Belongo
von Ace Kaiser
Kurzbeschreibung
Eine nicht authentische und verfremdete Geschichte über eine Diamantenmine in Afrika. Recherche zu Technik und Ausrüstung sind von Stinkstiefel.
GeschichteAbenteuer / P16 / Gen
12.09.2011
23.02.2017
37
260.000
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Dieses Kapitel
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12.09.2011
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14.
"Sie kommen!", hallte es durch das Lager an der Diamantenmine. Sofort hatte sich eine erkleckliche Anzahl an Schaulustigen zusammengefunden, was trotz der Leute auf Wache, der Dependance in Ngali und dem Einsatz in Keounda City immerhin noch rund zwanzig Pioniere, Flieger, Infanteristen und Sanitäter und immerhin vierzig einheimische Arbeiter bedeutete. "Sie", das waren die restlichen zwei Platoons Ranger unter dem Kommando der Second Lieutenants Hector und Garaldi. Die fünf Lastwagen fuhren in langsamem Tempo durch den schmalen Pfad zwischen den Schützengräben hindurch, vorsichtig darauf bedacht, nicht abzurutschen und die vermeintliche Sicherheit innerhalb des Grabensystems zu erreichen.
Den Rangern offenbarte sich das Durcheinander einer kleinen Zeltstadt, die stetig am Wachsen war, eine große, wie gerodet wirkende Fläche, auf der zwei Hubschrauber standen und entladen wurden, das große Loch in der Hügelwand im Westen, die Holzhütten an seiner Flanke sowie der Bürocontainer nördlich vom Loch. Dem geübten Beobachter entginge natürlich weder die Meldeposten an der schmalen Durchfahrt, noch der Beobachtungsposten auf der Hügelspitze, der mit den primitiven Möglichkeiten vor Ort so gut wie möglich getarnt worden war. Auch die Arbeiten im Osten, die aus dem Lager hinaus führten und einmal eine Start-, und Landebahn werden sollten, waren kaum zu übersehen. Aber jedem militärisch halbwegs erfahrenen Soldaten musste klar sein, dass die Deutschen viel zu wenig Leute hatten, um das sich selbstständig erweiternde Gelände effektiv zu bewachen. Vor allem die Landebahn würde ein verletzlicher Punkt sein, denn eigentlich hätte die Vorsicht geboten, zumindest in unregelmäßigen Abständen Schützenlöcher einzurichten, um zu verhindern, das sie in der Nacht beschädigt, oder noch schlimmer, vermint wurde. Die Krauts hatten gut daran getan, neue Leute zu rekrutieren.
Diese und ähnliche Gedanken schossen Jebediah Hector durch den Kopf, als er, kaum aus dem in der Belongo Base de l'Air gestohlenen LKW geklettert, sich einen ersten Überblick verschaffte.
Es knirschte merkwürdig, als sein Stiefel aufsetzte, und interessiert bückte er sich, um zu sehen, was er berührt hatte. Es war ein halbklarer Kiesel.
"Vorsicht, bitte, und sagen Sie das auch Ihren Leuten", sagte ein Mann mittleren Alters, der im SECAM-Fleckentarn der Belongo Mining auf ihn zutrat. "Die Idioten, die hier versucht haben, Gold zu finden, haben das ganze Geröll mit Blausäure getränkt. Ich rate Ihnen, den Boden nicht mit bloßen Händen zu berühren und sich gründlich die Hände zu waschen."
Ein wenig verdutzt betrachtete Hector den schnauzbärtigen Mann vor sich. Dann streckte er die Hand aus und reichte ihm den fingernagelgroßen Kiesel. "Ich weiß, das ist unwahrscheinlich, aber könnte das einer der Diamanten sein?"
Der Mann nahm den Stein mit einem Taschentuch in der Hand entgegen und inspizierte ihn. "Möglich. Wir werden ihn mit den anderen Steinen zum Testen rausschicken." Mit diesen Worten steckte er den Stein ein. Anschließend salutierte er. "Willkommen bei der Belongo Mining Company. Ich bin im Moment der befehlshabende Offizier, Oberleutnant Kram."
Hastig erwiderte Hector den Salut und wollte dem Deutschen anschließend die Hand geben, bevor er sich wieder an die Blausäure erinnerte.
Kram schmunzelte. "Sie können sich im großen Zelt links die Hände waschen. Es ist unser Duschzelt. Alle unsere Einrichtungen stehen Ihnen und Ihren Leuten zur vollen Verfügung. Das große Zelt in der Mitte ist unsere Kantine. Ich habe mir erlaubt, für Sie und Ihre Leute ein kräftiges amerikanisches Frühstück zu bestellen. Und Sie sollten es essen, wenn Sie Herrn Worms nicht verärgern wollen."
"Herr Worms?"
"Quasi das Faktotum unseres Hauptfinanciers. Der beste Koch diesseits des Äquators."
"Amerikanisches Frühstück klingt doch gut", sagte Garaldi, als er zu den beiden trat. Zuvor hatte er die Arbeit erledigt und nach kurzer Absprache mit Leon, dem Anführer der Arbeiter, einen Park-, und Abstellplatz für ihre Lastwagen und die Ausrüstung vereinbart. "Secound Lieutenant Patterson Garaldi. Freut mich, Sie kennenzulernen, Oberleutnant."
"Ebenso. Warnen Sie bitte Ihre Leute, dass der Geröllboden mit Blausäure getränkt ist. Sie sollen ihn nicht ungeschützt anfassen."
Garaldi nickte und sah nach hinten. "Hoekamps! Das Geröllfeld ist Abraum aus dem Minenbau und mit Blausäure getränkt! Niemand fasst mir hier was ohne Handschuhe an!"
"Verstanden, Sir! Musste den ersten schon in den Arsch treten, weil sie Diamanten suchen wollten!"
Über Krams Gesicht ging ein Lächeln. "Lieutenant Hector, Lieutenant Garaldi, lassen Sie Ihren Leuten bitte ausrichten, das wir ihnen großzügige Prämien bezahlen, wenn sie tatsächlich Diamanten finden und bei uns abliefern." Er machte ein alles umfassende Geste. "Das Gelände ist nicht nur mit Blausäure verseucht, sondern augenscheinlich auch mit Diamanten. Die hiesige Bevölkerung versorgt sich hier schon seit rund fünfzig Jahren mit Schmucksteinen, weshalb sie weit verbreitet sind. Wir würden etliche Diamanten wahrscheinlich nie finden, wenn uns nicht der Zufall zu Hilfe kommt." Er stutzte. "Dürfen Ihre Leute denn Prämien annehmen?"
"Wie hoch sind denn diese Prämien?", fragte jemand aus den Reihen der hektischen Ranger.
"Zweihundert Dollar pro Karat. Ein Karat ist etwa ein halbes Gramm. Das bedeutet, wenn Ihr Stein echt ist, Lieutenant Hector, sind das für Sie vier-, bis fünftausend Dollar."
"Sie wollen meine Leute missbrauchen, um für Sie Diamanten zu finden?", argwöhnte Hector.
"Nun, der Gedanke kam mir. Und so ist es doch besser, als wenn sie sich Kiesel wie Verbrecher einstecken und mit einem schlechten Gewissen leben müssen, oder?" Er lachte. "Wie ich schon sagte, das Duschzelt und die Kantine stehen Ihren Leuten offen. Außerdem haben wir weitere Flächen für Zelte fertig gemacht. Sie haben doch Zelte mit?"
Hector sah nach hinten. Zwar arbeiteten die Leute noch, aber die Aussicht, einen Kiesel zu suchen und vielleicht ein paar tausend Dollar Taschengeld zu bekommen, surrte wie ein Mückenschwarm durch die Reihen seiner Leute. Es würde sich wohl nicht verhindern lassen, dass die Männer und Frauen in ihrer Freizeit Diamanten suchen gingen. Und so rum war es sicher besser, als wenn sie die Steine tatsächlich vom Gelände stahlen. Und sie würden Freizeit haben, im Gegensatz zu ihren Kameraden in Keounda City. Allerdings würden sie, jetzt wo die Platoons eins und zwei die Mine erreicht hatten, Teams austauschen, damit die Leute an der Front in den Genuss von etwas Rest&Recreation kommen würden.
"Pat", sagte er zu seinem Dienstjüngeren Kameraden, "informieren Sie die Leute über die Duschmöglichkeiten und über das Essen. Sie sollen die Laster erst einmal nur einstellen. Nach der langen Nacht ist Freizeit bis zum Mittag. Wenn erstmal die Untersuchungskommission in Belongo eintrifft, werden wir davon sehr wenig haben, zudem ich annehmen muss, dass die Belongo Mining als Basis dienen wird."
Garaldi nickte. "Davon ist auszugehen. Spätestens wenn die Marines von der Abe eintreffen, wird es sicher nochmal hektisch. Wir können uns ja auch nicht von ein paar Salzwasserinfanteristen vorführen lassen."
Hector lächelte dünn. Die gute alte Rivalität zwischen den Teilstreitkräften. "Oberleutnant Kram, wenn wir ausgeräumt haben, würde ich mich freuen, wenn wir für die Zeit, in der wir hier sind, unseren Teil der Wachaufgaben übernehmen könnten. Das betrifft natürlich auch unsere nachrangigen Dienste wie die Küchencrew und unsere Sanitäter."
"Ein Angebot, das wir gerne annehmen", sagte Kram nickend. Er deutete auf Bernd, der mit schnellen Schritten näherkam. "Darf ich Ihnen bei der Gelegenheit Herrn Bernd Assay vorstellen? Er ist unsere gute Seele und unser Rückgrat und außerdem ein direkter Vertrauter von Professor Herryhaus."
Der dicke Mann trat an die Gruppe heran und schüttelte beiden Männern die Hand. "Herzlich willkommen. Entschuldigen Sie, dass ich nicht gleich kommen konnte, aber wir wollen heute fast fünfzig Mann und zwei neue Hubschrauber herüberschaffen, die zudem einen zweiten Wohncontainer mitbringen werden. Ja, wir richten uns hier langsam häuslich ein", sagte er lächelnd.
"Äh, Bernd, Lieutenant Hector hat Geröll angefasst", sagte Kram.
"Was? OH! Das ist nicht gut. Sir, Sie sollten sich sicherheitshalber die Hände waschen. Ein Tod durch Cyanidvergiftung ist eine schreckliche Sache. Und Sie, Lieutenant Garaldi, am Besten auch gleich, denn ich könnte, nachdem ich Lieutenant Hector die Hand gegeben habe, etwas auf Sie übertragen haben. Und glauben Sie mir, Sie würden selbst eine kleine Vergiftung mit Blausäure nicht besonders mögen. Bitte folgen Sie mir."
Kram nickte den beiden Offizieren zu, als sie sich mit Bernd auf den Weg zum Duschzelt machten und gesellte sich zu dem Mann, den Garaldi Hoekamps genannt hatte. Der Mann trug die Abzeichen eines Sergeant Majors und verströmte schon von weitem den heimeligen Duft eines Mannes, der zwanzig Jahre seines Lebens Rekruten herumgescheucht hatte.
Der Mann sah zu ihm herüber, schätzte ihn kurz ab und salutierte dann. "Oberleutnant, eh?", fragte er, bevor er einem der Lastwagenfahrer eine scharfe Warnung zubrüllte.
"Ja, seit etwa zwei Tagen", bestätigte Kram. "Vorher war ich Oberfeldwebel."
"Oh." Die Miene des Mannes wurde entspannter. "Einer von uns. Es scheint, hier steigt man schnell auf."
"Wie man es nimmt. Ich war früh genug da, und jetzt steigen nicht nur die Anforderungen, sondern auch die die Truppenstärken der Teileinheiten. Und da ich mir den Job zutraue, mache ich ihn halt. Ich habe zum Glück einen ehemaligen Fähnrich an der Seite, die jetzt mein Leutnant ist. Wichtig, wenn ich wie jetzt für alle zuständig bin, anstatt mich um meine Pioniere zu kümmern."
"Ah, Pionier. Sehr gut. Mein Bruder ist auch Pionier. Guter Junge. Hat mir viele Tricks beim Sprengen beigebracht."
"Ich bin mehr für das Aufbauen als für das Sprengen zuständig." Er nickte in Richtung der Landebahn, die gerade errichtet wurde. Zumindest die erste Landung einer schweren Transall würde die aufgeschüttete und planierte Piste überstehen, und dann hatten sie genügend Gerät vor Ort, um eine richtige Piste zu erbauen. "Unter meine Pflichten fallen auch die Minenwölfe. Wir setzen zwei mittelschwere ein und haben bereits zwei weitere bestellt. Dazu kommen fünf kleine Geräte, die sehr flexibel sind und sich quasi überall einsetzen lassen."
"Minenwölfe?", fragte Hoekamps interessiert.
"Zivile Minenräumer. Wir entminen damit die Felder und Weiden in Belongo. Mit großem Erfolg. Wenn niemand kommt und neue Minen verlegt, ist hier in einigen Jahren alles Minenfrei. Oder wenigstens so gut wie."
"Sie zeigen ein großes Engagement dafür, dass Sie nur eine Firma zur Ausbeutung einer Diamantenmine sind", stellte der Sergeant Major fest. "Ein amerikanisches Unternehmen würde, wenn es sich für karitative Tätigkeiten berufen fühlen würde, eine Stiftung mit festen Budget gründen und die Arbeiten outsourcen."
"Was für ein Unsinn. Es ist besser, alle Fäden in einer Hand zu halten, gerade in einem Bürgerkriegsland wie Belongo. Wir hatten eine friedliche erste Woche, aber Sie sehen ja selbst an den Ärzten ohne Angst und an der Geschichte, die gerade in Keounda City geschieht, wie schnell es hier umschlagen kann. Es braucht nur einen Warlord, der wirklich den Waffengang mit uns sucht, einige der Rebellen, die hier immer noch rumkrauchen, oder ein paar Söldner, die den Befehl kriegen, uns von der "Goldmine" zu vertreiben..."
"Sie befürchten wirklich einen solchen Angriff?", fragte Hoekamps.
"Sehen Sie sich das Gelände an. Hier und in den umliegenden Ortschaften haben wir Rohdiamanten zusammengetragen, die ungeschliffen einen Materialwert von dreißig Millionen Euro haben, knapp vierzig Millionen Dollar. Und das nach einer Woche. Die Leute, die zum Hospital kommen, schenken uns die Diamanten, damit sie wegen ihnen nicht zum Ziel von Banditen werden, und wir bauen ihnen dafür Straßen, Schulen, Kraftwerke, und was uns sonst noch einfällt."
"Kraftwerke?"
"Ngali, der Ort, in dem wir unser Hospital errichtet haben, bezieht seine Elektrizität über Solarpanels. Ich gebe zu, unser Hospital ist auch der einzige Stromabnehmer. Noch. Aber wir erweitern die Fläche beständig. Die Wasserpumpe wird ebenfalls mit Solarstrom betrieben, und wir werden noch etliche Pumpen ins Land schaffen."
"Hm. Ist das sinnvoll? Normalerweise zerstört man die Industrie eines Landes nicht so sehr durch die Einfuhr von fremden Gütern. Wäre es nicht sinnvoller, die Arbeitsplätze zu erhalten, die es hier gibt?"
"Welche Arbeitsplätze?", erwiderte Kram ironisch. "Zwanzig Jahre Bürgerkrieg haben dazu geführt, das es hier weder Industrie noch Handwerk gibt. Wer arbeiten will und kann, versucht sein Glück in Ompala oder einer Küstenstadt, wo er wegen seiner Herkunft aus Belongo wie ein Mensch dritter Klasse behandelt und ausgebeutet wird. Hier gibt es nichts von Wert, obwohl das Land reich an Erdöl ist. Alles, was wir hierher bringen, kann hier nicht produziert werden. Aber..." Kram schmunzelte. "Sie haben natürlich Recht. Es besteht absolut kein Grund, hier keine Industrie aufzubauen. Oder zumindest Handwerksbetriebe. Alleine für den Straßenbau werden wir viele Helfer benötigen. Ja, ich werde es den Brüdern Herwig vorschlagen, sobald sie zurückkommen."
"Sie rechnen fest damit? Sind die beiden so gut?"
Kram lächelte. "Mich ihnen anzuschließen war vielleicht die beste Entscheidung meines Lebens. Gleich nach meiner Scheidung."
"Oha." "Und weit besser als meine erste Scheidung."
"Sie haben viel erlebt", stellte Hoekamps fest.
"Geht so." Kram zuckte mit den Achseln. "Nicht, dass ich meine Kinder nicht trotzdem liebe."
"Natürlich. War selbst verheiratet, habe eine erwachsene Tochter, die hoffentlich niemals Soldat oder sogar Ranger werden wird. Unsereins hat es viel schwerer, sich seinen Platz zu erkämpfen als die weißen Burschen und Mädels."
"Unsereins?", fragte Kram.
"Wir Schwarze. Ist Ihnen das gar nicht aufgefallen?"
Kram war ehrlich verdutzt. "Das erschien mir überhaupt nicht wichtig zu sein. Sie sind ein Sergeant, ich bin... War ein Sergeant, wir sind auf einer Wellenlänge."
Der Mann lachte lauthals. "Sie gefallen mir, Kram. Sind ein Kerl ganz nach meinem Geschmack." Er grinste noch immer. "Sagen Sie Joe zu mir."
Kram lächelte. "Andreas für Sie, Joe."
Die beiden Männer besiegelten die Versprechen mit einem Händedruck. "Ricks! Einstellen reicht! Dann ab zum Duschen und anschließend Essen, sonst werden die Steaks kalt!", brüllte Hoekamps in Richtung des letzten Lastwagens, der sich gerade in die gerade Reihe einfädelte, die die anderen LKW's bildeten. "Es gibt doch Steaks, oder?"
"Wenn Herr Worms ein amerikanisches Frühstück macht, dann ist es amerikanischer als ein echtes. Rechnen Sie mit allem, und rechnen Sie mit zuviel, Joe. Vor allem mit jeder Menge Fleisch und Kaffee. Wir haben hier, was Lebensmittel angeht, nicht wirklich Versorgungsprobleme. Aber probieren Sie auch die Yams-Bratlinge. Sehr schmackhaft. Und zu den Maiskuchen muss ich einem Amerikaner wohl nichts sagen."
"Da haben Sie Recht", erwiderte der alte Ranger grinsend. "Aber zwei Fragen hätte ich da noch, den Ablauf betreffen."
"Nur zu", ermunterte Kram den Sergeant.
"Gibt es hier auch deutsches Bier?"
"Selbstverständlich gibt es hier deutsches Bier. Sehen Sie das Kühlaggregat? Es ist einzig und alleine dazu da, um unseren Vorrat an deutschem Dosenbier runterzukühlen. Und sehen Sie die blauen Säcke? Das sind die leeren Dosen, die wir wieder nach Deutschland schaffen."
"Das ist so typisch für euch Krauts", sagte Hoekamps beinahe resignierend.
"Die zweite Frage, Joe?"
"Nun", druckste er ein wenig verlegen, "was die Diamanten angeht..."
"Keine Sorge, wir verdienen immer noch sehr gut daran, selbst wenn wir die großzügige Prämie ausbezahlen. Viele Diamanten werden wir wohl niemals finden. Wir haben schon mittlere Steine aus den Reifenprofilen unserer Kampfhubschrauber gepuhlt. Und ich möchte nicht wissen, wieviele wir auf diesem Weg schon verloren haben, weil sie sich über dem Dschungel nach dem Start aus dem Reifenprofil gelöst haben. Ach, und selbst wenn wir keinen einzigen Stein mehr finden sollten, wir haben bereits einen riesigen Profit gemacht. Also keine falsche Bescheidenheit."
"Ich werde mich mit Ihnen absprechen, Andreas. Damit wir nicht suchen, wo Ihr Krauts schon gewesen seid."
"Eine gute Idee", lobte Kram.
Ein heller metallischer Ton klang über dem Gelände auf. Der Pionier lächelte. "Scheint so als würde Herr Worms ungeduldig werden. Lassen Sie den Kaffee nicht kalt werden, Joe."
Der Mann salutierte lässig. "Verstanden, Sir. Führe die Leute zum Essen."
Das "Sir" war ernst gemeint, und auch wieder doch nicht. Zwischen den beiden gab es jenes Einverständnis, wie man es auf diesem Planeten wohl nur bei gleichrangigen Unteroffizieren finden konnte. So als wären sie alle vor Urzeiten dem gleichen Genpool entsprungen und würden einander überall und jederzeit wiedererkennen. Irgendeine Form von Nestgeruch musste das sein.
Kram beobachtete, wie Hoekamps seine Leute zum Essen schickte, bevor er sich selbst auf den Weg machte. Es war zehn Uhr Ortszeit. Innerhalb der nächsten Viertelstunde mussten die Osprey-Schwenkflügler mit den Marines in Honiton eintreffen. Von dort würden sie mit Begleitschutz bis nach Keounda City fliegen, um die Army Ranger zu entsetzen. Die Welt, die hier für zwanzig bittere Jahre erstarrt gewesen war, hatte sich in Bewegung gesetzt.
***
Mit der eingeflogenen Feldküche kehrte so etwas wie Normalität in der Westseite von Keounda City ein. Noch immer beherrschten die Ranger das Ufer, suchten die Ostseite nach Scharfschützen und den beiden Panzern ab, noch immer beherrschten sie diese Seite der großen Autobahnbrücke, und noch immer kontrollierten die Deutschen unangefochten die kleine Brücke im Süden.
Und es war mächtig was los auf dem Lagabanda. In der Nacht waren achtzehn Schiffe der unterschiedlichsten Größen durch die Stadt gekommen, seit den Morgenstunden hatte sich die Zahl auf zwei Dutzend erhöht. Der Strom schien nicht abnehmen zu wollen. Mit den Männern des Riki auf ein Ufer beschränkt und vor Überfällen weitestgehend geschützt schienen sich etliche Handelsfahrer, die den Lagabanda entweder Richtung Elisabeth-See hinauf, oder zur dreitausend Kilometer entfernten Flussmündung hinab fuhren, dazu entschlossen zu haben, die Tagesdurchfahrt zu riskieren. Die Händler brachten ihren Teil an Schauergeschichten mit, die sie hier in Keounda City erlebt hatten. Demnach ließen sich der Riki und seine Männer durchaus bestechen, und gefangene Bootsbesatzungen wurden auch schon mal mit Boot nach Zahlung eines beträchtlichen Lösegelds wieder freigelassen. Manche hatten sich ganz offen mit dem Riki arrangiert und früher Schutzzölle bezahlt. Manche hatten Freunde und Kameraden verloren, die entweder die Reihen seiner Kämpfer verstärkt hatten, oder von ihnen nun als Schmuck getragen wurden. Besonders schauerlich waren die Geschichten um die Frauen. Nicht besonders die Geschichten um jene Frauen, die von den Männern des Riki vereinnahmt worden waren und nun irgendwo auf der anderen Flussseite in einer Art Kolonie lebten, wo sie den höherrangigen Männern zu Diensten sein mussten; nein, es waren die Geschichten, in denen sich Bootsführer mit Hilfe von versklavten Frauen ihre Durchfahrt erkauft hatten. So etwas stieß Axel sauer auf, wenn er es hörte. Und je mehr er davon hörte, desto mehr wünschte er sich, dieses perverse System aufzuhalten, zu beenden. Zudem mussten sie sich etwas für die Tribute einfallen lassen, welche die Kapitäne für die Hilfe der Ranger und Deutschen entrichteten, obwohl ihnen gesagt worden war, dass die Soldaten keinen Lohn erwarteten. Aber hierzulande war man der Auffassung, dass man für eine Leistung auch eine Gegenleistung erbringen musste, zumindest solange man kein marodierender, plündernder und vergewaltigender Bastard war, und die Feilscherei über die Höhe des Tributs gab Axel die Chance, etliche der Händler näher kennenzulernen und besser einschätzen zu können. Immerhin würde er über diese Händler wohl den ersten Kontakt für Heides Arbeit auf der Ostseite des Lagabandas aufbauen können.
Es war soviel zu tun, aber durch sein Unvermögen steckten sie und die Army Ranger hier in Keounda City fest. Andererseits wusste er nur zu gut, dass er einem Konflikt mit dem Riki nicht hätte aus dem Weg gehen können. Irgendwann, früher oder später, wäre der Clash erfolgt, so oder so. Nun war es früher geworden und hatte zwanzig Army Ranger und einem seiner Leute das Leben gekostet. Im Gegenzug hatten sie wie viele Speere des Riki getötet? Dreihundert? Vierhundert? Sechshundert?
Axel seufzte leise, während er dem heißen Kaffee zusprach, den Benito Michelli in der eingeflogenen Küchenzeile für alle bereitete und von den flinken Beinen der ehemaligen Kindersoldaten ausliefern ließ. Dafür hatte Michelli einen kräftigen Tadel von ihm kassiert, aber die drei Kinder, allen voran natürlich Charles, hatten lautstark zwei Dinge versichert. Das erste war, dass sie helfen, aber nicht kämpfen wollten. Immerhin mussten sie ja auch irgendetwas tun, wenn die Männer und Frauen der Mine, die ihrem Land so viel Gutes getan hatten, ihre Leben im Herzen des Bösen riskierten. Das zweite waren Splitterschutzwesten und Stahlhelme, bei Muani und Philip natürlich viel zu groß, aber ordentlich verzurrt. Und sie waren klein und konnten deshalb in gebückter Haltung unmöglich vom anderen Ufer gesehen werden, sonst wäre sicher schon auf sie geschossen worden. Die Dächer hatten die Army Ranger permanent im Blick. Seit einer der Mi-24 einen entsprechenden Versuch, ein Dach mit einem Scharfschützen zu bestücken, mit seiner Bordkanone beendet hatte, war von dieser Seite auch nicht mehr viel zu erwarten.
"Pünktlich wie die Maurer", sagte Scott zufrieden und riss Axel damit aus seinen Gedanken. Er sah auf und hörte sofort das Geräusch sich nähernder Flugzeuge. Es war relativ leise, weshalb er davon ausging, dass die Maschinen noch weit entfernt waren. Umso überraschter war er, dass er die Ospreys vage über die Baumwipfel hinweg bereits erkennen konnte.
"Sind ein bisschen nahe am Fluss, meines Erachtens nach", sagte Austin und schickte ein Gähnen hinterher. Beide hatten seit achtzehn Stunden nicht geschlafen und seither in einem Gefecht gesteckt. Und beide freuten sich darauf, dass die Marines sie ablösten, damit wenigstens einer von ihnen - natürlich Scott, wenn es nach Austin ging, und natürlich Austin, wenn es nach Scott ging (was wahrscheinlicher war) - etwas Schlaf finden konnte.
"Finde ich auch. Sie sind wohl dem Fluss gefolgt, und nicht wie wir der alten Nord-Süd-Straße", sagte Axel. Er zwinkerte in bester Laune. Die Maschinen der Amerikaner wurden von ihrem neuen Mi-24D, einem weiteren Mi-24 und dem neuen Mi-24WM eskortiert, was die Feuerkraft ihrer Zweckgemeinschaft erheblich erhöhte - die Helikopter waren frisch bestückt. Sie kamen relativ gesehen schnell näher, und damit näherten sie sich auch dem Stadtrand Keounda Citys. Und je näher sie kamen, desto größer wurde die Gänsehaut, die Alex auf seinen Unterarmen entstehen spürte. "Jason, wir sollten ihnen sagen, dass sie jetzt besser weiter auf die linke Seite des Lagabandas schwenken sollten. Wenn da draußen noch ein paar der Speere des Rikis herumlungern, dann..."
Er hatte kaum ausgesprochen, da schossen mehrere gleißende Speere aus dem südlichen Waldrand der Westseite hervor, den vordersten Osprey zum Ziel. Zwei gingen vorbei, einer detonierte im rechten Flügel, der letzte im Heck. Verdammt, wieder diese russischen Panzerfäuste!
"Ich wusste es!", blaffte Axel unbeherrscht und sprang auf. Hastig nahm er seine Waffen auf, vergewisserte sich, wo seine Reservemagazine für die Pistole waren, und dass er noch Ersatzmunition für die HK33 hatte. Die Ranger waren auch aufgesprungen und überprüften ihre Ausrüstung, das Schlimmste befürchtend.
"Ranger 1-1 von Lincoln Flight 1-1, kommen", klang es in ihren Empfängern auf.
"Ranger 1-1 hier. Kommen, Lincoln Flight 1-1!", sagte Scott.
"Sind getroffen worden. Panzerfäuste, vermutlich. Ein dämlicher Glückstreffer, der unseren rechten Schwenkrotor ausgeschaltet hat. Wir gehen runter. Keine Verluste bisher, soweit ich das feststellen kann."
"Lincoln Flight 1-1, landen Sie auf der Westseite des Lagabandas", sagte Scott eindringlich.
"Negativ, Ranger 1-1. Der linke Motor drückt uns nach Osten. Wir müssen hier runter, oder wir riskieren eine Bruchlandung."
In Axels Kopf ratterte es. Sein Gesicht wurde von hektischen Flecken überzogen. Währenddessen zog der Mi-24D über das Waldstück südlich der Stadt und beharkte es mit seinem Bord-MG. Danach war nicht mehr zu erwarten, dass von dort jemand jemals wieder Panzerfäuste abschießen würde.
"Änderung im Plan! Ich wiederhole, Änderung im Plan! Lincoln Flight, beginnen Sie die Landeoperation auf der Ostseite, ich wiederhole, beginnen Sie die Landeoperation auf der Ostseite! Belongo Mining gibt Luftunterstützung!"
"Hier Lincoln Flight 1-1. Wer spricht da?"
"Belongo Mining 1, Axel Herwig."
"Direktor Herwig. Sie wissen, dass wir damit unsere Marines und Ihre Hubschrauber direkt in Kampfhandlungen werfen werden?"
"Das erscheint mir eine bessere Lösung als die Leute an Bord Ihres Fliegers zu opfern, oder?", erwiderte Axel trocken.
"Ranger 1-1 an alle Einheiten! Kampfbereitschaft herstellen! Vierte Kompanie bereitmachen zum Übersetzen. Hubschrauber bereitmachen für Luftschlag!", kommandierte Scott, seine Pistole durchladend.
Axel nickte zufrieden. Das war die beste Möglichkeit, die sie aus der erneut mieser gewordenen Situation ziehen konnten.
"Belongo Mining 1-1, beginnen Landeoperation auf der Ostseite des Lagabandas. Wir treffen uns im Herzen der Stadt", erwiderte der Pilot des abschmierenden Ospreys. "Touchdown. Noch immer keine Verluste. Sie bringen uns Glück im Unglück, Kraut."
Scott schnaubte ins Funkgerät. "Sie haben ja keine Ahnung." Er entsicherte, koordinierte seine Leute und ließ sie am Fuß der Brücke Aufstellung nehmen. Weitere Scharfschützen und Soldaten mit Javelins - ein Teil würde hierbleiben, ein Teil sie begleiten - bereiteten sich darauf vor, die Brücke zu stürmen, während der Riki sich seinen Erfolg zu sichern versuchen würde. Und da würden sie ihm mächtig in die Suppe spucken.
Schon jetzt feuerte der Mi-24WM seine Bordwaffen auf den Südrand der Oststadt ab. "Sie kommen! Ich wiederhole, sie kommen!"
"Niklas!"
"Sind bereit! Auf dein Zeichen, großer Bruder!"
Na, wenigstens einem musste er seine Gedanken nicht erklären. "Sie sind der Chef hier, Jason."
Der große Ranger schüttelte den Kopf. "Es ist Ihr Plan, Axel."
Der Deutsche nickte entschlossen. "Gogogogogogogo!" Geduckt lief er auf die Brücke, wurde aber von Lieutenant Morelli überholt und hinter ihn gedrückt. Vier Ranger mit ihren Gewehren im Anschlag liefen an ihnen vorbei und übernahmen die Spitze. Die Gewehre der Scharfschützen bellten auf, und erst jetzt erlaubte der Lieutenant, dass sie sich den Rangern anschlossen.
"Nicht immer so waghalsig, Sir", tadelte der Amerikaner den Deutschen.
"Ich wollte nur nicht zu spät zur Party kommen", erwiderte Axel mit Galgenhumor.
Und für jemanden würde es eine Party werden. Die Frage war nur, für wen.
***
"Monsieur le President, Mr. Red bittet Sie um eine Unterredung", klang die Stimme der Chefsekretärin über die altertümliche Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch von Jaques Rousseau, Staatspräsident von Ndongo auf. Der hagere, grauhaarige Mann vom Stamm der Upetis, warf seinem derzeitigen Gast, einen vielsagenden Blick zu. "Na, dann immer rein mit dem guten Mann. Vielleicht hat er ja eine Erklärung dafür, warum wir mit Panadia am Rande eines Krieges stehen, weil sie Teile unseres Luftraums okkupieren und wir ein Viertel unserer Luftwaffe einbüßen mussten."
Der Gast, Ives Agelloue, Herr über das Kriegsministerium, runzelte die Stirn. So ähnlich hatte es auch in seinem Haus angefangen, nämlich als der Roxxon-Manager ohne sein Wissen beim Oberkommandierenden der Streitkräfte vorstellig gewesen war, um den verheerenden Luftschlag gegen die Army Ranger in Belongo führen zu lassen, der ihnen nun einen internationalen Konflikt eingehandelt hatte. Wie sie die Amerikaner wieder beruhigen konnten, nachdem sie eine ganze Flugzeugträgergruppe in Marsch gesetzt hatten, stand noch in den Sternen. Es stand außer Frage, dass Général de Corps d'Armee Arlaund Mtagi, der Oberkommandiere aller drei Teilstreitkräfte Ndongos, den wackligsten Stuhl von allen hatte. Zwar schreckte Rousseau davor zurück, einen anderen Upeti an ein ausländisches Gericht auszuliefern, vor allem wenn dieses Land die Todesstrafe praktizierte. Aber eventuell konnte man die USA auch mit einigen niederrangigen Offizieren, die man auslieferte, zufriedenstellen, vornehmlich natürlich Stammesangehörige von Stämmen, die nicht in der Regierungskoalition vertreten waren, sowie Mtagis unehrenhafte Entlassung und sofortiger Ruhestand beruhigen. Soweit war mindestens der Plan gediegen, den der Präsident mit seinem zuständigen Minister besprochen hatte, mit der Trägergruppe der Amerikaner nur wenige Stunden von ihrer Küste entfernt. Eine Seeblockade konnte sich das Land nicht leisten, vor allem nicht, nachdem die Querelen mit Onola im Süden und der Konflikt mit dem abtrünnigen Norden, der nun unter dem Namen Kaiserreich Ndongo firmierte, dazu geführt hatten, dass ihnen nur noch ein fünfzig Kilometer breiter Streifen als Verbindung zur Küste diente. Wenn Amerika den auch noch blockierte, waren sie vom Welthandel so gut wie ausgeschlossen. Außer natürlich, sie nahmen den Interländerhandel über Belongo wieder auf, was natürlich vollkommen ausgeschlossen war.
Mr. Red wurde hereingeführt. Der kleine dickliche Europäer wischte sich Gesicht und Glatze trocken, als er eintrat. "Guten Morgen, Monsieur le President, Monsieur le Ministre. Eine Hitze ist das heute wieder. Aber zum Glück ist der Palast ja klimatisiert. Darf ich Ihnen als erster Europäer mein Bedauern über den Verlust Ihrer Aermacchi aussprechen?"
Bei diesen Worten fuhr Agelloue halb aus seinem Sitz hoch. "Wegen Ihnen sind wir doch..."
"Bleib ruhig, Ives!", befahl der Präsident streng, und der Minister gehorchte. Denn der Mann war nicht nur sein Präsident, sondern auch das Oberhaupt seines Stammes. Das bedeutete besonders viel Macht über ihn. "Guten Morgen, Mr. Red. Bitte, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas bringen lassen?"
"Danke sehr, Monsieur le President, nicht nötig. Aber vielleicht sollten Sie etwas Champagner kaltstellen lassen, um nachher noch zu feiern." Umständlich ließ sich Mr. Red im freien Sessel nieder.
"Feiern?", fragte Rousseau erstaunt. Und misstrauisch. In der Nähe von Mr. Red war Misstrauen generell eine gute Idee.
Der kleine dicke Mann zog seine Aktentasche auf die Knie und öffnete sie. Er zog eine dünne blaue Dokumentenmappe hervor und legte sie den Präsidenten auf den Schreibtisch. "Ich habe Ihre Verluste ausgeglichen, Monsieur le President. Mehr noch, ich habe Ihre Streitmacht verdoppelt. Der Vorstand hat mein Budget verdoppelt, und ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, das ich nichts eiligeres zu tun hatte, als meinen ndongoischen Freunden zu Hilfe zu eilen."
Der Präsident nahm die Mappe auf und öffnete sie. Es war ein Dossier über ein sinanisches Geschwader der Luftwaffe, das mit MiG-21 ausgerüstet war. Die Akte enthielt Aufstellung, Namen, Materiallisten und dergleichen.
"Ich habe zugesagt, dass Ndongo die Black Stars mit Versorgungsgütern, einem eigenen Fliegerhorst sowie Kerosin versorgt. Unentgeltlich, versteht sich. Dafür stellen sich Oberst Paglieri und seine Leute vorbehaltlos auf die Seite Ndongos. Überlegen Sie mal, vierunddreißig Maschinen mit kurzen Wegen. Sie könnten die Küste erfolgreich verteidigen, sogar gegen einen Flugzeugträger der Navy."
"Sie erstaunen mich, Mr. Red. Was bringt Sie dazu, ausländische Soldaten als Söldner anzuheuern, noch dazu für unser schönes Ndongo?", fragte Rousseau.
Der Europäer lächelte und tupfte sich erneut die Stirn ab. "Eigentlich habe ich die Idee schon einige Zeit und deshalb bereits im Süd-Sinan vorgeklopft. Wie Sie ja beide wissen, gibt es derzeit Abspaltungsbestrebungen zwischen Nord-Sinan und Süd-Sinan, worüber der Norden nicht sehr erfreut ist, weil sich die wichtigsten Ölfelder im Süden befinden. Dabei sind die Black Stars, ob Sie es glauben oder nicht, eine große Gefahr dabei, einen Sezessionskrieg auszulösen, gelten sie doch als sinanische Elite. Und es ist ein wenig unklar, welchem Teilstaat ihre Loyalitäten gelten. Auf Seite des Südens werden sie als Bedrohung empfunden, um die Verhandlungen über die Besitzrechte am Öl zu kompromittieren. Auf Seite des Nordens werden sie als Mittel gesehen, den Süden einzuschüchtern oder gar mit Krieg zu überziehen. Ihr sinanischer Amtskollege, Monsieur le Ministre, war mehr als hocherfreut, dass er die Black Stars quasi aus der Schusslinie nehmen kann, bis man auch über ihr Schicksal entschieden hat. Zweifellos werden sie aufgeteilt, in Nord-Black Stars und Süd-Black Stars. Aber ihre Anwesenheit im Land macht die Verhandlungspartner nervöser als eine amerikanische Trägerflotte im Nacken, wenn Sie verstehen, was ich meine."
"Und wann können die Black Stars hier sein?", fragte der Präsident.
"Jaques, du..."
"Ich bin durchaus im Besitz meiner geistigen Fähigkeiten, Ives."
"Ihre Erlaubnis vorausgesetzt habe ich den Black Stars Anweisung gegeben, sich in Bewegung zu setzen. Ihre Jets dürften in zwei Stunden ndongoischen Luftraum erreichen. Ihr Material und ihre nachrangigen Dienste kommen mit vier Transportflügen nach. Als vorläufiges Ziel habe ich Belongo angegeben, da die dortige Luftwaffenbasis gerade nicht genutzt wird. Aber ich denke, eine Verlegung an die Küste macht mehr Sinn. Ich schlage Naridi oder Guapatata vor."
"Guapatata klingt gut. Nahe an der Küste, aber nicht zu nahe", sinnierte der Präsident. "Und jetzt verraten Sie uns bitte, warum Sie sich gegen das Land Ihres Auftraggebers stellen, Mr. Red."
Erneut wischte er sich den Schweiß von der Stirn. "Nun, Monsieur le President, ich muss zugeben, ich habe einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler. Die Bombardierung der Army Ranger war eine große Dummheit von mir, die Ndongo in große Schwierigkeiten gebracht hat. Zudem hat der alte Erzfeind des Landes, Panadia, auch noch Luftsiege gegen die ndongoische Luftwaffe errungen. Belongos Luftraum wird von ihren F-5 patroulliert, was ich ganz persönlich für einen Affront halte. Ein noch größerer Affront aber wird es sein, wenn sich Admiral dazu entschließt, ebenfalls den ndongoischen Luftraum zu beanspruchen, um seine Aktionen in Belongo zu unterstützen. Bereits jetzt befinden sich amerikanische Hubschrauber von der Abraham Lincoln in ndongoischem Luftraum, als wäre er ihr eigener. Das ist eine explosive Atmosphäre, die schnell in einem Knall enden kann. Aber..." Mr. Red lächelte verschmitzt, "...ich kenne meine amerikanischen Freunde. Sie lieben leichte Siege, aber sie mögen Verluste überhaupt nicht. Wenn wir ihnen also die Black Stars unter die Nase setzen, werden sie sich hüten, den Luftraum zu penetrieren. Auch die Verhandlungslage ist dann eine vollkommen andere. Zusammen mit der ndongoischen Luftwaffe hätten wir ein enormes Drohpotential, das Admiral Philips davor zurückschrecken lassen wird, seine Luftkampfwaffe einzusetzen. Angesichts dieses Potentials werden auch die Verhandlungen, das Friendly Fire betreffend, weit weniger schmerzhaft für Ndongo ausfallen."
"Das beantwortet meine Frage nicht. Warum tun Sie das, Mr. Red?", fragte der Präsident erneut.
"Nun, meine Auftraggeber bei Roxxon sind recht froh darüber, das meine fehlerhafte Handhabung der Ausnahmesituation in Keounda City nicht zu einem Produktionsausfall geführt hat. Die wirtschaftlichen Schäden für den Konzern sind bei einem einzigen Tag, an dem kein Öl gefördert und raffiniert wird, einfach enorm. Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, wir produzieren Benzin, Benzin, Benzin, und die Abraham Lincoln errichtet eine Seeblockade, und wir kommen mit dem Abtransport nicht hinterher. Oder es kommt tatsächlich zu Kampfhandlungen, die vielleicht das Arbeitsleben in Ndongo beihindern und die Produktion lahmlegen. Eine schauerliche Vorstellung. Deshalb ist es am Besten für unseren Konzern, wenn es zu keinen Konflikt, zu keiner Blockade in welcher Form auch immer kommt, und diese leidige Geschichte am Verhandlungstisch gelöst wird. Die Black Stars werden zusammen mit der Ndongo-Luftwaffe dafür Sorge tragen, dass sich die Amerikaner nicht aufführen werden, als seien sie die Belgier."
Die Mienen der beiden Männer versteinerten. Sie waren beide alt genug, um die letzten Jahre der Kolonialherrschaft Belgiens miterlebt zu haben. Und sie konnten sich sehr gut daran erinnern, welche Mühe sie sich gegeben hatten, um ein chaotisches Ndongo zurückzulassen, das Belgien so bald wie möglich um Hilfe anbetteln sollte. Der Teil hatte nicht geklappt.
"Und was die Sache in Belongo angeht, so denke ich, sind Sie, Monsieur le President, nicht von Ihrer Meinung abgewichen, dass Ndongo durchaus die billigen Wanderarbeiter aus dem 17. Bezirk hier in der Hauptstadt, auf den Farmen und Fluren und in den ndongoianischen Fabriken brauchen kann. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn diese Männer und Frauen plötzlich Zuhause Arbeit finden. Oder wenn sie höhere Löhne fordern würden. Die gesamte Industrie Ndongos stünde plötzlich vor ernsthaften Problemen." Ganz zu schweigen vom Ausfall der billigen Ölexporte für Roxxon, wie sie alle drei wussten. Aber keiner sprach es aus.
"Was schlagen Sie vor?", fragte der Präsident.
"Wir entsenden eine größere Söldnertruppe an Capitain Jean-Clarke, die ihn dabei unterstützen wird, Keounda City zurückzuerobern. Sie wird mit leichten Panzerwagen ausgerüstet sein und auch genügend Luftfäuste als Schutz gegen die Hubschrauber mit sich führen. Mit Keounda City in den Händen von Capitain Jean-Clarke bleibt Belongo ein unsicherer Distrikt, in dem wir ungestört Öl fördern können, und Ndongo bekommt weiterhin seine billigen Wanderarbeiter, die Quelle des Reichtums der westlichen Stämme.
"Da ist immer noch die Minengesellschaft", wandte der Minister ein. "Die Minengesellschaft und ihre Waffen."
Mr. Red lächelte verschlagen. "Da die Mine überaus ergiebig zu sein scheint, haben meine Vorgesetzten angeordnet, sie... Nun, in unseren Besitz zu überführen. Natürlich werden wir dem Staat mehr bezahlen als die lächerliche Pacht, zu der sich Ogalalla hat bequatschen lassen."
Dies brachte Mr. Red leises bestätigendes Gelächter ein. Seit sich herausgestellt hatte, dass es die Mine gab, und das sie sehr ergiebig sein musste, war Arno Ogalalla die Witzfigur des Kabinetts geworden, weil er sich mit lächerlichen fünfzigtausend US-Dollars Jahrespacht hatte abspeisen lassen. Aber der aufmüpfige Llangoto brauchte ohnehin ab und an einen Nasenstüber, damit er seinen Platz nicht vergaß. Ihre Clans waren Verbündete, aber die Federführung lag bei den Upetis, ein für allemal.
"Ich nehme an, Sie werden Spezialisten auf die Mine ansetzen, während ein Teil des Werksschutz in der Distrikthauptstadt gebunden ist, Mr. Red?"
"Seit wir die Goldmine verloren haben, bemühe ich mich eifrig um, ah, eine international erfahrene Eingreiftruppe, die uns da unterstützt. Vorgestern habe ich den unterschriebenen Vertrag zurückgefaxt. Sie ist gestern Abend in Allah al Akbar angekommen und wird von Transzanzia aus eine Operation gegen die Mine führen. Es sind allesamt hervorragende Spezialisten, die bereits bei Frachterentführungen vor Ostafrika und im Irak zum Einsatz kamen. Und sie sind nicht an Regierungen gebunden. Ich erwarte ihren Einsatz stündlich."
"Schön, dass Sie sich so gut um Ihre Geschäfte kümmern", sagte der Kriegsminister. "Was die Pacht angeht, sollten wir uns auf fünfzehn Prozent Ihrer Gewinne einigen können, nicht, Mr. Red?"
Der Europäer lächelte gewinnend. "Zwanzig, Monsieur le Ministre, und nicht einen Cent weniger. Wir wissen doch, was wir unseren ndongoianischen Freunden zu verdanken haben." Davon würde freilich nur ein Teil im Staatssäckel landen. Der weitaus größere Teil würde in den verschiedensten schwarzen Kassen versacken und nie wiedergesehen werden.
"Danke, Mr. Red. Es ist wie immer erfreulich, wie sehr die Sorgen des ndongoianischen Volkes Ihnen und Ihrer Firma am Herzen liegen. Wenn wir mal etwas für Sie tun können...", begann der Präsident die übliche Abschlussfloskel.
"Nein, Monsieur le President, ich bin wunschlos glücklich damit, womöglich einen unsäglichen Krieg verhindert zu haben. Natürlich werde ich Mittel und Wege finden, die Ankunft der Black Stars an das Pentagon zu vermelden. Selbst wenn Admiral Philips gewillt sein sollte, die Sache auszufechten, jemand weiter oben in der Hierarchie wird ihn schon an die Kandare nehmen." Der Europäer erhob sich und tupfte erneut seine Stirn ab. "Ach, halt. Monsieur le President, es tut mir aufrichtig leidd, aber ich muss Sie doch mit einer, Hm, Kleinigkeit belästigen. Die Umstände tun mir furchtbar leid, aber ich brauche dringend - dringend - eine Methode, um zwanzig Standardcontainer nach Argentinien zu schaffen, und das möglichst bevor die Abraham Lincoln vor der Küste steht. Zumindest muss die Sache so zeitig ablaufen, dass die Container notfalls ins Hoheitsgewässer eines anderen Staates gebracht werden können. Ich gebe zu, ich habe mich da sehr verzettelt und bringe mich in zusätzliche Schwierigkeiten, aber der Inhalt ist, nun, delikat. Sollten die Amerikaner die Container untersuchen, bedeutet das enormen Ärger. In mehrerlei Hinsicht."
"Was genau ist in diesen Behältern, Mr. Red?", erkundigte sich der Verteidigungsminister.
"Russische Hightech-Raketen. Argentinien hat sie in Moskau bestellt, und ich habe in Erwartung eines bescheidenen Nebenverdienstes die Teilroute über Afrika in die Hand genommen. Leider verspätet sich mein Frachter dank eines Maschinenschadens, und ich muss sie außer Landes schaffen, bevor sich noch der CIA für sie interessiert. Äh, es handelt sich um vierzig SS-N-27-Raketen für die Rückeroberung der Malwinen-Inseln, die von den Engländern unter dem Namen Falkkandinseln annektiert sind. Selbstverständlich weiß Roxxon nichts von meinem Nebenverdienst, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn das unter uns bleiben würde. Ich bin natürlich bereit, Sie an den zwei Millionen Dollar zu beteiligen, die ich für den Transport erhalten werde. Sagen wir halbe-halbe?"
Präsident und Minister wechselten einen schnellen Blick.
"Die Karuma kann in zwei Stunden fertig sein", sagte Agelloue. "Sie ist ein Rollo-Containerschiff im Privatbesitz des Präsidenten und war eigentlich für einen Aufenthalt im Trockendock vorgesehen. Aber ich denke, eine Fahrt nach Südamerika sollte sie schaffen. Problemlos."
"Sehr gut. Die Container stehen in Banana Port bereit", sagte Mr. Red erleichtert. "Bereit, jederzeit eingeschifft zu werden. Oh, Sie nehmen mir eine große Sorge von meinen Schultern, Monsieur le Ministre."
"Was für ein Zufall. Ausgerechnet in Banana Port sollte die Karuma auf Dock gehen", sagte Agelloue.
"Was vielleicht daran liegt, dass Banana Port der einzige Überseehafen des Landes ist", sagte Mr. Red mit einem zuvorkommenden Lächeln. "Ich darf also damit rechnen, dass die Aktion zügig und geheim abläuft? Und dies, bevor die Amerikaner Ärger machen können? Wie ich hörte, haben sie Marines mit einem Osprey von der Abraham Lincoln zu ihrer Botschaft hier in der Hauptstadt geschickt. Wenn da CIA-Leute bei sind, kann ich den Ärger schon förmlich riechen."
"Keine Sorge, Mr. Red. Ndongo hat keinerlei Interesse, dass russische Raketen in seinen Grenzen gefunden wird", sagte der Präsident. "Da es sich um ein Familienschiff handelt, benutzen Sie bitte mein Privatkonto, um unseren Teil an der Prämie zu überweisen."
"Natürlich, natürlich", versicherte der Europäer. "Sie sollen bekommen, was Ihnen zusteht, Monsieur le President. So, wie es sich gehört."
Der Dicke neigte leicht den Kopf. "Monsieur le President, Monsieur le Ministre, haben Sie wie immer vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation. Gemeinsam werden wir in ein paar Tagen über das, was wir heute als Krise ansehen, sehr herzlich lachen können."
"Ich nehme Sie beim Wort, Mr. Red", sagte der Präsident und setzte ein falsches Lächeln auf. "Guten Tag, Mr. Red."
"Guten Tag, meine Herren." Mr. Red tupfte sich ein letztes Mal die Stirn trocken, dann verließ er das Büro.
"Irgendwann schmilzt er uns einfach so weg, wenn er so weitermacht", sagte Agellaoue. "Und ich freue mich auf diesen Tag. Selbst für einen korrupten Lobbyisten ist mir der Kerl zu glatt und schleimig."
"Aber der Stamm verdient gut an ihm, und das ist die Hauptsache, Ives." Der Präsident griff zum Telefon. "Janine, verbinden Sie mich mit der Hafenkommandantur von Banana Port. Ich habe einen Auftrag zu verteilen."
***
"Sie kommen!", hallte es durch das Lager an der Diamantenmine. Sofort hatte sich eine erkleckliche Anzahl an Schaulustigen zusammengefunden, was trotz der Leute auf Wache, der Dependance in Ngali und dem Einsatz in Keounda City immerhin noch rund zwanzig Pioniere, Flieger, Infanteristen und Sanitäter und immerhin vierzig einheimische Arbeiter bedeutete. "Sie", das waren die restlichen zwei Platoons Ranger unter dem Kommando der Second Lieutenants Hector und Garaldi. Die fünf Lastwagen fuhren in langsamem Tempo durch den schmalen Pfad zwischen den Schützengräben hindurch, vorsichtig darauf bedacht, nicht abzurutschen und die vermeintliche Sicherheit innerhalb des Grabensystems zu erreichen.
Den Rangern offenbarte sich das Durcheinander einer kleinen Zeltstadt, die stetig am Wachsen war, eine große, wie gerodet wirkende Fläche, auf der zwei Hubschrauber standen und entladen wurden, das große Loch in der Hügelwand im Westen, die Holzhütten an seiner Flanke sowie der Bürocontainer nördlich vom Loch. Dem geübten Beobachter entginge natürlich weder die Meldeposten an der schmalen Durchfahrt, noch der Beobachtungsposten auf der Hügelspitze, der mit den primitiven Möglichkeiten vor Ort so gut wie möglich getarnt worden war. Auch die Arbeiten im Osten, die aus dem Lager hinaus führten und einmal eine Start-, und Landebahn werden sollten, waren kaum zu übersehen. Aber jedem militärisch halbwegs erfahrenen Soldaten musste klar sein, dass die Deutschen viel zu wenig Leute hatten, um das sich selbstständig erweiternde Gelände effektiv zu bewachen. Vor allem die Landebahn würde ein verletzlicher Punkt sein, denn eigentlich hätte die Vorsicht geboten, zumindest in unregelmäßigen Abständen Schützenlöcher einzurichten, um zu verhindern, das sie in der Nacht beschädigt, oder noch schlimmer, vermint wurde. Die Krauts hatten gut daran getan, neue Leute zu rekrutieren.
Diese und ähnliche Gedanken schossen Jebediah Hector durch den Kopf, als er, kaum aus dem in der Belongo Base de l'Air gestohlenen LKW geklettert, sich einen ersten Überblick verschaffte.
Es knirschte merkwürdig, als sein Stiefel aufsetzte, und interessiert bückte er sich, um zu sehen, was er berührt hatte. Es war ein halbklarer Kiesel.
"Vorsicht, bitte, und sagen Sie das auch Ihren Leuten", sagte ein Mann mittleren Alters, der im SECAM-Fleckentarn der Belongo Mining auf ihn zutrat. "Die Idioten, die hier versucht haben, Gold zu finden, haben das ganze Geröll mit Blausäure getränkt. Ich rate Ihnen, den Boden nicht mit bloßen Händen zu berühren und sich gründlich die Hände zu waschen."
Ein wenig verdutzt betrachtete Hector den schnauzbärtigen Mann vor sich. Dann streckte er die Hand aus und reichte ihm den fingernagelgroßen Kiesel. "Ich weiß, das ist unwahrscheinlich, aber könnte das einer der Diamanten sein?"
Der Mann nahm den Stein mit einem Taschentuch in der Hand entgegen und inspizierte ihn. "Möglich. Wir werden ihn mit den anderen Steinen zum Testen rausschicken." Mit diesen Worten steckte er den Stein ein. Anschließend salutierte er. "Willkommen bei der Belongo Mining Company. Ich bin im Moment der befehlshabende Offizier, Oberleutnant Kram."
Hastig erwiderte Hector den Salut und wollte dem Deutschen anschließend die Hand geben, bevor er sich wieder an die Blausäure erinnerte.
Kram schmunzelte. "Sie können sich im großen Zelt links die Hände waschen. Es ist unser Duschzelt. Alle unsere Einrichtungen stehen Ihnen und Ihren Leuten zur vollen Verfügung. Das große Zelt in der Mitte ist unsere Kantine. Ich habe mir erlaubt, für Sie und Ihre Leute ein kräftiges amerikanisches Frühstück zu bestellen. Und Sie sollten es essen, wenn Sie Herrn Worms nicht verärgern wollen."
"Herr Worms?"
"Quasi das Faktotum unseres Hauptfinanciers. Der beste Koch diesseits des Äquators."
"Amerikanisches Frühstück klingt doch gut", sagte Garaldi, als er zu den beiden trat. Zuvor hatte er die Arbeit erledigt und nach kurzer Absprache mit Leon, dem Anführer der Arbeiter, einen Park-, und Abstellplatz für ihre Lastwagen und die Ausrüstung vereinbart. "Secound Lieutenant Patterson Garaldi. Freut mich, Sie kennenzulernen, Oberleutnant."
"Ebenso. Warnen Sie bitte Ihre Leute, dass der Geröllboden mit Blausäure getränkt ist. Sie sollen ihn nicht ungeschützt anfassen."
Garaldi nickte und sah nach hinten. "Hoekamps! Das Geröllfeld ist Abraum aus dem Minenbau und mit Blausäure getränkt! Niemand fasst mir hier was ohne Handschuhe an!"
"Verstanden, Sir! Musste den ersten schon in den Arsch treten, weil sie Diamanten suchen wollten!"
Über Krams Gesicht ging ein Lächeln. "Lieutenant Hector, Lieutenant Garaldi, lassen Sie Ihren Leuten bitte ausrichten, das wir ihnen großzügige Prämien bezahlen, wenn sie tatsächlich Diamanten finden und bei uns abliefern." Er machte ein alles umfassende Geste. "Das Gelände ist nicht nur mit Blausäure verseucht, sondern augenscheinlich auch mit Diamanten. Die hiesige Bevölkerung versorgt sich hier schon seit rund fünfzig Jahren mit Schmucksteinen, weshalb sie weit verbreitet sind. Wir würden etliche Diamanten wahrscheinlich nie finden, wenn uns nicht der Zufall zu Hilfe kommt." Er stutzte. "Dürfen Ihre Leute denn Prämien annehmen?"
"Wie hoch sind denn diese Prämien?", fragte jemand aus den Reihen der hektischen Ranger.
"Zweihundert Dollar pro Karat. Ein Karat ist etwa ein halbes Gramm. Das bedeutet, wenn Ihr Stein echt ist, Lieutenant Hector, sind das für Sie vier-, bis fünftausend Dollar."
"Sie wollen meine Leute missbrauchen, um für Sie Diamanten zu finden?", argwöhnte Hector.
"Nun, der Gedanke kam mir. Und so ist es doch besser, als wenn sie sich Kiesel wie Verbrecher einstecken und mit einem schlechten Gewissen leben müssen, oder?" Er lachte. "Wie ich schon sagte, das Duschzelt und die Kantine stehen Ihren Leuten offen. Außerdem haben wir weitere Flächen für Zelte fertig gemacht. Sie haben doch Zelte mit?"
Hector sah nach hinten. Zwar arbeiteten die Leute noch, aber die Aussicht, einen Kiesel zu suchen und vielleicht ein paar tausend Dollar Taschengeld zu bekommen, surrte wie ein Mückenschwarm durch die Reihen seiner Leute. Es würde sich wohl nicht verhindern lassen, dass die Männer und Frauen in ihrer Freizeit Diamanten suchen gingen. Und so rum war es sicher besser, als wenn sie die Steine tatsächlich vom Gelände stahlen. Und sie würden Freizeit haben, im Gegensatz zu ihren Kameraden in Keounda City. Allerdings würden sie, jetzt wo die Platoons eins und zwei die Mine erreicht hatten, Teams austauschen, damit die Leute an der Front in den Genuss von etwas Rest&Recreation kommen würden.
"Pat", sagte er zu seinem Dienstjüngeren Kameraden, "informieren Sie die Leute über die Duschmöglichkeiten und über das Essen. Sie sollen die Laster erst einmal nur einstellen. Nach der langen Nacht ist Freizeit bis zum Mittag. Wenn erstmal die Untersuchungskommission in Belongo eintrifft, werden wir davon sehr wenig haben, zudem ich annehmen muss, dass die Belongo Mining als Basis dienen wird."
Garaldi nickte. "Davon ist auszugehen. Spätestens wenn die Marines von der Abe eintreffen, wird es sicher nochmal hektisch. Wir können uns ja auch nicht von ein paar Salzwasserinfanteristen vorführen lassen."
Hector lächelte dünn. Die gute alte Rivalität zwischen den Teilstreitkräften. "Oberleutnant Kram, wenn wir ausgeräumt haben, würde ich mich freuen, wenn wir für die Zeit, in der wir hier sind, unseren Teil der Wachaufgaben übernehmen könnten. Das betrifft natürlich auch unsere nachrangigen Dienste wie die Küchencrew und unsere Sanitäter."
"Ein Angebot, das wir gerne annehmen", sagte Kram nickend. Er deutete auf Bernd, der mit schnellen Schritten näherkam. "Darf ich Ihnen bei der Gelegenheit Herrn Bernd Assay vorstellen? Er ist unsere gute Seele und unser Rückgrat und außerdem ein direkter Vertrauter von Professor Herryhaus."
Der dicke Mann trat an die Gruppe heran und schüttelte beiden Männern die Hand. "Herzlich willkommen. Entschuldigen Sie, dass ich nicht gleich kommen konnte, aber wir wollen heute fast fünfzig Mann und zwei neue Hubschrauber herüberschaffen, die zudem einen zweiten Wohncontainer mitbringen werden. Ja, wir richten uns hier langsam häuslich ein", sagte er lächelnd.
"Äh, Bernd, Lieutenant Hector hat Geröll angefasst", sagte Kram.
"Was? OH! Das ist nicht gut. Sir, Sie sollten sich sicherheitshalber die Hände waschen. Ein Tod durch Cyanidvergiftung ist eine schreckliche Sache. Und Sie, Lieutenant Garaldi, am Besten auch gleich, denn ich könnte, nachdem ich Lieutenant Hector die Hand gegeben habe, etwas auf Sie übertragen haben. Und glauben Sie mir, Sie würden selbst eine kleine Vergiftung mit Blausäure nicht besonders mögen. Bitte folgen Sie mir."
Kram nickte den beiden Offizieren zu, als sie sich mit Bernd auf den Weg zum Duschzelt machten und gesellte sich zu dem Mann, den Garaldi Hoekamps genannt hatte. Der Mann trug die Abzeichen eines Sergeant Majors und verströmte schon von weitem den heimeligen Duft eines Mannes, der zwanzig Jahre seines Lebens Rekruten herumgescheucht hatte.
Der Mann sah zu ihm herüber, schätzte ihn kurz ab und salutierte dann. "Oberleutnant, eh?", fragte er, bevor er einem der Lastwagenfahrer eine scharfe Warnung zubrüllte.
"Ja, seit etwa zwei Tagen", bestätigte Kram. "Vorher war ich Oberfeldwebel."
"Oh." Die Miene des Mannes wurde entspannter. "Einer von uns. Es scheint, hier steigt man schnell auf."
"Wie man es nimmt. Ich war früh genug da, und jetzt steigen nicht nur die Anforderungen, sondern auch die die Truppenstärken der Teileinheiten. Und da ich mir den Job zutraue, mache ich ihn halt. Ich habe zum Glück einen ehemaligen Fähnrich an der Seite, die jetzt mein Leutnant ist. Wichtig, wenn ich wie jetzt für alle zuständig bin, anstatt mich um meine Pioniere zu kümmern."
"Ah, Pionier. Sehr gut. Mein Bruder ist auch Pionier. Guter Junge. Hat mir viele Tricks beim Sprengen beigebracht."
"Ich bin mehr für das Aufbauen als für das Sprengen zuständig." Er nickte in Richtung der Landebahn, die gerade errichtet wurde. Zumindest die erste Landung einer schweren Transall würde die aufgeschüttete und planierte Piste überstehen, und dann hatten sie genügend Gerät vor Ort, um eine richtige Piste zu erbauen. "Unter meine Pflichten fallen auch die Minenwölfe. Wir setzen zwei mittelschwere ein und haben bereits zwei weitere bestellt. Dazu kommen fünf kleine Geräte, die sehr flexibel sind und sich quasi überall einsetzen lassen."
"Minenwölfe?", fragte Hoekamps interessiert.
"Zivile Minenräumer. Wir entminen damit die Felder und Weiden in Belongo. Mit großem Erfolg. Wenn niemand kommt und neue Minen verlegt, ist hier in einigen Jahren alles Minenfrei. Oder wenigstens so gut wie."
"Sie zeigen ein großes Engagement dafür, dass Sie nur eine Firma zur Ausbeutung einer Diamantenmine sind", stellte der Sergeant Major fest. "Ein amerikanisches Unternehmen würde, wenn es sich für karitative Tätigkeiten berufen fühlen würde, eine Stiftung mit festen Budget gründen und die Arbeiten outsourcen."
"Was für ein Unsinn. Es ist besser, alle Fäden in einer Hand zu halten, gerade in einem Bürgerkriegsland wie Belongo. Wir hatten eine friedliche erste Woche, aber Sie sehen ja selbst an den Ärzten ohne Angst und an der Geschichte, die gerade in Keounda City geschieht, wie schnell es hier umschlagen kann. Es braucht nur einen Warlord, der wirklich den Waffengang mit uns sucht, einige der Rebellen, die hier immer noch rumkrauchen, oder ein paar Söldner, die den Befehl kriegen, uns von der "Goldmine" zu vertreiben..."
"Sie befürchten wirklich einen solchen Angriff?", fragte Hoekamps.
"Sehen Sie sich das Gelände an. Hier und in den umliegenden Ortschaften haben wir Rohdiamanten zusammengetragen, die ungeschliffen einen Materialwert von dreißig Millionen Euro haben, knapp vierzig Millionen Dollar. Und das nach einer Woche. Die Leute, die zum Hospital kommen, schenken uns die Diamanten, damit sie wegen ihnen nicht zum Ziel von Banditen werden, und wir bauen ihnen dafür Straßen, Schulen, Kraftwerke, und was uns sonst noch einfällt."
"Kraftwerke?"
"Ngali, der Ort, in dem wir unser Hospital errichtet haben, bezieht seine Elektrizität über Solarpanels. Ich gebe zu, unser Hospital ist auch der einzige Stromabnehmer. Noch. Aber wir erweitern die Fläche beständig. Die Wasserpumpe wird ebenfalls mit Solarstrom betrieben, und wir werden noch etliche Pumpen ins Land schaffen."
"Hm. Ist das sinnvoll? Normalerweise zerstört man die Industrie eines Landes nicht so sehr durch die Einfuhr von fremden Gütern. Wäre es nicht sinnvoller, die Arbeitsplätze zu erhalten, die es hier gibt?"
"Welche Arbeitsplätze?", erwiderte Kram ironisch. "Zwanzig Jahre Bürgerkrieg haben dazu geführt, das es hier weder Industrie noch Handwerk gibt. Wer arbeiten will und kann, versucht sein Glück in Ompala oder einer Küstenstadt, wo er wegen seiner Herkunft aus Belongo wie ein Mensch dritter Klasse behandelt und ausgebeutet wird. Hier gibt es nichts von Wert, obwohl das Land reich an Erdöl ist. Alles, was wir hierher bringen, kann hier nicht produziert werden. Aber..." Kram schmunzelte. "Sie haben natürlich Recht. Es besteht absolut kein Grund, hier keine Industrie aufzubauen. Oder zumindest Handwerksbetriebe. Alleine für den Straßenbau werden wir viele Helfer benötigen. Ja, ich werde es den Brüdern Herwig vorschlagen, sobald sie zurückkommen."
"Sie rechnen fest damit? Sind die beiden so gut?"
Kram lächelte. "Mich ihnen anzuschließen war vielleicht die beste Entscheidung meines Lebens. Gleich nach meiner Scheidung."
"Oha." "Und weit besser als meine erste Scheidung."
"Sie haben viel erlebt", stellte Hoekamps fest.
"Geht so." Kram zuckte mit den Achseln. "Nicht, dass ich meine Kinder nicht trotzdem liebe."
"Natürlich. War selbst verheiratet, habe eine erwachsene Tochter, die hoffentlich niemals Soldat oder sogar Ranger werden wird. Unsereins hat es viel schwerer, sich seinen Platz zu erkämpfen als die weißen Burschen und Mädels."
"Unsereins?", fragte Kram.
"Wir Schwarze. Ist Ihnen das gar nicht aufgefallen?"
Kram war ehrlich verdutzt. "Das erschien mir überhaupt nicht wichtig zu sein. Sie sind ein Sergeant, ich bin... War ein Sergeant, wir sind auf einer Wellenlänge."
Der Mann lachte lauthals. "Sie gefallen mir, Kram. Sind ein Kerl ganz nach meinem Geschmack." Er grinste noch immer. "Sagen Sie Joe zu mir."
Kram lächelte. "Andreas für Sie, Joe."
Die beiden Männer besiegelten die Versprechen mit einem Händedruck. "Ricks! Einstellen reicht! Dann ab zum Duschen und anschließend Essen, sonst werden die Steaks kalt!", brüllte Hoekamps in Richtung des letzten Lastwagens, der sich gerade in die gerade Reihe einfädelte, die die anderen LKW's bildeten. "Es gibt doch Steaks, oder?"
"Wenn Herr Worms ein amerikanisches Frühstück macht, dann ist es amerikanischer als ein echtes. Rechnen Sie mit allem, und rechnen Sie mit zuviel, Joe. Vor allem mit jeder Menge Fleisch und Kaffee. Wir haben hier, was Lebensmittel angeht, nicht wirklich Versorgungsprobleme. Aber probieren Sie auch die Yams-Bratlinge. Sehr schmackhaft. Und zu den Maiskuchen muss ich einem Amerikaner wohl nichts sagen."
"Da haben Sie Recht", erwiderte der alte Ranger grinsend. "Aber zwei Fragen hätte ich da noch, den Ablauf betreffen."
"Nur zu", ermunterte Kram den Sergeant.
"Gibt es hier auch deutsches Bier?"
"Selbstverständlich gibt es hier deutsches Bier. Sehen Sie das Kühlaggregat? Es ist einzig und alleine dazu da, um unseren Vorrat an deutschem Dosenbier runterzukühlen. Und sehen Sie die blauen Säcke? Das sind die leeren Dosen, die wir wieder nach Deutschland schaffen."
"Das ist so typisch für euch Krauts", sagte Hoekamps beinahe resignierend.
"Die zweite Frage, Joe?"
"Nun", druckste er ein wenig verlegen, "was die Diamanten angeht..."
"Keine Sorge, wir verdienen immer noch sehr gut daran, selbst wenn wir die großzügige Prämie ausbezahlen. Viele Diamanten werden wir wohl niemals finden. Wir haben schon mittlere Steine aus den Reifenprofilen unserer Kampfhubschrauber gepuhlt. Und ich möchte nicht wissen, wieviele wir auf diesem Weg schon verloren haben, weil sie sich über dem Dschungel nach dem Start aus dem Reifenprofil gelöst haben. Ach, und selbst wenn wir keinen einzigen Stein mehr finden sollten, wir haben bereits einen riesigen Profit gemacht. Also keine falsche Bescheidenheit."
"Ich werde mich mit Ihnen absprechen, Andreas. Damit wir nicht suchen, wo Ihr Krauts schon gewesen seid."
"Eine gute Idee", lobte Kram.
Ein heller metallischer Ton klang über dem Gelände auf. Der Pionier lächelte. "Scheint so als würde Herr Worms ungeduldig werden. Lassen Sie den Kaffee nicht kalt werden, Joe."
Der Mann salutierte lässig. "Verstanden, Sir. Führe die Leute zum Essen."
Das "Sir" war ernst gemeint, und auch wieder doch nicht. Zwischen den beiden gab es jenes Einverständnis, wie man es auf diesem Planeten wohl nur bei gleichrangigen Unteroffizieren finden konnte. So als wären sie alle vor Urzeiten dem gleichen Genpool entsprungen und würden einander überall und jederzeit wiedererkennen. Irgendeine Form von Nestgeruch musste das sein.
Kram beobachtete, wie Hoekamps seine Leute zum Essen schickte, bevor er sich selbst auf den Weg machte. Es war zehn Uhr Ortszeit. Innerhalb der nächsten Viertelstunde mussten die Osprey-Schwenkflügler mit den Marines in Honiton eintreffen. Von dort würden sie mit Begleitschutz bis nach Keounda City fliegen, um die Army Ranger zu entsetzen. Die Welt, die hier für zwanzig bittere Jahre erstarrt gewesen war, hatte sich in Bewegung gesetzt.
***
Mit der eingeflogenen Feldküche kehrte so etwas wie Normalität in der Westseite von Keounda City ein. Noch immer beherrschten die Ranger das Ufer, suchten die Ostseite nach Scharfschützen und den beiden Panzern ab, noch immer beherrschten sie diese Seite der großen Autobahnbrücke, und noch immer kontrollierten die Deutschen unangefochten die kleine Brücke im Süden.
Und es war mächtig was los auf dem Lagabanda. In der Nacht waren achtzehn Schiffe der unterschiedlichsten Größen durch die Stadt gekommen, seit den Morgenstunden hatte sich die Zahl auf zwei Dutzend erhöht. Der Strom schien nicht abnehmen zu wollen. Mit den Männern des Riki auf ein Ufer beschränkt und vor Überfällen weitestgehend geschützt schienen sich etliche Handelsfahrer, die den Lagabanda entweder Richtung Elisabeth-See hinauf, oder zur dreitausend Kilometer entfernten Flussmündung hinab fuhren, dazu entschlossen zu haben, die Tagesdurchfahrt zu riskieren. Die Händler brachten ihren Teil an Schauergeschichten mit, die sie hier in Keounda City erlebt hatten. Demnach ließen sich der Riki und seine Männer durchaus bestechen, und gefangene Bootsbesatzungen wurden auch schon mal mit Boot nach Zahlung eines beträchtlichen Lösegelds wieder freigelassen. Manche hatten sich ganz offen mit dem Riki arrangiert und früher Schutzzölle bezahlt. Manche hatten Freunde und Kameraden verloren, die entweder die Reihen seiner Kämpfer verstärkt hatten, oder von ihnen nun als Schmuck getragen wurden. Besonders schauerlich waren die Geschichten um die Frauen. Nicht besonders die Geschichten um jene Frauen, die von den Männern des Riki vereinnahmt worden waren und nun irgendwo auf der anderen Flussseite in einer Art Kolonie lebten, wo sie den höherrangigen Männern zu Diensten sein mussten; nein, es waren die Geschichten, in denen sich Bootsführer mit Hilfe von versklavten Frauen ihre Durchfahrt erkauft hatten. So etwas stieß Axel sauer auf, wenn er es hörte. Und je mehr er davon hörte, desto mehr wünschte er sich, dieses perverse System aufzuhalten, zu beenden. Zudem mussten sie sich etwas für die Tribute einfallen lassen, welche die Kapitäne für die Hilfe der Ranger und Deutschen entrichteten, obwohl ihnen gesagt worden war, dass die Soldaten keinen Lohn erwarteten. Aber hierzulande war man der Auffassung, dass man für eine Leistung auch eine Gegenleistung erbringen musste, zumindest solange man kein marodierender, plündernder und vergewaltigender Bastard war, und die Feilscherei über die Höhe des Tributs gab Axel die Chance, etliche der Händler näher kennenzulernen und besser einschätzen zu können. Immerhin würde er über diese Händler wohl den ersten Kontakt für Heides Arbeit auf der Ostseite des Lagabandas aufbauen können.
Es war soviel zu tun, aber durch sein Unvermögen steckten sie und die Army Ranger hier in Keounda City fest. Andererseits wusste er nur zu gut, dass er einem Konflikt mit dem Riki nicht hätte aus dem Weg gehen können. Irgendwann, früher oder später, wäre der Clash erfolgt, so oder so. Nun war es früher geworden und hatte zwanzig Army Ranger und einem seiner Leute das Leben gekostet. Im Gegenzug hatten sie wie viele Speere des Riki getötet? Dreihundert? Vierhundert? Sechshundert?
Axel seufzte leise, während er dem heißen Kaffee zusprach, den Benito Michelli in der eingeflogenen Küchenzeile für alle bereitete und von den flinken Beinen der ehemaligen Kindersoldaten ausliefern ließ. Dafür hatte Michelli einen kräftigen Tadel von ihm kassiert, aber die drei Kinder, allen voran natürlich Charles, hatten lautstark zwei Dinge versichert. Das erste war, dass sie helfen, aber nicht kämpfen wollten. Immerhin mussten sie ja auch irgendetwas tun, wenn die Männer und Frauen der Mine, die ihrem Land so viel Gutes getan hatten, ihre Leben im Herzen des Bösen riskierten. Das zweite waren Splitterschutzwesten und Stahlhelme, bei Muani und Philip natürlich viel zu groß, aber ordentlich verzurrt. Und sie waren klein und konnten deshalb in gebückter Haltung unmöglich vom anderen Ufer gesehen werden, sonst wäre sicher schon auf sie geschossen worden. Die Dächer hatten die Army Ranger permanent im Blick. Seit einer der Mi-24 einen entsprechenden Versuch, ein Dach mit einem Scharfschützen zu bestücken, mit seiner Bordkanone beendet hatte, war von dieser Seite auch nicht mehr viel zu erwarten.
"Pünktlich wie die Maurer", sagte Scott zufrieden und riss Axel damit aus seinen Gedanken. Er sah auf und hörte sofort das Geräusch sich nähernder Flugzeuge. Es war relativ leise, weshalb er davon ausging, dass die Maschinen noch weit entfernt waren. Umso überraschter war er, dass er die Ospreys vage über die Baumwipfel hinweg bereits erkennen konnte.
"Sind ein bisschen nahe am Fluss, meines Erachtens nach", sagte Austin und schickte ein Gähnen hinterher. Beide hatten seit achtzehn Stunden nicht geschlafen und seither in einem Gefecht gesteckt. Und beide freuten sich darauf, dass die Marines sie ablösten, damit wenigstens einer von ihnen - natürlich Scott, wenn es nach Austin ging, und natürlich Austin, wenn es nach Scott ging (was wahrscheinlicher war) - etwas Schlaf finden konnte.
"Finde ich auch. Sie sind wohl dem Fluss gefolgt, und nicht wie wir der alten Nord-Süd-Straße", sagte Axel. Er zwinkerte in bester Laune. Die Maschinen der Amerikaner wurden von ihrem neuen Mi-24D, einem weiteren Mi-24 und dem neuen Mi-24WM eskortiert, was die Feuerkraft ihrer Zweckgemeinschaft erheblich erhöhte - die Helikopter waren frisch bestückt. Sie kamen relativ gesehen schnell näher, und damit näherten sie sich auch dem Stadtrand Keounda Citys. Und je näher sie kamen, desto größer wurde die Gänsehaut, die Alex auf seinen Unterarmen entstehen spürte. "Jason, wir sollten ihnen sagen, dass sie jetzt besser weiter auf die linke Seite des Lagabandas schwenken sollten. Wenn da draußen noch ein paar der Speere des Rikis herumlungern, dann..."
Er hatte kaum ausgesprochen, da schossen mehrere gleißende Speere aus dem südlichen Waldrand der Westseite hervor, den vordersten Osprey zum Ziel. Zwei gingen vorbei, einer detonierte im rechten Flügel, der letzte im Heck. Verdammt, wieder diese russischen Panzerfäuste!
"Ich wusste es!", blaffte Axel unbeherrscht und sprang auf. Hastig nahm er seine Waffen auf, vergewisserte sich, wo seine Reservemagazine für die Pistole waren, und dass er noch Ersatzmunition für die HK33 hatte. Die Ranger waren auch aufgesprungen und überprüften ihre Ausrüstung, das Schlimmste befürchtend.
"Ranger 1-1 von Lincoln Flight 1-1, kommen", klang es in ihren Empfängern auf.
"Ranger 1-1 hier. Kommen, Lincoln Flight 1-1!", sagte Scott.
"Sind getroffen worden. Panzerfäuste, vermutlich. Ein dämlicher Glückstreffer, der unseren rechten Schwenkrotor ausgeschaltet hat. Wir gehen runter. Keine Verluste bisher, soweit ich das feststellen kann."
"Lincoln Flight 1-1, landen Sie auf der Westseite des Lagabandas", sagte Scott eindringlich.
"Negativ, Ranger 1-1. Der linke Motor drückt uns nach Osten. Wir müssen hier runter, oder wir riskieren eine Bruchlandung."
In Axels Kopf ratterte es. Sein Gesicht wurde von hektischen Flecken überzogen. Währenddessen zog der Mi-24D über das Waldstück südlich der Stadt und beharkte es mit seinem Bord-MG. Danach war nicht mehr zu erwarten, dass von dort jemand jemals wieder Panzerfäuste abschießen würde.
"Änderung im Plan! Ich wiederhole, Änderung im Plan! Lincoln Flight, beginnen Sie die Landeoperation auf der Ostseite, ich wiederhole, beginnen Sie die Landeoperation auf der Ostseite! Belongo Mining gibt Luftunterstützung!"
"Hier Lincoln Flight 1-1. Wer spricht da?"
"Belongo Mining 1, Axel Herwig."
"Direktor Herwig. Sie wissen, dass wir damit unsere Marines und Ihre Hubschrauber direkt in Kampfhandlungen werfen werden?"
"Das erscheint mir eine bessere Lösung als die Leute an Bord Ihres Fliegers zu opfern, oder?", erwiderte Axel trocken.
"Ranger 1-1 an alle Einheiten! Kampfbereitschaft herstellen! Vierte Kompanie bereitmachen zum Übersetzen. Hubschrauber bereitmachen für Luftschlag!", kommandierte Scott, seine Pistole durchladend.
Axel nickte zufrieden. Das war die beste Möglichkeit, die sie aus der erneut mieser gewordenen Situation ziehen konnten.
"Belongo Mining 1-1, beginnen Landeoperation auf der Ostseite des Lagabandas. Wir treffen uns im Herzen der Stadt", erwiderte der Pilot des abschmierenden Ospreys. "Touchdown. Noch immer keine Verluste. Sie bringen uns Glück im Unglück, Kraut."
Scott schnaubte ins Funkgerät. "Sie haben ja keine Ahnung." Er entsicherte, koordinierte seine Leute und ließ sie am Fuß der Brücke Aufstellung nehmen. Weitere Scharfschützen und Soldaten mit Javelins - ein Teil würde hierbleiben, ein Teil sie begleiten - bereiteten sich darauf vor, die Brücke zu stürmen, während der Riki sich seinen Erfolg zu sichern versuchen würde. Und da würden sie ihm mächtig in die Suppe spucken.
Schon jetzt feuerte der Mi-24WM seine Bordwaffen auf den Südrand der Oststadt ab. "Sie kommen! Ich wiederhole, sie kommen!"
"Niklas!"
"Sind bereit! Auf dein Zeichen, großer Bruder!"
Na, wenigstens einem musste er seine Gedanken nicht erklären. "Sie sind der Chef hier, Jason."
Der große Ranger schüttelte den Kopf. "Es ist Ihr Plan, Axel."
Der Deutsche nickte entschlossen. "Gogogogogogogo!" Geduckt lief er auf die Brücke, wurde aber von Lieutenant Morelli überholt und hinter ihn gedrückt. Vier Ranger mit ihren Gewehren im Anschlag liefen an ihnen vorbei und übernahmen die Spitze. Die Gewehre der Scharfschützen bellten auf, und erst jetzt erlaubte der Lieutenant, dass sie sich den Rangern anschlossen.
"Nicht immer so waghalsig, Sir", tadelte der Amerikaner den Deutschen.
"Ich wollte nur nicht zu spät zur Party kommen", erwiderte Axel mit Galgenhumor.
Und für jemanden würde es eine Party werden. Die Frage war nur, für wen.
***
"Monsieur le President, Mr. Red bittet Sie um eine Unterredung", klang die Stimme der Chefsekretärin über die altertümliche Gegensprechanlage auf dem Schreibtisch von Jaques Rousseau, Staatspräsident von Ndongo auf. Der hagere, grauhaarige Mann vom Stamm der Upetis, warf seinem derzeitigen Gast, einen vielsagenden Blick zu. "Na, dann immer rein mit dem guten Mann. Vielleicht hat er ja eine Erklärung dafür, warum wir mit Panadia am Rande eines Krieges stehen, weil sie Teile unseres Luftraums okkupieren und wir ein Viertel unserer Luftwaffe einbüßen mussten."
Der Gast, Ives Agelloue, Herr über das Kriegsministerium, runzelte die Stirn. So ähnlich hatte es auch in seinem Haus angefangen, nämlich als der Roxxon-Manager ohne sein Wissen beim Oberkommandierenden der Streitkräfte vorstellig gewesen war, um den verheerenden Luftschlag gegen die Army Ranger in Belongo führen zu lassen, der ihnen nun einen internationalen Konflikt eingehandelt hatte. Wie sie die Amerikaner wieder beruhigen konnten, nachdem sie eine ganze Flugzeugträgergruppe in Marsch gesetzt hatten, stand noch in den Sternen. Es stand außer Frage, dass Général de Corps d'Armee Arlaund Mtagi, der Oberkommandiere aller drei Teilstreitkräfte Ndongos, den wackligsten Stuhl von allen hatte. Zwar schreckte Rousseau davor zurück, einen anderen Upeti an ein ausländisches Gericht auszuliefern, vor allem wenn dieses Land die Todesstrafe praktizierte. Aber eventuell konnte man die USA auch mit einigen niederrangigen Offizieren, die man auslieferte, zufriedenstellen, vornehmlich natürlich Stammesangehörige von Stämmen, die nicht in der Regierungskoalition vertreten waren, sowie Mtagis unehrenhafte Entlassung und sofortiger Ruhestand beruhigen. Soweit war mindestens der Plan gediegen, den der Präsident mit seinem zuständigen Minister besprochen hatte, mit der Trägergruppe der Amerikaner nur wenige Stunden von ihrer Küste entfernt. Eine Seeblockade konnte sich das Land nicht leisten, vor allem nicht, nachdem die Querelen mit Onola im Süden und der Konflikt mit dem abtrünnigen Norden, der nun unter dem Namen Kaiserreich Ndongo firmierte, dazu geführt hatten, dass ihnen nur noch ein fünfzig Kilometer breiter Streifen als Verbindung zur Küste diente. Wenn Amerika den auch noch blockierte, waren sie vom Welthandel so gut wie ausgeschlossen. Außer natürlich, sie nahmen den Interländerhandel über Belongo wieder auf, was natürlich vollkommen ausgeschlossen war.
Mr. Red wurde hereingeführt. Der kleine dickliche Europäer wischte sich Gesicht und Glatze trocken, als er eintrat. "Guten Morgen, Monsieur le President, Monsieur le Ministre. Eine Hitze ist das heute wieder. Aber zum Glück ist der Palast ja klimatisiert. Darf ich Ihnen als erster Europäer mein Bedauern über den Verlust Ihrer Aermacchi aussprechen?"
Bei diesen Worten fuhr Agelloue halb aus seinem Sitz hoch. "Wegen Ihnen sind wir doch..."
"Bleib ruhig, Ives!", befahl der Präsident streng, und der Minister gehorchte. Denn der Mann war nicht nur sein Präsident, sondern auch das Oberhaupt seines Stammes. Das bedeutete besonders viel Macht über ihn. "Guten Morgen, Mr. Red. Bitte, setzen Sie sich. Darf ich Ihnen etwas bringen lassen?"
"Danke sehr, Monsieur le President, nicht nötig. Aber vielleicht sollten Sie etwas Champagner kaltstellen lassen, um nachher noch zu feiern." Umständlich ließ sich Mr. Red im freien Sessel nieder.
"Feiern?", fragte Rousseau erstaunt. Und misstrauisch. In der Nähe von Mr. Red war Misstrauen generell eine gute Idee.
Der kleine dicke Mann zog seine Aktentasche auf die Knie und öffnete sie. Er zog eine dünne blaue Dokumentenmappe hervor und legte sie den Präsidenten auf den Schreibtisch. "Ich habe Ihre Verluste ausgeglichen, Monsieur le President. Mehr noch, ich habe Ihre Streitmacht verdoppelt. Der Vorstand hat mein Budget verdoppelt, und ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, das ich nichts eiligeres zu tun hatte, als meinen ndongoischen Freunden zu Hilfe zu eilen."
Der Präsident nahm die Mappe auf und öffnete sie. Es war ein Dossier über ein sinanisches Geschwader der Luftwaffe, das mit MiG-21 ausgerüstet war. Die Akte enthielt Aufstellung, Namen, Materiallisten und dergleichen.
"Ich habe zugesagt, dass Ndongo die Black Stars mit Versorgungsgütern, einem eigenen Fliegerhorst sowie Kerosin versorgt. Unentgeltlich, versteht sich. Dafür stellen sich Oberst Paglieri und seine Leute vorbehaltlos auf die Seite Ndongos. Überlegen Sie mal, vierunddreißig Maschinen mit kurzen Wegen. Sie könnten die Küste erfolgreich verteidigen, sogar gegen einen Flugzeugträger der Navy."
"Sie erstaunen mich, Mr. Red. Was bringt Sie dazu, ausländische Soldaten als Söldner anzuheuern, noch dazu für unser schönes Ndongo?", fragte Rousseau.
Der Europäer lächelte und tupfte sich erneut die Stirn ab. "Eigentlich habe ich die Idee schon einige Zeit und deshalb bereits im Süd-Sinan vorgeklopft. Wie Sie ja beide wissen, gibt es derzeit Abspaltungsbestrebungen zwischen Nord-Sinan und Süd-Sinan, worüber der Norden nicht sehr erfreut ist, weil sich die wichtigsten Ölfelder im Süden befinden. Dabei sind die Black Stars, ob Sie es glauben oder nicht, eine große Gefahr dabei, einen Sezessionskrieg auszulösen, gelten sie doch als sinanische Elite. Und es ist ein wenig unklar, welchem Teilstaat ihre Loyalitäten gelten. Auf Seite des Südens werden sie als Bedrohung empfunden, um die Verhandlungen über die Besitzrechte am Öl zu kompromittieren. Auf Seite des Nordens werden sie als Mittel gesehen, den Süden einzuschüchtern oder gar mit Krieg zu überziehen. Ihr sinanischer Amtskollege, Monsieur le Ministre, war mehr als hocherfreut, dass er die Black Stars quasi aus der Schusslinie nehmen kann, bis man auch über ihr Schicksal entschieden hat. Zweifellos werden sie aufgeteilt, in Nord-Black Stars und Süd-Black Stars. Aber ihre Anwesenheit im Land macht die Verhandlungspartner nervöser als eine amerikanische Trägerflotte im Nacken, wenn Sie verstehen, was ich meine."
"Und wann können die Black Stars hier sein?", fragte der Präsident.
"Jaques, du..."
"Ich bin durchaus im Besitz meiner geistigen Fähigkeiten, Ives."
"Ihre Erlaubnis vorausgesetzt habe ich den Black Stars Anweisung gegeben, sich in Bewegung zu setzen. Ihre Jets dürften in zwei Stunden ndongoischen Luftraum erreichen. Ihr Material und ihre nachrangigen Dienste kommen mit vier Transportflügen nach. Als vorläufiges Ziel habe ich Belongo angegeben, da die dortige Luftwaffenbasis gerade nicht genutzt wird. Aber ich denke, eine Verlegung an die Küste macht mehr Sinn. Ich schlage Naridi oder Guapatata vor."
"Guapatata klingt gut. Nahe an der Küste, aber nicht zu nahe", sinnierte der Präsident. "Und jetzt verraten Sie uns bitte, warum Sie sich gegen das Land Ihres Auftraggebers stellen, Mr. Red."
Erneut wischte er sich den Schweiß von der Stirn. "Nun, Monsieur le President, ich muss zugeben, ich habe einen Fehler gemacht. Einen großen Fehler. Die Bombardierung der Army Ranger war eine große Dummheit von mir, die Ndongo in große Schwierigkeiten gebracht hat. Zudem hat der alte Erzfeind des Landes, Panadia, auch noch Luftsiege gegen die ndongoische Luftwaffe errungen. Belongos Luftraum wird von ihren F-5 patroulliert, was ich ganz persönlich für einen Affront halte. Ein noch größerer Affront aber wird es sein, wenn sich Admiral dazu entschließt, ebenfalls den ndongoischen Luftraum zu beanspruchen, um seine Aktionen in Belongo zu unterstützen. Bereits jetzt befinden sich amerikanische Hubschrauber von der Abraham Lincoln in ndongoischem Luftraum, als wäre er ihr eigener. Das ist eine explosive Atmosphäre, die schnell in einem Knall enden kann. Aber..." Mr. Red lächelte verschmitzt, "...ich kenne meine amerikanischen Freunde. Sie lieben leichte Siege, aber sie mögen Verluste überhaupt nicht. Wenn wir ihnen also die Black Stars unter die Nase setzen, werden sie sich hüten, den Luftraum zu penetrieren. Auch die Verhandlungslage ist dann eine vollkommen andere. Zusammen mit der ndongoischen Luftwaffe hätten wir ein enormes Drohpotential, das Admiral Philips davor zurückschrecken lassen wird, seine Luftkampfwaffe einzusetzen. Angesichts dieses Potentials werden auch die Verhandlungen, das Friendly Fire betreffend, weit weniger schmerzhaft für Ndongo ausfallen."
"Das beantwortet meine Frage nicht. Warum tun Sie das, Mr. Red?", fragte der Präsident erneut.
"Nun, meine Auftraggeber bei Roxxon sind recht froh darüber, das meine fehlerhafte Handhabung der Ausnahmesituation in Keounda City nicht zu einem Produktionsausfall geführt hat. Die wirtschaftlichen Schäden für den Konzern sind bei einem einzigen Tag, an dem kein Öl gefördert und raffiniert wird, einfach enorm. Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, wir produzieren Benzin, Benzin, Benzin, und die Abraham Lincoln errichtet eine Seeblockade, und wir kommen mit dem Abtransport nicht hinterher. Oder es kommt tatsächlich zu Kampfhandlungen, die vielleicht das Arbeitsleben in Ndongo beihindern und die Produktion lahmlegen. Eine schauerliche Vorstellung. Deshalb ist es am Besten für unseren Konzern, wenn es zu keinen Konflikt, zu keiner Blockade in welcher Form auch immer kommt, und diese leidige Geschichte am Verhandlungstisch gelöst wird. Die Black Stars werden zusammen mit der Ndongo-Luftwaffe dafür Sorge tragen, dass sich die Amerikaner nicht aufführen werden, als seien sie die Belgier."
Die Mienen der beiden Männer versteinerten. Sie waren beide alt genug, um die letzten Jahre der Kolonialherrschaft Belgiens miterlebt zu haben. Und sie konnten sich sehr gut daran erinnern, welche Mühe sie sich gegeben hatten, um ein chaotisches Ndongo zurückzulassen, das Belgien so bald wie möglich um Hilfe anbetteln sollte. Der Teil hatte nicht geklappt.
"Und was die Sache in Belongo angeht, so denke ich, sind Sie, Monsieur le President, nicht von Ihrer Meinung abgewichen, dass Ndongo durchaus die billigen Wanderarbeiter aus dem 17. Bezirk hier in der Hauptstadt, auf den Farmen und Fluren und in den ndongoianischen Fabriken brauchen kann. Stellen Sie sich nur mal vor, wenn diese Männer und Frauen plötzlich Zuhause Arbeit finden. Oder wenn sie höhere Löhne fordern würden. Die gesamte Industrie Ndongos stünde plötzlich vor ernsthaften Problemen." Ganz zu schweigen vom Ausfall der billigen Ölexporte für Roxxon, wie sie alle drei wussten. Aber keiner sprach es aus.
"Was schlagen Sie vor?", fragte der Präsident.
"Wir entsenden eine größere Söldnertruppe an Capitain Jean-Clarke, die ihn dabei unterstützen wird, Keounda City zurückzuerobern. Sie wird mit leichten Panzerwagen ausgerüstet sein und auch genügend Luftfäuste als Schutz gegen die Hubschrauber mit sich führen. Mit Keounda City in den Händen von Capitain Jean-Clarke bleibt Belongo ein unsicherer Distrikt, in dem wir ungestört Öl fördern können, und Ndongo bekommt weiterhin seine billigen Wanderarbeiter, die Quelle des Reichtums der westlichen Stämme.
"Da ist immer noch die Minengesellschaft", wandte der Minister ein. "Die Minengesellschaft und ihre Waffen."
Mr. Red lächelte verschlagen. "Da die Mine überaus ergiebig zu sein scheint, haben meine Vorgesetzten angeordnet, sie... Nun, in unseren Besitz zu überführen. Natürlich werden wir dem Staat mehr bezahlen als die lächerliche Pacht, zu der sich Ogalalla hat bequatschen lassen."
Dies brachte Mr. Red leises bestätigendes Gelächter ein. Seit sich herausgestellt hatte, dass es die Mine gab, und das sie sehr ergiebig sein musste, war Arno Ogalalla die Witzfigur des Kabinetts geworden, weil er sich mit lächerlichen fünfzigtausend US-Dollars Jahrespacht hatte abspeisen lassen. Aber der aufmüpfige Llangoto brauchte ohnehin ab und an einen Nasenstüber, damit er seinen Platz nicht vergaß. Ihre Clans waren Verbündete, aber die Federführung lag bei den Upetis, ein für allemal.
"Ich nehme an, Sie werden Spezialisten auf die Mine ansetzen, während ein Teil des Werksschutz in der Distrikthauptstadt gebunden ist, Mr. Red?"
"Seit wir die Goldmine verloren haben, bemühe ich mich eifrig um, ah, eine international erfahrene Eingreiftruppe, die uns da unterstützt. Vorgestern habe ich den unterschriebenen Vertrag zurückgefaxt. Sie ist gestern Abend in Allah al Akbar angekommen und wird von Transzanzia aus eine Operation gegen die Mine führen. Es sind allesamt hervorragende Spezialisten, die bereits bei Frachterentführungen vor Ostafrika und im Irak zum Einsatz kamen. Und sie sind nicht an Regierungen gebunden. Ich erwarte ihren Einsatz stündlich."
"Schön, dass Sie sich so gut um Ihre Geschäfte kümmern", sagte der Kriegsminister. "Was die Pacht angeht, sollten wir uns auf fünfzehn Prozent Ihrer Gewinne einigen können, nicht, Mr. Red?"
Der Europäer lächelte gewinnend. "Zwanzig, Monsieur le Ministre, und nicht einen Cent weniger. Wir wissen doch, was wir unseren ndongoianischen Freunden zu verdanken haben." Davon würde freilich nur ein Teil im Staatssäckel landen. Der weitaus größere Teil würde in den verschiedensten schwarzen Kassen versacken und nie wiedergesehen werden.
"Danke, Mr. Red. Es ist wie immer erfreulich, wie sehr die Sorgen des ndongoianischen Volkes Ihnen und Ihrer Firma am Herzen liegen. Wenn wir mal etwas für Sie tun können...", begann der Präsident die übliche Abschlussfloskel.
"Nein, Monsieur le President, ich bin wunschlos glücklich damit, womöglich einen unsäglichen Krieg verhindert zu haben. Natürlich werde ich Mittel und Wege finden, die Ankunft der Black Stars an das Pentagon zu vermelden. Selbst wenn Admiral Philips gewillt sein sollte, die Sache auszufechten, jemand weiter oben in der Hierarchie wird ihn schon an die Kandare nehmen." Der Europäer erhob sich und tupfte erneut seine Stirn ab. "Ach, halt. Monsieur le President, es tut mir aufrichtig leidd, aber ich muss Sie doch mit einer, Hm, Kleinigkeit belästigen. Die Umstände tun mir furchtbar leid, aber ich brauche dringend - dringend - eine Methode, um zwanzig Standardcontainer nach Argentinien zu schaffen, und das möglichst bevor die Abraham Lincoln vor der Küste steht. Zumindest muss die Sache so zeitig ablaufen, dass die Container notfalls ins Hoheitsgewässer eines anderen Staates gebracht werden können. Ich gebe zu, ich habe mich da sehr verzettelt und bringe mich in zusätzliche Schwierigkeiten, aber der Inhalt ist, nun, delikat. Sollten die Amerikaner die Container untersuchen, bedeutet das enormen Ärger. In mehrerlei Hinsicht."
"Was genau ist in diesen Behältern, Mr. Red?", erkundigte sich der Verteidigungsminister.
"Russische Hightech-Raketen. Argentinien hat sie in Moskau bestellt, und ich habe in Erwartung eines bescheidenen Nebenverdienstes die Teilroute über Afrika in die Hand genommen. Leider verspätet sich mein Frachter dank eines Maschinenschadens, und ich muss sie außer Landes schaffen, bevor sich noch der CIA für sie interessiert. Äh, es handelt sich um vierzig SS-N-27-Raketen für die Rückeroberung der Malwinen-Inseln, die von den Engländern unter dem Namen Falkkandinseln annektiert sind. Selbstverständlich weiß Roxxon nichts von meinem Nebenverdienst, und ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn das unter uns bleiben würde. Ich bin natürlich bereit, Sie an den zwei Millionen Dollar zu beteiligen, die ich für den Transport erhalten werde. Sagen wir halbe-halbe?"
Präsident und Minister wechselten einen schnellen Blick.
"Die Karuma kann in zwei Stunden fertig sein", sagte Agelloue. "Sie ist ein Rollo-Containerschiff im Privatbesitz des Präsidenten und war eigentlich für einen Aufenthalt im Trockendock vorgesehen. Aber ich denke, eine Fahrt nach Südamerika sollte sie schaffen. Problemlos."
"Sehr gut. Die Container stehen in Banana Port bereit", sagte Mr. Red erleichtert. "Bereit, jederzeit eingeschifft zu werden. Oh, Sie nehmen mir eine große Sorge von meinen Schultern, Monsieur le Ministre."
"Was für ein Zufall. Ausgerechnet in Banana Port sollte die Karuma auf Dock gehen", sagte Agelloue.
"Was vielleicht daran liegt, dass Banana Port der einzige Überseehafen des Landes ist", sagte Mr. Red mit einem zuvorkommenden Lächeln. "Ich darf also damit rechnen, dass die Aktion zügig und geheim abläuft? Und dies, bevor die Amerikaner Ärger machen können? Wie ich hörte, haben sie Marines mit einem Osprey von der Abraham Lincoln zu ihrer Botschaft hier in der Hauptstadt geschickt. Wenn da CIA-Leute bei sind, kann ich den Ärger schon förmlich riechen."
"Keine Sorge, Mr. Red. Ndongo hat keinerlei Interesse, dass russische Raketen in seinen Grenzen gefunden wird", sagte der Präsident. "Da es sich um ein Familienschiff handelt, benutzen Sie bitte mein Privatkonto, um unseren Teil an der Prämie zu überweisen."
"Natürlich, natürlich", versicherte der Europäer. "Sie sollen bekommen, was Ihnen zusteht, Monsieur le President. So, wie es sich gehört."
Der Dicke neigte leicht den Kopf. "Monsieur le President, Monsieur le Ministre, haben Sie wie immer vielen Dank für Ihr Verständnis und Ihre Kooperation. Gemeinsam werden wir in ein paar Tagen über das, was wir heute als Krise ansehen, sehr herzlich lachen können."
"Ich nehme Sie beim Wort, Mr. Red", sagte der Präsident und setzte ein falsches Lächeln auf. "Guten Tag, Mr. Red."
"Guten Tag, meine Herren." Mr. Red tupfte sich ein letztes Mal die Stirn trocken, dann verließ er das Büro.
"Irgendwann schmilzt er uns einfach so weg, wenn er so weitermacht", sagte Agellaoue. "Und ich freue mich auf diesen Tag. Selbst für einen korrupten Lobbyisten ist mir der Kerl zu glatt und schleimig."
"Aber der Stamm verdient gut an ihm, und das ist die Hauptsache, Ives." Der Präsident griff zum Telefon. "Janine, verbinden Sie mich mit der Hafenkommandantur von Banana Port. Ich habe einen Auftrag zu verteilen."
***