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Ungesagte Worte

Kurzbeschreibung
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
15.07.2011
19.09.2011
5
1.743
1
Alle Kapitel
3 Reviews
Dieses Kapitel
1 Review
 
 
15.07.2011 395
 
Hier mein Beitrag zum Projekt „Niemals stattfindende Gespräche“ von Navy Ente Fredi.
http://forum.fanfiktion.de/t/11715/1

Die Shortcuts sind größtenteils autobiographisch, mit jedem Kapitel geht es weiter in die Vergangenheit. Ich freue mich auf eure Reviews!

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Erleichtert schultere ich meine große schwarze Tasche mit Patientenakten, Untersuchungshandschuhen, Diagnostikmaterialien und den vierzehn Kugelschreibern, die alle ausgetrocknet sind. Das Pflegepersonal ist von der Hitze genau so genervt wie ich. Die Zimmer sind voll mit Patienten, die mit Fiebersenkern und Infusionen ihre Exsikkose auskurieren müssen. Für die täglichen Neuzugänge mit Apoplex sind kaum genügend Betten da. Es war ein langer Arbeitstag und ich bin froh, das Krankenhaus hinter mir lassen zu können, nach Hause zu fahren, wo mich Lachen und Leben erwartet. Doch kaum haben sich die automatischen Türen in meinem Rücken geschlossen, stockt mein Schritt.
Ich sehe sie auf mich zukommen, die blonden Haare sind vom Rennen zerzaust, der Mund ist halb geöffnet.
Sie weint.

„Hey.“, sage ich und reiche ihr ein Taschentuch. Sie sieht mich fragend an, bevor sie es dankbar entgegennimmt.
„Soll ich Sie begleiten?“
Erneut füllen sich ihre Augen mit Tränen. „Wieso?“, fragt sie, und ohne auf meine Antwort zu warten, fährt sie fort: „Das wäre schön.“
Ich drehe mich um und gemeinsam betreten wir das große Gebäude. Sanft führe ich sie durch die Gänge und Flure.
„Weil ich weiß, wie es ist.“ Meine Hand stärkt ihr den Rücken, gibt ihr Kraft, die Tür zu öffnen, von der das Namensschild bereits entfernt wurde. Für diesen Augenblick lasse ich sie allein.
Doch ich warte, bis sie tränenüberströmt das Zimmer wieder verlässt, und ich drücke ihr ein neues Taschentuch in die Hand. Die mürrische Krankenschwester, die mit einem Stapel von Formularen und Bescheinigungen auf sie zueilt, schicke ich weg. Ich weiß, dass jetzt keine Papiere unterschrieben werden müssen. Die wichtigen Dinge sind längst geregelt.
Zum ersten Mal sehe ich ein kleines Lächeln in ihren Mundwinkeln und Hoffnung in ihren Augen.
„Danke.“

Die Rücklichter meines Autos blinken, als ich es mit der Fernbedienung öffne. Ich werfe die große schwarze Tasche achtlos auf die Rückbank, bevor ich mich hinter das Lenkrad setze. Automatisch tun meine Hände, was sie jeden Tag tun. Ein Schlüssel wird gedreht, ein Schalter betätigt, ein Knopf gedrückt. Der Motor dröhnt, der Radiomoderator verkündet Sonnenschein und Freibadwetter.
Ich fahre nach Hause, dorthin, wo mich Lachen und Liebe und Leben erwartet.





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