Belongo
von Ace Kaiser
Kurzbeschreibung
Eine nicht authentische und verfremdete Geschichte über eine Diamantenmine in Afrika. Recherche zu Technik und Ausrüstung sind von Stinkstiefel.
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.09.2011
23.02.2017
37
260.000
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12.09.2011
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Kapitän Harry Kemibwa war nervös. Er war der Kapitän der Karuma, eines halbstaatlichen Rollo-Containerschiffs mit einer stolzen Ladekapazität von eintausendfünfhundert Containern. Eigentlich wäre es für sein Schiff an der Zeit gewesen, für eine Maschinenkontrolle und Leckkontrolle in ein Trockendock zu gehen, am besten in Südafrika oder Südamerika, aber das Schicksal hatte es gewollt, dass er statt einer Ladung Ballast nun ein paar hochbrisante Frachtstücke aufnehmen musste: Raketen. Und zwar nicht irgendwelche Raketen, sondern kampfbereite Antischiffsraketen. Das Ganze war eine Art Deal zwischen seinem Clanschef und Präsidenten und diesem undurchsichtigen Mr. Red von Roxxon, der überall seine Nase reinzustecken pflegte. Die Raketen waren für Argentinien bestimmt und stammten aus russischer Fertigung. Eines dieser Babies kostete vermutlich mehr als seine gute alte Karuma mittlerweile noch wert war, aber versichert war der Transport nicht. Das wäre sicherlich auch etwas viel verlangt, denn hätten die Briten erfahren, was da aus den russischen Waffenschmieden zu den Argentiniern gelangen sollte, hätten sie wohl Zeter und Mordio geschrieen. Zu frisch waren noch die militärischen Erfahrungen aus dem letzten Falklandkrieg, und welche militärischen die letztendlich unterlegenen Argentinier mit den damals brandneuen Exocet-Raketen errungen hatten, denen als Erstes die HMS Sheffield zum Opfer gefallen war. Und dazu hatte der Gefechtskopf nicht mal zu detonieren brauchen. Der Großbrand, den der restliche Raketensprit ausgelöst hatte, hatte vollkommen gereicht, um dem Kriegsschiff den Todesstoß zu verpassen. Überhaupt hatten die Briten den Großteil ihrer Verluste den Exocet zu verdanken. Alleine der Gedanke, Argentinien würde nun über die wesentlich effektiveren, hochmodernen und garantiert explodierenden SS-N-27-Raketen verfügen, hätte jeden argentinischen Eroberungsversuch zum Abltraum für die Tommies gemacht. Nein, korrigierte sich der Kapitän selbst, "würde" jeden argentinischen Eroberungsversuch zum Albtraum für die Tommies machen. Denn er war dabei, die Container mit den vierzig Raketen über den Atlantik zu schaffen. Und das nach Möglichkeit, bevor die Trägerkampfgruppe der Amerikaner in effektive Reichweite kam.
Mr. Red stand neben ihm, während der erste Container verladen wurde. Sie hatten die Dockarbeiter von Banana Port beinahe mit Waffengewalt angetrieben, um sie zu besonderer Eile zu bringen.
"Seien Sie doch nicht so nervös, mein lieber Kapitän", sagte Mr. Red grinsend. "Spätestens gegen Mittag ist der letzte Container da oben, und dann dampfen Sie nach Norden ins Hoheitsgewässer des Kaiserreichs ab. Dort sind Sie unangreifbar für die US Navy. Und von dort machen Sie einen langen Schwenker die Küste hoch und fahren zu einem günstigen Zeitpunkt auf hoher See in internationale Gewässer. Die Abraham Lincoln wird sich für Sie nicht mehr interessieren, sobald Sie nicht mehr vor Ort sind. Und niemand weiß, dass die Raketen überhaupt hier sind."
"Die Küste hoch ist ein guter Plan. Aber was tue ich gegen die Küstenwache von Ganbo? Nicht, dass es nicht vollkommen egal ist, wenn sie den Amerikanern über den Fund der Sizzler Bericht erstatten, weil wir dann schon weit entfernt von der Heimat sind. Aber ich bin sicher, Sie wollen nicht auf Ihre Lieferung verzichten, Mr. Red."
Der Glatzkopf lächelte jovial. "Lassen Sie es mich so ausdrücken, mein lieber Kapitän: Mir ist es lieber, wenn neununddreißig, achtunddreißig oder auch nur dreißig Raketen in Argentinien ankommen als gar keine. Ich gebe Ihnen als Schutz vor kleineren Schiffen Männer mit Panzerfäusten mit, und für den Einsatz gegen größere Schiffe erlaube ich Ihnen, meine Sizzler abzufeuern. Aber nur eine pro Schiff. Und ich rede hier von Korvetten an aufwärts, nicht von Patrouillenbooten. Die kriegen Sie mit den Panzerfäusten geknackt." Er lächelte spitzbübisch. "Sie haben den Befehl über diese Waffen, aber einer meiner Männer wird Ihnen mit seinem Rat zur Seite stehen. Hören Sie auf ihn, denn ich will in der Tat nicht alle vierzig Raketen verlieren. Die Verluste, die sich hieraus ergeben, sind für mich exorbitant."
"Sie wären bereit, zehn Raketen einzusetzen, um die anderen dreißig rüberschaffen zu können?", fragte Kemibwa.
"Meinetwegen auch zwanzig. Aber die Hälfte muss ich rüberschaffen, sonst kann ich jedes zukünftige Geschäft in Südamerika für eine lange Zeit vergessen."
Er winkte mit einer freundlichen, aber leicht arroganten Geste nach einem Mann, der bei den Verladearbeiten zusah. Er war weiß. "Dies ist Leutnant Bukow. Er ist mit der Sizzler vertraut. Er befehligt auch das Abwehrteam mit den Panzerfäusten. Und er wird Sie unterstützen, Kapitän."
Der Mann, offensichtlich ein Russe, lächelte offenherzig und reichte dem schwarzen Upeti die Hand.
Kemibwa griff zu und stellte fest, dass der Mann einen festen, trockenen Händedruck hatte. "Freut mich, Sie an Bord zu haben, Leutnant. Zusammen werden wir die Babies schon nach Argentinien schippern."
"Vor allem sollten wir das schnell tun. Soweit ich weiß, ist die Abraham Lincoln seit gestern im Südatlantik. Und mit jeder Stunde kommt sie rund fünfzig Kilometer voran. Ich möchte weder in die Reichweite ihrer Flieger geraten, noch in die ihrer Begleitschiffe. Und was das Kaiserreich und Ganbo angeht, so werden wir ihnen sehr deutlich klarmachen, dass wir weder an Kontrollen, noch an Stopps Interesse haben."
Kemibwa nickte zufrieden. Der Russe war ein Mann, auf den er sich würde verlassen können, zumindest auf den ersten Blick. Er suchte nach Falschheit oder versteckten Blicken zwischen ihm und Mr. Red, aber da war nichts. Nur ein gewisses, unerschütterliches Vertrauen ineinander.
"Ich sehe, die Arbeit ist in guten Händen. Machen Sie zwei der Container fertig, Vladimir, nur für den Fall des Falles. Und beeilen Sie sich, Sie zwei. Ich will das Schiff aus dem Hafen haben, bevor der CIA hiervon Wind kriegt. Es dürfte für Sie nicht sehr lustig werden, von der Royal Navy gejagt zu werden."
Kemibwa nickte. "Dem stimme ich zu, Mr. Red. Danke für Ihr großzügiges Angebot. Ich hoffe, wir werden auf die Sizzler nicht zurückgreifen müssen."
"Das hoffe ich als Erster, glauben Sie mir das." Er legte den linken Arm um den größeren Schwarzen und zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft zu sich heran. "Aber ernsthaft, vollkommen ernsthaft jetzt, Kapitän! Die Fracht muss um jeden Preis, um wirklich jeden Preis nach Argentinien kommen! Schaffen Sie es, machen Sie schon mal Ihr Bankkonto klar für fünfzigtausend Greenbucks, okay?"
"Das ist... Großzügig", sagte Kemibwa.
"Ich hoffe, Sie erkennen daran, wie viel mir daran liegt, dass die Fracht ihren Zielhafen erreicht. Ach, und für den schlimmsten aller Fälle, Vladimir, ich habe ein Schnellboot aufgetrieben. Es wird neben dem Frachter vertäut. Wenn es wirklich mies laufen sollte, will ich wenigstens nicht meine Leute verlieren. Es ist genügend Platz auch für Ihre Leute, Kapitän Kemibwa." Der dicke Europäer atmete resignierend aus. "Ich hasse es, meine Leute und meine Verbündeten zu verlieren. Nutzen Sie den Notausgang, wenn es wirklich nicht mehr anders geht." Er nahm den Arm zurück, klopfte dem Größeren noch einmal gegen die Schulter, nickte dem Russen zu und ging.
"So habe ich ihn nicht eingeschätzt", gestand Kemibwa. "Ich habe ihn für einen knallharten Lobbyisten gehalten."
Bukow grinste schief. "Auch wenn ihm die ganze Welt egal ist, er vergisst nie jemanden, der ihm einen Dienst erwiesen hat. Niemals. Er achtet auf seine Leute und Freunde. Auch wenn er das größte Höllenfeuer auf jemanden niedergehen lässt, so trifft er doch niemals die, die für ihn arbeiten. Anscheinend hat er Sie ins Herz geschlossen, Kapitän."
"Ich bin nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll", gestand der Upeti. "Die Aufgabe erscheint mir jede Sekunde eine Nummer größer zu werden."
Bukow lachte. "Das liegt in der Natur der Sache. Kommen Sie, Towaritsch, wir werden das Kind schon schaukeln. Bisher sieht es gut dafür aus, vor dem Träger weg zu kommen."
"Er ist wirklich ganz anders", murmelte Kemibwa vor sich hin, während er den Leutnant zum Schiff zurückbegleitete.
Ein klein wenig abseits, vielleicht dreißig Meter entfernt, hatte ein Verladearbeiter an einem Motor gewerkelt, der nicht richtig hatte laufen wollen. Beziehungsweise hatte er das jedem erzählt, der sich dafür interessiert hatte. Dies hatte ihn in eine exzellente Position gebracht, um Red und den Kapitän der Karuma mit Hilfe eines kleinen Richtfunkmikrophons zu belauschen. Hier hieß er Léon und war ein Wanderarbeiter aus Burutu, der für einen Appel und ein Ei am Hafen schuftete - zum Glück verstand er was von Motoren - und bummelte sich so durch den Tag, bevor er abends für einen Drittel seines Tageslohns eine Dusche nahm und den Rest mit den anderen Arbeitern mit billigem Alkohol durchbrachte. Offiziell jedenfalls. Inoffiziell hieß er nämlich Jared Worker, und dank seiner schwarzafrikanischen Vorfahren war er gerade dazu prädestiniert, anstatt in seiner Heimatstadt St. Louis ein langweiliges Leben als Anwalt oder Polizist zu führen, für den CIA in Schwarzafrika eingesetzt zu werden. Ndongo war zwar nicht gerade die heißeste Adresse für einen Agenten, eigentlich, aber die Ansprüche waren gerade gestiegen. Der anonyme Tipp an die Botschaft, der ihn hergebracht hatte, war sein Gewicht in Gold wert gewesen. Vierzig Sizzler, wenn die jemals gegen die Trägerkampfgruppe oder gegen die Briten bei den Falklands zum Einsatz kamen, würde es ein schwarzer Tag für die Demokratie werden. Léon beschloss, dass der Motor wieder funktionierte. Er riss ihn zur Probe an und er schnurrte wie ein Kätzchen. Das brachte ihm ein Lob vom Schichtleiter ein, obwohl er Leute aus Burutu nicht besonders mochte. Aber er mochte ohnehin niemanden besonders, der nicht als Upeti geboren worden war. Anschließend erlaubte er Léon eine Verlängerung seiner Frühstückspause auf dreißig Minuten. Genug Zeit für Special Agent Jared Worker, seinen Führungsoffizier in der Botschaft zu verständigen. Er war sich sicher, dass er mit diesem Fund Aufmerksamkeit erregen würde. Viel Aufmerksamkeit. Und dass er eventuell nach dieser Mission in ein interessanteres Aufgabengebiet versetzt wurde. Eventuell. Man sollte nicht zu viel erwarten.
***
Die geheime Nachricht, die der Agent eine halbe Stunde später unauffällig weitergeben konnte, ging direkt an die US-Botschaft in Ompala und wurde dort sofort dem Führungsoffizier des Agenten weitergeleitet. Kulturattaché Alan Sanders war natürlich nicht nur für die Organisation gemeinsamer Volksfeste zuständig, oder die Förderung von Theatern und Kinos im Lande, aber sein Studium der Kunstgeschichte hatte ihn für diese Tarnrolle prädestiniert. Dass er nebenbei, quasi im Zweitberuf, zum CIA-Agenten ausgebildet worden war, stand auf einem anderen Blatt. Und das war gut weggeschlossen in Langley, Virginia. Ndongo war sein erster selbstständiger Auftrag, weil das Land als "einfach" angesehen wurde, solange es nicht um Belongo ging und er selbst war nun mal ein Anfänger als Führungsagent. Das hieß aber nicht, dass er dumm oder oberflächlich war.
Als er realisierte, was da gerade im Begriff war, noch vor dem Eintreffen des Trägerverbands nach Norden davongeschafft zu werden, zählte er eins und eins zusammen und ließ sich mit Priorität mit dem Hauptquartier in Langley verbinden.
"...ja, richtig gehört. Klub-K, die Version, die aus Containern abgeschossen werden. Vier pro Container. Auf dem Weg von Banana Port nach Buenos Aires... Ja, Mr. Vice Director, ich denke auch, dass die Waffen für einen weiteren Angriff auf die Falklands sind. Wir wissen, wie erfolgreich die Exocets damals waren, obwohl die meisten nicht mal explodiert sind. Ich wette, die Russen liefern nicht so fehlerhafte Ware wie die Franzmänner... Ja, Sir... Nein, Sir... Nein, kein Problem. Wir kriegen ein Platoon Marines von der Abe, und der Osprey bleibt auf dem Gelände, um das US-Personal rechtzeitig evakuieren zu können... Nein... Nein... Nein... Ja, das einheimische Personal wurde für die nächsten Tage beurlaubt... Ja, Mr. Vice Director, ich werde Ihre Empfehlung an den Botschafter weitergeben... Ja, Sir, halte ich steif. Beide Ohren... Südafrika klingt wirklich gut... Danke, Mr. Vice Director... Ja, alles vorbereitet, um die wichtigsten Dokumente zu vernichten, wenn nötig... Ja, danke, Sir... Danke."
Als er auflegte, war er sich sicher, einerseits dem Verbündeten Groß-Britannien einen Riesendienst erwiesen zu haben, und andererseits seiner eigenen Karriere. Ganz abgesehen von den vielen Leben, die gerettet wurden, wenn die Sizzler niemals eingesetzt würden.
Sanders raffte ein paar Unterlagen zusammen und eilte zum Büro des Botschafters, um ihm die Suggestion des CIA, den US-Bürgern im Land die Ausreise nahezulegen, zu unterbreiten. Alles schien auf Krieg hinzudeuten. Und er war mittendrin. Wie aufregend.
***
General Landsdale sah überrascht auf, als Vice Director Maloni direkt aus dem Hauptquartier des CIA beim Präsidenten per Videoleinwand durchklingelte. Zusammen mit dem Scretary of War van Fitz und Admiral Blueberry, dem Navy-CEO und Außenministerin Hernandez verfolgte er sprachlos den Bericht des Direktors.
Präsident Etranger klopfte sich nachdenklich ans Kinn. "Harry, informieren Sie die Briten darüber, was da über den Atlantik gekrochen kommen wird."
"Mit Verlaub, Sir, ich hatte gehofft, dass wir die Gelegenheit nutzen könnten, um die Babies in unseren Besitz zu bringen, um zu schauen, wie die Russen einige Probleme gelöst haben, die uns auch plagen. Und bedenken Sie, wie schön es wäre, wenn wir diese unauffällige, aber tödliche Waffe auch haben. Nicht vieles ist einfacher als einen Standard-Container irgendwohin zu schaffen."
Der Präsident sah zu Admiral Blueberry herüber. Der große alte Seebär schüttelte den Kopf. "Die Abe und ihre Begleitschiffe sind zu weit entfernt, um den Frachter einzuholen. Das Bordgeschwader schafft es ebenfalls nicht rechtzeitig, bevor der Frachter in den Gewässern des Kaiserreichs Belongo ist. Abgesehen davon haben wir alle Ospreys im Einsatz. Wie sollten wir das Schiff entern?"
"Dann bleibt es dabei. Informieren Sie die Briten, Harry."
"Es gibt da noch eine Möglichkeit", wandte Admiral Blueberry ein. "Sir, der Raketenträger Sitting Bull aus der Begleitflotte der Abraham Lincoln wurde bei Diego Garcia wegen Maschinenschadens zu Reparaturzwecken zurückgelassen. Wir haben deshalb den Arleigh Burke USS Colorado ausgeschickt, um die Abraham Lincoln schnellstmöglich zu kompensieren. Sie hat Befehl, auf den veränderten Kurs des Trägers zu reagieren, und wird deswegen den Winkel verschärft haben, was sie in relative Küstennähe bringt. Wir könnten ihr den Befehl geben, den Frachter zu stellen."
"Wo befindet sich die Colorado gerade?", fragte der Präsident.
Landsdale dachte kurz nach. "Zufällig weiß ich das. Sie dürfte gerade die internationalen Gewässer auf Höhe der Grenze zwischen den Staaten Liberté und der Knochenbeinküste passieren und mit Höchstfahrt in Richtung Ndongo laufen." Entschuldigend lächelte er Blueberry an. "Sorry, Jonas, aber ich habe mich vorhin mit allem beschäftigt, womit wir unsere Jungs und Mädchen da unten verstärken können und nach jedem Strohhalm gegriffen."
"Nicht so wild, Isaac. Hauptsache, jemand wusste die Antwort schnell." Der Admiral sah zum Präsidenten herüber. "Mr. President, der Frachter kann uns zwar trotzdem entkommen, aber den Versuch ist es wert. Ich werde der Colorado die neuen Befehle mitteilen, und dann..."
"Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin", sagte Maggie Hernandez plötzlich. "Die Kaiserlichen haben von uns zwei alte Short Hull-Perry-Fregatten gekauft, nachdem wir sie ausgemustert haben."
"Das Kaiserreich Ndongo?" Etranger hob eine Augenbraue. "Das macht uns zu Bekannten, aber nicht zu Freunden, Maggie. Sie werden wohl kaum auf unsere Bitte hin ein Frachtschiff einer anderen Nation überfallen."
"Das nicht, aber einen Waffenschmuggler stoppen und entern, das würden sie. Wenn wir den Kaiserlichen sagen, was die Karuma transportiert, werden sie ganz aus dem Häuschen sein, weil es ihnen außerdem die Gelegenheit gibt, der Republik eine Niederlage zuzufügen. Sie wissen doch selbst, Mr. President, dass sich beide Staaten nicht erst seit der Trennung nicht grün sind. Und Waffenschmuggel ist da ein gefundenes Fressen. Vor allem wenn das Schiff freiwillig in ihre Hoheitsgewässer einfährt. Und wenn das Schiff erst einmal gestoppt ist, gehen die Sizzler erstmal nirgendwo hin. Der Rest ist Verhandlungssache. Und für den Fall, dass es gelingt, kann die Colorado das Seegebiet aufsuchen und die Sizzler übernehmen. Ich kann sofort aufbrechen, rüberfliegen und Verhandlungen, diese Waffensysteme betreffend, aufnehmen."
Etranger sagte eine lange Zeit nichts dazu. "Isaac?"
"Die Briten würden es ungern sehen, wenn Argentinien vierzig Sizzler bekäme. Unabhängig davon, wie viele die Gauchos bereits von den Russen erhalten haben, Sir."
"Jonas?"
"Sir, selbst mit einer schlecht ausgebildeten Mannschaft sind die Perrys in der Lage, den Frachter zu stoppen und niederzukämpfen. Und solange sie wissen, dass Sizzler an Bord sind, können sie sich darauf einstellen, sie abzuwehren oder ihnen auszuweichen."
"Wenn man es ihnen sagt", murrte van Fitz.
"Das ist nicht mehr unsere Aufgabe. Aber so verantwortungsvoll werden die Kaiserlichen wohl selbst sein, alleine schon, weil die Perrys das Rückgrat ihrer Marine sind", sagte der Präsident. "Tun wir es so. Informieren wir das Kaiserreich Ndongo. Maggie, fliegen Sie sofort los."
"Ja, Mr. President."
"Hoffen wir, dass der Plan funktioniert und möge Gott unsere Soldaten da unten beschützen. Besser, als er es bis jetzt getan hat." Die Hände des Präsidenten, scheinbar achtlos auf den Schreibtisch gestützt, verkrampften sich merklich.
***
Hugh Shatterfield war Soldat, eingefleischter Berufssoldat. Zwar trug er mittlerweile einen Stern auf der Schulter, aber das bedeutete nicht, dass er keine Kampferfahrung hatte. Als Colonel war er am Sturm auf den Irak beteiligt gewesen, als Major war er am NATO-Angriff auf Serbien beteiligt gewesen, als Captain hatte er in der Befreiung Kuwaits gedient. Und als Lieutenant hatte er geholfen, die Karibik-Insel Grenada von ihrem Regime zu befreien. In all dieser Zeit war er Ranger gewesen. Und das war er immer noch. Ranger durch und durch. Die ersten, die reingingen, die letzten, die rauskamen. Wenn sie es denn schafften. Der Dienst war hart, die Verlustquoten trotz bester Ausbildung und ständig verbesserter Ausrüstung hoch. Was nicht daran lag, dass die Ranger verheizt wurden. Die Vielzahl der Missionen brachte einfach Todesfälle und Dienstunfähigkeiten mit sich. So auch bei ihm, der als frisch beförderter Colonel Bekanntschaft mit einer Mine gemacht hatte. Beinprothese, Schreibtischjob, aber von den Army Rangers hatte ihn das nicht trennen können. Er wurde dort eingesetzt, wo seine große Erfahrung noch immer von hohem Nutzen war. Und ehrlich gesagt war es auch Zeit gewesen. Ein normaler Mann konnte nur eine gewisse Anzahl von Toden verursachen und Schlachten sehen, bevor er drohte, die Zurechnungsfähigkeit zu verlieren. Dementsprechend war er froh darüber gewesen, in den Planungsstab der Division abkommandiert zu werden, als er seine eigene Grenze kommen gefühlt hatte. Deshalb hatte Mildred die Verletzung auch mehr als Segen denn als Unglück empfunden. Und auch wenn ihn das verlorene Bein noch jeden Morgen schmerzte, empfand er es als Glück im Unglück. Er hätte auch tot sein können. Oder kastriert. Oder beides. Und die Prothese hinderte ihn nicht daran, ab und an die Feuerwehr zu spielen. So wie in diesem Fall, in dem es darum ging zu klären, wie ein Army Ranger-Captain nach einem abgebrochenen Einsatz noch hatte zwanzig seiner Leute verlieren können. Er hasste sich selbst dafür, aber für den Zeitraum der Untersuchung musste er gegenüber seinem Ranger-Kameraden der Advocato Diabolis sein und spitzfindig jedes noch so kleine Anzeichen an Versagen aufdecken. Anders war es nicht möglich, sicherzustellen, dass der Mann das Kriegsgericht überstehen würde. Nun, er kannte Scott nicht persönlich, aber zumindest sein Ruf war ihm zu Ohren gekommen. Risikobereit, aber überaus erfolgreich. Einer der Gründe, warum er nach Belongo geschickt worden war. In ein Land, von Bürgerkriegen erschüttert, in dem man jemanden brauchte, der schnelle und folgerichtige Entscheidungen treffen konnte, zum Nutzen aller. Ausgenommen dem Feind, natürlich.
Dukakis kannte Scott persönlich und während der achtzehn Stunden Flug hatte er in jeder wachen Minute die vorliegenden Daten analysiert, um sich und Shatterfield erklären zu können, was da genau schiefgelaufen war. Der Ranger-Major war vollkommen übermüdet, denn er zählte Jason Scott zu seinen persönlichen Freunden und bemühte sich, jedem noch so kleinen Anzeichen für ein mögliches Versagen Scotts aufzuspüren, um sicherzugehen, dass er eben nicht versagt hatte. Er wirkte trotz der Müdigkeit sehr zufrieden.
"Alles in Ordnung, Constantine?", fragte der General seinen Begleiter.
"Alles in Ordnung. Wenn wir nicht noch 'nen echten Knaller vor Ort finden, sollte Jason auf der sicheren Seite sein. Also irgendwas, was der CID ihm ans Bein stricken kann."
"Ähemm", machte Captain Eureka Frost. Sie stammte aus der 6. MPG und würde die CID-Untersuchungen leiten. Ihr Verhältnis zu den beiden Ranger-Offizieren war gut und herzlich, vor allem, weil sie sich schon länger kannten. "Constantine, wie kommen Sie darauf, dass wir nach einem Haar in der Suppe suchen würden?"
"Weil das Ihr Job ist, Eureka", gab der Major zurück. Er grinste entwaffnend.
"Wir werden sehen, was passiert. Der einzige Punkt, den ich im Moment als wirklich gefährlich für Captain Scott ansehe, ist die Entscheidung zur Landung an sich. Zwar habt Ihr "sua sponte" als Schlachtruf, das entbindet euch aber nicht, zumindest mit einem Funken Intelligenz an die Sache ranzugehen." Sie seufzte. "Oh, mein Rücken bringt mich um. Sind wir nicht endlich da?"
Shatterfield überschaute den Passagierbereich der Air Force-Maschine, die ihn, seine Ranger-Offiziere, eine weitere Ranger-Kompanie und das CID-Team samt Ausrüstung beförderte. "Wir haben vor zwei Stunden Anjulas Küste erreicht. Mittlerweile müssten wir über dem panadianischen Luftraum sein. Es kann nicht länger als eine halbe Stunde dauern."
"Gelobt sei die in Ihrem Kopf eingebaute automatische Karte, Sir", ächzte sie und versuchte, sich bequemer hinzusetzen. "Zurück fliegen wir aber Linie, ja?"
Shatterfield wollte darauf etwas erwidern, aber der Pilot kam ihm mit der Sprechanlage zuvor. "General Shatterfield, kommen Sie bitte ins Cockpit. Sie müssen eine Entscheidung treffen."
"Hm?" Er erhob sich und versuchte sich an einem sicheren Stand. Tatsächlich, nachdem er so lange gesessen hatte und nachdem er nicht wirklich viel herumgegangen war, um die Beine aufzulockern, fiel es ihm reichlich schwer zu gehen. Trotz des enervierenden Protestes seines Stolzes als Army Ranger griff er nach dem Spazierstock, den er so selten wie möglich benutzte, um seine momentane Schwäche auszugleichen.
"Soll ich Sie begleiten, Sir?", bot Dukakis an.
"Ja, kommen Sie ruhig mit. Sie auch, Eureka. Und nein, das habe ich nicht als Hilfe für mich gedacht, Constantine."
"Verstanden, Sir. Verzeihung, Sir", erwiderte der Mann aus Maine betroffen.
"Da gibt es nichts zu verzeihen, Constantine. Ist vielleicht ganz gut so, wenn Sie schauen, dass ich nicht doch auf dem Weg zum Cockpit zusammenbreche", sagte er scherzhaft. Er streckte den Rücken durch. "Autsch. Ja, wir nehmen definitiv den Linienflug zurück, Eureka."
Die CID-Offizierin lachte. "Sehr schön, Sir."
Als sie das Cockpit erreichten, sahen Pilot, Co-Pilot und Funker erwartungsvoll zu ihnen herüber. Der Jet flog gerade eine Schleife. Wahrscheinlich über Honiton City. "Was gibt es, Captain Bremer?"
"Sir, wir haben Landeerlaubnis, aber wir wurden gerade darüber informiert, dass einer der Ospreys der Navy beim Anflug auf Keounda City mit Panzerfäusten beschossen wurde und auf dem Ostufer des Lagabandas abgestürzt ist. Daraufhin wurde die ganze Landeoperation der Marines am Ostufer abgewickelt und die Ranger stürmen jetzt über die Brücken den Osten der Stadt."
"Eieieieieiei", machte Dukakis. "Jason macht eben keine halben Sachen."
"Und was soll ich dabei entscheiden, Captain Bremer?"
"Nun, die Belongo Mining Company hat eine provisorische Startbahn gebaut, die gerade so für unsere Maschine reichen könnte. Allerdings hat Professor Herryhaus angeboten, Sie und die CID-Leute sofort rüberzufliegen. Oder Sie können warten, bis die Kämpfe abgeflaut sind."
"Ihre Entscheidung, Sir", sagte Frost.
"Nun, wenn den Marines ein Osprey unterm Hintern weggeschossen wurde, haben wir ein Problem. Wie soll ich meine Ranger rüberschaffen? Vertrauen wir der deutschen Wertarbeit und nehmen wir die Dschungelpiste. Wenn Sie es sich zutrauen, Captain Bremer."
Der Pilot nickte. "Ich lande dieses Baby notfalls auf einer Briefmarke, Sir. Eric, gib's weiter."
Der Mann am Funk nickte. "Honiton Tower, Ranger Flight 9-38 wir stornieren die Bitte um Landererlaubnis und fliegen direkt nach Belongo."
"Ranger Flight 9-38, die Landebahn ist für Sie frei, falls Sie es sich nicht noch anders überlegen wollen. In Belongos Himmel wird scharf geschossen. Ich wiederhole, die Landebahn ist für Sie frei."
"Danke, Honiton Tower. Wir wissen das Angebot zu schätzen. Aber Ihre Piloten werden auf uns aufpassen, schätze ich."
"Sicher. Honiton Tower wünscht viel Glück und Over und Out."
"Danke, Honiton Tower. Over und Out.
General, Sir, Ma'am, bitte gehen Sie wieder auf Ihre Plätze und schnallen sich wieder an", bat der Pilot.
Währenddessen wechselte der Funker die Frequenz. "Belongo Mining, Ranger Flight 9-38. Informieren Sie Professor Herryhaus darüber, dass wir direkt zur Mine fliegen und..."
Den Rest hörten sie schon nicht mehr, als die Cockpittür zuglitt.
"Also los", seufzte Shatterfield. "Stürzen wir uns ins Abenteuer. Sehr schön. Mir drohte schon langweilig zu werden." Wer hätte denn auch ahnen können, dass die hochgelobten US Marines einer russischen Panzerfaust zum Opfer fallen würden? Nun hatten sie zwei Fälle, die untersucht werden mussten. Doch hoffentlich hielten sich die Opfer diesmal in Grenzen.
"Gentlemen!", sagte er zu den Frauen und Männern im Rumpf des Flugzeugs. "Die Marines haben Mist gebaut. Einer ihrer Ospreys wurde abgeschossen und steht voraussichtlich nicht zur Verfügung, um uns nach Keounda City zu fliegen. Stattdessen werden wir der Dschungelpiste vertrauen, um uns und unser Material schnellstmöglich in die Nähe der Stadt zu kriegen. Von dort können die Krauts uns helfen, unser Zeug rüberzuschaffen. Die Panadianer werden unseren Flug decken. Also machen Sie sich bereit. Wir sehen schon sehr bald Action."
Die Worte des Generals wurden mit Begeisterung aufgenommen. Auch wenn niemand den Krieg wirklich liebte - gewinnen war doch eine ganz andere Sache.
***
"Raus! Raus! Raus!", blaffte Major Michael seine Männer an. Er hatte beide Osprey vor die notgelandete Maschine dirigiert, um den Soldaten Deckung zu geben. Seine Männer würden den ersten Schlag abfangen, zusammen mit den Krauts und ihren Kampfhubschraubern. Die Maschinen feuerten bereits. Ihre Ziele befanden sich in den Häuserruinen vor ihnen.
Als Michael selbst aus dem Osprey sprang, hätte er sich beinahe verletzt. Das war kein weicher Erdboden, sondern harter Asphalt, der von Graspflanzen überwuchert worden war. Ein hastiger Blick umher informierte ihn, dass einige der Hügel und höheren Pflanzen Mauerreste waren. Sie befanden sich bereits mitten in der Stadt. Im zerstörten Teil der Stadt.
"Wir sind mitten in Ruinen!", blaffte er über Funk. "Die Hügel sind halb verrottete Mauern! Sucht dahinter Deckung, wenn Ihr sie in der Nähe habt! Feuer frei nach eigenem Ermessen!"
Zuerst würden sie den Angriff, den die Speere des Riki in aller Hast gegen sie auszuführen gedachten, abprallen lassen. Anschließend würden sie das Gelände bis zur Stadtgrenze weiträumig sichern. Und, wenn der Schlag der Ranger über die Brücken erfolgreich war, den Feind aus der Stadt drängen.
"Lincoln Flight 1, hier Belongo Mining 1. Können Sie mich hören?"
"Laut und deutlich, Belongo Mining 1. Aber es gibt einen neuen Kontakt auf dem Schlachtfeld: Marines 1."
"Marines 1 hier. Freut mich, Sie zu hören, Belongo Mining 1, Ranger 1."
"Ebenso, Marines 1."
"Gleichfalls, Marines 1."
"Marines 1, Belongo noch mal. Gehen Sie, wenn Sie vorgehen, auf Nummer sicher. Geben Sie jedem Toten noch mal eine Extrakugel in den Kopf, wenn Sie keine Verletzungen oder Tote riskieren wollen."
Michael runzelte die Stirn. Hinter ihm war nun auch der abgestürzte Osprey gesichert, und die unverletzten Marines zogen vom Fluss einen losen Sperrring, der über Süden und Osten bis zur Front reichte. "Erklären Sie das, Belongo 1."
"Viele der Kämpfer des Rikis sind auf einer Droge. Sie spüren keine Schmerzen und gehen weit über die Grenzen dessen, was ein Mensch leisten können sollte, Marines 1. Sie können sie relativ leicht identifizieren, weil sie höherklassige menschliche Körperteile um den Hals tragen, aber verlassen würde ich mich nicht darauf."
"Sie tragen Körperteile um den Hals?", erwiderte der Major entgeistert.
"So hatte ich das weitergemeldet, Marines 1", gab Scott trocken zur Kenntnis. "Achten Sie auf die mit getrocknetem Penis. Je mehr sie davon haben, desto höher stehen sie in der Hierarchie. Und desto durchgeknallter sind sie auch. Achten Sie aber auch auf die, die nicht mehr kämpfen wollen. Wir vermuten, dass seit Beginn der Kämpfe schon etliche Männer versucht haben zu desertieren. Sollten Ihnen waffenlose Männer begegnen, zum Beispiel in der Kanalisation, können Sie sie relativ gefahrlos gefangennehmen."
"Nun mal ganz langsam. Ich denke, jeder Tote soll eine Kugel in den Kopf kriegen?"
"Ich weiß, es ist schwierig. Gehen Sie einfach kein Risiko ein. Aber denken Sie später beim Aufräumen dran, Marines 1."
"Ein toller Rat, Ranger 1." Michael sah zu seinen Offizieren herüber. "Haben das alle mitgekriegt? Jeder Irre, der mit Körperteilen behängt ist und uns töten will, kriegt eine verdammte Kugel in den Kopf, damit er uns nicht den Zombie gibt."
"Ja, Sir!"
"Verstanden, Sir."
"Kugel in den Kopf für Gegner mit umgehängten Körperteilen. Wo sind wir hier? Belongo, oder Frankensteins Labor?"
"Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, Lieutenant Harris. Also, macht euch fertig. Wenn sie es ernst meinen, dann werden die Hubschrauber sie auch nicht mehr lange aufhalten. Sobald wir den Angriff abgewehrt haben, rücken wir vor. Zwei Firesquads decken dabei den Landeplatz, falls wir umgangen werden. So einen Scheiß wie mit der RGP will ich nicht noch mal erleben!"
"Ja, Sir!"
"Semper fi, Marines!"
"Semper fi, Sir!"
Und dann kamen sie tatsächlich. Die "Irren" waren relativ leicht zu identifizieren. Viele von ihnen hatten kleinere oder größere Verletzungen vom Beschuss durch die Hubschrauber, aber sie liefen einfach weiter. Zombie war gar keine so schlechte Umschreibung gewesen, fand Michael.
Die ersten Marines eröffneten das Feuer auf zweihundert Meter Distanz. Ungezieltes Feindfeuer kam zurück, versuchte kaum, die hinter dem hohen Gras versteckten Marines zu treffen. Sie schafften einfach nur Masse. Relativ erfolgreich, fand der Major, als eine Kugel seinen Körperschutz mit der Kraft eines Boxhiebs von Mike Tyson traf. "Ufff!" Automatisch ging er in die Hocke und dort würde er auch vorerst bleiben.
"Sind in der Stadt und rücken vor, Marines 1. Wie vielen Gegnern stehen Sie gegenüber?"
"Schätzungsweise zweihundert, Ranger 1. Falls wir nicht gerade weitläufig von einer großen Feindeinheit umgangen werden, sollten wir damit fertig werden."
"Gut." Eine Explosion klang zu ihnen herüber. Grimmig kommentierte der Captain der Ranger: "Das war ihr zweiter T-54. Falls sie nicht noch mehr von den Babies in der Hinterhand haben, sollten wir es jetzt nur noch mit Bodenfäusten, Handgranaten und AK47 zu tun haben."
"Schreien Sie nicht Sieg, bevor die Schlacht richtig losgeht, Ranger 1", kommentierte Michael belustigt. Zumindest fand er es solange lustig, bis er einen mittelgroßen Schwarzen, der bereits aus mehreren Schusswunden blutete, direkt auf sich zulaufen sah. Kugeln gingen durch seinen Leib, Blut spritzte in Fontänen hervor, aber sein Gesicht war verzerrt von Hass und dem Drang zu töten. Statt einer AK47 schwang er eine große Machete und stürzte sich auf den Major. Der ließ sich nach hinten fallen, zog die Dienstpistole und hebelte den Mann mit einem Judogriff über sich hinweg. Verdammt, wie hatte das passieren können? Wie hatte der Typ überhaupt mit solchen Wunden so weit kommen können?
Der andere sprang wieder auf, die Machete schwingend. Mit einem tiefen Knurren, das so gar nicht zu einem Menschen passen wollte, ging er erneut zum Angriff über. Zumindest, bis ihm eine Kugel direkt durch den Schädel ging. Sie trat links ein und rechts wieder aus. Dabei nahm sie erhebliche Mengen an Knochen, Haut, Haaren und Gehirnmasse mit.
Der Mann sah ihn verständnislos an, bevor er nach vorne sackte und zusammenbrach. Auf seiner Brust hatten Finger, Ohren und ein Penis gebaumelt. Und seine Nase war weiß verstaubt. Der Mann musste bis zum Anschlag voll auf der Droge gewesen sein, die der Riki seinen Kriegern verabreichte.
Sein rettender Engel trat direkt neben ihn, die Waffe noch immer auf den Toten gerichtet, der hoffentlich auch tot blieb. "Haltet euch nicht lange damit auf, in die Beine oder in den Torso zu schießen!", blaffte er über das Schlachtfeld. "Schießt ihnen gleich in den Kopf!"
"Jawohl, Gunny!"
Der Gunnery Sergeant reichte Michael eine Hand zum Aufstehen. "Von denen gibt es noch mehr, Sir. Der Rat von Captain Scott war goldrichtig."
"Danke, Gunny. Wir gehen kein Risiko ein, Marines!" Er überblickte das Schlachtfeld. Tatsächlich liefen auch an anderen Stellen der Graswiese Verrückte wie Zombies auf ihre Gegner zu, egal wie viele Kugeln sie trafen. Erst wenn sich jemand dazu entschloss, ihnen den Schädel wegzupusten, war die Gefahr gebannt. Einer der Toten detonierte. Handgranaten. Auch das noch. "Absolut kein Risiko", zischte Michael. Es gab mal eine Zeit, da hatte er StarCraft gespielt. Und diese Typen kamen ihm so vor wie von den Zerg verseuchte Terraner, die sich bereitwillig in lebende Bomben verwandeln ließen, um sich und die Feinde der Zergs in die Luft zu jagen. Verdammt, wer hätte gedacht, dass ihm diese Erfahrungen mal nützen würden? Und es erinnerte ihn daran, dass er mal wieder online zocken musste.
"Langsam vor, Marines!", befahl er, als der Strom an Verrückten auffällig nachließ.
"Ja, Sir!" Der Gegenschlag begann.
***
"Das geht viel zu leicht!", blaffte Axel ärgerlich. Der östliche Teil von Keounda City war locker zwei Drittel größer als der Westteil der Stadt, und damit war er ein wesentlich größerer unüberschaubarerer Dschungel aus Beton und Stein als die Weststadt, und dennoch schnitten die Ranger und ihre deutschen Verbündeten hier durch die Butter. Tatsächlich hatten sie den zweiten feindlichen Panzer schon in den ersten zwei Minuten mit einer Javelin ausschalten können, bevor die Panzerbesatzung überhaupt gemerkt hatte, dass sie entdeckt worden waren.
Sie gingen erneut vor wie im Westen. Sie teilten sich auf die Straßen auf, besetzten die Kreuzungen und durchsuchten derweil die Häuser. Danach rückten sie zur nächsten Straßensperrung vor. Nur diesmal fehlten ihnen ein Großteil der Speere und knapp die Hälfte der Ranger.
"Haben Sie was gegen leicht, Axel?", fragte Morelli grinsend.
"Nein, aber ich finde es verdächtig! Der Osten ist viel größer! Warum stellen sie uns keine Falle?"
"Vielleicht tun sie das ja, nur weiter drin in der Stadt. Wohin wir aber nicht gehen werden. Wir rücken nur soweit vor, bis wir mit den Marines eine Linie bilden können und befestigen unsere Stellungen."
Ein Großteil des 1. Platoons unter Scott persönlich versuchte gerade, mit den Marines Sichtkontakt aufzunehmen. Die Aufgabe der restlichen Speere, Deutschen und Ranger war es, die vorgeschobenen Stellungen zu halten. Dann kam es darauf an, ob sie die Gelegenheit bekamen, weiter vorzudringen und den Riki damit aus der Stadt zu drücken, oder ob sie mit Hilfe der Hubschrauber nur ihre Positionen hielten, bis der Osprey auf die richtige Flussseite fliegen konnte. Oder bis sie den Schwenkflügler aufgegeben und gesprengt hatten. So oder so, für den Interländerverkehr standen den Amerikanern nun wesentlich weniger Optionen zur Verfügung und die Idee, das Untersuchungsteam und die sie begleitende Kompanie Ranger mit Hilfe der Ospreys nach Belongo zu schaffen, hatte einen erheblichen Dämpfer erlitten. Entweder würden ihre eigenen Hubschrauber und im besonderen ihre drei Transporter Überstunden einschieben, oder man konnte es den Rangers schmackhaft machen, auf der Piste an der Mine zu landen, obwohl Axel im Moment nicht einen Dollar drauf gewettet hätte, dass das Flugzeug, das dort landete, auch wieder würde starten können.
Es gab nur eine Konstante für sie alle. Die Speere des Riki hatten nicht damit gerechnet, dass sie einen Amerikaner würden abschießen können. Nun gut, damit vielleicht, aber nicht, dass er ihnen direkt vor die Füße fallen würde. Und sie hatten gewiss nicht damit gerechnet, dass die anderen Marines bei ihren Kameraden landen würden, um sie zu verteidigen. Und erst Recht hatten sie nicht damit gerechnet, dass die Ranger die Gelegenheit nutzen würden, um über den Fluss zu kommen. Zumindest die Besatzung des zweiten T-54 hat das nicht getan. Und während augenscheinlich jeder Speer des Riki, der noch laufen konnte, nach Süden unterwegs war, schoben sie sich gedeckt von den Hubschraubern langsam nach Osten. Mörserexplosionen drangen an sein Ohr und verrieten ihm, dass die Marines zumindest noch lebten. Axel spürte verhaltenen Optimismus. Dafür, dass die Sache so scheiße begonnen hatte, durfte er sich eigentlich nicht beklagen. Zumindest hier am Boden würden sie einen Teil der Oststadt halten können. Wenn sie jetzt noch den Riki zu fassen bekämen, dann wäre der ganze Spuk um das Böse in Keounda City bald eine Geschichte der Vergangenheit.
***
Einhundert Kilometer westlich begann bereits ein anderes Land. Es war nicht sehr groß, für afrikanische Verhältnisse zumindest, aber es war ein eigenes Land. Bekannt geworden war es als Ausgangspunkt für einen blutigen Genozid am Bergvolk der Batis, ausgeführt von den ländlich lebenden Erzfeinden, den Tukus. Eigentlich hatten die Kolonialherren vor ihrem Abzug bestimmt, dass die Batis das kleine Land bewohnen sollte, das Randora genannt wurde, und die Tuku sollten alle nach Norden in ein weiteres kleines Land ziehen, Bindiru genannt. Dabei hatten die Kolonialmächte wieder einmal selbstherrlich über etwas entschieden, was sie nicht verstanden hatten, und dies hatte zur Folge, dass die Tuku, alten Wurzen folgend, eben doch in Randora blieben, obwohl es in Bindiru wesentlich mehr Tuku als Bati gab. Aber es blieben nicht nur die verwurzelten Tuku zurück, sondern auch uralte Rivalitäten und Ressentiments, die sich irgendwann in einem Massenmord entluden. Zwei Millionen Tuku, Männer, Frauen, Kinder, waren abgeschlachtet und in Massengräbern verscharrt worden. Und dabei hatten die Führer der Bati versucht, so viele ihrer Stammesangehörigen wie möglich zu involvieren. "Wenn wir alle Mörder sind, schweißt uns das zusammen", hatten sie gesagt. Am Ende hatten sie es nicht geschafft, die Tuku auszulöschen oder auch nur zu vertreiben. Allerdings hatten sie es geschafft, die Zahl der Waffen auf beiden Seiten erheblich zu erhöhen. Die Zahl der Waffen... Und die Zahl der Söldner. Aber Söldner waren teuer. Und so kam der Regierung Randoras Mr. Red gerade Recht, als er sie um eine militärische Intervention in Belongo bat. Denn wenn es etwas gab, was Bati und Tuku hassten, dann waren es Lulugengos oder Wagondas. Das Geld von Mr. Red war großzügig bemessen, sodass sich die Regierung von Randoras dazu entschied, einem knappen gemischten Bataillon ihrer Sölder, einer Einheit, bestehend aus Infanterie, Panzerwagen und Kettenpanzern, das normalerweise ihr Rückgrat für den leidigen Kampf mit den Tukus war, die Erlaubnis zu geben, sich für harte Dollars anwerben zu lassen. Hätte Ndongo an dieser Grenze Kontrollen oder zumindest eine rudimentäre Überwachung, hätte man mitbekommen, wie etwa zwanzig Lastwagen, acht T-54-Panzer und achtzehn Ratel 20 die Grenze überquerten, bereit zum Sprung zur nicht allzu fernen ehemaligen Distrikthauptstadt Keounda City im Süden. Die Sache hatte nur einen Haken: Da der Einsatz als sehr dringend bezeichnet worden war, würde die Truppe keinen Zwischenstopp einlegen können, um ein wenig zu plündern und zu morden.
***
"Ach du dickes Ei", murmelte Captain William Jackson, Codename Mincemeat, als er über dreißig Blips auf seinem Radar hatte. "Was kommt uns denn da entgegen?"
"Mincemeat von Sonny. Soll ich per Nachbrenner rüber und nachschauen?"
"Wollen Sie Selbstmord begehen? Schön hierbleiben, Lieutenant. Man fliegt nicht mit einer einzelnen Maschine gegen dreißig potentiell feindliche Einheiten. Nicht einmal wenn auf der anderen Seite nur Doppeldecker unterwegs sind." Er wechselte den Kanal. "Homebase von Mincemeat. Melde multiple Kontakte, in etwa dreißig, vierhundert Kilometer nördlich von Keounda City. Ihr Kurs lässt vermuten, dass sie aus dem Süd-Sinan kommen."
"Hier Homebase. Haben die unbekannten Einheiten Kurs auf Sie, Mincemeat?"
"Nein, Homebase. Sie passieren uns schräg in südlicher Richtung. Dabei überfliegen sie den 17. Bezirk, Kamala."
"Mincemeat, wir starten eine weitere Staffel. Beobachten Sie den unbekannten Verband, greifen Sie aber nicht an. Achten Sie auf Kurswechsel und versuchen Sie, ein paar gute Ortungen und Fotos zu bekommen. Werden Sie angegriffen, ziehen Sie sich nach Süden zurück, bis unsere Flieger aufschließen können."
"Verstanden, Homebase. Verdammt."
Mincemeat konnte es zu dem Zeitpunkt nicht wissen, aber was da auf seinem Radar aufgetaucht war und in einer relativ gemütlichen Höhe von achttausend Metern dahinflog, waren die Black Stars auf dem Weg in die Küstenbezirke Ndongos.
"Mincemeat, die Amerikaner unterstützen uns. Sie schicken uns von der Niemitz zehn Maschinen, um das Flugverbot durchzusetzen. Rechnen Sie in zwei Stunden mit ihrer Ankunft.
"Gut zu hören, Homebase."
"Ach, und noch etwas. Das Untersuchungskommitee der Amerikaner ist mit seinem Transportflugzeug auf dem Weg zu Ihnen. Stellen Sie eine Eskorte ab. Sie fliegen zur Belongo Mining raus. Sollten sich die unbekannten Kontakte plötzlich für sie interessieren, brechen Sie den Flug zur Mine ab und eskortieren Sie sie wieder in unsere Lufthoheit."
"Mincemeat hier, habe verstanden." Verdammt. Die Geschichte war gerade einen Tuck komplizierter geworden. Was würden die Amerikaner dazu sagen?
***
Die Abraham Lincoln drehte gegen den Wind. Kaum, dass die Nachricht von dreißig unbekannten fliegenden Kontakten eingetroffen worden war, hatte Philips eine Entscheidung getroffen. Diese bestand darin, nicht nur die Patrouille zu verstärken, sondern auch die Verbündeten über Belongo zu verstärken. Und zu allem Überfluss würden sie, wenn sie Pech hatten, auch noch Frachter jagen müssen, die russische Anti-Schiffsraketen geladen hatten.
Unten auf dem Hangardeck versammelten sich die ausgesuchten Piloten der F/A-18F Superhornet, die aufsteigen würden, um die Patrouillen über Belongo zu verstärken. Sie warteten darauf, aus den Eingeweiden des Schiffs gefahren zu werden. Aber zuerst holte die Air Crew die zwei E-2C Hawkeyes Langstreckenbeobachter hoch, die den Kordon des Trägers verstärken und nebenbei nach dem gesuchten Frachter Ausschau halten würden, nur für den Fall, dass er in ihre Richtung fahren sollte. Und vor allem, um die dreißig unbekannten Kontakte im Auge zu behalten, die von Panadia gemeldet worden waren.
"Und es fing so klein an", murmelte Admiral Philips. Unter ihm wurde der erste Hawkeye aufs Katapult gespannt. Kurz ging sein Blick zum Air Boss des Flights, die die Arbeit ihrer Leute kritisch beäugte. Von dort wanderte sein Blick zum Kapitänin der Abraham Lincoln, die sich permanent mit aktuellen Ortungsdaten füttern ließ. Schließlich kam er bei seiner Stabschefin an.
Die Konteradmirälin nickte ihm beruhigend zu. Dies waren alles Profis bei der Arbeit. Die Besten derer, welche die Navy aufbieten konnte. Wieso hatte er aber das Gefühl, es könnte vielleicht nicht reichen, für dieses Mal? Der Admiral schob den pessimistischen Gedanken beiseite und ging wieder in die CIC, um selbst einen Blick auf den Radarschirm zu werfen.
Mr. Red stand neben ihm, während der erste Container verladen wurde. Sie hatten die Dockarbeiter von Banana Port beinahe mit Waffengewalt angetrieben, um sie zu besonderer Eile zu bringen.
"Seien Sie doch nicht so nervös, mein lieber Kapitän", sagte Mr. Red grinsend. "Spätestens gegen Mittag ist der letzte Container da oben, und dann dampfen Sie nach Norden ins Hoheitsgewässer des Kaiserreichs ab. Dort sind Sie unangreifbar für die US Navy. Und von dort machen Sie einen langen Schwenker die Küste hoch und fahren zu einem günstigen Zeitpunkt auf hoher See in internationale Gewässer. Die Abraham Lincoln wird sich für Sie nicht mehr interessieren, sobald Sie nicht mehr vor Ort sind. Und niemand weiß, dass die Raketen überhaupt hier sind."
"Die Küste hoch ist ein guter Plan. Aber was tue ich gegen die Küstenwache von Ganbo? Nicht, dass es nicht vollkommen egal ist, wenn sie den Amerikanern über den Fund der Sizzler Bericht erstatten, weil wir dann schon weit entfernt von der Heimat sind. Aber ich bin sicher, Sie wollen nicht auf Ihre Lieferung verzichten, Mr. Red."
Der Glatzkopf lächelte jovial. "Lassen Sie es mich so ausdrücken, mein lieber Kapitän: Mir ist es lieber, wenn neununddreißig, achtunddreißig oder auch nur dreißig Raketen in Argentinien ankommen als gar keine. Ich gebe Ihnen als Schutz vor kleineren Schiffen Männer mit Panzerfäusten mit, und für den Einsatz gegen größere Schiffe erlaube ich Ihnen, meine Sizzler abzufeuern. Aber nur eine pro Schiff. Und ich rede hier von Korvetten an aufwärts, nicht von Patrouillenbooten. Die kriegen Sie mit den Panzerfäusten geknackt." Er lächelte spitzbübisch. "Sie haben den Befehl über diese Waffen, aber einer meiner Männer wird Ihnen mit seinem Rat zur Seite stehen. Hören Sie auf ihn, denn ich will in der Tat nicht alle vierzig Raketen verlieren. Die Verluste, die sich hieraus ergeben, sind für mich exorbitant."
"Sie wären bereit, zehn Raketen einzusetzen, um die anderen dreißig rüberschaffen zu können?", fragte Kemibwa.
"Meinetwegen auch zwanzig. Aber die Hälfte muss ich rüberschaffen, sonst kann ich jedes zukünftige Geschäft in Südamerika für eine lange Zeit vergessen."
Er winkte mit einer freundlichen, aber leicht arroganten Geste nach einem Mann, der bei den Verladearbeiten zusah. Er war weiß. "Dies ist Leutnant Bukow. Er ist mit der Sizzler vertraut. Er befehligt auch das Abwehrteam mit den Panzerfäusten. Und er wird Sie unterstützen, Kapitän."
Der Mann, offensichtlich ein Russe, lächelte offenherzig und reichte dem schwarzen Upeti die Hand.
Kemibwa griff zu und stellte fest, dass der Mann einen festen, trockenen Händedruck hatte. "Freut mich, Sie an Bord zu haben, Leutnant. Zusammen werden wir die Babies schon nach Argentinien schippern."
"Vor allem sollten wir das schnell tun. Soweit ich weiß, ist die Abraham Lincoln seit gestern im Südatlantik. Und mit jeder Stunde kommt sie rund fünfzig Kilometer voran. Ich möchte weder in die Reichweite ihrer Flieger geraten, noch in die ihrer Begleitschiffe. Und was das Kaiserreich und Ganbo angeht, so werden wir ihnen sehr deutlich klarmachen, dass wir weder an Kontrollen, noch an Stopps Interesse haben."
Kemibwa nickte zufrieden. Der Russe war ein Mann, auf den er sich würde verlassen können, zumindest auf den ersten Blick. Er suchte nach Falschheit oder versteckten Blicken zwischen ihm und Mr. Red, aber da war nichts. Nur ein gewisses, unerschütterliches Vertrauen ineinander.
"Ich sehe, die Arbeit ist in guten Händen. Machen Sie zwei der Container fertig, Vladimir, nur für den Fall des Falles. Und beeilen Sie sich, Sie zwei. Ich will das Schiff aus dem Hafen haben, bevor der CIA hiervon Wind kriegt. Es dürfte für Sie nicht sehr lustig werden, von der Royal Navy gejagt zu werden."
Kemibwa nickte. "Dem stimme ich zu, Mr. Red. Danke für Ihr großzügiges Angebot. Ich hoffe, wir werden auf die Sizzler nicht zurückgreifen müssen."
"Das hoffe ich als Erster, glauben Sie mir das." Er legte den linken Arm um den größeren Schwarzen und zog ihn mit unwiderstehlicher Kraft zu sich heran. "Aber ernsthaft, vollkommen ernsthaft jetzt, Kapitän! Die Fracht muss um jeden Preis, um wirklich jeden Preis nach Argentinien kommen! Schaffen Sie es, machen Sie schon mal Ihr Bankkonto klar für fünfzigtausend Greenbucks, okay?"
"Das ist... Großzügig", sagte Kemibwa.
"Ich hoffe, Sie erkennen daran, wie viel mir daran liegt, dass die Fracht ihren Zielhafen erreicht. Ach, und für den schlimmsten aller Fälle, Vladimir, ich habe ein Schnellboot aufgetrieben. Es wird neben dem Frachter vertäut. Wenn es wirklich mies laufen sollte, will ich wenigstens nicht meine Leute verlieren. Es ist genügend Platz auch für Ihre Leute, Kapitän Kemibwa." Der dicke Europäer atmete resignierend aus. "Ich hasse es, meine Leute und meine Verbündeten zu verlieren. Nutzen Sie den Notausgang, wenn es wirklich nicht mehr anders geht." Er nahm den Arm zurück, klopfte dem Größeren noch einmal gegen die Schulter, nickte dem Russen zu und ging.
"So habe ich ihn nicht eingeschätzt", gestand Kemibwa. "Ich habe ihn für einen knallharten Lobbyisten gehalten."
Bukow grinste schief. "Auch wenn ihm die ganze Welt egal ist, er vergisst nie jemanden, der ihm einen Dienst erwiesen hat. Niemals. Er achtet auf seine Leute und Freunde. Auch wenn er das größte Höllenfeuer auf jemanden niedergehen lässt, so trifft er doch niemals die, die für ihn arbeiten. Anscheinend hat er Sie ins Herz geschlossen, Kapitän."
"Ich bin nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll", gestand der Upeti. "Die Aufgabe erscheint mir jede Sekunde eine Nummer größer zu werden."
Bukow lachte. "Das liegt in der Natur der Sache. Kommen Sie, Towaritsch, wir werden das Kind schon schaukeln. Bisher sieht es gut dafür aus, vor dem Träger weg zu kommen."
"Er ist wirklich ganz anders", murmelte Kemibwa vor sich hin, während er den Leutnant zum Schiff zurückbegleitete.
Ein klein wenig abseits, vielleicht dreißig Meter entfernt, hatte ein Verladearbeiter an einem Motor gewerkelt, der nicht richtig hatte laufen wollen. Beziehungsweise hatte er das jedem erzählt, der sich dafür interessiert hatte. Dies hatte ihn in eine exzellente Position gebracht, um Red und den Kapitän der Karuma mit Hilfe eines kleinen Richtfunkmikrophons zu belauschen. Hier hieß er Léon und war ein Wanderarbeiter aus Burutu, der für einen Appel und ein Ei am Hafen schuftete - zum Glück verstand er was von Motoren - und bummelte sich so durch den Tag, bevor er abends für einen Drittel seines Tageslohns eine Dusche nahm und den Rest mit den anderen Arbeitern mit billigem Alkohol durchbrachte. Offiziell jedenfalls. Inoffiziell hieß er nämlich Jared Worker, und dank seiner schwarzafrikanischen Vorfahren war er gerade dazu prädestiniert, anstatt in seiner Heimatstadt St. Louis ein langweiliges Leben als Anwalt oder Polizist zu führen, für den CIA in Schwarzafrika eingesetzt zu werden. Ndongo war zwar nicht gerade die heißeste Adresse für einen Agenten, eigentlich, aber die Ansprüche waren gerade gestiegen. Der anonyme Tipp an die Botschaft, der ihn hergebracht hatte, war sein Gewicht in Gold wert gewesen. Vierzig Sizzler, wenn die jemals gegen die Trägerkampfgruppe oder gegen die Briten bei den Falklands zum Einsatz kamen, würde es ein schwarzer Tag für die Demokratie werden. Léon beschloss, dass der Motor wieder funktionierte. Er riss ihn zur Probe an und er schnurrte wie ein Kätzchen. Das brachte ihm ein Lob vom Schichtleiter ein, obwohl er Leute aus Burutu nicht besonders mochte. Aber er mochte ohnehin niemanden besonders, der nicht als Upeti geboren worden war. Anschließend erlaubte er Léon eine Verlängerung seiner Frühstückspause auf dreißig Minuten. Genug Zeit für Special Agent Jared Worker, seinen Führungsoffizier in der Botschaft zu verständigen. Er war sich sicher, dass er mit diesem Fund Aufmerksamkeit erregen würde. Viel Aufmerksamkeit. Und dass er eventuell nach dieser Mission in ein interessanteres Aufgabengebiet versetzt wurde. Eventuell. Man sollte nicht zu viel erwarten.
***
Die geheime Nachricht, die der Agent eine halbe Stunde später unauffällig weitergeben konnte, ging direkt an die US-Botschaft in Ompala und wurde dort sofort dem Führungsoffizier des Agenten weitergeleitet. Kulturattaché Alan Sanders war natürlich nicht nur für die Organisation gemeinsamer Volksfeste zuständig, oder die Förderung von Theatern und Kinos im Lande, aber sein Studium der Kunstgeschichte hatte ihn für diese Tarnrolle prädestiniert. Dass er nebenbei, quasi im Zweitberuf, zum CIA-Agenten ausgebildet worden war, stand auf einem anderen Blatt. Und das war gut weggeschlossen in Langley, Virginia. Ndongo war sein erster selbstständiger Auftrag, weil das Land als "einfach" angesehen wurde, solange es nicht um Belongo ging und er selbst war nun mal ein Anfänger als Führungsagent. Das hieß aber nicht, dass er dumm oder oberflächlich war.
Als er realisierte, was da gerade im Begriff war, noch vor dem Eintreffen des Trägerverbands nach Norden davongeschafft zu werden, zählte er eins und eins zusammen und ließ sich mit Priorität mit dem Hauptquartier in Langley verbinden.
"...ja, richtig gehört. Klub-K, die Version, die aus Containern abgeschossen werden. Vier pro Container. Auf dem Weg von Banana Port nach Buenos Aires... Ja, Mr. Vice Director, ich denke auch, dass die Waffen für einen weiteren Angriff auf die Falklands sind. Wir wissen, wie erfolgreich die Exocets damals waren, obwohl die meisten nicht mal explodiert sind. Ich wette, die Russen liefern nicht so fehlerhafte Ware wie die Franzmänner... Ja, Sir... Nein, Sir... Nein, kein Problem. Wir kriegen ein Platoon Marines von der Abe, und der Osprey bleibt auf dem Gelände, um das US-Personal rechtzeitig evakuieren zu können... Nein... Nein... Nein... Ja, das einheimische Personal wurde für die nächsten Tage beurlaubt... Ja, Mr. Vice Director, ich werde Ihre Empfehlung an den Botschafter weitergeben... Ja, Sir, halte ich steif. Beide Ohren... Südafrika klingt wirklich gut... Danke, Mr. Vice Director... Ja, alles vorbereitet, um die wichtigsten Dokumente zu vernichten, wenn nötig... Ja, danke, Sir... Danke."
Als er auflegte, war er sich sicher, einerseits dem Verbündeten Groß-Britannien einen Riesendienst erwiesen zu haben, und andererseits seiner eigenen Karriere. Ganz abgesehen von den vielen Leben, die gerettet wurden, wenn die Sizzler niemals eingesetzt würden.
Sanders raffte ein paar Unterlagen zusammen und eilte zum Büro des Botschafters, um ihm die Suggestion des CIA, den US-Bürgern im Land die Ausreise nahezulegen, zu unterbreiten. Alles schien auf Krieg hinzudeuten. Und er war mittendrin. Wie aufregend.
***
General Landsdale sah überrascht auf, als Vice Director Maloni direkt aus dem Hauptquartier des CIA beim Präsidenten per Videoleinwand durchklingelte. Zusammen mit dem Scretary of War van Fitz und Admiral Blueberry, dem Navy-CEO und Außenministerin Hernandez verfolgte er sprachlos den Bericht des Direktors.
Präsident Etranger klopfte sich nachdenklich ans Kinn. "Harry, informieren Sie die Briten darüber, was da über den Atlantik gekrochen kommen wird."
"Mit Verlaub, Sir, ich hatte gehofft, dass wir die Gelegenheit nutzen könnten, um die Babies in unseren Besitz zu bringen, um zu schauen, wie die Russen einige Probleme gelöst haben, die uns auch plagen. Und bedenken Sie, wie schön es wäre, wenn wir diese unauffällige, aber tödliche Waffe auch haben. Nicht vieles ist einfacher als einen Standard-Container irgendwohin zu schaffen."
Der Präsident sah zu Admiral Blueberry herüber. Der große alte Seebär schüttelte den Kopf. "Die Abe und ihre Begleitschiffe sind zu weit entfernt, um den Frachter einzuholen. Das Bordgeschwader schafft es ebenfalls nicht rechtzeitig, bevor der Frachter in den Gewässern des Kaiserreichs Belongo ist. Abgesehen davon haben wir alle Ospreys im Einsatz. Wie sollten wir das Schiff entern?"
"Dann bleibt es dabei. Informieren Sie die Briten, Harry."
"Es gibt da noch eine Möglichkeit", wandte Admiral Blueberry ein. "Sir, der Raketenträger Sitting Bull aus der Begleitflotte der Abraham Lincoln wurde bei Diego Garcia wegen Maschinenschadens zu Reparaturzwecken zurückgelassen. Wir haben deshalb den Arleigh Burke USS Colorado ausgeschickt, um die Abraham Lincoln schnellstmöglich zu kompensieren. Sie hat Befehl, auf den veränderten Kurs des Trägers zu reagieren, und wird deswegen den Winkel verschärft haben, was sie in relative Küstennähe bringt. Wir könnten ihr den Befehl geben, den Frachter zu stellen."
"Wo befindet sich die Colorado gerade?", fragte der Präsident.
Landsdale dachte kurz nach. "Zufällig weiß ich das. Sie dürfte gerade die internationalen Gewässer auf Höhe der Grenze zwischen den Staaten Liberté und der Knochenbeinküste passieren und mit Höchstfahrt in Richtung Ndongo laufen." Entschuldigend lächelte er Blueberry an. "Sorry, Jonas, aber ich habe mich vorhin mit allem beschäftigt, womit wir unsere Jungs und Mädchen da unten verstärken können und nach jedem Strohhalm gegriffen."
"Nicht so wild, Isaac. Hauptsache, jemand wusste die Antwort schnell." Der Admiral sah zum Präsidenten herüber. "Mr. President, der Frachter kann uns zwar trotzdem entkommen, aber den Versuch ist es wert. Ich werde der Colorado die neuen Befehle mitteilen, und dann..."
"Dass ich darauf nicht gleich gekommen bin", sagte Maggie Hernandez plötzlich. "Die Kaiserlichen haben von uns zwei alte Short Hull-Perry-Fregatten gekauft, nachdem wir sie ausgemustert haben."
"Das Kaiserreich Ndongo?" Etranger hob eine Augenbraue. "Das macht uns zu Bekannten, aber nicht zu Freunden, Maggie. Sie werden wohl kaum auf unsere Bitte hin ein Frachtschiff einer anderen Nation überfallen."
"Das nicht, aber einen Waffenschmuggler stoppen und entern, das würden sie. Wenn wir den Kaiserlichen sagen, was die Karuma transportiert, werden sie ganz aus dem Häuschen sein, weil es ihnen außerdem die Gelegenheit gibt, der Republik eine Niederlage zuzufügen. Sie wissen doch selbst, Mr. President, dass sich beide Staaten nicht erst seit der Trennung nicht grün sind. Und Waffenschmuggel ist da ein gefundenes Fressen. Vor allem wenn das Schiff freiwillig in ihre Hoheitsgewässer einfährt. Und wenn das Schiff erst einmal gestoppt ist, gehen die Sizzler erstmal nirgendwo hin. Der Rest ist Verhandlungssache. Und für den Fall, dass es gelingt, kann die Colorado das Seegebiet aufsuchen und die Sizzler übernehmen. Ich kann sofort aufbrechen, rüberfliegen und Verhandlungen, diese Waffensysteme betreffend, aufnehmen."
Etranger sagte eine lange Zeit nichts dazu. "Isaac?"
"Die Briten würden es ungern sehen, wenn Argentinien vierzig Sizzler bekäme. Unabhängig davon, wie viele die Gauchos bereits von den Russen erhalten haben, Sir."
"Jonas?"
"Sir, selbst mit einer schlecht ausgebildeten Mannschaft sind die Perrys in der Lage, den Frachter zu stoppen und niederzukämpfen. Und solange sie wissen, dass Sizzler an Bord sind, können sie sich darauf einstellen, sie abzuwehren oder ihnen auszuweichen."
"Wenn man es ihnen sagt", murrte van Fitz.
"Das ist nicht mehr unsere Aufgabe. Aber so verantwortungsvoll werden die Kaiserlichen wohl selbst sein, alleine schon, weil die Perrys das Rückgrat ihrer Marine sind", sagte der Präsident. "Tun wir es so. Informieren wir das Kaiserreich Ndongo. Maggie, fliegen Sie sofort los."
"Ja, Mr. President."
"Hoffen wir, dass der Plan funktioniert und möge Gott unsere Soldaten da unten beschützen. Besser, als er es bis jetzt getan hat." Die Hände des Präsidenten, scheinbar achtlos auf den Schreibtisch gestützt, verkrampften sich merklich.
***
Hugh Shatterfield war Soldat, eingefleischter Berufssoldat. Zwar trug er mittlerweile einen Stern auf der Schulter, aber das bedeutete nicht, dass er keine Kampferfahrung hatte. Als Colonel war er am Sturm auf den Irak beteiligt gewesen, als Major war er am NATO-Angriff auf Serbien beteiligt gewesen, als Captain hatte er in der Befreiung Kuwaits gedient. Und als Lieutenant hatte er geholfen, die Karibik-Insel Grenada von ihrem Regime zu befreien. In all dieser Zeit war er Ranger gewesen. Und das war er immer noch. Ranger durch und durch. Die ersten, die reingingen, die letzten, die rauskamen. Wenn sie es denn schafften. Der Dienst war hart, die Verlustquoten trotz bester Ausbildung und ständig verbesserter Ausrüstung hoch. Was nicht daran lag, dass die Ranger verheizt wurden. Die Vielzahl der Missionen brachte einfach Todesfälle und Dienstunfähigkeiten mit sich. So auch bei ihm, der als frisch beförderter Colonel Bekanntschaft mit einer Mine gemacht hatte. Beinprothese, Schreibtischjob, aber von den Army Rangers hatte ihn das nicht trennen können. Er wurde dort eingesetzt, wo seine große Erfahrung noch immer von hohem Nutzen war. Und ehrlich gesagt war es auch Zeit gewesen. Ein normaler Mann konnte nur eine gewisse Anzahl von Toden verursachen und Schlachten sehen, bevor er drohte, die Zurechnungsfähigkeit zu verlieren. Dementsprechend war er froh darüber gewesen, in den Planungsstab der Division abkommandiert zu werden, als er seine eigene Grenze kommen gefühlt hatte. Deshalb hatte Mildred die Verletzung auch mehr als Segen denn als Unglück empfunden. Und auch wenn ihn das verlorene Bein noch jeden Morgen schmerzte, empfand er es als Glück im Unglück. Er hätte auch tot sein können. Oder kastriert. Oder beides. Und die Prothese hinderte ihn nicht daran, ab und an die Feuerwehr zu spielen. So wie in diesem Fall, in dem es darum ging zu klären, wie ein Army Ranger-Captain nach einem abgebrochenen Einsatz noch hatte zwanzig seiner Leute verlieren können. Er hasste sich selbst dafür, aber für den Zeitraum der Untersuchung musste er gegenüber seinem Ranger-Kameraden der Advocato Diabolis sein und spitzfindig jedes noch so kleine Anzeichen an Versagen aufdecken. Anders war es nicht möglich, sicherzustellen, dass der Mann das Kriegsgericht überstehen würde. Nun, er kannte Scott nicht persönlich, aber zumindest sein Ruf war ihm zu Ohren gekommen. Risikobereit, aber überaus erfolgreich. Einer der Gründe, warum er nach Belongo geschickt worden war. In ein Land, von Bürgerkriegen erschüttert, in dem man jemanden brauchte, der schnelle und folgerichtige Entscheidungen treffen konnte, zum Nutzen aller. Ausgenommen dem Feind, natürlich.
Dukakis kannte Scott persönlich und während der achtzehn Stunden Flug hatte er in jeder wachen Minute die vorliegenden Daten analysiert, um sich und Shatterfield erklären zu können, was da genau schiefgelaufen war. Der Ranger-Major war vollkommen übermüdet, denn er zählte Jason Scott zu seinen persönlichen Freunden und bemühte sich, jedem noch so kleinen Anzeichen für ein mögliches Versagen Scotts aufzuspüren, um sicherzugehen, dass er eben nicht versagt hatte. Er wirkte trotz der Müdigkeit sehr zufrieden.
"Alles in Ordnung, Constantine?", fragte der General seinen Begleiter.
"Alles in Ordnung. Wenn wir nicht noch 'nen echten Knaller vor Ort finden, sollte Jason auf der sicheren Seite sein. Also irgendwas, was der CID ihm ans Bein stricken kann."
"Ähemm", machte Captain Eureka Frost. Sie stammte aus der 6. MPG und würde die CID-Untersuchungen leiten. Ihr Verhältnis zu den beiden Ranger-Offizieren war gut und herzlich, vor allem, weil sie sich schon länger kannten. "Constantine, wie kommen Sie darauf, dass wir nach einem Haar in der Suppe suchen würden?"
"Weil das Ihr Job ist, Eureka", gab der Major zurück. Er grinste entwaffnend.
"Wir werden sehen, was passiert. Der einzige Punkt, den ich im Moment als wirklich gefährlich für Captain Scott ansehe, ist die Entscheidung zur Landung an sich. Zwar habt Ihr "sua sponte" als Schlachtruf, das entbindet euch aber nicht, zumindest mit einem Funken Intelligenz an die Sache ranzugehen." Sie seufzte. "Oh, mein Rücken bringt mich um. Sind wir nicht endlich da?"
Shatterfield überschaute den Passagierbereich der Air Force-Maschine, die ihn, seine Ranger-Offiziere, eine weitere Ranger-Kompanie und das CID-Team samt Ausrüstung beförderte. "Wir haben vor zwei Stunden Anjulas Küste erreicht. Mittlerweile müssten wir über dem panadianischen Luftraum sein. Es kann nicht länger als eine halbe Stunde dauern."
"Gelobt sei die in Ihrem Kopf eingebaute automatische Karte, Sir", ächzte sie und versuchte, sich bequemer hinzusetzen. "Zurück fliegen wir aber Linie, ja?"
Shatterfield wollte darauf etwas erwidern, aber der Pilot kam ihm mit der Sprechanlage zuvor. "General Shatterfield, kommen Sie bitte ins Cockpit. Sie müssen eine Entscheidung treffen."
"Hm?" Er erhob sich und versuchte sich an einem sicheren Stand. Tatsächlich, nachdem er so lange gesessen hatte und nachdem er nicht wirklich viel herumgegangen war, um die Beine aufzulockern, fiel es ihm reichlich schwer zu gehen. Trotz des enervierenden Protestes seines Stolzes als Army Ranger griff er nach dem Spazierstock, den er so selten wie möglich benutzte, um seine momentane Schwäche auszugleichen.
"Soll ich Sie begleiten, Sir?", bot Dukakis an.
"Ja, kommen Sie ruhig mit. Sie auch, Eureka. Und nein, das habe ich nicht als Hilfe für mich gedacht, Constantine."
"Verstanden, Sir. Verzeihung, Sir", erwiderte der Mann aus Maine betroffen.
"Da gibt es nichts zu verzeihen, Constantine. Ist vielleicht ganz gut so, wenn Sie schauen, dass ich nicht doch auf dem Weg zum Cockpit zusammenbreche", sagte er scherzhaft. Er streckte den Rücken durch. "Autsch. Ja, wir nehmen definitiv den Linienflug zurück, Eureka."
Die CID-Offizierin lachte. "Sehr schön, Sir."
Als sie das Cockpit erreichten, sahen Pilot, Co-Pilot und Funker erwartungsvoll zu ihnen herüber. Der Jet flog gerade eine Schleife. Wahrscheinlich über Honiton City. "Was gibt es, Captain Bremer?"
"Sir, wir haben Landeerlaubnis, aber wir wurden gerade darüber informiert, dass einer der Ospreys der Navy beim Anflug auf Keounda City mit Panzerfäusten beschossen wurde und auf dem Ostufer des Lagabandas abgestürzt ist. Daraufhin wurde die ganze Landeoperation der Marines am Ostufer abgewickelt und die Ranger stürmen jetzt über die Brücken den Osten der Stadt."
"Eieieieieiei", machte Dukakis. "Jason macht eben keine halben Sachen."
"Und was soll ich dabei entscheiden, Captain Bremer?"
"Nun, die Belongo Mining Company hat eine provisorische Startbahn gebaut, die gerade so für unsere Maschine reichen könnte. Allerdings hat Professor Herryhaus angeboten, Sie und die CID-Leute sofort rüberzufliegen. Oder Sie können warten, bis die Kämpfe abgeflaut sind."
"Ihre Entscheidung, Sir", sagte Frost.
"Nun, wenn den Marines ein Osprey unterm Hintern weggeschossen wurde, haben wir ein Problem. Wie soll ich meine Ranger rüberschaffen? Vertrauen wir der deutschen Wertarbeit und nehmen wir die Dschungelpiste. Wenn Sie es sich zutrauen, Captain Bremer."
Der Pilot nickte. "Ich lande dieses Baby notfalls auf einer Briefmarke, Sir. Eric, gib's weiter."
Der Mann am Funk nickte. "Honiton Tower, Ranger Flight 9-38 wir stornieren die Bitte um Landererlaubnis und fliegen direkt nach Belongo."
"Ranger Flight 9-38, die Landebahn ist für Sie frei, falls Sie es sich nicht noch anders überlegen wollen. In Belongos Himmel wird scharf geschossen. Ich wiederhole, die Landebahn ist für Sie frei."
"Danke, Honiton Tower. Wir wissen das Angebot zu schätzen. Aber Ihre Piloten werden auf uns aufpassen, schätze ich."
"Sicher. Honiton Tower wünscht viel Glück und Over und Out."
"Danke, Honiton Tower. Over und Out.
General, Sir, Ma'am, bitte gehen Sie wieder auf Ihre Plätze und schnallen sich wieder an", bat der Pilot.
Währenddessen wechselte der Funker die Frequenz. "Belongo Mining, Ranger Flight 9-38. Informieren Sie Professor Herryhaus darüber, dass wir direkt zur Mine fliegen und..."
Den Rest hörten sie schon nicht mehr, als die Cockpittür zuglitt.
"Also los", seufzte Shatterfield. "Stürzen wir uns ins Abenteuer. Sehr schön. Mir drohte schon langweilig zu werden." Wer hätte denn auch ahnen können, dass die hochgelobten US Marines einer russischen Panzerfaust zum Opfer fallen würden? Nun hatten sie zwei Fälle, die untersucht werden mussten. Doch hoffentlich hielten sich die Opfer diesmal in Grenzen.
"Gentlemen!", sagte er zu den Frauen und Männern im Rumpf des Flugzeugs. "Die Marines haben Mist gebaut. Einer ihrer Ospreys wurde abgeschossen und steht voraussichtlich nicht zur Verfügung, um uns nach Keounda City zu fliegen. Stattdessen werden wir der Dschungelpiste vertrauen, um uns und unser Material schnellstmöglich in die Nähe der Stadt zu kriegen. Von dort können die Krauts uns helfen, unser Zeug rüberzuschaffen. Die Panadianer werden unseren Flug decken. Also machen Sie sich bereit. Wir sehen schon sehr bald Action."
Die Worte des Generals wurden mit Begeisterung aufgenommen. Auch wenn niemand den Krieg wirklich liebte - gewinnen war doch eine ganz andere Sache.
***
"Raus! Raus! Raus!", blaffte Major Michael seine Männer an. Er hatte beide Osprey vor die notgelandete Maschine dirigiert, um den Soldaten Deckung zu geben. Seine Männer würden den ersten Schlag abfangen, zusammen mit den Krauts und ihren Kampfhubschraubern. Die Maschinen feuerten bereits. Ihre Ziele befanden sich in den Häuserruinen vor ihnen.
Als Michael selbst aus dem Osprey sprang, hätte er sich beinahe verletzt. Das war kein weicher Erdboden, sondern harter Asphalt, der von Graspflanzen überwuchert worden war. Ein hastiger Blick umher informierte ihn, dass einige der Hügel und höheren Pflanzen Mauerreste waren. Sie befanden sich bereits mitten in der Stadt. Im zerstörten Teil der Stadt.
"Wir sind mitten in Ruinen!", blaffte er über Funk. "Die Hügel sind halb verrottete Mauern! Sucht dahinter Deckung, wenn Ihr sie in der Nähe habt! Feuer frei nach eigenem Ermessen!"
Zuerst würden sie den Angriff, den die Speere des Riki in aller Hast gegen sie auszuführen gedachten, abprallen lassen. Anschließend würden sie das Gelände bis zur Stadtgrenze weiträumig sichern. Und, wenn der Schlag der Ranger über die Brücken erfolgreich war, den Feind aus der Stadt drängen.
"Lincoln Flight 1, hier Belongo Mining 1. Können Sie mich hören?"
"Laut und deutlich, Belongo Mining 1. Aber es gibt einen neuen Kontakt auf dem Schlachtfeld: Marines 1."
"Marines 1 hier. Freut mich, Sie zu hören, Belongo Mining 1, Ranger 1."
"Ebenso, Marines 1."
"Gleichfalls, Marines 1."
"Marines 1, Belongo noch mal. Gehen Sie, wenn Sie vorgehen, auf Nummer sicher. Geben Sie jedem Toten noch mal eine Extrakugel in den Kopf, wenn Sie keine Verletzungen oder Tote riskieren wollen."
Michael runzelte die Stirn. Hinter ihm war nun auch der abgestürzte Osprey gesichert, und die unverletzten Marines zogen vom Fluss einen losen Sperrring, der über Süden und Osten bis zur Front reichte. "Erklären Sie das, Belongo 1."
"Viele der Kämpfer des Rikis sind auf einer Droge. Sie spüren keine Schmerzen und gehen weit über die Grenzen dessen, was ein Mensch leisten können sollte, Marines 1. Sie können sie relativ leicht identifizieren, weil sie höherklassige menschliche Körperteile um den Hals tragen, aber verlassen würde ich mich nicht darauf."
"Sie tragen Körperteile um den Hals?", erwiderte der Major entgeistert.
"So hatte ich das weitergemeldet, Marines 1", gab Scott trocken zur Kenntnis. "Achten Sie auf die mit getrocknetem Penis. Je mehr sie davon haben, desto höher stehen sie in der Hierarchie. Und desto durchgeknallter sind sie auch. Achten Sie aber auch auf die, die nicht mehr kämpfen wollen. Wir vermuten, dass seit Beginn der Kämpfe schon etliche Männer versucht haben zu desertieren. Sollten Ihnen waffenlose Männer begegnen, zum Beispiel in der Kanalisation, können Sie sie relativ gefahrlos gefangennehmen."
"Nun mal ganz langsam. Ich denke, jeder Tote soll eine Kugel in den Kopf kriegen?"
"Ich weiß, es ist schwierig. Gehen Sie einfach kein Risiko ein. Aber denken Sie später beim Aufräumen dran, Marines 1."
"Ein toller Rat, Ranger 1." Michael sah zu seinen Offizieren herüber. "Haben das alle mitgekriegt? Jeder Irre, der mit Körperteilen behängt ist und uns töten will, kriegt eine verdammte Kugel in den Kopf, damit er uns nicht den Zombie gibt."
"Ja, Sir!"
"Verstanden, Sir."
"Kugel in den Kopf für Gegner mit umgehängten Körperteilen. Wo sind wir hier? Belongo, oder Frankensteins Labor?"
"Wahrscheinlich ein bisschen von beidem, Lieutenant Harris. Also, macht euch fertig. Wenn sie es ernst meinen, dann werden die Hubschrauber sie auch nicht mehr lange aufhalten. Sobald wir den Angriff abgewehrt haben, rücken wir vor. Zwei Firesquads decken dabei den Landeplatz, falls wir umgangen werden. So einen Scheiß wie mit der RGP will ich nicht noch mal erleben!"
"Ja, Sir!"
"Semper fi, Marines!"
"Semper fi, Sir!"
Und dann kamen sie tatsächlich. Die "Irren" waren relativ leicht zu identifizieren. Viele von ihnen hatten kleinere oder größere Verletzungen vom Beschuss durch die Hubschrauber, aber sie liefen einfach weiter. Zombie war gar keine so schlechte Umschreibung gewesen, fand Michael.
Die ersten Marines eröffneten das Feuer auf zweihundert Meter Distanz. Ungezieltes Feindfeuer kam zurück, versuchte kaum, die hinter dem hohen Gras versteckten Marines zu treffen. Sie schafften einfach nur Masse. Relativ erfolgreich, fand der Major, als eine Kugel seinen Körperschutz mit der Kraft eines Boxhiebs von Mike Tyson traf. "Ufff!" Automatisch ging er in die Hocke und dort würde er auch vorerst bleiben.
"Sind in der Stadt und rücken vor, Marines 1. Wie vielen Gegnern stehen Sie gegenüber?"
"Schätzungsweise zweihundert, Ranger 1. Falls wir nicht gerade weitläufig von einer großen Feindeinheit umgangen werden, sollten wir damit fertig werden."
"Gut." Eine Explosion klang zu ihnen herüber. Grimmig kommentierte der Captain der Ranger: "Das war ihr zweiter T-54. Falls sie nicht noch mehr von den Babies in der Hinterhand haben, sollten wir es jetzt nur noch mit Bodenfäusten, Handgranaten und AK47 zu tun haben."
"Schreien Sie nicht Sieg, bevor die Schlacht richtig losgeht, Ranger 1", kommentierte Michael belustigt. Zumindest fand er es solange lustig, bis er einen mittelgroßen Schwarzen, der bereits aus mehreren Schusswunden blutete, direkt auf sich zulaufen sah. Kugeln gingen durch seinen Leib, Blut spritzte in Fontänen hervor, aber sein Gesicht war verzerrt von Hass und dem Drang zu töten. Statt einer AK47 schwang er eine große Machete und stürzte sich auf den Major. Der ließ sich nach hinten fallen, zog die Dienstpistole und hebelte den Mann mit einem Judogriff über sich hinweg. Verdammt, wie hatte das passieren können? Wie hatte der Typ überhaupt mit solchen Wunden so weit kommen können?
Der andere sprang wieder auf, die Machete schwingend. Mit einem tiefen Knurren, das so gar nicht zu einem Menschen passen wollte, ging er erneut zum Angriff über. Zumindest, bis ihm eine Kugel direkt durch den Schädel ging. Sie trat links ein und rechts wieder aus. Dabei nahm sie erhebliche Mengen an Knochen, Haut, Haaren und Gehirnmasse mit.
Der Mann sah ihn verständnislos an, bevor er nach vorne sackte und zusammenbrach. Auf seiner Brust hatten Finger, Ohren und ein Penis gebaumelt. Und seine Nase war weiß verstaubt. Der Mann musste bis zum Anschlag voll auf der Droge gewesen sein, die der Riki seinen Kriegern verabreichte.
Sein rettender Engel trat direkt neben ihn, die Waffe noch immer auf den Toten gerichtet, der hoffentlich auch tot blieb. "Haltet euch nicht lange damit auf, in die Beine oder in den Torso zu schießen!", blaffte er über das Schlachtfeld. "Schießt ihnen gleich in den Kopf!"
"Jawohl, Gunny!"
Der Gunnery Sergeant reichte Michael eine Hand zum Aufstehen. "Von denen gibt es noch mehr, Sir. Der Rat von Captain Scott war goldrichtig."
"Danke, Gunny. Wir gehen kein Risiko ein, Marines!" Er überblickte das Schlachtfeld. Tatsächlich liefen auch an anderen Stellen der Graswiese Verrückte wie Zombies auf ihre Gegner zu, egal wie viele Kugeln sie trafen. Erst wenn sich jemand dazu entschloss, ihnen den Schädel wegzupusten, war die Gefahr gebannt. Einer der Toten detonierte. Handgranaten. Auch das noch. "Absolut kein Risiko", zischte Michael. Es gab mal eine Zeit, da hatte er StarCraft gespielt. Und diese Typen kamen ihm so vor wie von den Zerg verseuchte Terraner, die sich bereitwillig in lebende Bomben verwandeln ließen, um sich und die Feinde der Zergs in die Luft zu jagen. Verdammt, wer hätte gedacht, dass ihm diese Erfahrungen mal nützen würden? Und es erinnerte ihn daran, dass er mal wieder online zocken musste.
"Langsam vor, Marines!", befahl er, als der Strom an Verrückten auffällig nachließ.
"Ja, Sir!" Der Gegenschlag begann.
***
"Das geht viel zu leicht!", blaffte Axel ärgerlich. Der östliche Teil von Keounda City war locker zwei Drittel größer als der Westteil der Stadt, und damit war er ein wesentlich größerer unüberschaubarerer Dschungel aus Beton und Stein als die Weststadt, und dennoch schnitten die Ranger und ihre deutschen Verbündeten hier durch die Butter. Tatsächlich hatten sie den zweiten feindlichen Panzer schon in den ersten zwei Minuten mit einer Javelin ausschalten können, bevor die Panzerbesatzung überhaupt gemerkt hatte, dass sie entdeckt worden waren.
Sie gingen erneut vor wie im Westen. Sie teilten sich auf die Straßen auf, besetzten die Kreuzungen und durchsuchten derweil die Häuser. Danach rückten sie zur nächsten Straßensperrung vor. Nur diesmal fehlten ihnen ein Großteil der Speere und knapp die Hälfte der Ranger.
"Haben Sie was gegen leicht, Axel?", fragte Morelli grinsend.
"Nein, aber ich finde es verdächtig! Der Osten ist viel größer! Warum stellen sie uns keine Falle?"
"Vielleicht tun sie das ja, nur weiter drin in der Stadt. Wohin wir aber nicht gehen werden. Wir rücken nur soweit vor, bis wir mit den Marines eine Linie bilden können und befestigen unsere Stellungen."
Ein Großteil des 1. Platoons unter Scott persönlich versuchte gerade, mit den Marines Sichtkontakt aufzunehmen. Die Aufgabe der restlichen Speere, Deutschen und Ranger war es, die vorgeschobenen Stellungen zu halten. Dann kam es darauf an, ob sie die Gelegenheit bekamen, weiter vorzudringen und den Riki damit aus der Stadt zu drücken, oder ob sie mit Hilfe der Hubschrauber nur ihre Positionen hielten, bis der Osprey auf die richtige Flussseite fliegen konnte. Oder bis sie den Schwenkflügler aufgegeben und gesprengt hatten. So oder so, für den Interländerverkehr standen den Amerikanern nun wesentlich weniger Optionen zur Verfügung und die Idee, das Untersuchungsteam und die sie begleitende Kompanie Ranger mit Hilfe der Ospreys nach Belongo zu schaffen, hatte einen erheblichen Dämpfer erlitten. Entweder würden ihre eigenen Hubschrauber und im besonderen ihre drei Transporter Überstunden einschieben, oder man konnte es den Rangers schmackhaft machen, auf der Piste an der Mine zu landen, obwohl Axel im Moment nicht einen Dollar drauf gewettet hätte, dass das Flugzeug, das dort landete, auch wieder würde starten können.
Es gab nur eine Konstante für sie alle. Die Speere des Riki hatten nicht damit gerechnet, dass sie einen Amerikaner würden abschießen können. Nun gut, damit vielleicht, aber nicht, dass er ihnen direkt vor die Füße fallen würde. Und sie hatten gewiss nicht damit gerechnet, dass die anderen Marines bei ihren Kameraden landen würden, um sie zu verteidigen. Und erst Recht hatten sie nicht damit gerechnet, dass die Ranger die Gelegenheit nutzen würden, um über den Fluss zu kommen. Zumindest die Besatzung des zweiten T-54 hat das nicht getan. Und während augenscheinlich jeder Speer des Riki, der noch laufen konnte, nach Süden unterwegs war, schoben sie sich gedeckt von den Hubschraubern langsam nach Osten. Mörserexplosionen drangen an sein Ohr und verrieten ihm, dass die Marines zumindest noch lebten. Axel spürte verhaltenen Optimismus. Dafür, dass die Sache so scheiße begonnen hatte, durfte er sich eigentlich nicht beklagen. Zumindest hier am Boden würden sie einen Teil der Oststadt halten können. Wenn sie jetzt noch den Riki zu fassen bekämen, dann wäre der ganze Spuk um das Böse in Keounda City bald eine Geschichte der Vergangenheit.
***
Einhundert Kilometer westlich begann bereits ein anderes Land. Es war nicht sehr groß, für afrikanische Verhältnisse zumindest, aber es war ein eigenes Land. Bekannt geworden war es als Ausgangspunkt für einen blutigen Genozid am Bergvolk der Batis, ausgeführt von den ländlich lebenden Erzfeinden, den Tukus. Eigentlich hatten die Kolonialherren vor ihrem Abzug bestimmt, dass die Batis das kleine Land bewohnen sollte, das Randora genannt wurde, und die Tuku sollten alle nach Norden in ein weiteres kleines Land ziehen, Bindiru genannt. Dabei hatten die Kolonialmächte wieder einmal selbstherrlich über etwas entschieden, was sie nicht verstanden hatten, und dies hatte zur Folge, dass die Tuku, alten Wurzen folgend, eben doch in Randora blieben, obwohl es in Bindiru wesentlich mehr Tuku als Bati gab. Aber es blieben nicht nur die verwurzelten Tuku zurück, sondern auch uralte Rivalitäten und Ressentiments, die sich irgendwann in einem Massenmord entluden. Zwei Millionen Tuku, Männer, Frauen, Kinder, waren abgeschlachtet und in Massengräbern verscharrt worden. Und dabei hatten die Führer der Bati versucht, so viele ihrer Stammesangehörigen wie möglich zu involvieren. "Wenn wir alle Mörder sind, schweißt uns das zusammen", hatten sie gesagt. Am Ende hatten sie es nicht geschafft, die Tuku auszulöschen oder auch nur zu vertreiben. Allerdings hatten sie es geschafft, die Zahl der Waffen auf beiden Seiten erheblich zu erhöhen. Die Zahl der Waffen... Und die Zahl der Söldner. Aber Söldner waren teuer. Und so kam der Regierung Randoras Mr. Red gerade Recht, als er sie um eine militärische Intervention in Belongo bat. Denn wenn es etwas gab, was Bati und Tuku hassten, dann waren es Lulugengos oder Wagondas. Das Geld von Mr. Red war großzügig bemessen, sodass sich die Regierung von Randoras dazu entschied, einem knappen gemischten Bataillon ihrer Sölder, einer Einheit, bestehend aus Infanterie, Panzerwagen und Kettenpanzern, das normalerweise ihr Rückgrat für den leidigen Kampf mit den Tukus war, die Erlaubnis zu geben, sich für harte Dollars anwerben zu lassen. Hätte Ndongo an dieser Grenze Kontrollen oder zumindest eine rudimentäre Überwachung, hätte man mitbekommen, wie etwa zwanzig Lastwagen, acht T-54-Panzer und achtzehn Ratel 20 die Grenze überquerten, bereit zum Sprung zur nicht allzu fernen ehemaligen Distrikthauptstadt Keounda City im Süden. Die Sache hatte nur einen Haken: Da der Einsatz als sehr dringend bezeichnet worden war, würde die Truppe keinen Zwischenstopp einlegen können, um ein wenig zu plündern und zu morden.
***
"Ach du dickes Ei", murmelte Captain William Jackson, Codename Mincemeat, als er über dreißig Blips auf seinem Radar hatte. "Was kommt uns denn da entgegen?"
"Mincemeat von Sonny. Soll ich per Nachbrenner rüber und nachschauen?"
"Wollen Sie Selbstmord begehen? Schön hierbleiben, Lieutenant. Man fliegt nicht mit einer einzelnen Maschine gegen dreißig potentiell feindliche Einheiten. Nicht einmal wenn auf der anderen Seite nur Doppeldecker unterwegs sind." Er wechselte den Kanal. "Homebase von Mincemeat. Melde multiple Kontakte, in etwa dreißig, vierhundert Kilometer nördlich von Keounda City. Ihr Kurs lässt vermuten, dass sie aus dem Süd-Sinan kommen."
"Hier Homebase. Haben die unbekannten Einheiten Kurs auf Sie, Mincemeat?"
"Nein, Homebase. Sie passieren uns schräg in südlicher Richtung. Dabei überfliegen sie den 17. Bezirk, Kamala."
"Mincemeat, wir starten eine weitere Staffel. Beobachten Sie den unbekannten Verband, greifen Sie aber nicht an. Achten Sie auf Kurswechsel und versuchen Sie, ein paar gute Ortungen und Fotos zu bekommen. Werden Sie angegriffen, ziehen Sie sich nach Süden zurück, bis unsere Flieger aufschließen können."
"Verstanden, Homebase. Verdammt."
Mincemeat konnte es zu dem Zeitpunkt nicht wissen, aber was da auf seinem Radar aufgetaucht war und in einer relativ gemütlichen Höhe von achttausend Metern dahinflog, waren die Black Stars auf dem Weg in die Küstenbezirke Ndongos.
"Mincemeat, die Amerikaner unterstützen uns. Sie schicken uns von der Niemitz zehn Maschinen, um das Flugverbot durchzusetzen. Rechnen Sie in zwei Stunden mit ihrer Ankunft.
"Gut zu hören, Homebase."
"Ach, und noch etwas. Das Untersuchungskommitee der Amerikaner ist mit seinem Transportflugzeug auf dem Weg zu Ihnen. Stellen Sie eine Eskorte ab. Sie fliegen zur Belongo Mining raus. Sollten sich die unbekannten Kontakte plötzlich für sie interessieren, brechen Sie den Flug zur Mine ab und eskortieren Sie sie wieder in unsere Lufthoheit."
"Mincemeat hier, habe verstanden." Verdammt. Die Geschichte war gerade einen Tuck komplizierter geworden. Was würden die Amerikaner dazu sagen?
***
Die Abraham Lincoln drehte gegen den Wind. Kaum, dass die Nachricht von dreißig unbekannten fliegenden Kontakten eingetroffen worden war, hatte Philips eine Entscheidung getroffen. Diese bestand darin, nicht nur die Patrouille zu verstärken, sondern auch die Verbündeten über Belongo zu verstärken. Und zu allem Überfluss würden sie, wenn sie Pech hatten, auch noch Frachter jagen müssen, die russische Anti-Schiffsraketen geladen hatten.
Unten auf dem Hangardeck versammelten sich die ausgesuchten Piloten der F/A-18F Superhornet, die aufsteigen würden, um die Patrouillen über Belongo zu verstärken. Sie warteten darauf, aus den Eingeweiden des Schiffs gefahren zu werden. Aber zuerst holte die Air Crew die zwei E-2C Hawkeyes Langstreckenbeobachter hoch, die den Kordon des Trägers verstärken und nebenbei nach dem gesuchten Frachter Ausschau halten würden, nur für den Fall, dass er in ihre Richtung fahren sollte. Und vor allem, um die dreißig unbekannten Kontakte im Auge zu behalten, die von Panadia gemeldet worden waren.
"Und es fing so klein an", murmelte Admiral Philips. Unter ihm wurde der erste Hawkeye aufs Katapult gespannt. Kurz ging sein Blick zum Air Boss des Flights, die die Arbeit ihrer Leute kritisch beäugte. Von dort wanderte sein Blick zum Kapitänin der Abraham Lincoln, die sich permanent mit aktuellen Ortungsdaten füttern ließ. Schließlich kam er bei seiner Stabschefin an.
Die Konteradmirälin nickte ihm beruhigend zu. Dies waren alles Profis bei der Arbeit. Die Besten derer, welche die Navy aufbieten konnte. Wieso hatte er aber das Gefühl, es könnte vielleicht nicht reichen, für dieses Mal? Der Admiral schob den pessimistischen Gedanken beiseite und ging wieder in die CIC, um selbst einen Blick auf den Radarschirm zu werfen.