Geschichte: Freie Arbeiten / Prosa / Action / Belongo

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Belongo

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.09.2011
23.02.2017
37
260.000
8
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Dieses Kapitel
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12.09.2011 5.072
 
Lieutenant Senior Grade Elise Martell, Topper genannt, in Anspielung an die Top Gun-Parodie mit dem berühmten Schauspieler Charly Sheen, hatte sich von ihrem Flügelmann getrennt und flog die Küste ab. Eiffler alias Seiran Donnely, Lieutenant Junior Grade, und sein Waffenoffizier Second Lieutenant Keiran Fitz Marguire hatten den Südteil bekommen. Die Flügelführerin flog in Richtung Norden davon. Da sie für mit der Super Hornet F/A 18-F unterwegs war, flog sie heute mit Beifahrer. Das hielt sie für einen unschlagbaren Vorteil. Sie konnte sich aufs Fliegen konzentrieren, während der Mann auf dem Hintersitz, Lieutenant Junior Grade Keiichi Tanaka, Badger genannt, die ganze lästige Sucherei übernahm.
"HAT IHN SCHON!", rief Tapper aufgeregt. Der Waffenkontrolloffizier ballte triumphierend die Faust.
Seine Pilotin wandte sich halb um und sah halb in den Rückspiegel des Cockpits. "Schon? Wir sind doch noch über fünf Seemeilen von der nächsten Flussmündung entfernt, Badger."
Der Japanoamerikaner grinste schief. "Unterschätze nie die Qualität einer guten Bordkamera. Sie fahren die Karuma den Fluss hinauf und versuchen, sich nahe des Ufers zu verbergen, so gut sie können, aber ich habe sie eindeutig identifiziert."
"Hast du den Namen am Bug gelesen?"
"Nun, das nicht, Topper. Aber ich habe mir die Container angesehen, die das Schiff geladen hat. Ein Teil von ihnen ist zum Schiff längs geladen, ein Teil zum Schiff quer, genau wie bei der Karuma."
Martell schwieg für eine Sekunde, die sich gefühlt zur Ewigkeit dehnte. "Wir brauchen eine eindeutige Identifizierung."
"Ja, und die Bastarde auf der Karuma haben Luftfäuste aus russischer Fertigung, die darauf spezialisiert sind, amerikanische Ärsche vom Himmel zu holen", wandte Badger ein.
"Es sind nicht gerade russische Spezialstreitkräfte an Bord, die uns schon auf drei oder vier Meilen Entfernung beschießen", erwiderte Topper.
"Dann hätten wir allerdings eine eindeutige Identifizierung", lachte der Japanoamerikaner. Aber es war ein hohles Lachen. Dies war die erste Flussmündung, die das Zweiergespann absuchte, und diese optische Ortung, die nach der Ortung der großen Metallmasse erfolgt war, das war eine verdammt heiße Spur. Sie kochte schon fast.
"Solange sie das nicht tun, brauchen wir eine eindeutige Identifizierung, Badger", beharrte Martell. "Weltpolitik hin, Weltpolitik her, ich will nicht schuld dran sein, wenn ein paar arme Schweine gegrillt werden, die nichts mit dem zu tun haben, was gerade in Ndongo geschieht. Oder was mit der Pierre passiert ist."
Tanaka schwieg verblüfft. Jedoch nur für ein paar Sekunden. "Haben sie dich nicht Topper genannt, weil du genauso ein Draufgänger und Glückspilz bist wie Sheen in dem Film?"
"Nein, weil ich mit meinem Therapeuten geschlafen habe", konterte sie trocken. "Du weißt doch, einen Namen wählst du selbst, einen geben dir die Eltern, einen geben dir die Kameraden. Sie haben mir gesagt, unsere Frisuren wären dieselben, und ich habe nicht weiter nachgebohrt."
Tanaka atmete laut aus. "Okay, du junger Heißsporn, einverstanden. Wir gehen näher ran. Aber ich habe den Zeigefinger auf den Abwehrmaßnahmen. Und wenn uns wirklich was Heißes entgegen fliegt, erwarte ich, dass du schneller die Fliege machst als Topper Harley beim Anblick von fünf Feindjägern."
Martell grinste befreit. "Einverstanden. Wir machen einen schnellen Überflug in zehntausend Fuß Höhe." Sie schaltete den Funk um. "Big Basket von ForCap. Haben etwas entdeckt, was die Karuma sein kann. Beginnen mit Überflug in mittlerer Höhe für genauere Identifizierung."
"Hier Big Basket. Wenn das Schiff Sizzler an Bord hat, dann womöglich auch andere Schweiereien, gerade zur Luftabwehr. Also seien Sie entsprechend vorsichtig."
"Verstanden, Big Basket. Over und out." Sie schaltete wieder um. "Big Mama weiß jetzt, was wir gefunden haben, sie hat uns auf dem Radar... Wenn wir abgeschossen werden, werden wir wenigstens gerächt."
"Schön für dich", murrte Tanaka. "Aber ich habe heute Abend eine Pokerrunde mit Commander Gill und den Jungs. Da wäre ich dann ganz gerne wieder Zuhause, und wenn es geht, in einem Stück."
"Werde sehen, was ich tun kann", sagte sie überschwänglich. "Zwei Seemeilen."

In knapp drei Kilometern Höhe drehte sich die amerikanische Maschine in Richtung Landesinneres auf exakt den Kurs, auf dem die vermeintliche Karuma fuhr. Ein paar Aufnahmen aus der Nähe, ein Emissionsvergleich des Radars, ein Vergleich des Infrarotbildes, und sie konnten sich um einiges sicherer sein, ob sie hier den Frachter mit den russischen Raketen an Bord hatten oder nicht. Den Namen des Schiffes am Bug oder am Heck lesen zu können war natürlich auch hilfreich. Die Zeit verging quälend langsam. Es war schwer, einen Überflug zu machen, wenn man wusste, jederzeit konnten zwei oder drei Luftfäuste aufsteigen und versuchen, einen aus dem Himmel zu putzen.
Als Kampfjet und Schiff fast auf gleicher Höhe waren, jaulte der Alarm los.
"Was habe ich dir gesagt? Jetzt haben wir den Salat! Feuere Abwehrmaßnahmen!", schnauzte Tanaka.
"Nur die Ruhe, Badger. Nur die Ruhe." Sie wechselte erneut. "Big Basket von ForCap. Werden beschossen, ich wiederhole, werden beschossen! Karuma identifiziert!"
"Hier Big Basket. Können Sie der Colorado eine Peilung geben?"
"Werden wir versuchen, nachdem wir die russischen Luftabwehrraketen losgeworden sind!", fauchte sie mehr als das sie sprach. Acht Raketen zeigte das Radar an - die machten echt keine halben Sachen. Vier davon fielen auf die Abwehrmaßnahmen rein, die anderen vier aber hielten direkt auf ihren Jet zu. Sie hatten nun drei Möglichkeiten: Den unmöglichen Wettlauf gegen eine Luftfaust auf vollem Tempo zu versuchen, indem sie die Nachbrenner reintrat und sie auszufliegen versuchte, gemeinsam mit Badger auszusteigen und zu hoffen, dass die Abe sie schon wieder aus dem Dschungel pflücken würde, oder aber sie setzte auf ihr Anti-Raketentraining und flog ein paar gute alte Ausweichmanöver. Die Luftfäuste waren um einiges schneller als ihr Jet, dementsprechend schwerfällig waren sie bei abrupten Kursänderungen. Wenn sie die richtigen Manöver flog, konnte sie alle vier Luftfäuste abschütteln. Zum Glück stiegen keine weiteren von der Karuma auf.
"Erste Rakete in vier Sekunden. Drei, zwei, eins...", zählte Tanaka runter. Bei "eins" zog sie steil nach oben und trat aufs Gas. Die Rakete versuchte der abrupten Bewegung zu folgen, schaffte es aber nicht. "Zweite und dritte Rakete in vier, drei, zwei, eins..."
Diesmal nahm sie das Gas komplett weg, ließ den schweren Jet durchsacken und fallen, soweit sie es verantworten konnte. In den guten alten Zeiten vor der Düsenjet-Ara hatte man dieses Manöver gezieltes Taumeln genannt. In ihrem Fall erreichte es das Ziel, dass beide Raketen über die Maschine hinweg flogen. Leider hatte sie dadurch Geschwindigkeit verloren. Die wieder aufzubauen war in der kurzen Zeit schwer machbar. "Vierte Rakete in zwei, eins..."
Während des gesamten Luftkampfs hatte Badger einen Täuschkörper nach dem anderen geopfert. Auch diesmal hatte er zusätzlich Täuschkörper ausgestoßen. Leider fiel die Rakete nur auf den letzten rein, den, der nur rund dreißig Meter hinter dem Jet lag; die Rakete explodierte und sandte einen überschallschnellen Schrappnell-Regen dem Kampfjet hinterher. Etliches ging daneben, aber ein Teil traf das Flugzeug. Einiges prallte von der Panzerung ab, anderes schlug durch.
"Schadensmeldung!", blaffte Martell, während sie versuchte, selbst einen Überblick zu erhalten. Die Flügel waren kaum in Mitleidenschaft gezogen worden und das Triebwerk funktionierte noch. "Schadensmeldung! Badger!", blaffte sie erneut. Sie wandte sich nach hinten und sah in das graue Gesicht ihres Co-Piloten. Blut bedeckte seinen Anzug und seinen Helm. Der Mann zitterte bei dem Versuch, das getroffene Bein abzubinden. Oder zumindest das, was davon noch übrig war. Ein großes Loch gähnte auf der rechten Seite seines Cockpits.
"Bin... gleich... soweit...", ächzte er atemlos. "Gib... mir..."
Martell wechselte wieder auf die Frequenz der Abe. "Big Basket von ForCap. Badger ist verwundet, ich wiederhole, Badger ist verwundet! Kehre heim!"
"Topper, wie ist sein Zustand?", klang die Stimme des Operationsoffiziers auf. "Wie steht es um Badger?"
Sie sah nach hinten und fühlte, wie das Blut ihr Gesicht verließ. "Seitlicher Treffer durch ein Schrappnell. Hat sein rechtes Bein erwischt, oberhalb des Knies, wenn es ihm nicht gleich abgerissen wurde. Er bindet es sich gerade selbst ab."
Kurze Pause. "Einverstanden, Topper, kommen Sie so schnell zurück, wie Sie es verantworten können. Aber legen Sie auf dem Rückweg einen Ziellaser auf die Karuma an. Die Colorado brennt darauf, sich für die Sizzler zu revanchieren."
Topper atmete tief ein, um die Empörung zu unterdrücken. Ihr Co-Pilot war getroffen, schwebte in Lebensgefahr, und sie sollte Zeit damit vergeuden, Schützenhilfe für die Colorado zu spielen. Dann atmete sie aus. "Verstanden, Big Basket. Visiere Karuma an. Sende Telemetrie via fliegendem Auge zur Colorado."
"Verstanden. AWACS erwartet Ihre Daten. Guten Flug und beeilen Sie sich. Wir bereiten hier alles für die Landung und für die Versorgung von Badger vor. Over und out."
Topper hatte die Wende schon begonnen, kaum dass sie Badgers Verletzung gesehen hatte. Nun aber musste sie nachkorrigieren, um die Karuma erfassen zu können. Für Badger würde dieser Umweg vielleicht tödlich sein. Ihre Hände krampften, als die Wut in ihr wuchs.
"Mach... dir... keine... Sorgen...", hörte sie seine schwache Stimme hinter sich. "Bin... in... Ordnung..."
'Nein, du Idiot, du stirbst!', ging es ihr durch den Kopf. 'Und jede Sekunde, die wir oben bleiben, macht es noch schlimmer für dich!' Dennoch flog sie einen Kurs, der es ihr erlaubte, die Karuma zu erfassen, ohne sich der Gefahr auszusetzen, erneut beschossen zu werden.
"Da... ist... was...", hörte sie Tanaka sagen.
"Wo? Was?" Sie checkte das Radar. Fünf Kampfflieger hielten auf sie zu, waren aber noch weit entfernt, über dreißig Klicks. Aber die knallten, flogen mit Überschall. Der Computer identifizierte sie als Mig-21. Und hier in Ndongo gab es nur eine Gruppierung, die russische Kampfjets hatte. "Die Black Stars." Die ehemaligen Eliteflieger Sinans waren eindeutig auf Abfangkurs. Es wäre klüger gewesen, so schnell wie möglich aus dem Luftraum des nun sehr feindlichen Landes zu verschwinden und die internationalen Gewässer zu erreichen, bevor sich den internationalen Verwicklungen noch ein neuer Faktor hinzu gesellte. Aber leider stellte Topper fest, dass sie unter Druck und in Zeitnot dazu neigte, störrisch zu reagieren. "So, Ibara, da haben Sie Ihren Leitstrahl", sagte sie grimmig, während sie im Kopf überschlug, wann sie doch besser den Nachbrenner durchtrat.
***
"Wir haben sie!" Triumphierend wandte sich Commander Gill seinem Skipper zu. "Ein dicker Leitstrahl von unserer neuen besten Freundin Lieutenant Martell, Sir."
"Lieutenant Martell kriegt bald Ärger, wie es ausschaut. Also tun Sie was für sie und beeilen Sie sich. Zwei Tomahawks für die Karuma, Eins O."
"Jawohl, Sir." Der Commander gab seine Befehle mit ruhiger Stimme. "Slot eins und zwei bereit machen. Feuern sobald bereit. Ziel: Die Karuma."
"Aye, aye, Sir." Der Feuerleitoffizier trat selbst ans Pult. "Abschuss." Die Karuma konnte sich geehrt fühlen, denn ihr Abschuss war dem Skipper der Colorado zwei sehr wertvolle BMG-109-Tomahawk wert, Waffen, die man auf Kriegsschiffe abfeuerte, nicht auf Frachter, auch wenn sie noch so gut bewaffnet waren. Ein Ruck ging durch das Schiff, als die Raketen starteten und in Richtung Festland davon zogen. Gleich hatten sie dreißig Probleme weniger.
***
"Sir, die Colorado meldet den Abschuss von zwei Tomahawks", informierte Helmstad den Admiral.
Der alte Haifisch sah von seinem Sitz in der CIC zur Skipper der Abraham Lincoln herüber. "Zwei gleich? Ibara muss mächtig sauer sein." Immerhin kostete eine der bewährten Raketen über eine Million Dollar, und die Kapitäne und Offiziere der US Navy waren angehalten, gut mit ihnen zu haushalten. Er überschlug die Daten im Kopf. Die Colorado befand sich auf See, etwa einhundert Seemeilen von der Küste entfernt. Die Karuma befand sich keine drei Seemeilen den Fluss hinauf. Die Tomahawks flogen mit fast siebenhundert Meilen die Stunde. Dazu kam es, dass fünf MiG-21 der Black Stars auf Abfangkurs zu Lieutenant Martell waren und womöglich auch versuchten, die Karuma zu decken, indem sie ihrerseits die Tomahawks abzufangen versuchten. Konnte Martell die gut acht Minuten die Stellung halten, die benötigt wurden, damit die Raketen der Colorado ihr Ziel treffen konnten? Dazu hatte sie einen schwer verletzten Waffenoffizier an Bord, der jede Sekunde am Schock durch die Wunde und den hohen Blutverlust sterben konnte. Und in einen Luftkampf mit fünf MiGs verwickelt zu werden würde die Sache nicht besser machen.
Er griff zum Telefon. "Den CAG. Danke. CAG, holen Sie Martell sofort wieder rein. Nein. Gut. Danke." Admiral Philips schnaubte leise. "Skipper, informieren Sie die Colorado, dass der AWACS die Zielpeilung für die Tomahawks übernimmt."
"Aye, Sir." Die Sirene, wie sie, nur hinter vorgehaltener Hand und dann auch nicht auf dem gleichen Schiff, auf dem sie sich befand, oft genannt wurde, wirkte für einen Moment erleichtert, bevor ihr professionelles Pokerface wieder übernahm. "Louis, informieren Sie Captain Ibara und vor allem Lieutenant Martell."
"Aye, Ma'am!"
Der Admiral lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. In etwas weniger als sieben Minuten würden sie wissen, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, Martell abzuziehen.
***
Kurz nachdem das amerikanische Flugzeug abgedreht war, brach unter den Russen an Bord der Karuma hektische Aktivität aus. Bukov brüllte auf russisch mehrere Befehle, und die Männer antworteten einzeln. Sie zückten ihre Waffen und begannen die Brückencrew zusammenzutreiben. Dabei gingen sie äußerst ruppig vor. Von draußen klang ein einzelner Schuss auf.
"Was hat das zu bedeuten?", rief Kemibwa entrüstet, obwohl er sich die Details in etwa denken konnte. Aber bevor er hier vollkommen kampflos als Bauer auf dem Schachbrett geopfert wurde, würde er wenigstens noch mal den Mund aufreißen. Dachte er. Denn als er sich Bukow zuwandte, kam es ein wenig anders.
"Leutnant, was..." Das Letzte, was der Kapitän auf seinem eigenen Schiff mitbekam, war eine schnell näherkommende Faust. Dann war... Dunkelheit.
***
Ein Leitstrahl von einer Drohne oder der Super Hornet wäre Commander Royce lieber gewesen, aber eine Einpeilung durch das fliegende Auge der Abraham Lincoln in Form des AWACS war auch nicht so schlecht. Dennoch fühlte er sich angespannt. Zwar hatten sie zwei Tomahawks ausgewählt, um die Karuma und damit die restlichen dreißig Sizzler zu den Fischen zu schicken, aber während des Anflugs waren die Black Stars längst über dem Frachter. Mit etwas Glück konnten sie die Raketen orten und bekämpfen. Und das konnte den ganzen Tag so gehen, bis die Colorado keine Tomahawks mehr hatte. Die Alternative würde ein Kampfeinsatz mit Fliegern der Abe bilden, also ein heißer Luftkampf. Damit würden sich im Endeffekt einhundert Flugzeuge im Verhältnis zwei zu eins zugunsten der Abe am Himmel balgen, aber Übermacht bedeutete nicht zugleich Sieg. Nicht einmal, verlustfrei aus dem Kampf zu kommen. Dazu kam, dass die Black Stars nicht nur über ziemlich gute russische Flugzeuge verfügten, sondern ihren Job auch verstanden. Wie nahe sie am Standard eines amerikanischen Piloten auf einem Flugzeugträger waren, mochte er nicht sagen, aber weit weg konnten sie nicht sein. Dafür hatten schon die Flugausbilder gesorgt, die zusammen mit den Maschinen geliefert worden waren. Außerdem war das Einsatzregister der Black Stars lang und beeindruckend. Es gab genug Sorgen bei diesem Einsatz, und Royce hoffte, dass die Black Stars nur den frechen Flieger der Abe hatten vertreiben sollen, namentlich Lieutenant Martell, und nicht die Karuma beschützen. Er warf einen hastigen Blick auf die Telemetriedaten der Raketen, dann auf die Daten, die das AWACS lieferte. Anderthalb Minuten, höchstens. Laut Anzeige dreiundsiebzig Sekunden bis zum Einschlag. Dann sechzig. Fünfzig. Royce fühlte seine Hände schwitzig werden. Vierzig. "Aktivität bei den Black Stars?", hakte er nach.
"Alle fünf Maschinen halten Kurs und Höhe. Sie bewegen sich parallel zu Lieutenant Martells Maschine, die über internationalen Gewässern nach Süden fliegt", meldete die Ortung.
Fünfzehn Sekunden. Die Meldung war beruhigend, aber wirklich beruhigt war Royce erst, wenn die Karuma bei den Fischen war.
"Einschlag!", rief jemand, und der Commander zuckte leicht zusammen. Hastig widmete er sich wieder den Daten. Die Telemetrie beider Raketen war verschwunden. Dafür wurde das Ziel als vernichtet angezeigt. Das AWACS bot Bilder ihrer hochauflösenden Kameras; deutlich war zu sehen, dass der Frachter in zwei Teile, vielleicht sogar drei zerbrochen war und langsam und unaufhaltsam sank. Weitere Explosionen störten das Bild. Die Sizzler gingen hoch.
"Ziel zerstört", meldete die Ortung.
Commander Royce zuckte mit den Schultern. "Weitermachen."
"Aye, Sir."
Er wandte sich dem Kapitän der Colorado zu. "Sir, laut Ihren Befehl wurde die Karuma samt Sizzler versenkt. Schiff und Raketen wurden vollständig zerstört."
Der erfahrene Seemann nickte dem Untergebenen zu, trocken, wie es schien, aber hochzufrieden und auch ein wenig enthusiastisch. Zumindest leuchteten seine Augen. "Gute Arbeit, Royce."
Er wandte sich halb um. "Wir gehen wieder auf Kurs zur Trägergruppe."
"Aye, Sir." "Ach, und Commander: Die Männer können sich jetzt freuen."
"Aye, Sir." Royce hatte kaum ausgesprochen, da brach in der CIC der Colorado ein Orkan an Jubel, Pfiffen und Glückwünschen los. Die sechs Sizzler hatte die Besatzung mit Zins und Zinseszins zurückbezahlt.
"Und melden Sie der Abe, dass wir wieder auf Kurs sind."
"Aye, Skipper!"
Ibara nickte kaum merklich und sehr zufrieden. DAS würde sich sehr gut in seiner Dienstakte machen. Und wer wusste schon, was die nächsten Tage noch passieren würde?
***
"Wir haben hier die Bestätigung, Admiral", sagte Nicole Helmstad. "Die Karuma wurde versenkt."
Admiral Philips atmete erleichtert auf. "Gut. Dann konzentrieren wir uns wieder auf die anderen Dinge. Wann kommen Martell und Tanaka rein?"
Captain Helmstad sah auf ihre Uhr. "Acht Minuten, elf Sekunden, Sir. Alles bereit für eine Crashlandung und für die Erstversorgung von Lieutenant Tanaka."
"Wann treffen die Zivilisten aus Ompala mit der Osprey ein?"
"In siebzehn Minuten und achtundfünfzig Sekunden. Ich habe Anweisung gegeben, die Maschine neu zu betanken und zurückfliegen zu lassen."
"Gut. Wie sieht es mit den Ospreys der Marines in Keounda City aus?"
"Eine der Maschinen wurde abgeschossen, ist aber reparabel. Major Michael hat aber die anderen beiden Maschinen und die entsprechende Anzahl seiner Marines als einsatzbereit und bereit zum Verlegen angegeben. Zudem hat Belongo Mining uns Hubschrauber und Personal angeboten, um bei der Evakuierung zu helfen."
Der Admiral dachte nach. Wenn es in Ompala hart auf hart ging, war es besser, die Marines in der Nähe zu haben. Andererseits, wenn die Ospreys Belongo verließen, und damit den geschützten Bereich ihrer panadianischen Verbündeten, waren sie für die ndongoische Luftwaffe und vor allem die gut ausgebildeten Black Stars legitime Beute, falls es noch schlimmer wurde. Martell hatten sie bereits aus dem Luftraum Ndongos abgedrängt. Dabei würde es nicht bleiben. Allerdings war der Osprey, der gerade zurückkehrte, nicht beschossen worden. Und wenn er einen riskierte...
"Major Michael soll einen voll bemannt zur Unterstützung nach Ompala schicken. Er und der Rest seiner Leute bleibt in Keounda City."
"Verstanden, Admiral." Sie stutzte. "Ist noch etwas, Sir?"
"Was? Nein, nein. Ich..." Der Vice Admiral seufzte. "Ich denke nur gerade daran, dass ein enttarnter CIA-Agent ausgereicht hat, um die halbe Stadt rebellisch zu machen. Hoffen wir, dass ein versenkter Frachter, der dem Clan des Präsidenten gehört hat, nicht noch schlimmeres bewirkt." Nachdenklich trommelte er die Fingerspitzen gegeneinander. "Bitten Sie die Belongo Mining darum, sich darauf einzustellen, dass wir eventuell Hubschrauber und Soldaten benötigen könnten. Außerdem sollen die nächsten aufsteigenden Rotten zur Hälfte mit Bodenkampfraketen bestückt werden."
Helmstad runzelte die Stirn. "Was genau erwarten Sie, Sir?"
Der alte Haifisch sah sie ernst an. Eine seiner Augenbrauen zuckte kurz. "Dass sich der ganze Konflikt in Wohlgefallen auflösen wird."
Nicole Helmstad lachte gekünstelt. "Sie waren nie ein guter Lügner, Cedric."
"Nun, dann hoffe ich eben, dass sich der ganze Konflikt in Wohlgefallen auflöst. Ansonsten werde ich ziemlich gemein werden müssen, um die US-Bürger in Ompala zu beschützen. Und bei Gott, das werde ich auch tun."
Als er dies sagte, verstummten auf der Brücke der Abraham Lincoln alle Gespräche. Nur der Funk surrte leise im Hintergrund mit den Stimmen der Flugzeugbesatzungen. Nach und nach erhoben sich die Männer und Frauen von ihren Posten, falls sie nicht ohnehin schon standen. Nach und nach salutierten sie ihrem Admiral. Captain Helmstad sagte, während sie die Hand an die Stirn fühlte: "Sie befehlen, wir folgen."
Der überraschte Admiral ließ kurz den Blick schweifen, dann musste er schmunzeln. "Daran habe ich nie gezweifelt, Nicole."
"Und ein schlechter Schmeichler waren Sie auch schon immer, Cedric."
Sie lachten leise, diesmal aber nicht gekünstelt.
***
Licht. Wie war das möglich? Über ihm war ein Himmel, so blau und klar wie in seiner Kindheit, als er... Kapitän Harry Kemibwa fuhr auf. Nein, das war kein Traum. Das war nicht die Anderswelt, jener Ort, an den die Toten gingen, und auch nicht das Paradies. Es war eine ziemlich bequeme Sitzgelegenheit am Heck eines Bootes. Allerdings tanzte das Boot recht ruppig auf den Wellen. Wellen? Dies war der Fluss, den er befahren hatte, um seinen Frachter zu verstecken. Es hatte nicht funktioniert. Er sah den Fluss hinab und erkannte die Karuma. Zumindest das, was noch von ihr übrig war. Was nicht schon versunken war, brannte. Das machte aus dem Schiff ein großes Leuchtfeuer. Eine Detonation, die ihn selbst auf diese Entfernung, vielleicht ein Kilometer, fast taub machte, klang auf, und ein Feuerball entstand über dem Schiff.
"Wie geht es Ihnen?", fragte eine vertraute Stimme neben ihm. Kemibwa sah herüber und erkannte Bukow, den russischen Leutnant. Der Mann reichte ihm ein Bier.
"Gut, Leutnant. Überraschend gut."
"Und Ihr Kinn?" Der Mann grinste ihn burschikos an. "Als mir klar wurde, dass die Amis wussten, wo wir waren, musste alles verdammt schnell gehen, und ich war mir nicht ganz sicher, wie Ihre Leute auf einen Evakuierungsbefehl reagieren würden, so von wegen Schiff des Clans, und so. Also habe ich meinen Leuten die harte Gangart befohlen. Bei Ihnen war ich mir da überhaupt nicht sicher, und bevor Sie so einen Quatsch erzählen wie: Ein Kapitän muss mit seinem Schiff untergehen, habe ich lieber konsequent zugeschlagen. Es ging schließlich um Sekunden."
Kemibwa sah sich auf dem Deck um und erkannte etliche seiner Leute auf dem Schnellboot.
"Der Rest ist unter Deck", erklärte Bukow. "Und der Schlag tut mir wirklich leid."
"Schon okay", erwiderte Kemibwa und nahm das Bier. "Ich habe nicht damit gerechnet, zu überleben. Und das werde ich wahrscheinlich auch nicht, wenn der Präsident erfährt, dass ich nicht mit meinem Schiff untergegangen bin."
"Nun", meinte Bukow gedehnt, "wir fahren zumindest nicht nach Ndongo zurück. Was Sie draus machen, ist dann Ihre Sache. Mr. Red braucht übrigens öfters mal fähige und vielseitige Menschen. Und Sie sind ein vielseitiger Mann, Harry." Bukow hielt ihm sein eigenes Bier zum anstoßen hin.
Es entstand ein feiner Klang, als die vollen Glasflaschen zusammenstießen. "Reden Sie weiter, Vladimir."
***
"Mr. President. Die Karuma wurde soeben versenkt. Die Sizzler sind, soweit sie nicht bereits explodiert sind, mit dem Schiff untergegangen", sagte Admiral Blueberry. Nach einigem Zögern fügte er hinzu: "Wir haben einen Verletzten an Bord eines Zweisitzers. Kommt in ein paar Minuten auf die Abe rein. Könnte ein Bein verlieren, wenn nicht Schlimmeres."
Präsident Etrangers Wangenknochen waren in Bewegung, seine Backenzähne mahlten. Das war es, was er an Krieg hasste. Leute wurden verletzt. Leute starben. Viele Leute starben, meist ohne Sinn oder Verstand. Er erinnerte sich noch sehr gut an seinen ersten Tag im Oval Office, als ihn der ehemalige CIA-Direktor über das Drohnenprogramm für den indischen Subkontinent und Pakistan gebrieft hatte. Er hatte gefragt: "Und all die Toten nehmen wir in Kauf, nur um vielleicht einen Terroristen zu erwischen?"
Der Direktor hatte erwidert: "Solange wir den Terroristen erwischen, ist es das Opfer wert."
Etranger hatte daraufhin Harold Maloni angesehen, der den Direktor als Computer-Spook begleitet hatte. "Wie würden Sie auf meine Frage antworten?"
Maloni hatte überrascht aufgekeucht, als der mächtigste Mann der Welt ihn ansprach - und seinen obersten Boss einfach so überging, ja, brüskierte. Dann aber hatte er sich zu einer Antwort durchgerungen. "Nun, Mr. President, ob wir all die Toten in Kauf nehmen oder nicht, ist die Entscheidung des Präsidenten. Und der Präsident, Sir, sind Sie."
Heute war Maloni einer von drei Vize-Direktoren und auf dem besten Weg, den Stuhl von seinem Chef zu erben; der Direktor selbst war nach seinem ersten Tag im Oval Office überraschend schnell in den Ruhestand gegangen.
"Es ist gut. Informieren Sie mich, sobald wir wissen, wie es dem Mann geht." Er sah Special Fordes Head of Command an. "Isaac, wie stellt sich die Lage dar? Für die Abe, für unsere Botschaft und für Belongo?"
"Nun, das letzte zuerst denke ich. Belongo ist, soweit ich das überschauen kann, fest in unserer Hand. Durch unsere panadianischen Verbündeten haben wir die Lufthoheit, und die Schlagfähigkeit von Belongo Mining sichert die Überlegenheit am Boden. Zudem haben die Herwigs - mit bescheidener Hilfe meiner Ranger - geschafft, was zwanzig Jahre lang nicht einmal die Zentralregierung geschafft hat. Nämlich Keounda City von diesem Verrückten und seiner Mörderbande zu befreien. Solange die Base de l'Air die Füße stillhält, denn verschwinden wird sie nicht, weil sie das größte Ölfeld Ndongos schützt, können wir theoretisch jederzeit die Unabhängigkeit ausrufen."
"Und das Ölfeld?"
"Wir könnten es erobern. Keine große Sache. Mit der Abe sind wir die überlegene Macht in der Region."
Leise trommelten die Finger des Präsidenten auf seinen Schreibtisch. "Und was wollen die Leute da unten?"
General Landsdale musste lächeln. "Die Herwigs wollen Diamanten fördern und die Bevölkerung weiterhin mit Ressourcen versorgen. Diamanten, die auf dem wachsenden Markt, aber auch in der Industrie doch gebraucht werden. Die Menschen in Belongo sind der Kriege müde, schätze ich, denn sonst hätte Belongo Mining nicht mal die erste Woche überstanden, anstatt ein regionales Feldlazarett in der kleinen Ortschaft Ngali einzurichten, dazu einen Hubschrauberservice für Bettlägrige einzurichten. Die Herwigs gehören zu keinem der regionalen Stämme, nicht zu Ndongo, nicht zu den Warlords, und sie bringen ihre eigenen Regeln mit. Ich schätze, viele, wenn nicht alle da unten sind damit zufrieden, wenn ein wenig Ruhe einkehrt."
"Was würde passieren, wenn wir das Ölfeld erobern? Können wir die Bevölkerung gegen einen Gegenangriff schützen? Oder Racheakte? Bombardements, wie das, das unsere Ranger erwischt hat?"
Landsdales Züge wurden hart. "Nein."
"Dann lassen wir die Finger von dem Ölfeld."
"Wenn dem so ist, werde ich Ndongo über ein paar inoffizielle Kanäle über Ihre Entscheidung informieren, Mr. President. Es dürfte, ah, dabei helfen, den Druck auf unsere Botschaft zu verringern. Ein wenig, zumindest."
"Das passt, Isaac. Unsere Botschaft?"
"Steht immer noch Stein auf Stein und ist weiterhin geöffnet, aber der erste Mob war schon da. Er wurde aber mit Coca Cola besänftigt. Dabei wurde ein CIA-Agent freigekauft, wie man mir gesagt hat", erklärte Landsdale mit einem Seitenblick auf Maloni.
Der Vice Director nickte bestätigend.
"Das bedeutet?"
"Admiral Philips hat befohlen, ein Platoon Marines und zwei Ospreys zur Botschaft zu schicken. Das reicht notfalls für die Evakuierung. Wird sehr eng werden, aber wenn wir Material zurücklassen, werden es die Transporter schaffen. Solange die Luftwaffe und die Black Stars uns in Ruhe lassen."
"Was uns zur Abraham Lincoln bringt", sagte Etranger.
"Unsere fünfzigtausend Tonnen Diplomatie", sagte Landsdale.
Der Chief of Naval Operations und der SECNAV grinsten für einen Moment.
"Die Abe beherrscht sowohl das Meer als auch den Luftraum rund um ihre Position. Und ohne die Gefahr durch die Sizzler sehe ich keine akute Bedrohung für den Träger oder seine Begleitschiffe, Mr. President."
"Kann sie eine Luftoperation, zum Beispiel zur Deckung von zwei bis zum Rand vollgestopften Ospreys decken? Sich mit der ndongoianischen Luftwaffe und den Black Stars anlegen und gewinnen?"
"Natürlich kann sie das, Mr. President", sagte Blueberry ernst. "Aber die Zahl der Jets wäre dann ausgewogen, vielleicht sogar mit Vorteil bei Ndongo. Zudem sind die Black Stars Elite. Wir hätten dann Verluste."
"Ein Angriff auf die Abe selbst?"
Blueberry dachte kurz nach. "Mit den Möglichkeiten Ndongos nicht zu schaffen. Mit den Black Stars? Durchführbar, aber dank unsere AEGIS ein Spiel mit dem Feuer. Achtzig bis hundert Prozent Verlustquote. Achtzig, wenn sie mit blutiger Nase abdrehen, hundert, wenn sie versuchen, bis zur Abe durchzubrechen."
Wieder trommelte der Präsident mit den Fingern auf der Tischplatte. "Gut. Bleibt die letzte Frage: Wie reagieren wir darauf, wenn unsere Botschaft evakuiert werden muss? Wie reagieren wir darauf, wenn Ndongo feindlich wird? Wie reagieren wir darauf, wenn sich die Russen oder die Chinesen, die eh in der Region sind, einmischen? Nein, Isaac, antworten Sie nicht. Die Frage war rhetorisch." Etranger erhob sich, verschränkte die Arme auf dem Rücken und begann, im Open Office auf und ab zu gehen. "Und dabei bin ich Präsident geworden, um ein Zeichen für Frieden und Verständigung zu setzen. Eine zweite Amtszeit habe ich nie wirklich angestrebt, um in der ersten so viel wie möglich in die Wege zu leiten, was selbst fünf nachfolgende Präsidenten nicht einreißen können. Und nun muss ich einen Krieg befehlen?"
"So weit sind wir noch nicht, Mr. President."
"Sind wir nicht? Warten Sie ab, Isaac, was passiert, wenn die Nachricht durchsickert, dass Ndongo zwanzig unserer Jungs und Mädchen frittiert hat. Und sie wird durchsickern. Dann werden wieder Menschen auftauchen, die sich Patrioten nennen und unsinnige bis wahnsinnige Forderungen stellen. Und bevor wir uns versehen, sind wir doch im Krieg. Egal, wie wahnsinnig das alles ist." Der Präsident atmete heftig aus. "Hoffen wir, dass der Tag für die Botschaft ruhig verläuft. Und sorgen Sie dafür, dass die Ospreys so viel Cola, wie sie fassen können mit nach Ompala City nehmen."
Blueberry nickte. "Wird gemacht, Mr. President."
'Dafür bin ich nicht Präsident geworden', ging es Etranger durch den Kopf. 'Dafür nicht.'
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