Fukuda Yuriko
von momomida
Kurzbeschreibung
Shinta/Ko OS
KurzgeschichteAllgemein / P12 / Gen
- Shinta Fukuda
Yuriko "Ko" Aoki
26.07.2011
26.07.2011
1
3.313
2
26.07.2011
3.313
Dieser OS ist Teil eines kleinen Projektes mit Leo-chan. Wir haben uns die Schlagworte Gewitter und Spiegel ausgesucht und dazu je einen OS geschrieben.
(Dass wir das selbe Pairing gewählt haben ist Zufall ;D)
Fukuda Yuriko
Eigentlich hatte sie sich heute etwas früher schlafen legen wollen, doch stattdessen sass sie noch im Schein ihrer Schreibtischlampe am Storyboard für das nächste Kapitel von Grün wie der Frühling. Eigentlich lag sie gut im Zeitplan, doch als sie heute bei Shinta gewesen war, war ihnen beim Besprechen des letzen Storyboards bereits eine Idee für das nächste Kapitel gekommen. Diese liess Ko nun nicht mehr los und so zeichnete sie sie bereits auf. Der Entwurf war richtig gut, wie sie fand, und sie konnte es kaum erwarten ihn Shinta zu zeigen.
Was er wohl dazu meine? Hoffentlich fand er es gut umgesetzt. Obwohl er wahrscheinlich trotzdem etwas daran auszusetzen haben würde. Er fand so gut wie immer einen Kritikpunkt, aber dies war nicht unbedingt negativ. Im Gegenteil. Es trieb sie meistens nur noch mehr an, das Beste aus ihrem Manuskript rauszuholen.
Als sie endlich den Stift weg lag, bemerkte sie mit einem Blick auf die Uhr, dass es bereits nach elf Uhr war. Sie hatte die Zeit ganz aus den Augen verloren und so langsam war sie doch müde. Sie ordnete noch kurz ihre Skizzen und erhob sich dann. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Es regnete schon den ganzen Abend und nun schien auf noch ein Gewitter aufzuziehen. In der Ferne sah sie es schon von Zeit zu Zeit hell aufblitzen.
Schliesslich riss sie sich von dem Anblick los und begab sich ins Bedazimmer, um dann unter die Dusche zu steigen.
Als sie geduscht hatte, zog sie sich ihr weisses Nachhemd über und begann ihre Haare zu kämmen. Da fiel ihr Blick auf den Spiegel an der Wand ihr gegenüber.
Einen Moment hielt sie mit Kämmen inne und betrachtete sich selbst, so weit dies in dem vom Wasserdampf angelaufenen Spiegel möglich war.
Sie sah die Silhouette einer jungen Frau mit hellbraunen Haaren, die ihr, nass wie sie waren, knapp bis zu den Schultern reichten. War sie das wirklich? Die Person im Spiegel kam ihr fremd vor.
Das bin ich, sagte sie sich, glaubte sich aber selbst nicht.
Sie hatte schon so oft zu spüren bekommen, was andere, insbesondere Männer, in ihr sahen, sodass sie nicht mehr wusste, was sie selbst in sich sah.
Wer war sie? Eine Frau? Ein Mädchen? Mangaka? Eine Studierende? Oder einfach nur das Ziel irgendwelcher perversen Typen?
Sie hob die Hand und berührte mit dem Finger die Mitte des Spiegels, dort, wo ihre Nase war. Sie setzte einen Strich nach dem anderen, bis sie in ihrem Gesicht ablesen konnte, wer sie war.
Yuriko.
Da, wo sie die Schriftzeichen geschrieben hatte, hatte sie zugleich den Spiegel vom Wasserdampf befreit und so sah sie durch ihren Namen ihr eigenes Gesicht.
„Yuriko“, flüsterte sie und zwang sich zu einem Lächeln, das ihr erstaunlich gut gelang.
Sie war einfach sie selbst und brauchte nicht darauf zu achten, was andere von ihr hielten. Sie musste einfach nur sie selbst bleiben. Einfach nur Yuriko.
Sie schrak mit einem Mal zusammen als sie ein lautes Donnern von draussen vernahm. Das Gewitter war nun also in ihrer Nähe. Hoffentlich war es bald wieder verschwunden, sie mochte nicht besonders, wenn es draussen so rumorte. Sie schrak jedes Mal zusammen, wenn ein Donner zu hören war. Sie seufzte kurz und fuhr dann damit fort, ihre Haare zu ordnen.
Ko musste ein Gähnen unterdrücken. Sie hätte wirklich nicht so lange zeichnen sollen. Morgen war sie dann bestimmt wieder total müde, sodass sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte. Sie würde nur noch kurz das Badezimmer putzen und sich dann ins Bett begeben.
Sie steckte ihre Haare provisorisch und nicht sehr ordentlich mit einer Haarnadel hoch und ihr Blick fiel noch einmal auf die Schriftzeichen am Spiegel.
Eine Weile betrachtete Ko sie und setzte noch einmal neben ihrem Namen an, um zwei weitere Zeichen zu setzen.
Fukuda.
Als sie realisierte, was sie da eigentlich geschrieben hatte, begann sie leise zu lachen. Sie kam sich vor wie ein Schulmädchen, das versuchte mit dem Namen ihres Schwarmes zu unterschreiben.
Wie es schien, war sie wirklich müde. Sonst würde sie wohl nicht auf so einen Quatsch kommen.
Fukuda Yuriko.
Sie sah den Namen an und konnte sich aus irgendeinem Grund nicht davon losreissen. Als würde sich dahinter einen Sinn verbergen, der ihr verborgen blieb. Komisch, dass sie gerade auf Shintas Namen gekommen war.
Das Klingeln der Haustüre riss sie schliesslich aus ihren Gedanken und von dem Spiegel. Sie lauschte, vernahm aber nur das Prasseln des Regens unterstrichen von einigen etwas entfernteren Gewittergeräuschen.
Wer so spät wohl noch bei ihr klingelte?
Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken einfach nicht zu öffnen, doch der Besucher würde wohl sehen, dass in ihrer Wohnung noch Licht brannte. Sie konnte ja nur einmal kurz nachsehen.
Also verliess sie das Badezimmer und eilte durch ihre Wohnung, um zu sehen, wer geklingelt hatte.
Vor der Tür blieb sie stehen und zögerte einen Moment. Wer sollte denn jetzt noch etwas von ihr wollen? Vielleicht war das nur ein doofer Klingelstreich. Obwohl das auch ein bisschen unwahrscheinlich war bei diesem Wetter.
Sie atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür einen Spalt breit, um hinauszuspähen.
Als sie die Person in der Finsternis erkannte, brachte sie kein vernünftiges Wort heraus.
„Was…?“
Sie weitete die Augen und sah ungläubig den vollkommen durchnässten Shinta an. Das konnte nicht sein.
„Hi“, meinte er nur mit einem Grinsen im Gesicht.
„Was machst du denn hier?“
Das war einfach zu verrückt. Hatte sie mit einem Mal telepathische Fähigkeiten?
Ko öffnete die Tür ganz und Shinta begann in seiner Jacke zu wühlen. Schliesslich hielt er ihr einen kleinen Gegenstand vor die Nase.
„Hier. Du hast dein Handy bei mir vergessen.“
Etwas verdutzt nahm sie das Telefon entgegen. Sie kam sie vor, wie in einem falschen Film gelandet zu sein.
„Du bist in diesem Wetter hierhergefahren, nur um mir mein Handy zu bringen?“
„Scheint so. Ich wusste nicht, ob du es heute noch brauchst. Und anrufen konnte ich dich ja schlecht.“
„Danke“, meinte sie leise und ihr Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an.
Das konnte er nicht ernst meinen.
Da wurde ihr bewusst, dass sie nur ihr dünnes Nachthemd anhatte. Sie begann leicht zu frieren, was jedoch noch ihr kleinstes Problem war. Shinta öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, als die Nacht mit einem Mal von einem Blitz erhellt wurde, gefolgt von einem Lauten Donnern.
Ko schrak deswegen zusammen während Shinta das ganze nur mit einem coolen Blick über die Schulter quittierte. Und bei diesem Wetter war er einfach so schnell mal zu ihr gefahren? Verrückt.
„B-bist du mit deinem Motorrad hier?“
Doofe Frage eigentlich. Natürlich war er es. Sie sah es sogar einige Meter hinter ihm auf dem Vorplatz stehen. Doch sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.
„Eh… Ja.“
Irgendwie war ihr die Situation unangenehm. Okay, wie konnte so eine Situation auch angenehm sein? Aber, was sollte sie nun sagen?
„Willst du vielleicht reinkommen?“
Ihre Lippen hatten sich bewegt, noch ehe sie den Entschluss dazu gefasst hatte. Aber vielleicht war es auch gut so. Sonst hätte sie es wohl nie gesagt, und sie konnte Shinta nicht einfach wieder in diesem Gewitter zurückfahren lassen. Wäre irgendwie unfreundlich, auf Wiedersehen zu sagen und die Tür vor seiner Nase zuzuknallen.
Shinta war über ihre Einladung sichtlich erstaunt und er hob eine Augenbraue.
„Bist du dir sicher? Ist dir doch bestimmt unangenehm, wenn ich in deine Wohnung und…“
„Doch egal. Komm einfach rein.“
Sie begann zu lächeln und als sich auf seinem Gesicht schliesslich ebenfalls ein Lächeln bildete, war sie froh nicht zu viel darüber nachgedacht und die Worte einfach ausgesprochen zu haben.
„Okay“, meinte er und strich sich eine nasse Haarsträne aus dem Gesicht. Ko stand zur Seite, sodass er ihre Wohnung betreten konnte, und schliesslich schloss sie die Tür hinter sich.
„Tut mir leid, wegen mir ist jetzt dein Fussboden ganz nass“, meinte er mit einem skeptischen Blick auf seine nasse Kleidung und die kleine Pfütze, die seine Stiefel hinterlassen hatten.
„Macht nichts. Du kannst die Jacke hier aufhängen und die Schuhe einfach da stehen lassen“, sagte sie und deutete auf einen Jackenständer. Schliesslich begab sie sich etwas peinlich berührt bereits in die Küche. Was nun? Ihr Blick fiel auf die Kaffeemaschine. Kaffee. Ja, Kaffee anbieten hörte sich gut an.
„Willst du einen Kaffee?“
„Ja, gerne.“
Gut, das hätte funktioniert.
Shinta folgte ihr, blieb jedoch im Türrahmen stehen, während Ko übertrieben langsam zwei Tassen aus dem Küchenschrank nahm und die Kaffeemaschine anschaltete.
Sie drehte sich leicht zu ihrem Gast. Seine langen Haare hingen ihm nass ins Gesicht und seine Kleidung schien nach wie vor auch nicht so trocken.
„Du kannst meine Dusche benutzen, wenn du willst. Handtücher sind im Schrank hinter der Tür. Kleidung kann ich dir keine anbieten, tut mir leid.“
„Ist das echt okay für dich?“
„Klar. Sonst würde ich es dir ja nicht anbieten, oder?“
Sie lächelte erneut, dieses Mal erwiderte er es jedoch nicht.
Okay, es war nicht ganz die Wahrheit. Natürlich kam es ihr ein bisschen komisch vor, ihm anzubieten, bei ihr zu duschen, aber eigentlich war es ja schon in Ordnung, glaubte sie. Ausserdem war er ganz nass.
Sie hoffte bloss, dass Shinta nicht auf blöde Gedanken kam, nur weil sie ihn in ihre Wohnung gelassen hatte und freundlich zu ihm war. Bei Männern wusste man nie.
Bei Takuro hatte sie jedenfalls bei jedem Wort, das sie sagte, aufpassen müssen, dass er es nicht irgendwie falsch auffassen könnte.
Anders bei Shinta. Bei ihm hatte sie bis jetzt noch nie das Gefühl gehabt, er wolle irgendetwas von ihr, das nicht mit Manga zu tun hatte. Sie hoffte, dass sich dies jetzt nicht ändern würde, nur weil er ihr Badezimmer benutzen durfte. Aber wahrscheinlich nicht. Der Gedanken war schon komisch. Shinta war ganz und gar nicht so.
Er war unterdessen ins Badezimmer verschwunden und Ko suchte in einem Küchenschrank nach Keksen, oder sonst etwas, dass man zu Kaffee anbieten konnte. Vergebens. Hätte sie doch bloss welche gekauft. Sie seufzte und bereitet den Kaffee fertig zu. Die beiden Tassen stellte sie dann auf dem Küchentisch ab.
Und was machte sie jetzt bis Shinta wieder kam? Sie sah sich etwas unbehaglich um und wunderte sich, dass sie sich in ihrer eigenen Wohnung unbehaglich fühlen konnte.
Als es erneut laut donnerte, schrak sie wieder zusammen, beruhigte sich aber bald wieder. Warum musste sie auch bloss immer so erschrecken? War ja nur ein Gewitter.
Sie entschied sich dafür, an den Tisch zu sitzen und einfach zu warten bis Shinta fertig geduscht hatte.
Sie betrachtete die Wanduhr und wie sich der Zeiger langsam vorwärts schob. Schon elf Uhr sechsunddreissig.
Jetzt fiel ihr wieder auf, wie müde sie eigentlich war. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte leicht. So schnell konnte etwas zwischen einen und den Genuss eines Bettes kommen.
Sie lauschte dem Prasseln der Dusche, das sich mit dem des Regens mischte, untermalt von ständigem Rumoren des Gewitters.
Zugegeben, sieben Minuten waren nicht so lange, aber ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, bis Shinta endlich wieder den Weg in die Küche fand. Er war komplett angezogen, auch wenn seine Klamotten noch immer etwas nass schienen. Na ja, wie gesagt, konnte sie ihm wirklich keine anderen anbieten. Jedoch schien er sich von seinen Socken verabschiedet zu haben, da er barfuss ging.
„Danke“, meinte er, vermied aber direkten Augenkontakt, indem er etwas unbeholfen auf den Boden starrte. Glaubte sie das nur, oder war sein Blick tatsächlich ein bisschen verlegen?
Konnte Shinta verlegen sein? Wahrscheinlich eher nicht …
Er setzte sich ihr gegenüber und als nach einer Weile niemand etwas sagte, räusperte er sich.
„Tut mir wirklich leid, dass ich dich so lange aufhalte. Vielleicht war es ein bisschen doof von mir, dir dein Handy noch vorbeizubringen … aber ich wusste ja nicht, ob du es brauchst.“
„Nein, nein, das ist okay! Vielen Dank, aber den Weg hättest du deswegen wirklich nicht auf dich nehmen müssen.“
Sie unterstrich ihre Worte mit einem leichten Kopfschütteln.
„Sorry, wollte wirklich nicht aufdringlich wirken oder so …“
„Schon okay.“
Sie nahm einen Schluck Kaffee, um nichts Weiteres sagen zu müssen. Das Getränk war noch nicht einmal kalt.
Shinta schwieg. Irgendwie komisch. Sonst wusste er doch immer etwas sagen und nahm kein Blatt vor den Mund. Das genaue Gegenteil von ihr eben.
Ko fragte sich, ob sie eigentlich überhaupt Gemeinsamkeiten hatten. Wahrscheinlich nicht. Sie mochten sich ja nicht einmal besonders. Sie waren einfach zu verschieden.
Ko sprach immer höflich und bedacht, Shinta grob und rücksichtslos. Sie hielt sich meistens zurück, er war mitten ihm Geschehen dabei. Sie achtete stark auf sauberes Auftreten, er scherte sich nicht darum. Doch nun schienen beide nicht zu wissen, was sie sagen sollten.
Shinta trank ebenfalls von seinem Kaffee.
Endlich kam ihr ein passendes Gesprächsthema in den Sinn.
„Ich habe das nächste Kapitel bereits grob skizziert. Willst du es sehen?“
„Äh… ja, gerne.“
Ko erhob sich und begab sich in ihr Arbeitszimmer. Dort atmete sie erst einmal tief durch. Die Stimmung war echt drückend. Zum Glück hatten sie ja noch ihr Manga als Thema.
Schon komisch, solche Gesprächspausen gab es sonst eigentlich nicht zwischen ihnen. Aber meistens besprachen sie ja auch ihren Manga, also hoffte sie, dass dieses Schweigen nun ein Ende hatte.
Sie nahm die Seiten, die sie heute gezeichnet hatte, und ging zurück zu Shinta, wo sie ihm das Storyboard reichte.
Er nahm es entgegen und begann es stumm durchzulesen. Sie schwiegen wieder, doch dieses Mal war es nicht so unangenehm.
Shinta brauchte auffällig lange, um das ganze durchzulesen und Ko warf ihm hinter ihrer Kaffeetasse immer wieder neugierige Blicke zu, doch konnte sie aus seiner Miene nichts ablesen. Komisch war nur, dass er nichts sagte. Sonst gab er doch immer schon seine Kommentare dazu ab. Warum jetzt nicht? War es etwa so gut? Oder so schlecht …
Endlich legte er die Papiere vor sich auf den Tisch.
„Und? Wie findest du es?“
Sie konnte die Frage nicht verhindern. Sie war zu neugierig.
„Hmm… ganz gut.“
Ganz gut? Es hörte sich nicht wirklich überzeugend an. Eher, als hätte er es gar nicht interessiert durchgelesen. Also wäre er mit seinen Gedanken ganz wo anders … Vielleicht bildete sie sich dies aber auch nur ein.
„Ist die sexy Szene okay so? Ich war mir nicht sicher, wie ich sie darstellen sollte.“
„Die sexy Szene? Ja… ehm…“
Er begann die Seiten zu durchsuchen, wobei Ko auffiel, dass seine Hände zitterten. Schliesslich hatte er die Szene vor sich liegen.
„Ach ja, stimmt. Hmm… du könntest das ganze vielleicht aus einer anderen Perspektive zeichnen, oder so.“
Es hörte sich an, als wusste er nicht, was er sagen sollte. Was war bloss los mit ihm? Irgendwie war er nicht ganz bei der Sache. Sonst war er immer Feuer und Flamme wenn es darum ging Kos Manga zu kritisieren.
„Am besten faxt du mir morgen den Entwurf noch mal, dann können wir ihn ausführlich besprechen.“
„Äh okay.“
Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und suchte in ihrem Hirn bereits wieder nach einem Gesprächsthema als Shinta einen Blick auf die Uhr warf und sich schliesslich erhob.
„Ich gehe wohl besser mal. Es ist schon spät und ich will dich nicht mehr länger stören.“
Hatte sie etwas Falsches gesagt? Oder hatte er das ständige peinliche Schweigen einfach satt?
„Das Gewitter ist aber noch nicht vorüber …“, erwiderte sie mit einem Blick aus dem Fenster.
„Ach, keine Angst, ich werde schon nicht vom Blitz erschlagen.“
Er grinste, wie es typisch für ihn war, und Ko beruhigte dies ein wenig. Wahrscheinlich war er auch einfach nur müde. Und er hatte ja gesagt, sie würden das Storyboard morgen ausführlich besprechen. Er begab sich in den Flur und Ko folgte ihm, auch wenn sie sich ein wenig unbehaglich vorkam, neben Shinta zu stehen, während er in seine Schuhe schlüpfte und schliesslich die Jacke ergriff.
„Dann bis morgen?“
„Jep. Danke für den Kaffee.“
„Gern geschehen … Danke, dass du mir mein Handy vorbeigebracht hast.“
„Kein Ding.“
Shinta öffnete die Tür und ein kalter Wind schlug ihnen entgegen. Es regnete immer noch.
Wozu hatte er eigentlich ihre Dusche benutzt, wenn er jetzt so oder so wieder nass wurde?
„Auf wiedersehen“, meinte sie und er trat hinaus.
„Ciao.“
Ohne sich noch einmal umzudrehen schloss er die Tür hinter sich.
Und obwohl sie sein Grinsen vorher ein bisschen beruhigt hatte, war sie sich doch sicher, dass etwas nicht stimmte. Was war den nur los? Sie hatte ihn noch nie so komisch gesehen. Als er gekommen war, war er doch noch ganz normal gewesen. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Oder hatte sie etwas im Gesicht? Hoffentlich nicht. Das wäre ja total peinlich.
Schnell eilte sie ins Badezimmer, um dies zu überprüfen.
Sie wandte sich dem Spiegel zu und hielt augenblicklich den Atem an.
Verdammt! Wie konnte sie nur so blöd sein!
Entsetzt starrte sie auf die Schriftzeichen, die immer noch den Spiegel zierten. Shinta würde sie bestimmt nicht übersehen haben.
Fukuda Yuriko.
Kein Wunder, dass er sich so komisch verhalten hatte.
„Verdammte Scheisse!“
Sie weitete die Augen, als sie realisierte, was sie da gesagt hatte. Seit wann fluchte sie denn? Sie hörte sich ja schon fast wie Shinta an. Wobei er sich heute eher wie sie angehört hatte. Und nur weil er diesen Blödsinn gesehen hatte.
„So ein Mist!“
Und obwohl die Situation richtig ärgerlich war, begann sie leise zu kichern. Irgendwie lustig so zu sprechen. Es tat sogar richtig gut. Shinta durfte einfach nichts davon mitbekommen. Er würde sich nur etwas darauf einbilden und sich über sie lustig machen.
Shinta. Sie seufzte. Was sollte sie bloss tun? Wie hatte sie auch so blöd sein können? Jetzt hatte er diesen zusammengesetzten Namen, der gar nichts zu bedeuten hatte, gesehen. So konnte er ja gar nicht anders, als sich falsche Gedanken machen.
Warum hatte sie das auch überhaupt geschrieben? Sie schüttelte den Kopf, da sie sich selbst nicht verstand.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Am besten schlief sie erst einmal eine Nacht darüber. Sie war schon viel zu lange wach.
Als sie noch einmal den Spiegel vor sich betrachtete, fiel ihr ein winziges Detail auf. Hatte sie den Namen nicht auf ihrer Nasenhöhe geschrieben? Entweder war sie geschrumpft, oder die Zeichen standen tatsächlich höher. Noch knapp auf ihrer Stirn.
Eine vage Vermutung machte sich in ihr breit. Und hatte Shinta nicht geduscht? Der Wasserdampf hätte das Geschriebene auf dem Spiegel wieder überdeckt. Auch glaubte sie, dass ganze zentrierter und kleiner geschrieben zu haben. Konnte es sein, dass …? Nein, es konnte nicht sein, es musste so sein. Anders wäre es gar nicht denkbar.
Sie hatte das Badezimmer mit dem Namen Fukuda Yuriko auf dem Spiegel verlassen. Einige Minuten später hatte Shinta es betreten und geduscht. Der Wasserdampf hatte die Zeichen ausgelöscht, die dann aber erneut gezogen wurden. Und nun stand Ko wieder vor diesem Spiegel und starrte auf den Namen, der nur Shinta geschrieben haben konnte.
Fukuda Yuriko.
Es waren ohne Zweifel dieselben Zeichen, die sie hinterlassen hatte, doch grösser und etwas flüchtiger. Warum hatte er das wohl getan? Es passte nicht zu ihm.
Wahrscheinlich hatte er, so wie sie, sich nichts dabei gedacht und es hatte absolut nichts zu bedeuten.
Wieder schüttelte sie den Kopf. Verrückt. Das war doch alles verrückt. Sie war verrückt, Shinta war verrückt, dieser doofe Spiegel war verrückt und das verfluchte Gewitter so oder so.
Und zum gefühlten hundertsten Mal an diesem Abend fragte sie sich, warum sie bloss diesen Namen geschrieben hatte. Sie verstand sich nicht. Und Shinta verstand sie schon gar nicht.
Sie weitete die Augen und sah noch einem auf den Spiegel, während ein Donner ertönte, was sie jedoch kein bisschen zum Zusammenzucken brachte.
Shinta und sie hatten also doch Gemeinsamkeiten. Sie waren beide verrückt und Ko verstand keinen der beiden.
(Dass wir das selbe Pairing gewählt haben ist Zufall ;D)
Fukuda Yuriko
Eigentlich hatte sie sich heute etwas früher schlafen legen wollen, doch stattdessen sass sie noch im Schein ihrer Schreibtischlampe am Storyboard für das nächste Kapitel von Grün wie der Frühling. Eigentlich lag sie gut im Zeitplan, doch als sie heute bei Shinta gewesen war, war ihnen beim Besprechen des letzen Storyboards bereits eine Idee für das nächste Kapitel gekommen. Diese liess Ko nun nicht mehr los und so zeichnete sie sie bereits auf. Der Entwurf war richtig gut, wie sie fand, und sie konnte es kaum erwarten ihn Shinta zu zeigen.
Was er wohl dazu meine? Hoffentlich fand er es gut umgesetzt. Obwohl er wahrscheinlich trotzdem etwas daran auszusetzen haben würde. Er fand so gut wie immer einen Kritikpunkt, aber dies war nicht unbedingt negativ. Im Gegenteil. Es trieb sie meistens nur noch mehr an, das Beste aus ihrem Manuskript rauszuholen.
Als sie endlich den Stift weg lag, bemerkte sie mit einem Blick auf die Uhr, dass es bereits nach elf Uhr war. Sie hatte die Zeit ganz aus den Augen verloren und so langsam war sie doch müde. Sie ordnete noch kurz ihre Skizzen und erhob sich dann. Sie warf einen Blick aus dem Fenster. Es regnete schon den ganzen Abend und nun schien auf noch ein Gewitter aufzuziehen. In der Ferne sah sie es schon von Zeit zu Zeit hell aufblitzen.
Schliesslich riss sie sich von dem Anblick los und begab sich ins Bedazimmer, um dann unter die Dusche zu steigen.
Als sie geduscht hatte, zog sie sich ihr weisses Nachhemd über und begann ihre Haare zu kämmen. Da fiel ihr Blick auf den Spiegel an der Wand ihr gegenüber.
Einen Moment hielt sie mit Kämmen inne und betrachtete sich selbst, so weit dies in dem vom Wasserdampf angelaufenen Spiegel möglich war.
Sie sah die Silhouette einer jungen Frau mit hellbraunen Haaren, die ihr, nass wie sie waren, knapp bis zu den Schultern reichten. War sie das wirklich? Die Person im Spiegel kam ihr fremd vor.
Das bin ich, sagte sie sich, glaubte sich aber selbst nicht.
Sie hatte schon so oft zu spüren bekommen, was andere, insbesondere Männer, in ihr sahen, sodass sie nicht mehr wusste, was sie selbst in sich sah.
Wer war sie? Eine Frau? Ein Mädchen? Mangaka? Eine Studierende? Oder einfach nur das Ziel irgendwelcher perversen Typen?
Sie hob die Hand und berührte mit dem Finger die Mitte des Spiegels, dort, wo ihre Nase war. Sie setzte einen Strich nach dem anderen, bis sie in ihrem Gesicht ablesen konnte, wer sie war.
Yuriko.
Da, wo sie die Schriftzeichen geschrieben hatte, hatte sie zugleich den Spiegel vom Wasserdampf befreit und so sah sie durch ihren Namen ihr eigenes Gesicht.
„Yuriko“, flüsterte sie und zwang sich zu einem Lächeln, das ihr erstaunlich gut gelang.
Sie war einfach sie selbst und brauchte nicht darauf zu achten, was andere von ihr hielten. Sie musste einfach nur sie selbst bleiben. Einfach nur Yuriko.
Sie schrak mit einem Mal zusammen als sie ein lautes Donnern von draussen vernahm. Das Gewitter war nun also in ihrer Nähe. Hoffentlich war es bald wieder verschwunden, sie mochte nicht besonders, wenn es draussen so rumorte. Sie schrak jedes Mal zusammen, wenn ein Donner zu hören war. Sie seufzte kurz und fuhr dann damit fort, ihre Haare zu ordnen.
Ko musste ein Gähnen unterdrücken. Sie hätte wirklich nicht so lange zeichnen sollen. Morgen war sie dann bestimmt wieder total müde, sodass sie sich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte. Sie würde nur noch kurz das Badezimmer putzen und sich dann ins Bett begeben.
Sie steckte ihre Haare provisorisch und nicht sehr ordentlich mit einer Haarnadel hoch und ihr Blick fiel noch einmal auf die Schriftzeichen am Spiegel.
Eine Weile betrachtete Ko sie und setzte noch einmal neben ihrem Namen an, um zwei weitere Zeichen zu setzen.
Fukuda.
Als sie realisierte, was sie da eigentlich geschrieben hatte, begann sie leise zu lachen. Sie kam sich vor wie ein Schulmädchen, das versuchte mit dem Namen ihres Schwarmes zu unterschreiben.
Wie es schien, war sie wirklich müde. Sonst würde sie wohl nicht auf so einen Quatsch kommen.
Fukuda Yuriko.
Sie sah den Namen an und konnte sich aus irgendeinem Grund nicht davon losreissen. Als würde sich dahinter einen Sinn verbergen, der ihr verborgen blieb. Komisch, dass sie gerade auf Shintas Namen gekommen war.
Das Klingeln der Haustüre riss sie schliesslich aus ihren Gedanken und von dem Spiegel. Sie lauschte, vernahm aber nur das Prasseln des Regens unterstrichen von einigen etwas entfernteren Gewittergeräuschen.
Wer so spät wohl noch bei ihr klingelte?
Einen Moment spielte sie mit dem Gedanken einfach nicht zu öffnen, doch der Besucher würde wohl sehen, dass in ihrer Wohnung noch Licht brannte. Sie konnte ja nur einmal kurz nachsehen.
Also verliess sie das Badezimmer und eilte durch ihre Wohnung, um zu sehen, wer geklingelt hatte.
Vor der Tür blieb sie stehen und zögerte einen Moment. Wer sollte denn jetzt noch etwas von ihr wollen? Vielleicht war das nur ein doofer Klingelstreich. Obwohl das auch ein bisschen unwahrscheinlich war bei diesem Wetter.
Sie atmete noch einmal tief durch und öffnete die Tür einen Spalt breit, um hinauszuspähen.
Als sie die Person in der Finsternis erkannte, brachte sie kein vernünftiges Wort heraus.
„Was…?“
Sie weitete die Augen und sah ungläubig den vollkommen durchnässten Shinta an. Das konnte nicht sein.
„Hi“, meinte er nur mit einem Grinsen im Gesicht.
„Was machst du denn hier?“
Das war einfach zu verrückt. Hatte sie mit einem Mal telepathische Fähigkeiten?
Ko öffnete die Tür ganz und Shinta begann in seiner Jacke zu wühlen. Schliesslich hielt er ihr einen kleinen Gegenstand vor die Nase.
„Hier. Du hast dein Handy bei mir vergessen.“
Etwas verdutzt nahm sie das Telefon entgegen. Sie kam sie vor, wie in einem falschen Film gelandet zu sein.
„Du bist in diesem Wetter hierhergefahren, nur um mir mein Handy zu bringen?“
„Scheint so. Ich wusste nicht, ob du es heute noch brauchst. Und anrufen konnte ich dich ja schlecht.“
„Danke“, meinte sie leise und ihr Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an.
Das konnte er nicht ernst meinen.
Da wurde ihr bewusst, dass sie nur ihr dünnes Nachthemd anhatte. Sie begann leicht zu frieren, was jedoch noch ihr kleinstes Problem war. Shinta öffnete gerade den Mund um etwas zu sagen, als die Nacht mit einem Mal von einem Blitz erhellt wurde, gefolgt von einem Lauten Donnern.
Ko schrak deswegen zusammen während Shinta das ganze nur mit einem coolen Blick über die Schulter quittierte. Und bei diesem Wetter war er einfach so schnell mal zu ihr gefahren? Verrückt.
„B-bist du mit deinem Motorrad hier?“
Doofe Frage eigentlich. Natürlich war er es. Sie sah es sogar einige Meter hinter ihm auf dem Vorplatz stehen. Doch sie wusste nicht, was sie sonst hätte sagen sollen.
„Eh… Ja.“
Irgendwie war ihr die Situation unangenehm. Okay, wie konnte so eine Situation auch angenehm sein? Aber, was sollte sie nun sagen?
„Willst du vielleicht reinkommen?“
Ihre Lippen hatten sich bewegt, noch ehe sie den Entschluss dazu gefasst hatte. Aber vielleicht war es auch gut so. Sonst hätte sie es wohl nie gesagt, und sie konnte Shinta nicht einfach wieder in diesem Gewitter zurückfahren lassen. Wäre irgendwie unfreundlich, auf Wiedersehen zu sagen und die Tür vor seiner Nase zuzuknallen.
Shinta war über ihre Einladung sichtlich erstaunt und er hob eine Augenbraue.
„Bist du dir sicher? Ist dir doch bestimmt unangenehm, wenn ich in deine Wohnung und…“
„Doch egal. Komm einfach rein.“
Sie begann zu lächeln und als sich auf seinem Gesicht schliesslich ebenfalls ein Lächeln bildete, war sie froh nicht zu viel darüber nachgedacht und die Worte einfach ausgesprochen zu haben.
„Okay“, meinte er und strich sich eine nasse Haarsträne aus dem Gesicht. Ko stand zur Seite, sodass er ihre Wohnung betreten konnte, und schliesslich schloss sie die Tür hinter sich.
„Tut mir leid, wegen mir ist jetzt dein Fussboden ganz nass“, meinte er mit einem skeptischen Blick auf seine nasse Kleidung und die kleine Pfütze, die seine Stiefel hinterlassen hatten.
„Macht nichts. Du kannst die Jacke hier aufhängen und die Schuhe einfach da stehen lassen“, sagte sie und deutete auf einen Jackenständer. Schliesslich begab sie sich etwas peinlich berührt bereits in die Küche. Was nun? Ihr Blick fiel auf die Kaffeemaschine. Kaffee. Ja, Kaffee anbieten hörte sich gut an.
„Willst du einen Kaffee?“
„Ja, gerne.“
Gut, das hätte funktioniert.
Shinta folgte ihr, blieb jedoch im Türrahmen stehen, während Ko übertrieben langsam zwei Tassen aus dem Küchenschrank nahm und die Kaffeemaschine anschaltete.
Sie drehte sich leicht zu ihrem Gast. Seine langen Haare hingen ihm nass ins Gesicht und seine Kleidung schien nach wie vor auch nicht so trocken.
„Du kannst meine Dusche benutzen, wenn du willst. Handtücher sind im Schrank hinter der Tür. Kleidung kann ich dir keine anbieten, tut mir leid.“
„Ist das echt okay für dich?“
„Klar. Sonst würde ich es dir ja nicht anbieten, oder?“
Sie lächelte erneut, dieses Mal erwiderte er es jedoch nicht.
Okay, es war nicht ganz die Wahrheit. Natürlich kam es ihr ein bisschen komisch vor, ihm anzubieten, bei ihr zu duschen, aber eigentlich war es ja schon in Ordnung, glaubte sie. Ausserdem war er ganz nass.
Sie hoffte bloss, dass Shinta nicht auf blöde Gedanken kam, nur weil sie ihn in ihre Wohnung gelassen hatte und freundlich zu ihm war. Bei Männern wusste man nie.
Bei Takuro hatte sie jedenfalls bei jedem Wort, das sie sagte, aufpassen müssen, dass er es nicht irgendwie falsch auffassen könnte.
Anders bei Shinta. Bei ihm hatte sie bis jetzt noch nie das Gefühl gehabt, er wolle irgendetwas von ihr, das nicht mit Manga zu tun hatte. Sie hoffte, dass sich dies jetzt nicht ändern würde, nur weil er ihr Badezimmer benutzen durfte. Aber wahrscheinlich nicht. Der Gedanken war schon komisch. Shinta war ganz und gar nicht so.
Er war unterdessen ins Badezimmer verschwunden und Ko suchte in einem Küchenschrank nach Keksen, oder sonst etwas, dass man zu Kaffee anbieten konnte. Vergebens. Hätte sie doch bloss welche gekauft. Sie seufzte und bereitet den Kaffee fertig zu. Die beiden Tassen stellte sie dann auf dem Küchentisch ab.
Und was machte sie jetzt bis Shinta wieder kam? Sie sah sich etwas unbehaglich um und wunderte sich, dass sie sich in ihrer eigenen Wohnung unbehaglich fühlen konnte.
Als es erneut laut donnerte, schrak sie wieder zusammen, beruhigte sich aber bald wieder. Warum musste sie auch bloss immer so erschrecken? War ja nur ein Gewitter.
Sie entschied sich dafür, an den Tisch zu sitzen und einfach zu warten bis Shinta fertig geduscht hatte.
Sie betrachtete die Wanduhr und wie sich der Zeiger langsam vorwärts schob. Schon elf Uhr sechsunddreissig.
Jetzt fiel ihr wieder auf, wie müde sie eigentlich war. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte leicht. So schnell konnte etwas zwischen einen und den Genuss eines Bettes kommen.
Sie lauschte dem Prasseln der Dusche, das sich mit dem des Regens mischte, untermalt von ständigem Rumoren des Gewitters.
Zugegeben, sieben Minuten waren nicht so lange, aber ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, bis Shinta endlich wieder den Weg in die Küche fand. Er war komplett angezogen, auch wenn seine Klamotten noch immer etwas nass schienen. Na ja, wie gesagt, konnte sie ihm wirklich keine anderen anbieten. Jedoch schien er sich von seinen Socken verabschiedet zu haben, da er barfuss ging.
„Danke“, meinte er, vermied aber direkten Augenkontakt, indem er etwas unbeholfen auf den Boden starrte. Glaubte sie das nur, oder war sein Blick tatsächlich ein bisschen verlegen?
Konnte Shinta verlegen sein? Wahrscheinlich eher nicht …
Er setzte sich ihr gegenüber und als nach einer Weile niemand etwas sagte, räusperte er sich.
„Tut mir wirklich leid, dass ich dich so lange aufhalte. Vielleicht war es ein bisschen doof von mir, dir dein Handy noch vorbeizubringen … aber ich wusste ja nicht, ob du es brauchst.“
„Nein, nein, das ist okay! Vielen Dank, aber den Weg hättest du deswegen wirklich nicht auf dich nehmen müssen.“
Sie unterstrich ihre Worte mit einem leichten Kopfschütteln.
„Sorry, wollte wirklich nicht aufdringlich wirken oder so …“
„Schon okay.“
Sie nahm einen Schluck Kaffee, um nichts Weiteres sagen zu müssen. Das Getränk war noch nicht einmal kalt.
Shinta schwieg. Irgendwie komisch. Sonst wusste er doch immer etwas sagen und nahm kein Blatt vor den Mund. Das genaue Gegenteil von ihr eben.
Ko fragte sich, ob sie eigentlich überhaupt Gemeinsamkeiten hatten. Wahrscheinlich nicht. Sie mochten sich ja nicht einmal besonders. Sie waren einfach zu verschieden.
Ko sprach immer höflich und bedacht, Shinta grob und rücksichtslos. Sie hielt sich meistens zurück, er war mitten ihm Geschehen dabei. Sie achtete stark auf sauberes Auftreten, er scherte sich nicht darum. Doch nun schienen beide nicht zu wissen, was sie sagen sollten.
Shinta trank ebenfalls von seinem Kaffee.
Endlich kam ihr ein passendes Gesprächsthema in den Sinn.
„Ich habe das nächste Kapitel bereits grob skizziert. Willst du es sehen?“
„Äh… ja, gerne.“
Ko erhob sich und begab sich in ihr Arbeitszimmer. Dort atmete sie erst einmal tief durch. Die Stimmung war echt drückend. Zum Glück hatten sie ja noch ihr Manga als Thema.
Schon komisch, solche Gesprächspausen gab es sonst eigentlich nicht zwischen ihnen. Aber meistens besprachen sie ja auch ihren Manga, also hoffte sie, dass dieses Schweigen nun ein Ende hatte.
Sie nahm die Seiten, die sie heute gezeichnet hatte, und ging zurück zu Shinta, wo sie ihm das Storyboard reichte.
Er nahm es entgegen und begann es stumm durchzulesen. Sie schwiegen wieder, doch dieses Mal war es nicht so unangenehm.
Shinta brauchte auffällig lange, um das ganze durchzulesen und Ko warf ihm hinter ihrer Kaffeetasse immer wieder neugierige Blicke zu, doch konnte sie aus seiner Miene nichts ablesen. Komisch war nur, dass er nichts sagte. Sonst gab er doch immer schon seine Kommentare dazu ab. Warum jetzt nicht? War es etwa so gut? Oder so schlecht …
Endlich legte er die Papiere vor sich auf den Tisch.
„Und? Wie findest du es?“
Sie konnte die Frage nicht verhindern. Sie war zu neugierig.
„Hmm… ganz gut.“
Ganz gut? Es hörte sich nicht wirklich überzeugend an. Eher, als hätte er es gar nicht interessiert durchgelesen. Also wäre er mit seinen Gedanken ganz wo anders … Vielleicht bildete sie sich dies aber auch nur ein.
„Ist die sexy Szene okay so? Ich war mir nicht sicher, wie ich sie darstellen sollte.“
„Die sexy Szene? Ja… ehm…“
Er begann die Seiten zu durchsuchen, wobei Ko auffiel, dass seine Hände zitterten. Schliesslich hatte er die Szene vor sich liegen.
„Ach ja, stimmt. Hmm… du könntest das ganze vielleicht aus einer anderen Perspektive zeichnen, oder so.“
Es hörte sich an, als wusste er nicht, was er sagen sollte. Was war bloss los mit ihm? Irgendwie war er nicht ganz bei der Sache. Sonst war er immer Feuer und Flamme wenn es darum ging Kos Manga zu kritisieren.
„Am besten faxt du mir morgen den Entwurf noch mal, dann können wir ihn ausführlich besprechen.“
„Äh okay.“
Sie versuchte, sich ihre Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, und suchte in ihrem Hirn bereits wieder nach einem Gesprächsthema als Shinta einen Blick auf die Uhr warf und sich schliesslich erhob.
„Ich gehe wohl besser mal. Es ist schon spät und ich will dich nicht mehr länger stören.“
Hatte sie etwas Falsches gesagt? Oder hatte er das ständige peinliche Schweigen einfach satt?
„Das Gewitter ist aber noch nicht vorüber …“, erwiderte sie mit einem Blick aus dem Fenster.
„Ach, keine Angst, ich werde schon nicht vom Blitz erschlagen.“
Er grinste, wie es typisch für ihn war, und Ko beruhigte dies ein wenig. Wahrscheinlich war er auch einfach nur müde. Und er hatte ja gesagt, sie würden das Storyboard morgen ausführlich besprechen. Er begab sich in den Flur und Ko folgte ihm, auch wenn sie sich ein wenig unbehaglich vorkam, neben Shinta zu stehen, während er in seine Schuhe schlüpfte und schliesslich die Jacke ergriff.
„Dann bis morgen?“
„Jep. Danke für den Kaffee.“
„Gern geschehen … Danke, dass du mir mein Handy vorbeigebracht hast.“
„Kein Ding.“
Shinta öffnete die Tür und ein kalter Wind schlug ihnen entgegen. Es regnete immer noch.
Wozu hatte er eigentlich ihre Dusche benutzt, wenn er jetzt so oder so wieder nass wurde?
„Auf wiedersehen“, meinte sie und er trat hinaus.
„Ciao.“
Ohne sich noch einmal umzudrehen schloss er die Tür hinter sich.
Und obwohl sie sein Grinsen vorher ein bisschen beruhigt hatte, war sie sich doch sicher, dass etwas nicht stimmte. Was war den nur los? Sie hatte ihn noch nie so komisch gesehen. Als er gekommen war, war er doch noch ganz normal gewesen. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Oder hatte sie etwas im Gesicht? Hoffentlich nicht. Das wäre ja total peinlich.
Schnell eilte sie ins Badezimmer, um dies zu überprüfen.
Sie wandte sich dem Spiegel zu und hielt augenblicklich den Atem an.
Verdammt! Wie konnte sie nur so blöd sein!
Entsetzt starrte sie auf die Schriftzeichen, die immer noch den Spiegel zierten. Shinta würde sie bestimmt nicht übersehen haben.
Fukuda Yuriko.
Kein Wunder, dass er sich so komisch verhalten hatte.
„Verdammte Scheisse!“
Sie weitete die Augen, als sie realisierte, was sie da gesagt hatte. Seit wann fluchte sie denn? Sie hörte sich ja schon fast wie Shinta an. Wobei er sich heute eher wie sie angehört hatte. Und nur weil er diesen Blödsinn gesehen hatte.
„So ein Mist!“
Und obwohl die Situation richtig ärgerlich war, begann sie leise zu kichern. Irgendwie lustig so zu sprechen. Es tat sogar richtig gut. Shinta durfte einfach nichts davon mitbekommen. Er würde sich nur etwas darauf einbilden und sich über sie lustig machen.
Shinta. Sie seufzte. Was sollte sie bloss tun? Wie hatte sie auch so blöd sein können? Jetzt hatte er diesen zusammengesetzten Namen, der gar nichts zu bedeuten hatte, gesehen. So konnte er ja gar nicht anders, als sich falsche Gedanken machen.
Warum hatte sie das auch überhaupt geschrieben? Sie schüttelte den Kopf, da sie sich selbst nicht verstand.
Sie schloss die Augen und atmete tief durch. Am besten schlief sie erst einmal eine Nacht darüber. Sie war schon viel zu lange wach.
Als sie noch einmal den Spiegel vor sich betrachtete, fiel ihr ein winziges Detail auf. Hatte sie den Namen nicht auf ihrer Nasenhöhe geschrieben? Entweder war sie geschrumpft, oder die Zeichen standen tatsächlich höher. Noch knapp auf ihrer Stirn.
Eine vage Vermutung machte sich in ihr breit. Und hatte Shinta nicht geduscht? Der Wasserdampf hätte das Geschriebene auf dem Spiegel wieder überdeckt. Auch glaubte sie, dass ganze zentrierter und kleiner geschrieben zu haben. Konnte es sein, dass …? Nein, es konnte nicht sein, es musste so sein. Anders wäre es gar nicht denkbar.
Sie hatte das Badezimmer mit dem Namen Fukuda Yuriko auf dem Spiegel verlassen. Einige Minuten später hatte Shinta es betreten und geduscht. Der Wasserdampf hatte die Zeichen ausgelöscht, die dann aber erneut gezogen wurden. Und nun stand Ko wieder vor diesem Spiegel und starrte auf den Namen, der nur Shinta geschrieben haben konnte.
Fukuda Yuriko.
Es waren ohne Zweifel dieselben Zeichen, die sie hinterlassen hatte, doch grösser und etwas flüchtiger. Warum hatte er das wohl getan? Es passte nicht zu ihm.
Wahrscheinlich hatte er, so wie sie, sich nichts dabei gedacht und es hatte absolut nichts zu bedeuten.
Wieder schüttelte sie den Kopf. Verrückt. Das war doch alles verrückt. Sie war verrückt, Shinta war verrückt, dieser doofe Spiegel war verrückt und das verfluchte Gewitter so oder so.
Und zum gefühlten hundertsten Mal an diesem Abend fragte sie sich, warum sie bloss diesen Namen geschrieben hatte. Sie verstand sich nicht. Und Shinta verstand sie schon gar nicht.
Sie weitete die Augen und sah noch einem auf den Spiegel, während ein Donner ertönte, was sie jedoch kein bisschen zum Zusammenzucken brachte.
Shinta und sie hatten also doch Gemeinsamkeiten. Sie waren beide verrückt und Ko verstand keinen der beiden.