Geschichte: Freie Arbeiten / Prosa / Action / Belongo

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Belongo

Kurzbeschreibung
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.09.2011
23.02.2017
37
260.000
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12.09.2011 7.151
 
"Sir, da tut sich was."
Axel und Jason Scott, über eine Karte gebeugt und mit Assanger, dem neuen Infanterie-Offizier, diskutierend, sahen auf, während der Deutsche weiter grübelte. "Was?"
Morelli deutete auf den Prachtbau, der dem Riki als Unterkunft diente. "Da kommt anscheinend ein Parlamentär."
Scott runzelte die Stirn. "Definieren Sie Parlamentär, Luigi."
"Ein Mann mit einer weißen Fahne."
Axel sprang auf, als hätte ihn etwas gestochen. "Na, das ist ja mal interessant!"
Die drei Offiziere gingen zu Morelli. Axel steckte wagemutig den Kopf aus der Deckung. "Weiße Fahne, check. Keine Waffen, check. Sollten wir uns Gedanken darüber machen, dass der Parlamentär eine Frau ist?"
"Das kommt drauf an", sagte Scott. "Wir wissen, dass einige Frauen nicht gerade freiwillig beim Riki sind, genauso wie etliche der Männer. Diese Frau sieht nicht so aus, als würde ihr ihre Aufgabe gefallen."
"Ist sie schwanger?"
Axel wandte sich Assanger zu. "Was, bitte?"
"Ich fragte, ob sie schwanger ist, Chef."
"Und wieso fragen Sie das?"
"Nur so ein Gedanke, Sir. Wenn sie schwanger ist, haben wir es hier vielleicht mit dem Opfer einer Gewalttat zu tun, das vielleicht gar nicht mehr zurück will. Oder mit einer jener Frauen, die mit dem Riki kollaborieren."
"Wir haben es dann vor allem mit einer Schwangeren zu tun", schwächte Axel ab. "Und ich bin interessiert daran, was sie uns zu sagen hat."
Derweil war die Frau näher gekommen. Sie war schwarz, ungefähr Mitte zwanzig, und sie war nicht besonders erfreut. Außerdem hielt sie die weiße Fahne sehr verkrampft. Axel hätte beim besten Willen nicht sagen können, mit welchem Typus er es zu tun hatte, einer Gefolgsfrau, oder einer Sklavin. Aber würde der Riki ihnen eine Sklavin schicken? Wenn er damit rechnete, dass der erste Bote erschossen werden würde, vielleicht.
"Das ist nahe genug!", rief er herüber. Dabei benutzte er französisch.
Die Frau hielt tatsächlich an. Nun wirkte sie noch nervöser.
"Was wollen Sie?"
Sie leckte sich über die Lippen, die Axel frappierend an die Wagondas erinnerte. Die hatten einen ähnlichen Schwung in der Unterlippe. Und auch die Nase ging in die Richtung.
"Mit Ihnen reden!", rief sie zurück.
Neben ihm ging Niklas in die Hocke, sein HK33 neben sich auf den Boden stützend. "Da komme ich wohl gerade rechtzeitig. Was will sie?"
"Das wird sie uns hoffentlich gleich sagen", erwiderte Axel. "Also gut, reden Sie! Ich höre zu!"
"Ich will mit Ihrem Anführer reden!"
"Der hört mit! Über Funk!", rief Axel zurück. Er sah entschuldigend ins Rund und fügte leise an: "Falls sie Scharfschützen auf einen eventuellen Anführer angesetzt haben. Außerdem habe ich keine Lust, mich mit euch erst lange darüber zu einigen, wer der Anführer ist."
Scott zuckte die Achseln. "Mach einfach, Axel. Hat bisher gut funktioniert."
Der Deutsche nickte. "Sprich! Was will der Riki?"
Die Frau fuhr heftig zusammen, als der Name fiel. In Gedanken floss das in Axels Bewertung ein. Sie schien nicht gerade eine Freundin oder enge Vertraute des Riki zu sein. Nicht bei der Reaktion.
"Ich... Mein Herr verlangt, dass Sie die Stadt räumen! Dass Sie wieder über die Brücken gehen, in Ihre Hubschrauber steigen und wieder weggehen!"
"So, so, dein Herr verlangt das. Abgelehnt!"
"Sie haben hier nichts zu suchen!"
"Dein Herr war es, der meinen Hubschrauber abgeschossen und damit den ganzen Ärger selbst beschworen hat! Nun muss er damit leben!", konterte Axel. Dabei biss er sich auf die Zunge. Französisch aus dem Stegreif war manchmal verdammt schwierig.
"Mein Herr sagt, er gibt Ihnen allen eine Stunde, um über die Brücken zu gehen, und eine weitere Stunde, um wieder abzufliegen!"
Niklas, Axel und Jason Scott wechselten einen kurzen Blick. "Meinungen?", fragte Axel.
Assanger hob die Hand. "Wenn Sie mich fragen, der Typ blufft. Er muss doch selbst mitgekriegt haben, dass wir seine Verstärkungen im Norden mit unseren Hubschraubern abgeschlachtet haben."
"Was, wenn er glaubt, der Infanterieangriff auf die Mine wäre ein Erfolg und er hat ein Druckmittel?", spielte Niklas auf die Neuigkeiten an, die ihnen von der Mine per Funk mitgeteilt worden waren. Der heftige, erbarmungslose Angriff war genauso erbarmungslos mit einem Luftschlag gestoppt worden. Wusste der Riki das? Oder erwartete er weitere Verstärkungen, von denen weder Belongo Mining, noch die Ranger etwas wussten?
Axel warf wieder einen schnellen Blick auf die Frau. Sie stand noch immer da, beide Hände so sehr um die Stange ihrer Fahne geklammert, dass die Knöchel sich weiß abzeichneten. "Vielleicht sollten wir jetzt die richtigen Fragen stellen. Jason, Ihre Leute sollen auf mein Kommando Sperrfeuer geben. Ihre Sniper sollen nach Scharfschützen Ausschau halten, die unsere Richtung abdecken."
Scott zog die linke Augenbraue hoch, gab aber keinen Kommentar ab. Leise gab er seine Befehle per Funk oder an Morelli weiter.
"Warte! Axel, warte! Wir wissen doch, dass der Riki den Abzug plant, oder nicht?", warf Niklas ein. "Warum sitzen wir die Sache nicht einfach aus?"
"Wäre ja schön, wenn es so einfach wäre." Axel sah hinter sich. "Ich brauche zwei Freiwillige mit Schutzwesten!"
"Was hast du vor, großer Bruder?", fragte Niklas mit fröstelnder Stimme.
"Du nicht, und Hannes auch nicht. Der ist dem Tod wahrlich schon genug von der Schippe gesprungen." Mehrere Hände hoben sich und Axel wählte einen Ranger und einen seiner Leute aus. "Niklas, gib mir deinen Helm. Dieses Ding, das ich als Ersatz für meinen bekommen habe, als er heute morgen zerschossen wurde, passt mir nicht richtig, egal, was ich mache."
"Schreib Bernd eine Beschwerde", erwiderte der jüngere Herwig-Bruder, nahm aber seinen Helm ab und tauschte ihn mit Axel aus. "Du hast doch nichts Verrücktes vor."
"Oh, nicht verrückter als sonst auch." Er winkte die beiden Männer heran. "Wenn ich "Jetzt" rufe, springen wir auf, decken die Frau mit unseren Körpern und bringen sie so schnell wie möglich rein. Jason, bei "Jetzt" Sperrfeuer mit allem, was wir haben auf die Fenster."
"Woher willst du wissen, dass sie überhaupt reingebracht werden will?", wandte Niklas ein. "Was, wenn das der Plan ist und sie eine Bombe bei sich trägt, die sie zünden wird, sobald sie mitten unter uns steht?"
"Guter Einwand. Ich werde dran denken. Aber ich glaube, sie wird uns sagen, ob sie zu uns kommen will oder nicht."
"Und wie willst du das rausfinden?"
"Ich frage sie einfach." Axel grinste jungenhaft. Er griff nach seiner HK33 und lugte wieder aus der Deckung. Sein Körper spannte sich an, als er die Stiefelspitzen nach Art eines Sprinters in den Boden grub. Die beiden Freiwilligen, es waren Private Edgar Ross und Roger Steinard, machten sich ebenfalls bereit.
Wesentlich leiser als zuvor rief er der Frau zu: "Wenn Sie den Riki verlassen wollen, kommen Sie zu uns. Wir werden nicht schießen."
Entsetzen und Hoffnung flackerten über das Gesicht der Frau. Dann war es Schmerz. "Das kann ich nicht! Sie erschießen mich, wenn ich fliehe."
"Hält er auch jemanden als Geisel, zu dem Sie zurückkehren müssen, weil er sie oder ihn sonst tötet?"
Die Frau schüttelte den Kopf. "Er hat mich von einem Boot rauben lassen. Ich habe hier keine Angehörigen."
"Dann kommen Sie her!"
"Er wird mich töten lassen!"
"Ist das nicht besser als so wie es jetzt ist?", fragte Axel angespannt.
Erst war da nur Verzweiflung, dann Entschlossenheit. Die Frau machte einen Schritt nach vorne. Axel sprang auf. "JETZT!"
Sofort begann das Sperrfeuer der Ranger und der Soldaten der Mine. Mehrere MG's ratterten und deckten die Fensterfront mit einem Kugelhagel ein. Wenn es noch Scheiben gegeben hätte, die diesen Namen verdient gehabt hätten, nach dem Beschuss wäre das Thema erledigt gewesen.
Axel hastete los, auf die junge Frau zu. Steinard huschte agil an ihm vorbei, aus seiner HK33 Feuerstöße abgebend, bis er sich zwischen die Frau und den Prachtbau stellen konnte. Ross war nur wenige Sekundenbruchteile langsamer. Als Axel heran war, deckten die beiden Soldaten die Frau mit ihren Westen, also tat er, was er ursprünglich geplant hatte. Er griff nach dem Arm der Frau und zog sie hinter sich her. "ZURÜCK!"
Als er sich wieder in Deckung warf, die Frau neben sich zu Boden drückend, rief er: "FEUER EINSTELLEN! Steinard, Ross, seid Ihr noch da?"
"Ja, Chef", ächzte Steinard. "Gelobt seien diese Westen. Ich werde Bernd ein Denkmal setzen. Und ich werde allen Göttern danken, die dafür gesorgt haben, dass ich nur an der Weste erwischt wurde."
"Bin auch noch da, Sir", sagte Ross. "Aber ich fürchte, ich habe einen Streifschuss abgekriegt."
"Das ist besser, als wenn es Ihren Kopf erwischt hätte", kommentierte Scott. "SANI!"
Axel grinste. "Na, das lief ja besser als erwartet." Er drückte die Frau mit Gewalt zu Boden. "Liegenbleiben! Genau so! Steinard, untersuchen Sie sie."
"Sollen wir dafür nicht lieber eine Frau kommen lassen?", fragte der Scharfschütze irritiert.
"Sie sollen sie nicht ausziehen, nur auf Höllenmaschinen checken!", erwiderte Axel ernst.
"Nun machen Sie schon", sagte Niklas. Er hockte sich neben die Frau, seine Pistole im Anschlag. "Sicherheit hat Vorrang. Der Riki darf nicht unterschätzt werden."
"Also gut. Das wird sich aber nicht gut in der Presse machen", murmelte Steinard. Er unterzog die Frau einer oberflächlichen Leibesvisitation. "Wenn sie eine Bombe bei sich trägt, dann sicher nicht am Körper, Chef."
Axel atmete erleichtert auf, Niklas steckte die Pistole fort. Der ältere Herwig-Bruder nahm den Druck von den Schultern der Frau. "Jetzt können wir reden. Anschließend stellen wir Kontakt zum Boot her, auf das Sie gehören. Dort wird man froh sein, von Ihnen zu hören. Entschuldigen Sie die raue Behandlung, Mademoiselle. Wie ist Ihr Name?"
Die junge Frau rollte sich auf den Rücken und setzte sich auf. Dies tat sie sehr langsam und vorsichtig, so als wäre sie in der Gesellschaft einiger bissiger Hunde, die sie nicht zu provozieren wagte. Als nichts passierte, wurde sie mutiger und drapierte sich in den Schneidersitz. "Francoise Aebeki, Sir. Die Behandlung ist in Ordnung. Es ist besser als alles, was mir bei meinem Herrn... Drüben bei ihm passiert ist, Monsieur."
"Verstehe. Warum hat er Sie geschickt?"
Unsicher sah sie ihn an. "Er war sich nicht sicher, ob sie den ersten Parlamentär nicht einfach erschießen würden, also sandte er jemanden aus, auf den er verzichten konnte. Und da er annahm, dass Sie nicht so ohne weiteres auf Frauen schießen würden... Nun."
"Verstehe. Wie sieht es drüben aus, Francoise? Was geschieht gerade beim Riki?"
Erneut zuckte die Frau heftig zusammen, als das Wort fiel.
"Entschuldigen Sie. Nennen wir ihn Lieutenant."
"Nein. Nein, ist schon gut. Er ist ja jetzt nicht hier, und... Und..." Sie begann zu zittern. "Oh, Allah, ist es wirklich vorbei?"
Axel schob alle Gedanken daran beiseite, dass das Mädchen vor ihm schauspielerte und nur darauf wartete, dass er sich eine Blöße gab, um ein Messer zu ziehen, das Steinard nicht gefunden hatte, und ihm zwischen die Rippen zu jagen. Er kam einen halben Schritt näher, kniete sich nieder und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Berührung ließ sie erzittern, ängstlich sah sie ihn an, aber da er nichts weiter tat, beruhigte sie sich schließlich wieder. Tränen standen in ihren Augen, aber sie wischte sie fort und versuchte zu sprechen. "Drüben ist es furchtbar. Er hat so viele Leute verloren, auf zwei Männer kommt nun eine Frau. Noch vor einer Stunde wollte er von hier fliehen, nun aber harrt er aus, weil ihm Verstärkung versprochen wurde. Er hat mich losgeschickt, weil sie immer noch nicht angekommen ist, und... Und..." Sie verstummte, zitterte und griff nach Axels Hand auf ihrer Schultern. Der ließ es geschehen. "Weiter, bitte, Mademoiselle."
"Die Verstärkung ist noch nicht da, aber abziehen will er auch nicht mehr. Er erwartet seine Hilfe, oder göttliche Fügung, oder etwas anderes. Er ist sich sicher, dass er aus Keounda City nicht vertrieben werden wird, vor allem nicht von "feigen Weißen", wie er sich ausdrückte."
Axel zog die Stirn kraus. "Gibt es eine Zuflucht?"
"Was?"
"Gibt es einen Ort in Belongo oder in Ndongo oder in einem Nachbarstaat, in dem der Riki meint, sicher zu sein, Mademoiselle? Einen Fluchtort für einen Fall wie diesen?""
"Es gibt da wohl einen Ort, irgendwo an der Grenze im Osten. Manchmal haben die Männer darüber Scherze gemacht, wenn... Wenn sie sich vergnügt haben."
"Hm", machte Axel, der eine ziemlich gute Vorstellung davon hatte, wie dieses Vergnügen ausgesehen hatte. "Er hat für alles geplant, der Riki."
"Du planst doch was", sagte Niklas. Er schüttelte den Schauder ab, den Francoises Worte ihm beschert hatten und sah spöttisch zu seinem Bruder rüber. "Du willst ihn absichtlich fliehen lassen, damit er die Stadt verlässt, richtig? Aber was machst du dann mit der Stadt?"
"Na, was wohl? Behalten! Der Lagabanda ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt, Niklas. Das sollten wir nicht unterschätzen. Und wir sollten ihn nicht dem Riki überlassen. Niemals."
"Heißt das, du willst den Bastard entkommen lassen?", fragte Scott nicht gerade erfreut.
"Ist dir noch ein Massaker lieber?", entgegnete Axel trocken. "Wie viele seiner Männer haben wir schon abgeschlachtet? Eintausend? Mehr? Ich denke, es reicht, selbst für diesen egoistischen Halunken."
"Es wäre besser für uns, für die Mine, für Belongo und für ganz Ndongo, wenn dieses Arschloch und sein verdammter Kult ein verdammtes Ende finden würden. Hier und jetzt", sagte Scott.
"Ruhig, Cowboy, wir sind hier nicht am Little Big Horn", warf Assanger ein.
"Was wollen Sie mir damit sagen, Lieutenant? Falls Sie es noch nicht wissen, ich bin ein Viertel Cherokee und blicke auf eine lange Liste stolzer Vorfahren in der Army zurück. Davon abgesehen sind Sie gerade erst gekommen!"
"Ich will damit nur sagen, dass wir so schon genug zu tun haben. Wie viele Leichen liegen da draußen? Wie lange werden wir brauchen, um sie einzusammeln, beizusetzen oder zu verbrennen, bevor die ersten Seuchen ausbrechen? Dass ich nicht mit Ihnen die ganze Zeit in der Scheiße gesteckt habe, ist mir klar. Aber genau deswegen bin ich wohl der Richtige, um die Vernunftkarte zu spielen. Räumen wir erst mal dieses Schlachtfeld auf, bevor wir ein zweites mit diesem Psycho eröffnen."
"Wenn wir dieses gar nicht erst schließen, dann..."
"Die Untersuchungskommission und eventuell der Präsident könnten das anders sehen, Captain Scott." Irene Sinclair hockte sich neben die Männer. "Freut mich, Sie alle endlich in Natura zu sehen."
"Uns freut das auch, Captain", sagte Niklas.
Sie nickte dem Deutschen gönnerhaft zu, bevor ihr Blick wieder zu Scott ging. "Was ich sagen will, ist, dass wir bereits genug zu tun haben, um unsere Toten zu bergen und den Luftangriff sowie alle Vorkommnisse danach zu dokumentieren. Wenn jetzt noch was hinzukommt, ein Last Man Standing, dann sollten wir uns hier alle häuslich einrichten."
"Captain Sinclair, Sie waren nicht dabei! Sie haben nicht gesehen, was diese Drogengeputschten Wahnsinnigen hier angerichtet haben! Sie haben nicht gesehen, was sie hier in den letzten zwanzig Jahren kultiviert haben! Die Welt ist besser dran ohne sie", sagte Scott, die Zähne fest zusammengebissen."
"Das mag sein, aber der Riki ist nicht unser Hauptfeind, oder?" Sie kratzte sich ausgiebig am Haaransatz. "Ich sage Ihnen was, Jason. Wenn Sie mir garantieren, dass wir keinen weiteren unserer Leute verlieren und wenn die Marines mitziehen, dann kriegen Sie Ihr Gefecht. Ich nehme es sogar auf meine Kappe."
"Sie wissen, dass ich das nicht kann", erwiderte Scott mit steinerner Miene.
"Was ist also die Alternative? Dass sie wieder auf uns feuern und wir solange zurückschießen, bis keiner mehr steht? Oder aber, dass sie die Stadt verlassen, ohne dass ein weiterer Schuss fällt?"
"Er wird wiederkommen", prophezeite Scott.
"Wir werden uns darauf einstellen", warf Axel ein. "Für den Moment habe ich auch genug Blut gesehen. Das meiner Leute, und das der Männer des Riki. Es reicht erst mal, denke ich."
Scott knirschte mit den Zähnen. "Also gut, versuchen wir es. Aber wenn dieser Idiot so dämlich ist, auf uns zu feuern, dann..."
"Dann ist er ein toter Idiot, keine Frage", sagte Sinclair.
Niklas nickte zustimmend. "Also gut, machen wir dem Riki ein Angebot."
Francoise zuckte heftig zusammen. "Sie wollen doch nicht, dass ich...?"
Axel sah sie erstaunt an. "Was? Nein! Aber nein! Sie werden ausgeflogen, zu Ldungas Farm! Dort wird man sich um Sie kümmern und Ihre Familie kontaktieren, Ihr Boot, oder wen immer Sie wollen. Wir brauchen hier keinen Boten, um dem Riki eine Nachricht zukommen zu lassen."
Erleichtert atmete die junge Frau auf. "Danke. Dahin hätte ich auch nicht zurückgewollt."
"Keine Ursache. Wenn mir jetzt jemand ein Megaphon besorgen könnte... Ich würde gerne diesen Psycho aus meiner Stadt werfen."
Niklas lachte abgehackt. "Scheiße, das meint er ernst."
"Hauptsache, er benennt sie nicht in Axel City um", scherzte Assanger.
"Vorsicht, Leutnant, bringen Sie ihn nicht auf Ideen", mahnte Niklas schmunzelnd. Für den Moment zumindest, dann hatte ihn der Druck der Situation wieder voll erwischt. Es war wirklich Zeit, dass dies hier ein vorläufiges Ende fand.
***
"Schätze, es wird Zeit, die Zivilisten auszufliegen", sagte Captain Burdelle mit Blick auf die dunkle Wand an Menschen, die sich durch die Straßen in Richtung US-Botschaft schob. "Dass es so schnell eskalieren würde, hätte ich nicht gedacht."
Lieutenant McMasters nickte zustimmend. "Meine Kontakte in der Stadt sagen, es geht das Gerücht um, ein ndongoianischer Frachter hätte alleine ein amerikanisches Kriegsschiff versenkt, als Rache für den Abschuss einer Militärmaschine durch Panadia. Das war Wasser auf den Mühlen der Anheizer. Vielleicht etwas zu viel Wasser und etwas zu viel Hitze." Irgendwo in der Stadt bellten Schüsse auf. McMasters kniff die Augen zu Schlitzen zusammen. "Das ist vor drei Jahren schon mal passiert. Nach dem Feiertag zur Einheit des Landes. Der Präsident hat die Einigkeit des Landes beschworen und jeden einzelnen Bürger dafür in die Pflicht genommen. Zugleich hat er das Kaiserreich Ndongo dafür kritisiert, dass es nicht "heim in die Stammnation" kommt. Tja, und Abends, nach ein wenig feiern und trinken, sind die ersten Mobs ausgezogen, um in den Vierteln zu wüten, in denen sie Angehörige jener Stämme wussten, die im Kaiserreich leben. Damals waren wir verdammt noch mal in Alarmbereitschaft und waren es bis spät in die Nacht. Wir haben eine Menge fliehender Zivilisten in die Botschaft gelassen und irgendwann standen die anderen draußen und forderten ihre Herausgabe. Aber ein paar Schüsse über ihre Köpfe haben dann ganz schnell ihr Mütchen gekühlt, als sie gemerkt haben, dass sie nicht die Stärksten sind."
"Der Mob hat sich nach ein paar Warnschüssen aufgelöst? Was hat Washington dazu gesagt?"
McMasters zuckte die Achseln. "Offiziell haben wir keine ndongoianischen Zivilisten beherbergt und offiziell wurde nicht eine Patrone verschwendet. Seine Exzellenz hat die Dinge entsprechend arrangiert und die Angelegenheit unter den Teppich gekehrt. Das Letzte, was die Migranten hätten gebrauchen können, wäre eine internationale Schlammschlacht in den folgenden Tagen, die die Täter vielleicht noch einmal aufgestachelt hätte."
"Junge, Junge, ich beginne, Hayle zu mögen", staunte Burdelle.
"Das sollten Sie auch. Er ist jung, aber er war mal einer von uns."
"Ein Soldat?"
"Ein Marine. Offiziersanwärter. Hat sich einen komplizierten Bruch zugezogen und konnte nicht mehr dienen. Das Corps hat dann sein Studium bezahlt, und wie man sieht hat es sich gelohnt."
"Davon stand gar nichts in seiner Akte."
"Natürlich steht es drin. Aber man überliest es schnell, wenn einem die Namen Havard und Princeton so ins Auge stechen. Das Corps hat keine Kosten gescheut, um ihrem Mann eine Zukunft zu geben."
Burdelle zuckte die Schultern. "Offizier muss man sein. Da wird so mancher Veteran mit Kriegstrauma aus dem Mittleren Osten aber wesentlich stiefmütterlicher behandelt."
"Sagte die Offizierin", stichelte der weibliche Lieutenant.
"Schon gut, schon gut. Wir sind hier, er ist hier, die Situation ist hier, und da hinten kommt ein aufgewiegelter Mob, der denkt, die Kriegstechnologie seines Landes ist besser als die der USA. Wir haben genug eigene Sorgen." Burdelle warf McMasters einen flüchtigen Blick zu. "Würden Sie seiner Exzellenz bitte die Nachricht überbringen, dass ich die Evakuierung der Zivilisten so schnell wie möglich durchführen möchte, Ariele? Und die Leute sollen ihre Stellungen beziehen. Doppelte Wache an der Tür. Sie sollen so viele Zivilisten reinziehen, wie sie nur können. Europäer, Amerikaner, was immer ihnen da unten vor die Füße läuft. Sortieren können wir später."
"Verfolgte Einheimische?"
"Wenn Sie sich zutrauen, sie in wirkliche Verfolgte und Infiltratoren zu trennen, dann gerne ja."
"Sie haben hier das Kommando, Ma'am", erinnerte McMasters.
Der weibliche Captain seufzte. "Warum bin ich gleich noch mal Offizierin geworden? Ach ja, weil mir jemand gesagt hat, eine Militärkarriere würde sich gut im Lebenslauf machen und weil mein Ausbilder meinte, wenn ich dauernd alles besser wüsste, würde ich einen guten Offizier abgeben - die hätten auch keine Ahnung." Sie sah die Rangniedrigere an. "Sehen Sie zu, dass wir nicht den halben Mob reinlassen. Aber evakuiert werden vornehmlich US-Amerikaner. Dazu stopfen Sie in die Osprey rein, was noch Platz hat. Gepäck wird auf das absolute Minimum beschränkt, und ich meine damit eine Zahnbürste. Ach, und sagen Sie dem Piloten, dass er auf Sicherheit fliegen soll, nicht auf Geschwindigkeit. Da draußen lauern die Black Stars, und sie sind in Lohn und Brot in Ndongo."
"Verstanden, Ma'am." McMasters deutete einen flüchtigen Salut an und verließ den Beobachtungsposten auf dem Dach.
"Die Scheiße ist", murmelte Burdelle vor sich hin, "dass sie vollkommen Recht haben. Der verdammte Frachter hat eine Perry kalt erwischt." Sie ballte die Hände zu Fäusten. Und wenn es weiter so übel zuging, dann würde dieser Mob sie erwischen. Allerdings nicht kalt erwischen, garantiert nicht. Ein überhebliches Grinsen ging über ihre Züge. Zumindest tat es das, bis sie meinte, in der Ferne das Geräusch von Panzerketten auf Asphalt zu vernehmen. Es wiederholte sich nicht, aber Burdette speicherte das Geräusch in der Schublade für große, unvorteilhafte und sehr gefährliche Überraschungen, die ihnen drohten, ab.
***
"Sparrows Crest von Homeshopper vier, kommen."
"Das Sparrows Crest spricht. Kommen, Homeshopper vier."
"Wir haben die Admiral Pierre Kumumba jetzt in Sicht. Ihr Hubschrauber ist da und holt per Winde Verletzte an Bord. Keine weiteren Einheiten im Seegebiet zu entdecken. Bitten um Erlaubnis, uns an der Evakuierung der Verletzten beteiligen zu dürfen."
"Erlaubnis erteilt, Homeshopper vier. Admiral Philips hier. Jungs, wie sieht es aus? Wie schlimm hat es die Pierre erwischt?"
"Sir, die Pierre liegt tief im Wasser. Ein Teil vom Heck ist fort, und mittschiffs raucht ein öliges Feuer. Sie hat, soweit ich das erkennen kann, leichte Schlagseite zu Backbord, aber sie schwimmt noch. Es sollte möglich sein, sie in den nächsten Hafen zu ziehen."
"Dann hat sie nur geringe Priorität. Wie groß ist Ihre restliche Reichweite, mein Sohn?"
"Etwa vierhundert Seemeilen, Sir."
"Gut, dann scheidet ein sofortiger Flug zur Colorado aus. Funken Sie die Pierre an und bieten Sie Hilfe bei der Evakuierung an. Die Illinois ist mittlerweile nahe genug, um sie Ihnen abzunehmen und Sie zu betanken. Anschließend fliegen Sie sofort zur Colorado weiter."
"...Verstanden, Admiral."

Pilot und Co-Pilot wechselten einen vielsagenden Blick. Wenn sie nicht bei der Pierre helfen sollten, bedeutete das, dass der Admiral erwartete, die Colorado würde schon bald in noch größeren Schwierigkeiten stecken.
***
"Wie spät haben wir es gerade in Banana Port?"
"Etwa zehn nach eins P.M., Mr. President."
Salem Etranger sah nicht auf, während er mit Admiral Blueberry sprach. Stattdessen beobachtete er aufmerksam seine Hände. Die vielen feinen Linien, die sich in die Haut gegraben hatten, während seiner ersten sechs Amtsjahre, waren deutlich zu sehen. Das Amt forderte seinen Tribut. Der ewige Balanceakt zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten hatte seinen Preis. Und die eine Seite konnte er nicht, die andere Seite wollte er nicht vor den Kopf stoßen. Etranger war sich bewusst, dass die Falten in seinem Gesicht auch zahlreicher geworden waren. Jene, die schon da gewesen waren, hatten sich noch weiter vertieft. Außerdem fühlte er sich in Momenten wie diesen so alt. "Wissen wir schon, wo sie sind?"
"Was bitte, Mr. President?"
"Die Sizzler von der Karuma, die der Illuminierung unserer eigenen Drohne zur Colorado folgen."
"Das ist noch nicht sicher, Mr. President", versuchte Blueberry abzuwiegeln.
"Machen wir uns nichts vor. Einen anderen Grund gibt es nicht dafür, dass ausgerechnet eine unserer eigenen Drohnen ausgerechnet eines unserer Kriegsschiffe mit einem Ziellaser erfasst." Nun sah der Präsident auf. Er wusste es nicht, aber sein Blick war hart und unnachgiebig. Es war beeindruckend genug, sodass Blueberry mit seiner Antwort zögerte, neu ansetzte, wieder scheiterte und schließlich nur sagte: "Mr. President, wir..."
"Geben Sie der Colorado den Befehl, die Drohne runterzuholen. Sofort."
Dagegen gab es Einwände. Dutzendfach. Hundertfach. Und das nicht nur, weil die unbemannten Aufklärungsdrohnen so teuer wie Kampfjets waren. Aber gegen den Blick des Präsidenten, gegen seine Entscheidung, gab es keine Erwiderung. "Jawohl, Sir." Der Admiral nickte seinem obersten Vorgesetzten zu und griff zum nächsten Telefon in Reichweite. "Geben Sie mir Colonel Ty, und das pronto."
"Landsdale?"
"Mr. President?" Der Head of Command der Special Forces unterbrach sein Gespräch mit Cynthia Maybright und kam herüber.
"Isaac, was tun wir im Kriegsfall?"
"Sir?"
"Sie haben mich schon verstanden", erwiderte Etranger, plötzlich müde klingend. "Zuerst haben die Ndongoianer versucht, Ihre Ranger in der Belongo Base de l'Air festzuhalten, dann haben sie Captain Scotts Leute vor Keounda City mit Napalm bombardiert, was mindestens zwanzig unserer Jungs und Mädchen das Leben gekostet hat, und schließlich haben sie noch einen panadianischen Verbündeten abgeschossen, über dessen Schicksal wir noch nichts weiteres wissen."
"Doch, Sir, wissen wir. Kam gerade herein. First Lieutenant Kalabalus wurde von den Rangern aus einem Baum geholt und gerettet. Zur Zeit wird er von Doktor Herryhaus wieder zusammengeflickt und ist außer Lebensgefahr." Landsdale zögerte kurz. "Ich wollte es Ihnen gerade sagen."
"Das ist immerhin ein kleiner Lichtblick", seufzte Etranger. "Bleiben ja nur noch der Angriff auf die Pierre und der Beschuss der Colorado durch ein Frachtschiff, dass defacto Präsident Rousseau gehört. Reicht das für einen Krieg?"
Landsdale dachte kurz nach. "Ja, Mr. President. Es reicht für eine Kriegserklärung. Und ehrlich gesagt würde ich den Krieg lieber jetzt als nachher erklären, solange wir noch eine Chance haben, unsere Botschaft zu räumen."
"Da sind aber die Black Stars, die nun für Ndongo arbeiten. Sie sind es, die auf dem Land ihre Basis haben, die die kurzen Versorgungswege haben und die in der Verteidigungsstellung sind." Etranger sah amüsiert auf, als er Landsdale die Stirn runzeln sah. Der Präsident grinste. "Isaac, Sie vergessen immer meinen Offiziersposten in der Nationalgarde."
"Ja, Sir. Ich meine, nein, Sir. Jedenfalls können wir noch nicht sagen, wie die Black Stars reagieren werden, wenn wir Ndongo wirklich den Krieg erklären. Sie könnten sich neutral verhalten, wenn wir ankündigen, dass es uns nur um die Evakuierung der Botschaft geht."
"Was etwas schwierig ist, solange die Ospreys der Marines in Keounda City gebunden sind", sagte Etranger. "Außerdem ist eine Kriegserklärung und eine Landinvasion genau das, wohin wir getrieben werden sollen, Isaac. Das muss ich Ihnen nicht erst erklären. Und ich muss Ihnen auch nicht erläutern, warum ich mich nicht treiben lasse. Nicht von diesen Leuten."
"Nein, Sir."
"Andererseits wurden unsere Leute bombardiert. Das ist nicht mit einer formellen Protestnote abgetan."
"Nein, Sir."
"Also, was tun wir? Wie sehen überhaupt unsere Möglichkeiten aus?"
Landsdale dachte kurz nach. "National oder international? In Niba sitzen die Franzosen mit drei Divisionen Bodentruppen plus Luftunterstützung Das sind zweitausend Kilometer, aber es sind die nahesten Truppen, die auf unserer Seite sein könnten. Zudem haben wir sie in Niba mit Geheimdienstdaten unterstützt. Das werden sie nicht vergessen haben."
Etranger schüttelte den Kopf. "Bleiben wir national."
"Unsere wichtigsten Verbündeten in der Region sind Ganbo und Panadia, wie ich kurz erwähnen möchte. An einem Angriff würden sie sich sicher nicht beteiligen, sehr wohl aber ihr Territorium verteidigen, selbst wenn wir ihr Gebiet für Angriffe auf die Republik Ndongo nutzen würden."
"Weiter."
Landsdale nickte zustimmend. "Dann haben wir da natürlich die Abraham Lincoln und ihre Trägergruppe, Scotts Ranger und Hugh Shatterfields Untersuchungskommission mit noch einmal einer Kompanie Ranger. Dazu kommen die Truppen der Belongo Mining. Für die Region sind sie sehr gut ausgerüstet. Die nächsten uns zur Verfügung stehenden Truppen wären die Tommies auf den Falklands, ironischerweise."
"Und im gesamten Umkreis? In ganz Afrika?"
"Die nächsten US-Truppen haben wir auf Diego Garcia und am Golf von Aden. Oder wahlweise im Mittelmeer, der Türkei, Italien oder Deutschland. Das dürfte etwa zwei Dutzend Schiffe der unterschiedlichen Klassen einschließen, Mr. President."
"Hm." Nachdenklich trommelte Etranger mit den Fingerspitzen auf dem Holz des Konferenztischs. "Wie viele Leute bräuchten wir für eine Invasion? Wie schnell hätten wir sie vor Ort?"
"Zwei, drei amphibische Divisionen. Lieber mehr als weniger, schätze ich. Mobilisierungszeitpunkt der Materialschiffe: Achtundvierzig Stunden. Etwa eine Woche auf See. So viel Zeit hätten wir dann, um die entsprechenden Truppen ins Zielgebiet zu bringen, entweder auch per Schiff, oder per Flugzeug."
"Was bedeutet, dass wir auf diese Situation nicht vorbereitet waren", schloss der Präsident.
"Nicht im geringsten. Es war schon ein sehr glücklicher Umstand, dass wir überhaupt die Abe in Reichweite hatten."
Salem Etranger betrachtete wieder seine Hände. "Und international?"
"Unsere Verbündeten würden entweder gute Gründe verlangen, warum sie sich militärisch engagieren sollen..."
"Weiter."
"Oder sie würden einen Teil der Beute erwarten."
Etranger lächelte freudlos. "Ist das nicht etwas harsch formuliert, Isaac?"
Der Drei Sterne-General schnaubte amüsiert. "Ich denke, darauf läuft es hinaus. Bisher war die ndongoianische Regierung sehr kooperativ, was Wirtschaftsinteressen angeht. Der letzte nennenswerte Einsatz in der Region war der Versuch der Deutschen, einen ihrer Austauschoffiziere zu retten. Der letzte Einsatzversuch war die Entsendung von Captain Scott, um die Ärzte ohne Angst zu befreien. Seither war Ndongo nicht gerade ein Sorgenkind für uns und militärisch unbedeutend. Ich kenne die Zahlen der Privatwirtschaft nicht, aber ich weiß definitiv, wer mit einer militärischen Ausbildung in Ndongo ein- und ausgegangen ist. Unsere Leute waren nicht dabei."
"Daraus folgt?"
"Hm." Isaac Landsdale zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben den Präsidenten. "Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Mr. President. Das Öl, das in Belongo gefördert wird, kommt aus der größten Reserve des Landes. Solange der Bezirk unsicher, unregiert und mit sich selbst zerstritten ist, kann Präsident Rousseau mit seinem Militär dort schalten und walten, wie immer er will. Solange Belongo sich nicht organisiert und mit einer Stimme spricht, kriegt die dortige Bevölkerung vom Ölsegen nur die Kugeln ab, die mit den Erträgen gekauft werden. Nun aber sind die Herwigs dort unten und ziehen eine großangelegte Wirtschaftshilfe auf. Neue Schulen, Minenräumer, medizinische Versorgung, Aussöhnung der Warlords, bessere Kommunikation der Dörfer untereinander, Beendung der militärischen Auseinandersetzungen. Was der Werksschutz von Belongo Mining draufhat, haben wir gesehen, als sie ohne eigene Verluste die Ärzte ohne Angst befreit haben. Eine improvisierte Operation, allerdings von gut trainierten Männern und Frauen optimal ausgeführt. Anders formuliert: Die Herwigs stabilisieren die Region. Und wenn sie Keounda City aus den Händen dieses Verrückten befreien, was wird wohl mittelfristig mit der Base de l'Air geschehen, was mit dem Öl, das in Belongo gefördert wird? Glauben Sie, Mr. President, die Völker in Belongo werden weiterhin dabei zusehen, wie ihnen ihr eigenes Hab und Gut geraubt wird?"
"Sicherlich nicht", sagte Etranger.
"Sicherlich nicht. Und genau das kann Rousseau nicht zulassen. Deshalb hat er Scotts Ranger bombardiert. Deshalb hat er die Söldner aus Bindiru ins Land gelassen."
Nachdenklich faltete Etranger beide Hände vor dem Kinn zu einem Dreieck. "Ihr Fazit?"
"Unserer Wirtschaft ist es egal, mit wem sie verhandeln muss, um an das Öl zu kommen, solange es anschließend billig in ihre Tanks fließt. Sicher ist aber eines: Sie werden nicht mit zwei Partnern verhandeln, nur mit einem. Wenn sich also Belongo organisiert und sich als stärker erweist als es die Zentralregierung ist, dann muss eben die Zentralregierung ausgeschaltet werden."
"Und genau dahin werden wir getrieben, richtig, Isaac?"
Der in Ehren ergraute Veteran nickte grimmig. "Und es bleibt uns nicht einmal eine Wahl, wenn wir nicht international wie Idioten dastehen wollen. Das Massaker an zwanzig Rangers kann nicht unbeantwortet bleiben."
"Nein, das kann es nicht. Es war ein heimtückischer Schlag von einer Nation, die wir wenn schon nicht für verbündet, dann aber doch für freundlich gesonnen gehalten haben. Und nun?"
"Ein Militärschlag unsererseits ist unausweichlich, Mr. President", mischte sich Admiral Blueberry ein. "Zumindest ein Schlag, der ausreicht, damit wir die Botschaft evakuieren können, sowie unsere Operation in Belongo müssen wir durchziehen. Aber ob es dabei bleibt, hängt davon ab, ob die Colorado die Sizzler abwehren kann oder nicht."
"Jonas?", fragte der Präsident irritiert.
"Ich will damit sagen, dass wir es damit belassen können, die Muskeln spielen zu lassen und eine Untersuchung zu fordern, wenn die Colorado nicht beschädigt oder gar versenkt wird, was Gott verhüten möge. Die Chancen dafür stehen gut, denn die Colorado hat zwei Raketen auf die Drohne abgefeuert. Der Leitstrahl wird nicht mehr lange Bestand haben. Aber erfassen die Sizzler trotzdem ihr Ziel und beschädigen oder versenken das Schiff, dann ist mit einer Untersuchung oder einer Entschuldigung nichts erreicht, aber viel verloren. Zum Beispiel unser Ansehen in der Region."
"Also spielen wir den Ölkonzernen in die Hände, die uns treiben wollen?", fragte Etranger ärgerlich.
"Nun, vielleicht gibt es eine Möglichkeit, beides zu haben. Also unser Gesicht zu wahren, aber eben nicht von Roxxon und Co. gelenkt zu werden", sagte Landsdale.
"Und das wäre, Isaac?"
"Später, Mr. President. Sobald wir wissen, wie es um die Colorado steht."
"Admiral, die Drohne wurde abgeschossen!", rief jemand durch den Raum.
Verhaltene Erleichterung war zu hören. Präsident Etranger atmete auf. "Immerhin etwas. Und die Sizzler?"
"Das werden wir in ein paar Minuten wissen, Mr. President", sagte Blueberry schaudernd.
***
Captain Winslow Ibara war ein gestandener Seebär mit zwanzig Jahren Erfahrung auf den Weltmeeren. Die Ernennung zum Kapitän des Arleigh Burke war der derzeitige Höhepunkt seiner Karriere. Der nächste Schritt war die Beförderung zum Rear Admiral, und der war in seinem Lebenslauf fest eingeplant. Und bisher sah es nicht danach aus, als würde ihm jemand auf seinem Pfad Steine in den Weg legen. Im Gegenteil, er konnte sich über mangelnde Förderung nicht beklagen. Wie sagte man so schön? Jeder wurde bis zur Grenze der eigenen Unfähigkeit befördert. Ibara hatte seine Grenze noch lange nicht erreicht. Nun, zumindest hatte er das stets gedacht und  schon auf eine eigene Flottille, sogar eine Flotte geschielt. Bis zum heutigen Tag. Es war nicht das erste Gefecht, in dem er sich befand. Aber es war sicherlich die erste ernstzunehmende Seeschlacht, denn alle bisherigen Kämpfe waren gegen sechs russische Hightech-Mittelstreckenraketen nur kleine Scharmützel. Die Colorado war vom Tode bedroht, und damit nicht nur er und seine Karriere, sondern auch die gesamte Besatzung. Was diese russischen kleinen Teufel anrichten konnten, konnte man sehr gut an der Pierre sehen, die mit viel Glück drei von vier Sizzlern hatte abwehren können, bevor die vierte das Schiff kastriert hatte. Hätte nur eine mehr getroffen, wäre das Schiff nicht mehr zu retten gewesen. Definitiv nicht. Und auf sein Schiff hielten sechs zu. Sechs, verdammt. Für einen Moment erinnerte er sich an den Jubel, der in der CIC seines Schiffs geherrscht hatte, als der Abschuss der Drohne bekannt geworden war. Für einen kurzen Moment hatte es sich wie ein Sieg angefühlt, obwohl sie etliche Millionen US-Dollar zu den Fischen gesandt hatten. Aber ihre Leben waren dem Präsidenten wichtiger gewesen als Geld. Zumindest hoffte Ibara das. Aber er bezweifelte, dass dies ausreichte, damit die Sizzler ihr Ziel verloren.
"Wir haben Sie!", rief Lieutenant Rodriguez, der Ortungsspezialist, aufgeregt. "Vampires, fünf, offener Schwarm, kommen von einhundertfünfunddreißig Grad bis einhundertachtunddreißig Grad herein! Entfernung: Zwanzig Komma acht neun Seemeilen, Geschwindigkeit noch unter Mach, beschleunigen aber! Sechster Vampire ist nicht zu entdecken!"
Ibara schnaubte leise. Dies war mehr als ein Konflikt zwischen einem Drittweltland und den USA. Es war ein Showdown zwischen russischer und amerikanischer Technologie.  "Abwehrrakten starten. Zwei für jede entdeckte Sizzler. Weitere vier für den sechsten bereithalten."
"Aye, aye, Sir!"
Der Waffenoffizier machte nach den Befehlen seines Skippers seine Eingaben und löste danach den Start der Raketen aus. Auf dem Deck sprangen nun gerade von zehn Raketensilos die Klappen auf und entließen genau zehn Raketen auf feurigen Flammenstrahlen in den Tag. Die Raketen erreichten eine gewisse Höhe, bevor sie in Richtung der Sizzler drehten. Danach zündeten ihre Antriebe und sie eilten den russischen Waffen entgegen. Ihnen blieben etwas unter sechzig Sekunden für diesen Abwehrversuch. Dann würden die Sizzler nur noch von den Raketenabwehrkanonen gestoppt werden können. Und dann war da immer noch die sechste Sizzler, die abgefeuert, aber nicht in der Erfassung war.
"Markiere Boogies als Alpha bis Ecco", meldete Rodriguez. "Raketen nehmen Ziel auf."
Ibara war erfahren genug, um zu wissen, dass sich die Sizzler knapp über dem Wasser halten würden. Ein dem Kampfflieger Tornado verwandtes Bodenradar würde sie dabei über Wellenkämme "hüpfen" lassen und ihnen gute Deckung in den Tälern bieten - zumindest soweit die Angriffsgeschwindigkeit von Mach zwei dies zuließ. Ihre Abwehrraketen würden den Sizzlern entgegenfliegen, versuchen, die Raketen zu erfassen und dann zu treffen. Es hatte etwas davon, eine Gewehrkugel mit einer anderen Gewehrkugel abzuschießen. Eine enorme Rechenleistung war dafür notwendig, natürlich auch eine perfekte Ortung. Die CIC unterstützte die Raketen bei ihrem Zielanflug, aber ein Vabanque-Spiel blieb es trotzdem.
"Kontakt!", rief Rodriguez. "Vampire Bravo down! Vampire Ecco down!" Er zögerte einen Moment. "Vampire Alpha down!"
Kurzer, aufgeregter Jubel erfüllte die Gefechtszentrale der Chicago.
"Disziplin, Herrschaften!", mahnte Ibara. "Da draußen ist immer noch eine sechste Sizzler, die wir noch nicht geortet haben, und Charly und Delta sind immer noch auf dem Weg zu uns!"
Und sie waren nur noch achtzehn Sekunden entfernt. "JEDER HAT EINEN FESTEN HALT!"
Dies war der Moment, in dem die Schnellfeuerkanonen ihre Raketenabwehr begannen. Sie spuckten ihren Metallhagel in den Anflugwinkel der Raketen.
"Vampire!", blaffte Rodriguez. "Zwei Vampire im Anflug! Wir... Korrigiere! Freundliche Ziele, wiederhole, freundliche Ziele!"
Ibara warf einen Blick auf die Anzeige. Tatsächlich markierte der Computer einen Flügel Hornets der Abe, die sich schon verdammt nahe befanden.
"Boogie Delta down!", rief einer von Rodriguez' Leuten erleichtert. "Boogie Charly down!"
Erneut klang Jubel auf. Sie hatten fünf Sizzler ausgeschaltet!
"Disziplin!", klang Ibaras Stimme hart auf. "Sucht nach dem..."
"Sechster Boogie, identifiziert als Boogie Foxtrot! Er rast frontal auf uns zu! Sieben Sekunden bis zum..."
Ibara fühlte sich, als würde die Zeit für ihn stehenbleiben. Natürlich, wenn die SS-N-27, oder auch Klub-K-Rakete der Colorado in Fahrtrichtung entgegen kam, reduzierte sich die Entfernung für den Schiffskiller, und die Geschwindigkeit erhöhte sich relativ gesehen. Und durch die Ablenkung der anderen fünf Sizzler war trotz der wachsamen Augen und der aktiven Computer die Chance groß gewesen, dass sich die sechste Rakete relativ unbemerkt anschleichen konnte. Was sie auch getan hatte. Verdammt! Und er hatte auch noch mehrfach gesagt, dass das Problem des sechsten Sizzlers nicht aus den Augen verloren werden durfte! Wer immer diese sechs Dinger gesteuert hatte - dass sie gesteuert wurden, daran bestand für Ibara kein Zweifel - war ein wenn auch nicht sehr phantasiereicher, so doch ein Könner auf seinem Gebiet. Und nun erhielt er einen Blattschuss auf einen Arleigh Burke, außer, es gelang den Schnellfeuergeschützen, auch diesen Brocken abzuschießen.
Übergangslos lief die Zeit für ihn wieder normal, als mehrere Explosionen bis zu ihnen in die CIC hallten. Das Schiff gierte ein wenig zur Seite.
"Schadensbericht!", blaffte er.
"Keine Schäden gemeldet, Skipper!", rief ihm Martin, sein XO, zu.
"Colorado von ForCap CVN-72, Lieutenant Senior Grade Elise Martell. Wir haben alles, was wir hatten, auf den Sizzler gerotzt, in der vagen Hoffnung, ihn zu treffen. Scheint funktioniert zu haben, aber haben Sie Schäden erlitten?"
Ibara griff zum nächsten Funkgerät. "Hier spricht Capitän Winslow Ibara. Danke für die Hilfe, Lieutenant Martell. Scheiß auf die Schäden. Ich habe hier genügend Ortungsfachleute, die sich mit Freude und mit Eimer und Pinsel um die Lackschäden kümmern werden. Ohne Ihre Hilfe hätte das mein Schiff den Bug gekostet. Danke sehr."
"Gern geschehen, Skipper. Sie haben die Drohne für uns weggehauen, wir haben Ihnen den Sizzler vom Bug gewischt. Ich denke, das war eine gute Arbeitsteilung."
Ibara lachte auf. "Ja, das war es. Erinnern Sie mich daran, dass ich Sie und Ihren Wingman für den Bronce Star vorschlage."
"Da haben wir nichts gegen, Captain. Wir bleiben noch ein wenig in der Gegend für den Fall, dass die Karuma weitere Eier spuckt. Zumindest, bis wir abgelöst werden oder unser Sprit ausgeht."
"Negativ, Lieutenant. Wir könnten Sie aber als zusätzliche Augen brauchen." Ibara atmete tief durch. "Suchen und finden Sie diesen verdammten Frachter für mich, und ich schicke ihn mit all seinen Sizzlern zu den Fischen!"
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