben. Wir lasen auch unsere Waffen und unser Gerät hier, zum Nutzen Belongos. Müssen wir wirklich noch mehr tun?“
„Oh, du wirst noch mehr tun, Axel Herwig“, sagte der alte Imam lachend. „Weil du nicht anders kannst als Leute zu beschützen, denen du noch nie begegnet bist, und von denen du keinen Nutzen zu erfahren hast, einfach weil sie Hilfe brauchen und du diese Hilfe leisten kannst. Also ist es doch eine kluge Idee, wenn du dies mit dem Segen aller tust.“
Axel blickte den blinden Mann erstaunt an. „Sicher, das würde ich, aber... Abu, wenn...“
„Ich kann nicht das Oberhaupt sein. Gewiss, ich bin geachtet und geschätzt in weiten Teilen des Landes. Deshalb wird meine Stimme, die ich für dich erhebe, auch Gewicht haben. Aber ich bin nicht du, Axel Herwig. Ich bin nicht du.“
„Vom Standpunkt des Präsidenten aus gesehen“, meldete sich der General zu Wort, „sehen wir nach den Vorfällen mit den russischen Raketen einen Konflikt mit Ndongo nicht als unausweichlich an. Eine stabile Regierung in Belongo, die unseren Beistand wünscht, würde es uns allerdings erleichtern, vor dem Kongress zu vertreten, das Flugverbot weiterhin durchzusetzen. Es muss keinen Krieg mit Ndongo geben. Nicht zwangsläufig. Aber sollte es ein neues Landesoberhaupt geben, und würde dieses Landesoberhaupt den Präsidenten fragen, ob er das Flugverbot über den Zeitraum der Untersuchung hinaus durchsetzen kann, würde Präsident Etranger dies mit einem präsidialen Dekret erst einmal gewähren und dann vor dem Kongress und dem Senat vertreten.“
„Oder einfacher ausgedrückt“, sagte Captain Scott, „es wird eine neue Band gegründet, und die braucht einen Frontmann.“
Alle Augen richteten sich auf Axel Herwig, auch die des blinden Imam.
***
„Ma'am?“
Anette Burdelle wandte sich der Frauenstimme zu. „Was gibt es, Lieutenant?“
McMasters deutete die von Straßenlampen kaum erleuchtete Straße hinab, wo sie bis vor kurzem noch den Mob gehört hatten. „Sie ziehen ab.“
Anette Burdelle schüttelte den Kopf. „Tun sie nicht.“
„Aber sie werden leiser.“
„Ariele, Sie kennen diese Straßen besser als ich. Gibt es im direkten Umkreis eine breitere Straße als diese? Einen Platz zum Beispiel?“
„Nein, Ma'am, nicht im näheren Umkreis.“
„Diese Straße ist also der einzige Ort, an dem sie eine große Menschenmenge versammeln können, richtig?“
„Zumindest in diesem Viertel, ja.“
Burdelle hob ihr Fernglas und spähte die Straße ab. „Warum also sollte sich der Mob zurückziehen, immer vorausgesetzt, er steht noch unter der Kontrolle der Rädelsführer?“
Die junge Frau dachte nach. „Sie haben ein lohnenderes Ziel gefunden?“
„Hm. Und dieses Ziel wäre? Erinnern Sie sich daran, der Mob schaukelte auf, als herauskam, dass ein US-Kampfschiff einen Frachter aus dem Besitz des Präsidenten versenkt hat. Das hat sich nicht geändert. Warum also sollte der Mob abziehen? Glauben Sie, die Cola und das Geld und der Schmuck haben gereicht?“
„Um sie alle zufrieden zu stellen? Nein, Ma'am.“ Sie sah erstaunt drein. „Vielleicht liegt es an den Nachrichten! Es geht ja gerade durch das Staatsfernsehen, dass Keounda City heute Abend eingenommen wurde und die Rebellen vertrieben werden konnten, und dass die Base de l'Air de Belongo maßgeblichen Anteil an der Sicherung der Stadt hat. Vielleicht gehen sie feiern.“
„Das glauben Sie doch selbst nicht, Ariele. Sie wissen zu gut, dass nicht ein ndongoianischer Soldat an dieser Aktion beteiligt war, und dass die Base de l'Air nur in einem Punkt überhaupt in der Geschichte involviert war, nämlich als der dortige Kommandeur versucht hat, zwei unserer Ranger-Platoons festzusetzen. Nein, Ariele, die Propaganda schlachtet das Thema aus, weil es nach allem eine gute Nachricht ist. Und wahrscheinlich wird sich Ndongo in naher Zukunft nachhaltig darüber beschweren, dass die USA ihren Truppen den Zugang zur Stadt verwehren. Aber das ist etwas, was morgen stattfinden wird. Die Verdienste der Army Ranger und der Krauts zu vereinnahmen... Wie typisch.“
„Darum bringen sie es in den Nachrichten? Um selbst gut dazustehen?“
„Und um politische Vorteile herauszuschlagen. Denn wenn dieser Körperteile tragende Bastard Keounda City nicht mehr beherrscht, dann muss es Ndongo sein, sonst passiert wer weiß sonst noch was mit der Region. Nachher erklärt sich der 17. Bundesstaat noch für unabhängig. Und dann ist all das schöne Öl futsch, das sie fördern.“ Sie nahm das Fernglas ab. „Die Ospreys kommen wann?“
„Der von Keounda City ist in achtzehn Minuten da. Der von der Abe braucht noch etwa drei Stunden.“
„Treffen Sie eine Vorauswahl von Leuten, die zuerst ausgeflogen werden. Sehen Sie zu, dass Sie so viele Menschen wie irgend möglich reinquetschen. Bevorzugen Sie Frauen und Kinder. Nationalität ist egal. Und sorgen Sie dafür, dass der Botschafter an Bord sein wird. Ist wenigstens eine der Maschinen leer?“
„Nein, Ma'am. Beide bringen uns je zwei zusätzliche Firesquads und Munition. Frauen, Kinder und der Botschafter zuerst?“
„Ja.“
„Ist das die Antwort auf die Frage, warum sich der Mob zurückzieht?“
„Richtig.“
„Also, warum zieht sich der Mob zurück?“
Anette Burdelle grinste freudlos. „Damit er nicht ins Kreuzfeuer gerät. Machen Sie die Leute bereit. Sobald der erste Schuss gefallen ist, freies Feuer auf jeden Schwarzafrikaner, der bewaffnet auf dieses Gebäude zugerannt kommt. Und machen Sie ein paar der Javelins klar, die ich mitgebracht habe.“
Ariele McMasters wurde kreidebleich. „Panzer?“
„Wir haben sie vorhin gehört, Ariele.“ Burdelle klopfte der Jüngeren auf die Schulter. „Sie machen das schon. Sehen Sie zu, dass wir auch zu den Seiten und nach hinten ausreichend wachsam sind. Ach, und noch was. Ich glaube ja persönlich nicht daran, dass die Ndongoianer so etwas wagen, aber sollte ihre Luftwaffe eine ähnliche Schweinerei vorhaben wie mit den Army Rangern in Belongo, sollten wir auch ein paar Stinger auspacken und Gefechtsklar machen.“
„Sie meinen Napalm, Ma'am?“
„Himmel, ich hoffe doch, so verrückt sind sie nicht. Die ganze Straße würde brennen. Aber Beschuss oder Luft-Boden-Raketen, das würde ich ihnen zutrauen. Gehen Sie jetzt, Ariele. Solange wir den Mob noch hören, geht es erst los, wenn wir die Panzerketten wieder hören.“
„Verstanden, Ma'am.“ Die Lieutenant nickte, anstatt zu salutieren, bevor sie sich aufmachte, die Anweisungen auszuführen. Der schwerste Teil würde sein, Botschafter Hayle dazu zu bringen, in den Osprey zu steigen.
Es vergingen fast zehn Minuten, bevor der Mob nicht mehr zu hören war. Dann klangen wie erwartet die Geräusche von Ketten auf. Eigentlich war es politischer Wahnsinn, Panzer gegen eine US-Botschaft einzusetzen. Es war eine offene Kriegserklärung. Aber von einem Gegner, der politische Gegner auf offener Straße hinrichtete, um seinen Clan bei Laune zu halten, war alles zu erwarten. So ziemlich alles. Burdelle hörte mit spitzen Ohren zu, bevor sie sich erhob und das Dach verließ. Schade, sie hatte es hier oben gemocht.
„McMasters!“
„Captain?“
„Es sind bis jetzt nur zwei. Beide kommen aus Süden. Bringen Sie zwei Leute mit Javelins so unauffällig wie möglich in den Vorgarten. Sagen Sie den Spähposten, dass sie die anderen Seiten aber nicht vernachlässigen sollen.“
„Jawohl, Ma'am. Schätze, die sind wirklich sauer, was?“
„Nein, das denke ich nicht. Die sind nicht sauer, die wollen einen Krieg. Wir...“ Ihre spitzen Ohren hörten das sehr charakteristische Geräusch von einstürzenden Wänden, wenn auch aus einiger Entfernung. „Nanu?“
Sie eilte wieder aufs Dach, McMasters dicht hinter sich, nachdem sie zwei Javelin-Teams in den Vorgarten gejagt hatte.
Burdelle schlich auf dem Flachdach bis zum südlichen Beobachtungsposten. „Was sehen Sie, Private?“
„Einen Panzer, Ma'am. Russisches Modell, T-55, Standardausrüstung der ndongoischen Armee. Fährt eine eigentlich ganz hübsche alte Villa platt, achthundert Yards die Straße runter.“
„Eine Botschaft?“, fragte sie.
McMasters spähte mit ihrem Fernglas nach Süden. „Oh. Das nenne ich eine späte Rache. Ist die ehemalige Villa des belgischen Gouverneurs. Stand eh leer, das Gebäude, weil sich die Regierung nie darauf einigen konnte, was sie mit dem verhassten Bauwerk der verhassten Kolonialherren machen sollten. Scheint so, als hätte jetzt jemand eine Entscheidung getroffen.“
Beinahe hätte Anette Burdelle aufgelacht. „Sollen sie ruhig das Gebäude platt walzen. Dann haben sie weniger Zeit für uns. Wann kommt der erste Osprey jetzt?“
„Geplante Ankunftszeit sieben Minuten, Ma'am.“
„Falls ihn kein Black Star vom Himmel pflückt“, wandte der Späher ein.
„Oh, da hat wohl jemand Lust auf zweitausend Liegestütze“, sagte Burdelle zwischen Amüsement und Ärger gefangen. „Hat Ihnen niemand beigebracht, dass man die Menetekel in Ruhe lassen soll und niemals an die Wand malt, Private?“
„Nein, Ma'am, das wurde bei meiner Ausbildung vergessen.“
„Gut, dann will ich nachsichtig sein. Aber sagen Sie so etwas nie wieder.“
„Werde mich bemühen, Captain.“
Ein flüchtiges Grinsen ging über ihr Gesicht. In weniger als fünf Minuten würde ein Teil ihrer Sorgen von ihr genommen werden. Was danach kam, konnte schlimm werden. Aber sie hatte gute Leute hier. Sie würden schon was reißen können.
„Machen Sie weiter, McMasters.“
„Ja, Ma'am.“
„Ach, und falls der Botschafter nicht einsteigen will: Holen Sie die Flagge ein und bringen Sie sie auf den Osprey.“
„Ja, Ma'am.“
Die Wartezeit auf den zweiten Osprey würde sehr lang werden, oder sehr kurzweilig ausfallen. Aus naheliegenden Gründen war ihr Langeweile derzeit viel lieber.
***
An Bord der Abraham Lincoln herrschte Gefechtsbereitschaft, also Verdunklung, volle Patrouille, volle Schichten am Radar, und, und, und. Die Situation an Bord des Trägers und seiner ihn begleitenden Kampfgruppe war nicht gerade konzentriert, allerdings auch verfahren genug. Mit jeder Stunde kamen die Piloten dem Einsatzgebiet Ndongo näher, die Flotte passierte gerade Viemibia mit Höchstfahrt, würde bald Anjula erreichen, und dann vor der Küste Ndongos kreuzen können. Die Colorado kam ihnen entgegengedampft, so schnell es ihre Kessel erlaubten, und damit allein würden sie ein sehr deutliches Zeichen an Präsident Rousseau sein. Bisher mussten ihre Flieger, um Belongo zu erreichen, viemibischen Luftraum durchqueren, dann panadianischen. Vor der Küste Ndongos kreuzend konnte sich das ändern. Vor allem, wenn Anjula den US-Fliegern endlich Überflugerlaubnis erteilte.
Dennoch schien Admiral Philips von alldem im Moment unberührt. Er hatte zwar ein Headset auf dem Kopf und lauschte dem, was in der CIC vor sich ging, aber ansonsten saß er neben dem Krankenbett auf der Intensivstation des Trägers und betrachtete den jungen Piloten, der nach seiner schweren Operation aufzuwachen versuchte. Und dann schaffte er es tatsächlich.
„Was?“, entfuhr es Second Lieutenant Keiichi Tanaka, während er in das grelle Licht der Decke blinzelte.
Sofort war Doktor Brown bei ihm. „Können Sie mich hören, Lieutenant?“ Er griff zu seinem Leuchtstab und überprüfte die Pupillenreflexe des Piloten.
„Ja...“
„Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern können?“
Verständnislos sah Tanaka den Arzt an, dann ließ er sich seufzend wieder auf das Kissen sinken, von dem er aufgefahren war. „Rakete... Verletzung... Notlandung...“ Er fuhr wieder hoch. „Mein Bein...“
„Ruhig, Lieutenant, Ihr Bein ist noch dran. Sie haben ein schönes Loch drin, und mit dem Fliegen ist es in der nächsten Zeit erst mal Essig, aber Sie werden es nicht verlieren. Und die Prognose, ob Sie es nach der Rekon wieder normal benutzen können, sehen relativ gut aus. Hat hauptsächlich Muskelfleisch erwischt. Da haben Sie wirklich Glück gehabt.“
„Was? Oh...“ Er tastete nach dem Bein. Philips half ihm und führte seine Hand, bis der Pilot das Bein selbst ergreifen und betasten konnte. „Gut...“, murmelte er. Dann wollte er wieder auffahren. „Topper?“
Philips und der Arzt drückten ihn zurück auf die Kissen. „Lieutenant Martell geht es gut. Sie hat eine erstklassige Landung hingelegt und damit Ihr Leben gerettet, Lieutenant Tanaka. Sie war bis vor einer Stunde hier, aber ich habe sie ins Bett befohlen. Sie muss morgen wieder fliegen.“
„Verstehe...“
„Ich werde ihr persönlich sagen, dass Sie aus der Narkose erwacht sind“, sagte Philips. „Wissen Sie, wer ich bin, Badger?“
Die Augen des Asiaten zuckten von Brown zum Admiral. „Sir.“
„Nein, bleiben Sie liegen, Badger. Gute Arbeit da draußen. Sie haben die Karuma erwischt. Und Ihnen wird es auch wieder gut gehen, ganz davon abgesehen, dass Ihr Jet wieder nach Hause gebracht wurde. Der Skipper der Colorado ist voll des Lobes über Sie und Topper. Und auch ich werde eine entsprechende Anmerkung in Ihre und Toppers Akte setzen. Tja, mit dem Fliegen ist es wirklich erst mal vorbei. Also sehen Sie zu, dass Sie sich ausruhen, denn umso schneller kann die Rekonvaleszenz losgehen, und umso eher kriegen Sie Ihre Flugfreigabe wieder.“
Tanaka sah Philip aus glasigen Augen an, bevor sein Widerstand erlosch und er sich wieder auf das Kissen sinken ließ. „Verstanden, Admiral.“
Philips klopfte ihm leicht auf die Schulter. „Schön, dass Sie es geschafft haben, Lieutenant.“
„Danke... Dass Sie hier waren.“
Eines seiner seltenen Lächeln ging über Cedric Philips Gesicht. „Es war mir eine Ehre, Badger.“
Er nickte dem Japano-Amerikaner noch einmal zu, dann den Doktor, und anschließend verließ er das Krankenrevier, um sich auf den Weg zu den Pilotenquartieren zu machen, wo eine gewisse junge Dame statt zu schlafen sicher gerade Furchen in den Schiffsboden lief. Er würde ihr die gute Nachricht überbringen und dann selbst versuchen, etwas Schlaf zu finden. Die Nacht würde nicht viele Überraschungen bringen, der Tag hingegen schon. Vermutete er.