Zwischen den Zeilen
von Wolvie
Kurzbeschreibung
Neil möchte Todd dazu bewegen mehr aus sich heraus zu kommen und nimmt ihn eine Nacht in die Höhle mit, den Treffpunkt des Clubs der toten Dichter. Doch kann er damit umgehen was er heraufbeschwört?
KurzgeschichtePoesie / P12 / MaleSlash
Neil Perry
Todd Anderson
26.04.2011
26.04.2011
1
4.480
8
26.04.2011
4.480
Angefangen + Beendet: 24.04.2011 + 25.04.2011
Charaktere: Todd Anderson, Neil Perry
Warnung: Non-Beta-Readed, no Spoiler
Disclaimer:
Die Figuren die hier agieren, sind Eigentum von N. H. Kleinbaum. Ich entleihe sie mir nur und sende sie dann unbeschadet an den Original-Autor zurück.
Anmerkung des Autoren:
Die Idee zu dieser Geschichte stand schon lange in einem meiner Notizbücher, doch erst jetzt kam ich dazu ihr einen richtigen Rahmen zu geben und umzusetzen.
Als Referenzen für meine Geschichte gebe ich den Film „Der Club der toten Dichter“ sowie das dazugehörige Buch in jeweils deutscher und englischer Sprache an.
Des Weiteren habe ich mich eingehend mit „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare auseinander gesetzt, da ich finde, dass es eine zentrale Aussage im Buch „Der Club der toten Dichter“ einnimmt. Ich erwähne es deshalb, weil ich einige Passagen daraus hier als Zitate verwende. Dafür nehme ich die deutsche Reclam Ausgabe von 1985. Vielleicht ändere ich die entsprechenden Passagen noch einmal in englischer Sprache ab, wenn mir die entsprechende Ausgabe zur Verfügung steht.
Eines möchte ich noch loswerden, die Geschichte spielt kurz nach Todds Geburtstag.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und das ihr so lange durchgehalten habt euch durch die Anmerkung hindurch zu wühlen.
Titel:
Das Streichholz flammte auf und zuckte ein wenig, als sie gegen den Docht gehalten wurde. Kurz flackerte die Kerze, ging aber nicht aus. Schatten begannen über die Höhlenwand zu tanzen, als Neil die Kerze in die Mitte stellte, dabei beobachtet von Todd, der seine Arme fester um seinen Körper schlang und versuchte, sich irgendwie warm zu halten. Die Nacht war klar und frostgeschwängert.
Die Kerze war natürlich zu klein um die Kälte zu vertreiben, gaukelte sie nichts weiter vor als die Ahnung von Wärme. Normalerweise entzündeten sie ein kleines Feuer bei dieser Kälte, doch Neil meinte, für die richtige Stimmung genügte eine Kerze und das Feuer würde nur Gruselgeschichten heraufbeschwören. Ihre Taschenlampen hatten sie bereits beim betreten der Höhle ausgeschaltet und sich anhand des Vollmondlichts orientiert.
Weißer Atem ging Todds Blick voraus als er zu Neil herüber sah, der sich ihm direkt gegenüber setzte und das inzwischen erloschene Streichholz achtlos ins Dunkel der Höhle hinein schnippte. Ausser ihnen war sonst niemand in der Höhle. Die anderen Mitglieder des Clubs der toten Dichter hatten heute alle überraschenderweise etwas anderes zu tun. Todd wurde den Verdacht nicht los, dass Neil etwas damit zu tun hatte.
„Müssen wir das wirklich tun, Neil?“ Todd fühlte sich nicht sonderlich wohl, als er daran dachte, wie er sich hatte überreden lassen hierher zu kommen.
Neil hob den Blick. „Du willst doch endlich freier Sprechen, oder?“
„Doch... schon, irgendwie...“, flüsterte Todd gedehnt und ließ seinen Blick ins Dunkle schweifen. Er mochte es nicht, wenn Neil seine Fragen so formulierte, dass die Frage bereits die Antwort enthielt.
„Und hier ist außer uns kein Mensch.“ Neil lehnte sich zurück und vollführte eine ausladende Geste, „Einen besseren Ort für das was wir vor haben, gibt es doch gar nicht.“
„Es ist kalt“, deklarierte Todd und zog es vor wieder in die Kerzenflamme hinein zu sehen. Er hörte Neil seufzen und sah aus den Augenwinkeln wie dieser in die Innenseite seines Mantels griff und etwas hervorzog. Todd brauchte nicht genau hinzusehen, er wusste was es war.
„Dann lesen wir uns halt warm.“, meinte Neil unternehmungslustig und wedelte so heftig mit dem mitgebrachten Skript, dass die Kerzenflamme begann zu flackern.
Irgendwie wünschte sich Todd die Kerze würde ausgehen, doch Neil hatte schon inne gehalten, ließ das Skript in seinen Schoß sinken und sah zu Todd herüber. „Schau nicht so als würdest du gleich zu deiner eigenen Hinrichtung geführt. Hier will dich niemand auf das Schafott bringen.“
„Kannst du dir nicht jemand anderen zum üben suchen?“, fragte Todd während er in Neils grinsendes Gesicht sah.
Neil verdrehte die Augen zur Höhlendecke, griff nach seinem Skript und erhob sich unter theatralisch übertriebenen Gebärden. „Oh hilf mir, Herr der Höhle, Gebieter des Clubs der toten Dichter und lass mich in deiner Knechtschaft, mit deiner Hilfe, das Talent dieses noch Unwürdigen hervor zerren, um aus ihm jemanden zu machen, der deiner Gnade würdig ist!“
Todd konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. Ein kleines Grinsen schüttelte sich mit aus. „Musst du immer so übertreiben?“
„Ich bin Schauspieler, Unwürdiger“, dabei rümpfte Neil gespielt empört die Nase und drehte seinen Kopf in eine andere Richtung, „Der Geist der Höhle und der toten Dichter haben sich meiner angenommen und treiben die Gedanken in ungeahnte Höhen, von denen du noch nicht einmal in deinen kühnsten Träumen geträumt hast.“
„Ich würde das hier eher als exzentrisch bezeichnen“, stellte Todd sachlich fest und grinste nun breit zu Neil empor. Doch dieser ging nicht darauf ein, zu sehr hatte er sich von seiner eigenen Rede mitreissen lassen. Statt dessen blickte er gespielt gebieterisch auf Todd hinab und sagte „Nimm es hin, unwürdiger Sterblicher, auf dass du endlich die nächst höhere Ebene erreichst, die dein Geist schon so lange herbeisehnt.“ begleitet von diesen Worten hielt er ihm das Stück entgegen.
Todd sah auf die schon etwas abgegriffenen Seiten, und las automatisch „Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare“. Es schien schon mehr als einmal für eine Theateraufführung gebraucht worden zu sein. Natürlich wusste er, dass es genau das war, was Neil mitgebracht hatte, doch er machte keinerlei Anstalten es an sich zu nehmen, hob statt dessen den Blick und sah wie Neils Enthusiasmus in sich zusammenfiel und er das Stück sinken ließ.
„Okay, dann mache ich halt den Anfang.“, meinte er etwas enttäuscht.
„Kann ich nicht einfach nur das Stück halten, dir Stichworte geben und du übst?“, versuchte Todd sich aus der Schlinge zu ziehen, doch Neil kannte kein erbarmen.
„Nichts da! Wir werden uns abwechselnd Passagen aus dem Stück vorlesen und dabei deine Betonung und vor allem deine Stimme mal ein wenig herausholen. Dafür sind wir hier und für nichts anderes.“
„Ich will aber kein Schauspieler werden, warum muss es ausgerechnet aus Shakespears´ Stück sein? Warum nicht einfach ein paar Gedichte?“
„Weil es in diesem Stück auch darauf ankommt sich auf die Figuren einzulassen, ihr Denken und Handeln nachzuempfinden und zu interpretieren. Wenn dies nicht geschieht oder nicht richtig, erscheint alles unglaubwürdig und alles sieht nur wie Betrug aus.“
„Aber, ist das nicht auch gleichzeitig Selbstbetrug sich einer anderen Figur zu bedienen um sich selbst zu finden?“, Todd empfand das ganze weiterhin als ziemliche Zeitverschwendung. Nur, wenn er wirklich so empfand, warum hatte er sich dann überhaupt erst herschleifen lassen?
Neil schüttelte ungläubig mit dem Kopf und gestikulierte in Todds Richtung. „Weisst du nicht mehr was uns Keating gesagt hat? Verändere deine Perspektive! So kommt man über einen Umweg zu sich selbst... und hoffentlich auch endlich aus sich selbst heraus.“
Todd senkte den Blick und starrte wieder in die Kerzenflamme. Er wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Neil war schon die ganze Zeit jemand gewesen, dem man zuhörte und der wusste, wie man mit Worten umging. Dagegen kam er nicht an und das ärgerte ihn mehr als er zugeben wollte.
„Du kannst es einfach nicht lassen, oder?“, er hob den Kopf und sah zu Neil herüber, der mit hochgezogenen Augenbrauen zurückschaute. „Du kannst mich einfach nicht in Ruhe lassen.“, erklärte er sich schließlich.
„Du hättest ablehnen können, hast du aber nicht.“, argumentierte Neil grinsend und begann im Stück herum zu blättern. „Also ist es okay für dich.“
Todd merkte, dass er so nicht mehr weiterkam, senkte den Kopf wieder und seufzte. „Fang endlich an, damit wir hier bald rauskommen. Ich spür´ meine Zehen nicht mehr.“
„Stell dich nicht so an“, meinte Neil und hielt im blättern inne, sah zu Todd hinab. „Kein Wunder dass dir Kalt ist. Du sitzt da auf dem Felsen und bewegst dich kein Stück. Dabei bist du doch gar keine Statue.“ Er trat näher an Todd heran und hielt ihm seine freie Hand hin. „Komm schon, steh auf, dann kannst du freier Sprechen.“
Todd sah überrascht auf die ausgestreckte Hand die vor seinem Gesicht erschienen war. „Ich kann auch gut im Sitzen sprechen.“
„Kannst du nicht, und das weißt du. Wie soll denn Luft in deine Lungen kommen wenn kein Platz da ist? Vom Mark des Lebens ganz zu schweigen.“ Neils Hand begann unruhig zu wedeln und Todd gab schließlich nach, griff nach der Hand und ließ sich aufhelfen. „Na also, das sieht doch schon wesentlich besser aus.“ meinte Neil zufrieden und blätterte weiter.
Todd begann von einem Bein aufs andere zu wippen um sich wenigstens ein wenig warm zu halten, während er Neil dabei beobachtete wie dieser auf einer Seite blieb und mit dem Finger dem Zeilenverlauf folgte.
„Hast du endlich eine dir genehme Stelle gefunden, großer Schauspieler?“, fragte Todd süffisant, was von einem ziemlich heftigen Zähneklappern begleitet wurde.
Neil sah auf. „Dafür dass du sonst so ruhig bist, hast du hier aber eine ganz schön scharfe Zunge, mein Lieber.“
„Vielleicht hat der Geist der Höhle auch von mir endlich Besitz ergriffen und wir können zurück zur Schule?“, meinte Todd sarkastisch. Neil ließ das Skript sinken und sah Todd seltsam entrückt an.
„So siegt das Schicksal denn, dass gegen einen Treuen / Millionen falsch auf Schwüre Schwür´ entweihen.“
Todd runzelte die Stirn „War das Oberon?“
Neil verzog das Gesicht „Nein, das war Puck, du Banause.“
„Ein bisschen zu wenig um es daraus zu erkennen.“
„Der Pöbel will eine Zugabe? Soll er haben!“, Neil schielte ins Stück. „Wenn dann zwei um eine frein / Das wird erst ein Hauptspaß sein. / Gehen die Sachen kraus und bunt, / freu ich mich von Herzensgrund.“
Todd grinste, „Das klingt eher nach dir und wie du dich über Knoxs´ vergeblichen Bemühungen Chris zu erobern lustig machst.“
Neil grinste zurück. „Dann bin ich also Puck. Somit würde mir nur noch ein Fläschchen voll der Tinktur fehlen, die Puck den Liebeskranken Athenern auf die Augenlider streicht.“
„Oh nein, gib bloss nicht Knox eine Portion davon. Der ist ja schon vollkommen Liebeskrank.“, lachte Todd, verstummte aber, als Neil ihm nun das Skript unter die Nase hielt. „Und ich will keine Ausflüchte mehr hören, ich hab angefangen, jetzt bist du dran.“
Todd´s Hand griff eher widerwillig danach, begann lustlos darin zu blättern.
„Das kann man ja nicht mit ansehen.“, meinte Neil gequält und nahm das Skript wieder an sich. Todd sah erstaunt und fragend zu Neil herüber, doch ehe er etwas sagen konnte, erklärte Neil: „Nur nicht falsch verstehen, ich suche etwas Gutes für dich raus. So wie du blätterst landest du am Ende noch bei einer so kurzen Stelle, dass sich das Rezitieren nicht lohnt.“
„Wie kommst du darauf?“ fragte Todd erstaunt und auch ein wenig ertappt, denn so etwas in der Art hatte er bereits im Sinn gehabt.
„Weil ich dich kenne, deshalb“, Neil hörte auf zu blättern und fuhr wieder mit dem Finger über die Zeilen, „Hier, das ist genau das richtige für dich.“, meinte er und hielt Todd das Skript wieder entgegen, deutete mit einem Finger auf die entsprechende Passage. Todd nahm es entgegen und begann gegen seinen Willen es leise vor sich hin zu lesen.
„Hey, ich will es auch hören, wenn du nur vor dich hin murmelst, höre ich nichts.“ unterbrach Neil ungehalten und kam Kopfschüttelnd näher. „Ich will es hören wenn du es aufsagst. Wenn du es nur dem Skript vormurmelst, bringt es nichts.“ Todd blickte auf und sah, dass Neil jetzt sehr nah bei ihm stand. Todd räusperte sich unsicher und fuhr sich durch die Haare. Doch auch das wurde von Neil gleich entsprechend geahndet. „So benimmt sich kein Demetrius! Er ist voller Gram und richtig genervt von Hermia, die gerade die Szene verlassen hat. Er ist so in rage, dass er mit sich selbst spricht.“ Neil trat nun einen kleinen Schritt zurück und legte eine Hand auf Todds Rücken und drückte dagegen, dass dieser gezwungen war seinen Oberkörper aufzurichten. Todd schluckte unsicher und beobachtete Neil, wie dieser sich wieder in sein direktes Gesichtsfeld bewegte.
„So und jetzt noch einmal, mit Betonung, Stimme und Demetrius Charakter.“ forderte Neil Todd auf. Dieser räusperte sich noch einmal, sah auf den Text, zog die Augenbrauen nach unten und dachte daran, was Neil ihm gesagt hatte über Demetrius. Er war genervt von Hermia, er war voller Groll, richtig in Rage. Doch er fühlte sich bei diesen Gedanken nicht wie Demetrius, wobei er nicht mal ganz wusste wie man sich als Demetrius fühlen sollte. Immerhin war er nach wie vor kein Schauspieler. Eher kamen ihm eigene Gedanken und Gefühle empor. Er war genervt, jetzt gerade, von Neil, weil der ihn dazu überredet hatte, weil der ihn hierher geschleppt hatte, weil er ihn einfach nicht in Ruhe ließ, weil er sich erlaubte ihn einfach anzufassen! Groll wuchs in ihm. Sein Blick traf Neil und ohne noch einmal ins Skript zu schauen, sprach er:
„Ihr folgen ist vergebliches Bemühn / in diesem Sturm; so will ich hier verziehn. / Noch höher wird des Grames Not gesteigert, / Seit sich sein Schuldner Schlaf zu zahlen weigert. / Vielleicht empfang ich einen Teil der Schuld, / Erwart ich hier den Abtrag in Geduld.“
„Wow, das war richtig gut.“, meinte Neil mit ehrlicher Anerkennung.
„Ach“, meinte Todd peinlich berührt und sah an Neil vorbei ins leere.
„Ob ich das wohl schaffe zu überbieten?“, meinte Neil laut und streckte die Hand aus um nach dem Skript zu greifen, doch Todd war schneller und hielt es weit von Neils´ Reichweite entfernt.
Dieser schaute erstaunt zu Todd. „Soll ich nicht mehr?“, ein flackern ging über seine Augen. „Hat es dich jetzt gepackt?“, fragte er weiter während er seine Hand sinken ließ.
„Du hast mir eine Passage rausgesucht. Also ist es nur fair wenn ich das jetzt auch für dich tue.“ erklärte Todd und begann zu blättern.
„Wie du meinst“, sagte Neil und verschränkte die Arme vor der Brust während er Todd beobachtete.
Er brauchte eine Weile, hielt sich lange auf einer Seite auf, doch schließlich drehte er das Skript um, wies mit dem Finger auf eine Passage. Neil beugte sich herüber, hielt inne, stutzte während er das Skript an sich nahm und Todd verwirrt musterte. „Nicht den ganzen Part?“
„Der ganze Part ist zu lang, aber der Abschnitt passt zu dir.“, antwortete Todd während Neil den Part einmal im stillen durchlas, ehe er sich in Pose stellte, das Skript von sich weisend und aus dem Gedächtnis sprach:
„Mein Aug´ lieh´ Euren Blick, die Zunge lieh´ / Von Eurer Zunge Wort und Melodie.“ er wandte den Blick zu Todd herüber, gestikulierte gen Höhlendecke und verkündete: „Wär´ mein die Welt, ich ließ damit Euch schalten“, er wies auf Todd, „Nur diesen Mann wollt´ ich mir vorbehalten. / Oh lehrt mich, wie ihr blickt! Durch welche Kunst“, sein Blick wurde leicht schmachtend, er war vollkommen in seiner Rolle. „Hängt so Demetrius an Eurer Gunst?“
Doch ehe Neil von seiner Rolle ablassen konnte, warf sich Todd theatralisch die Hände an die Brust. „Je mehr gehaßt, je mehr verfolgt er mich.“
Neil erfasste die Gelegenheit die Todd ihm aus dieser Situation heraus anbot, schielte kurz ins Skript und antwortete. „Je mehr geliebt, je ärger haßt er mich.“
„Soll ich denn Schuld an seiner Torheit sein?“, fragte Todd und wies auf Neil.
Doch das ließ dieser nicht auf sich sitzen, kam näher heran, wohl wissend das Helena mit dem nächsten Satz eigentlich Demetrius meint, aber angestachelt von der ganzen Situation ergriff er Todds dargebotene Hand und antwortete: „Nur Eure Schönheit wär´ die Schuld doch mein!“
Erschrocken prallte Todd einen halben Schritt zurück, stieß gegen einen Stein und kam ins wanken. Das er nicht fiel verdankte er Neil, der ihn immer noch mit einer Hand festhielt. „Nicht loslassen, Todd.“ und fügte hinzu, als er in dessen panisch aufgerissenen Augen sah und er versuchte sich loszureißen „Es ist nur Spiel, es ist nur ein Spiel.“
Allmählich beruhigte sich Todd wieder, die Panik verschwand aus seinem Gesicht und er entspannte sich wieder. Neil ließ seine Hand los, lächelte und wich einen Schritt zurück. „Tut mir Leid, da sind wohl die Pferde mit mir durchgegangen.“ meinte er. „Aber du warst wirklich gut.“ fügte er hinzu ohne Todd anzusehen, kratzte sich nervös am Hinterkopf. „So gut, dass es mich mit hineingezogen hat.“
„Ja...“, entwich es Todd, es war eher ein erleichtertes Seufzen als ein klares Ja, aber immer noch besser als stummes dastehen. Er schielte auf seine Hände, die jetzt Schweißnass waren. Immerhin war ihm jetzt nicht mehr kalt, soviel stand fest. Auch hätte er es nie für möglich gehalten so eine Reaktion bei einer anderen Person hervor zu rufen. Dies war eine gänzlich neue Erfahrung für ihn. Und auch wenn er es nie laut ausgesprochen hätte, aber es gefiel ihm.
Vor sich bemerkte er, wie sich Neil schwer auf einen Stein niederließ und das Skript neben sich legte. Ergeben sah er zu Todd empor. „Ich glaube wir machen wohl hier lieber Schluß für heute.“
Jetzt einfach aufhören? Hatte Todd sich verhört? Erst schleppte Neil ihn mitten in der kältesten Herbstnacht diesen Jahres bis hierher und macht einen Rückzieher wenn es endlich mal gut lief? Ärger schoss in ihm empor, dem wollte er es zeigen!
„Und das entscheidest du, oder was? Ich habe hier wohl gar nichts zu melden, oder wie darf ich das verstehen?“, Todd war selbst überrascht wie fest seine Stimme klang als er sich in Neils Richtung bewegte und das Skript an sich nahm, ehe dieser es verhindern konnte. „Wo wir so weit gekommen sind?“, er begann zu blättern. „Nie im Leben, nicht jetzt.“
Neil war viel zu perplex um wirklich darauf reagieren zu können. Statt dessen starrte er Todd an der seinen Blick erwiderte. „Du hast mir gesagt, im sitzen kann man nicht vorlesen, also steh wieder auf.“
„Himmel, was ist denn nur in dich gefahren? Hier wohnt wohl am Ende doch ein Geist in dieser Höhle und der ist jetzt vollkommen in dich gefahren, was?“ Neil klopfte, zur Bekräftigung seiner Worte, auf den Felsen neben sich ehe er aufstand.
„Die Geister die du hast geweckt, wirst du wohl jetzt nicht mehr los, was?“, meinte Todd grinsend ehe er sich neben Neil stellte und auf eine Passage wies. „Wieder abwechselnd, ich nehme die Passage darüber, dann du und dann wieder ich.“
Neil nickte während Todd sich den Satz noch einmal durchlas und empor sah, direkt in Neils Augen und mit ernster Miene sagte:
„Ein Rasen dien´ als Kissen für uns zwei / Ein Herz, ein Bett, zwei Busen, einer Treu´.“, während Todd es vortrug, rückte er passend zur entsprechenden Passage näher an Neil heran.
Jetzt war es Neil, der etwas abrückte und meinte: „Jetzt willst dus´ aber wissen, oder?“
„Spielst du nun mit, oder nicht? Schließlich ist das doch ein Spiel.“, war alles was Neil als Antwort bekam. So beleckte er die Lippen, räusperte sich und sah ins Skript hinein, auf Hermias Part.
„Ich bitt Euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!“, Todd kam wieder näher, passend zum Part, doch Neil, sich langsam in seiner Rolle zurecht findend, schob ihn ein wenig beiseite. „Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!“
„Verkettet hat zwei Busen unser Schwur“, Todd rückte wieder näher heran. „So wohnt in zweien eine Treue nur. / Erlaubet denn, dass ich mich zu Euch füge“, nun griff er nach Neils Hand und sah ihm fest in die Augen.
„Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege.“
Neil sah in Todds Augen die alles andere waren, nur nicht passend zur Passage. „Glaubst du wirklich so schaut ein verliebter Lysander seine Hermia an?“, fragte er deshalb, auch weil er Hermias Part vergessen hatte zu lesen. Schließlich spielte er den Puck, da war der Part der Athener freilig nicht ganz so wichtig für seine Rolle wie die von Oberon, die er wesentlich besser drauf hatte.
Todd schloss für einen kurzen Moment die Augen, atmete einmal tief durch und ließ Neils´ Hand los ehe er sich von ihm entfernte. Wütend starrte er Neil nun an, der die Welt nicht mehr verstand.
„Erst schleifst du mich hierher, aber wenn ich aus mir herauskomme, ist das auch wieder nicht Richtig. Zeige mir keine neuen Möglichkeiten, wenn du sie nicht weiter mit mir beschreiten willst.“ und mit diesen Worten schleuderte er das Skript auf Neil, der es hastig auffing.
„Hey, das Skript gehört nicht mir, das ist nur geliehen, klar?“, rief er wütend zu Todd herüber, der sich umgedreht hatte und Neil den Rücken zukehrte. „Ach sehr schön, machen wir wieder einen auf „Ich verkrieche mich in mir selbst? Ich lasse keinen an mich heran?“ Du kannst genauso wenig mit Entgrenzungen umgehen.“
Doch Todd gab keine Antwort, er starrte auf den dunklen, zuckenden Schatten den sein Körper auf die Höhlenwand warf, strich sich mit einer Hand über die Stirn und wünschte sich, seine Gedanken würden endlich mal zur Ruhe kommen. Waren sie so hochgepeitscht worden durch dieses Theaterstück? Oder war es weil es Neil war? Weil es immer Neil war, der ihn nie in Ruhe ließ, der ihn immer integrieren wollte und sich jetzt davor fürchtete was er mit seiner ausgestreckten Hand ergriffen hatte. Er hörte hinter sich Neil mit Papier rascheln, doch er versuchte nicht darauf zu achten. Seine Gedanken waren zu sehr am routieren... genauso wie in Keatings Unterricht, vor ein paar Wochen, als dieser seine Hand auf seine Augen gelegt hatte, ihn zur Dunkelheit verdammte, ihn zwang sich seinen Dämonen zu stellen und sie in Worte zu kleiden. Dieses Mal waren es andere Dämonen, dieses Mal wollte er sie nicht in Worte kleiden und doch geschah es ganz automatisch. Seine Hand rutschte über seine Augen als Neil begann zu sprechen:
„Amen! So holder Bitte stimm ich bei / Mein Herz soll brechen, bricht es meine Treu´. / Mög´ alle Ruh´ des Schlafes bei dir wohnen!“
Todd riss die Augen auf, die Hand glitt von seinem Gesicht und er drehte sich zu Neil herum, der dastand und ihn mit einem seltsamen Blick bedachte, ihm das Stück hinhielt.
Mit einem großen Schritt überwandt Todd den Abstand zwischen ihnen, nahm das Skript in die Hand und ließ es, ohne auch nur einen Blick hinein zu werfen, auf den Boden fallen. Die Kerze verlöschte, Neils ärgerlicher Gesichtsausdruck verschwand in der Dunkelheit. Schnell wollte er sich hinab beugen und nach seinem Skript tasten, doch dazu ließ Todd es nicht kommen. Zielsicher hielt er ihn am Handgelenk fest. Neil setzte an etwas zu sagen, doch Todd schnitt ihm das Wort entzwei, ehe Neil es vollständig über die Lippen brachte, indem Todd selbst anfing zu sprechen:
„Mein Herz, es bricht so oft entzwei. / Alle schneiden darin, jeder nimmt sich wies´ beliebt / Die Dämonen, sie quälen mich, den Ungeliebten / Ich möchte Schlafen, so lang und frei / Doch du lässt mich nicht schlafen, lässt mich nicht ruhn / Ich bitt´ dich, hör nicht auf, gib meiner Seel´ mehr zu tun / Alles was ich dir kann geben, ist meiner Treu´.“
Dies hatte Todd alles abverlangt, er spürte, dass seine Wangen glühten und seine Atemzüge hatten sich beschleunigt. So.stand er da, in der Dunkelheit, konnte Neils Gesicht eher erahnen als erkennen, gerade mal durch das spärliche Vollmondlicht, dass in die Höhle hinein drang und erst ganz langsam wurde er sich bewusst, was er da gesagt hatte.
Allmählich lockerte er seinen Griff um Neils Handgelenk, senkte beschämt den Blick in der Hoffnung, das Neil es nicht sah als er vor sich eine Bewegung in der Dunkelheit bemerkte, es war Neil, der näher heranrückte, Todd an der Schulter festhielt und ihn so daran hinderte wegzulaufen. Erschrocken erstarrte dieser in seinen Bewegungen und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit.
„Es … es ist...“, stammelte Todd flüsternd, doch wurde jäh unterbrochen als Neil einen Finger auf dessen Lippen legte und seine Lippen folgen ließ.
Todd ließ einen erstickten Laut durch seine Nase entweichen, kralle sich erschrocken und vollkommen desorientiert an Neil fest, während seine andere Hand versuchte ihn von sich zu stoßen. Doch Neil ließ ihn, wie so oft, nicht entkommen, verstärkte seinen Griff um Todds Schulter und nahm nun noch seine andere Hand zur Hilfe um seinen Arm festzuhalten.
Todds Gegenwehr wurde schwächer und erstarb, obwohl er sich immer noch mit einer Hand am Mantel festhielt.
Der Kuss war nicht lang und schließlich löste Neil sich von Todd. Ihrer beider Atem ging stoßweise und hinterließ in der kalten Nachtluft weiße Kondenswolken die sofort verblassten. Dieser Kuss war nicht von tiefer Leidenschaft oder abgöttischer Liebe, über die sie sonst in ihren Gedichten lasen. Dieser war eher ein wenig scheu und ungelenk, und dennoch war es für beide etwas neues und zugleich Schönes.
„Jetzt hast du mich schon wieder mitgerissen.“, flüsterte Neil, senkte den Kopf. Er bereute nicht was er getan hatte. Doch die Angst hielt ihn ob Todd es genauso sah.
„Dieses Mal kannst du es aber nicht auf Shakespeare schieben.“, meinte Todd um überhaupt etwas zu sagen.
Neil lachte leise und die Erleichterung war deutlich zu spüren. „Nein, das war von dir und es war wunderbar.“, dann zog er Todd in eine innige Umarmung, die Todd wieder mit anfänglicher Gegenwehr quittierte, sich aber allmählich entspannte. „Mach bitte weiter, hör nicht auf mit dem Schreiben. Das steht dir gut.“, flüsterte er in Todds Ohr. Langsam löste er sich von ihm und entließ ihn. „Beim nächsten Mal wendest du das bei einem Mädchen an. Wenn du sogar mich damit rumkriegst...“
Still standen sie sich nun in der Dunkelheit gegenüber, jegliche Berührungspunkte waren aufgehoben, die Kälte kroch in ihre Glieder, die Nacht schritt voran. Dieser Moment des Schweigens war wichtig, es war die stille Übereinkunft, das keiner je ein Wort über das Verlieren würde, was heute Nacht hier geschehen war.
„Wir sollten zur Schule zurück“, flüsterte Todd. Seit dem Kuss schien es ihm wie eine Entweihung jetzt laut zu sprechen.
Er hörte keine Widerworte, aber bekam mit wie Neil sich an ihm vorbei schob und niederkniete um sein Skript aufzusammeln. Todd hielt es einfacher, nahm seine Taschenlampe aus der Innenseite seines Mantels und schaltete sie ein. So fand er die Kerze sehr schnell, nahm sie von ihren Platz und steckte sie ein. Neils Taschenlampe leuchtete auf, spendete nun kaum einen Meter neben ihm weiteres Licht. Todd vermied es Neil direkt ins Gesicht zu sehen, bekam aber mit, dass dieser seinen Kopf wieder ins Skript geneigt hatte.
„Mein Elfenfürst, wir müssen eilig machen. / Die Nacht teilt das Gewölk mit schnellen Drachen / Auch schimmert schon Auroras Herold dort, / Und seine Näh´ scheucht irre Geister fort / Zum Totenacker, banger Seelen Heere, / Am Scheideweg begraben und im Meere, / Man sieht ins wurmbenagte Bett sie gehen. / Aus Angst, der Tag möcht´ ihrer Schande sehn, / Verbannt vom Lichte sie ihr eigner Wille, / Und ihnen dient die Nacht zur ew´gen Hülle.“
Er hob den Kopf und sah Todd herausfordernd an, der ihm Licht spendete indem er ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete. „Ein schönes Schlusswort.“
Triumphierend verstaute Neil es in der Innenseite seines Mantels. „Der gute alte Puck weiß halt ein gutes Schlußwort zu gebrauchen.“
„Dann bist ja du genau der Richtige für diese Rolle.“
„Einen besseren Puck als mich gibt es gar nicht.“ führte Neil aus und wies mit der Taschenlampe zum Ausgang der Höhle.
Gemeinsam verließen sie die Höhle. Für diese Nacht war es genug.
Charaktere: Todd Anderson, Neil Perry
Warnung: Non-Beta-Readed, no Spoiler
Disclaimer:
Die Figuren die hier agieren, sind Eigentum von N. H. Kleinbaum. Ich entleihe sie mir nur und sende sie dann unbeschadet an den Original-Autor zurück.
Anmerkung des Autoren:
Die Idee zu dieser Geschichte stand schon lange in einem meiner Notizbücher, doch erst jetzt kam ich dazu ihr einen richtigen Rahmen zu geben und umzusetzen.
Als Referenzen für meine Geschichte gebe ich den Film „Der Club der toten Dichter“ sowie das dazugehörige Buch in jeweils deutscher und englischer Sprache an.
Des Weiteren habe ich mich eingehend mit „Ein Sommernachtstraum“ von Shakespeare auseinander gesetzt, da ich finde, dass es eine zentrale Aussage im Buch „Der Club der toten Dichter“ einnimmt. Ich erwähne es deshalb, weil ich einige Passagen daraus hier als Zitate verwende. Dafür nehme ich die deutsche Reclam Ausgabe von 1985. Vielleicht ändere ich die entsprechenden Passagen noch einmal in englischer Sprache ab, wenn mir die entsprechende Ausgabe zur Verfügung steht.
Eines möchte ich noch loswerden, die Geschichte spielt kurz nach Todds Geburtstag.
Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit und das ihr so lange durchgehalten habt euch durch die Anmerkung hindurch zu wühlen.
Titel:
„Zwischen den Zeilen“
Das Streichholz flammte auf und zuckte ein wenig, als sie gegen den Docht gehalten wurde. Kurz flackerte die Kerze, ging aber nicht aus. Schatten begannen über die Höhlenwand zu tanzen, als Neil die Kerze in die Mitte stellte, dabei beobachtet von Todd, der seine Arme fester um seinen Körper schlang und versuchte, sich irgendwie warm zu halten. Die Nacht war klar und frostgeschwängert.
Die Kerze war natürlich zu klein um die Kälte zu vertreiben, gaukelte sie nichts weiter vor als die Ahnung von Wärme. Normalerweise entzündeten sie ein kleines Feuer bei dieser Kälte, doch Neil meinte, für die richtige Stimmung genügte eine Kerze und das Feuer würde nur Gruselgeschichten heraufbeschwören. Ihre Taschenlampen hatten sie bereits beim betreten der Höhle ausgeschaltet und sich anhand des Vollmondlichts orientiert.
Weißer Atem ging Todds Blick voraus als er zu Neil herüber sah, der sich ihm direkt gegenüber setzte und das inzwischen erloschene Streichholz achtlos ins Dunkel der Höhle hinein schnippte. Ausser ihnen war sonst niemand in der Höhle. Die anderen Mitglieder des Clubs der toten Dichter hatten heute alle überraschenderweise etwas anderes zu tun. Todd wurde den Verdacht nicht los, dass Neil etwas damit zu tun hatte.
„Müssen wir das wirklich tun, Neil?“ Todd fühlte sich nicht sonderlich wohl, als er daran dachte, wie er sich hatte überreden lassen hierher zu kommen.
Neil hob den Blick. „Du willst doch endlich freier Sprechen, oder?“
„Doch... schon, irgendwie...“, flüsterte Todd gedehnt und ließ seinen Blick ins Dunkle schweifen. Er mochte es nicht, wenn Neil seine Fragen so formulierte, dass die Frage bereits die Antwort enthielt.
„Und hier ist außer uns kein Mensch.“ Neil lehnte sich zurück und vollführte eine ausladende Geste, „Einen besseren Ort für das was wir vor haben, gibt es doch gar nicht.“
„Es ist kalt“, deklarierte Todd und zog es vor wieder in die Kerzenflamme hinein zu sehen. Er hörte Neil seufzen und sah aus den Augenwinkeln wie dieser in die Innenseite seines Mantels griff und etwas hervorzog. Todd brauchte nicht genau hinzusehen, er wusste was es war.
„Dann lesen wir uns halt warm.“, meinte Neil unternehmungslustig und wedelte so heftig mit dem mitgebrachten Skript, dass die Kerzenflamme begann zu flackern.
Irgendwie wünschte sich Todd die Kerze würde ausgehen, doch Neil hatte schon inne gehalten, ließ das Skript in seinen Schoß sinken und sah zu Todd herüber. „Schau nicht so als würdest du gleich zu deiner eigenen Hinrichtung geführt. Hier will dich niemand auf das Schafott bringen.“
„Kannst du dir nicht jemand anderen zum üben suchen?“, fragte Todd während er in Neils grinsendes Gesicht sah.
Neil verdrehte die Augen zur Höhlendecke, griff nach seinem Skript und erhob sich unter theatralisch übertriebenen Gebärden. „Oh hilf mir, Herr der Höhle, Gebieter des Clubs der toten Dichter und lass mich in deiner Knechtschaft, mit deiner Hilfe, das Talent dieses noch Unwürdigen hervor zerren, um aus ihm jemanden zu machen, der deiner Gnade würdig ist!“
Todd konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln. Ein kleines Grinsen schüttelte sich mit aus. „Musst du immer so übertreiben?“
„Ich bin Schauspieler, Unwürdiger“, dabei rümpfte Neil gespielt empört die Nase und drehte seinen Kopf in eine andere Richtung, „Der Geist der Höhle und der toten Dichter haben sich meiner angenommen und treiben die Gedanken in ungeahnte Höhen, von denen du noch nicht einmal in deinen kühnsten Träumen geträumt hast.“
„Ich würde das hier eher als exzentrisch bezeichnen“, stellte Todd sachlich fest und grinste nun breit zu Neil empor. Doch dieser ging nicht darauf ein, zu sehr hatte er sich von seiner eigenen Rede mitreissen lassen. Statt dessen blickte er gespielt gebieterisch auf Todd hinab und sagte „Nimm es hin, unwürdiger Sterblicher, auf dass du endlich die nächst höhere Ebene erreichst, die dein Geist schon so lange herbeisehnt.“ begleitet von diesen Worten hielt er ihm das Stück entgegen.
Todd sah auf die schon etwas abgegriffenen Seiten, und las automatisch „Ein Sommernachtstraum von William Shakespeare“. Es schien schon mehr als einmal für eine Theateraufführung gebraucht worden zu sein. Natürlich wusste er, dass es genau das war, was Neil mitgebracht hatte, doch er machte keinerlei Anstalten es an sich zu nehmen, hob statt dessen den Blick und sah wie Neils Enthusiasmus in sich zusammenfiel und er das Stück sinken ließ.
„Okay, dann mache ich halt den Anfang.“, meinte er etwas enttäuscht.
„Kann ich nicht einfach nur das Stück halten, dir Stichworte geben und du übst?“, versuchte Todd sich aus der Schlinge zu ziehen, doch Neil kannte kein erbarmen.
„Nichts da! Wir werden uns abwechselnd Passagen aus dem Stück vorlesen und dabei deine Betonung und vor allem deine Stimme mal ein wenig herausholen. Dafür sind wir hier und für nichts anderes.“
„Ich will aber kein Schauspieler werden, warum muss es ausgerechnet aus Shakespears´ Stück sein? Warum nicht einfach ein paar Gedichte?“
„Weil es in diesem Stück auch darauf ankommt sich auf die Figuren einzulassen, ihr Denken und Handeln nachzuempfinden und zu interpretieren. Wenn dies nicht geschieht oder nicht richtig, erscheint alles unglaubwürdig und alles sieht nur wie Betrug aus.“
„Aber, ist das nicht auch gleichzeitig Selbstbetrug sich einer anderen Figur zu bedienen um sich selbst zu finden?“, Todd empfand das ganze weiterhin als ziemliche Zeitverschwendung. Nur, wenn er wirklich so empfand, warum hatte er sich dann überhaupt erst herschleifen lassen?
Neil schüttelte ungläubig mit dem Kopf und gestikulierte in Todds Richtung. „Weisst du nicht mehr was uns Keating gesagt hat? Verändere deine Perspektive! So kommt man über einen Umweg zu sich selbst... und hoffentlich auch endlich aus sich selbst heraus.“
Todd senkte den Blick und starrte wieder in die Kerzenflamme. Er wusste nicht was er darauf erwidern sollte. Neil war schon die ganze Zeit jemand gewesen, dem man zuhörte und der wusste, wie man mit Worten umging. Dagegen kam er nicht an und das ärgerte ihn mehr als er zugeben wollte.
„Du kannst es einfach nicht lassen, oder?“, er hob den Kopf und sah zu Neil herüber, der mit hochgezogenen Augenbrauen zurückschaute. „Du kannst mich einfach nicht in Ruhe lassen.“, erklärte er sich schließlich.
„Du hättest ablehnen können, hast du aber nicht.“, argumentierte Neil grinsend und begann im Stück herum zu blättern. „Also ist es okay für dich.“
Todd merkte, dass er so nicht mehr weiterkam, senkte den Kopf wieder und seufzte. „Fang endlich an, damit wir hier bald rauskommen. Ich spür´ meine Zehen nicht mehr.“
„Stell dich nicht so an“, meinte Neil und hielt im blättern inne, sah zu Todd hinab. „Kein Wunder dass dir Kalt ist. Du sitzt da auf dem Felsen und bewegst dich kein Stück. Dabei bist du doch gar keine Statue.“ Er trat näher an Todd heran und hielt ihm seine freie Hand hin. „Komm schon, steh auf, dann kannst du freier Sprechen.“
Todd sah überrascht auf die ausgestreckte Hand die vor seinem Gesicht erschienen war. „Ich kann auch gut im Sitzen sprechen.“
„Kannst du nicht, und das weißt du. Wie soll denn Luft in deine Lungen kommen wenn kein Platz da ist? Vom Mark des Lebens ganz zu schweigen.“ Neils Hand begann unruhig zu wedeln und Todd gab schließlich nach, griff nach der Hand und ließ sich aufhelfen. „Na also, das sieht doch schon wesentlich besser aus.“ meinte Neil zufrieden und blätterte weiter.
Todd begann von einem Bein aufs andere zu wippen um sich wenigstens ein wenig warm zu halten, während er Neil dabei beobachtete wie dieser auf einer Seite blieb und mit dem Finger dem Zeilenverlauf folgte.
„Hast du endlich eine dir genehme Stelle gefunden, großer Schauspieler?“, fragte Todd süffisant, was von einem ziemlich heftigen Zähneklappern begleitet wurde.
Neil sah auf. „Dafür dass du sonst so ruhig bist, hast du hier aber eine ganz schön scharfe Zunge, mein Lieber.“
„Vielleicht hat der Geist der Höhle auch von mir endlich Besitz ergriffen und wir können zurück zur Schule?“, meinte Todd sarkastisch. Neil ließ das Skript sinken und sah Todd seltsam entrückt an.
„So siegt das Schicksal denn, dass gegen einen Treuen / Millionen falsch auf Schwüre Schwür´ entweihen.“
Todd runzelte die Stirn „War das Oberon?“
Neil verzog das Gesicht „Nein, das war Puck, du Banause.“
„Ein bisschen zu wenig um es daraus zu erkennen.“
„Der Pöbel will eine Zugabe? Soll er haben!“, Neil schielte ins Stück. „Wenn dann zwei um eine frein / Das wird erst ein Hauptspaß sein. / Gehen die Sachen kraus und bunt, / freu ich mich von Herzensgrund.“
Todd grinste, „Das klingt eher nach dir und wie du dich über Knoxs´ vergeblichen Bemühungen Chris zu erobern lustig machst.“
Neil grinste zurück. „Dann bin ich also Puck. Somit würde mir nur noch ein Fläschchen voll der Tinktur fehlen, die Puck den Liebeskranken Athenern auf die Augenlider streicht.“
„Oh nein, gib bloss nicht Knox eine Portion davon. Der ist ja schon vollkommen Liebeskrank.“, lachte Todd, verstummte aber, als Neil ihm nun das Skript unter die Nase hielt. „Und ich will keine Ausflüchte mehr hören, ich hab angefangen, jetzt bist du dran.“
Todd´s Hand griff eher widerwillig danach, begann lustlos darin zu blättern.
„Das kann man ja nicht mit ansehen.“, meinte Neil gequält und nahm das Skript wieder an sich. Todd sah erstaunt und fragend zu Neil herüber, doch ehe er etwas sagen konnte, erklärte Neil: „Nur nicht falsch verstehen, ich suche etwas Gutes für dich raus. So wie du blätterst landest du am Ende noch bei einer so kurzen Stelle, dass sich das Rezitieren nicht lohnt.“
„Wie kommst du darauf?“ fragte Todd erstaunt und auch ein wenig ertappt, denn so etwas in der Art hatte er bereits im Sinn gehabt.
„Weil ich dich kenne, deshalb“, Neil hörte auf zu blättern und fuhr wieder mit dem Finger über die Zeilen, „Hier, das ist genau das richtige für dich.“, meinte er und hielt Todd das Skript wieder entgegen, deutete mit einem Finger auf die entsprechende Passage. Todd nahm es entgegen und begann gegen seinen Willen es leise vor sich hin zu lesen.
„Hey, ich will es auch hören, wenn du nur vor dich hin murmelst, höre ich nichts.“ unterbrach Neil ungehalten und kam Kopfschüttelnd näher. „Ich will es hören wenn du es aufsagst. Wenn du es nur dem Skript vormurmelst, bringt es nichts.“ Todd blickte auf und sah, dass Neil jetzt sehr nah bei ihm stand. Todd räusperte sich unsicher und fuhr sich durch die Haare. Doch auch das wurde von Neil gleich entsprechend geahndet. „So benimmt sich kein Demetrius! Er ist voller Gram und richtig genervt von Hermia, die gerade die Szene verlassen hat. Er ist so in rage, dass er mit sich selbst spricht.“ Neil trat nun einen kleinen Schritt zurück und legte eine Hand auf Todds Rücken und drückte dagegen, dass dieser gezwungen war seinen Oberkörper aufzurichten. Todd schluckte unsicher und beobachtete Neil, wie dieser sich wieder in sein direktes Gesichtsfeld bewegte.
„So und jetzt noch einmal, mit Betonung, Stimme und Demetrius Charakter.“ forderte Neil Todd auf. Dieser räusperte sich noch einmal, sah auf den Text, zog die Augenbrauen nach unten und dachte daran, was Neil ihm gesagt hatte über Demetrius. Er war genervt von Hermia, er war voller Groll, richtig in Rage. Doch er fühlte sich bei diesen Gedanken nicht wie Demetrius, wobei er nicht mal ganz wusste wie man sich als Demetrius fühlen sollte. Immerhin war er nach wie vor kein Schauspieler. Eher kamen ihm eigene Gedanken und Gefühle empor. Er war genervt, jetzt gerade, von Neil, weil der ihn dazu überredet hatte, weil der ihn hierher geschleppt hatte, weil er ihn einfach nicht in Ruhe ließ, weil er sich erlaubte ihn einfach anzufassen! Groll wuchs in ihm. Sein Blick traf Neil und ohne noch einmal ins Skript zu schauen, sprach er:
„Ihr folgen ist vergebliches Bemühn / in diesem Sturm; so will ich hier verziehn. / Noch höher wird des Grames Not gesteigert, / Seit sich sein Schuldner Schlaf zu zahlen weigert. / Vielleicht empfang ich einen Teil der Schuld, / Erwart ich hier den Abtrag in Geduld.“
„Wow, das war richtig gut.“, meinte Neil mit ehrlicher Anerkennung.
„Ach“, meinte Todd peinlich berührt und sah an Neil vorbei ins leere.
„Ob ich das wohl schaffe zu überbieten?“, meinte Neil laut und streckte die Hand aus um nach dem Skript zu greifen, doch Todd war schneller und hielt es weit von Neils´ Reichweite entfernt.
Dieser schaute erstaunt zu Todd. „Soll ich nicht mehr?“, ein flackern ging über seine Augen. „Hat es dich jetzt gepackt?“, fragte er weiter während er seine Hand sinken ließ.
„Du hast mir eine Passage rausgesucht. Also ist es nur fair wenn ich das jetzt auch für dich tue.“ erklärte Todd und begann zu blättern.
„Wie du meinst“, sagte Neil und verschränkte die Arme vor der Brust während er Todd beobachtete.
Er brauchte eine Weile, hielt sich lange auf einer Seite auf, doch schließlich drehte er das Skript um, wies mit dem Finger auf eine Passage. Neil beugte sich herüber, hielt inne, stutzte während er das Skript an sich nahm und Todd verwirrt musterte. „Nicht den ganzen Part?“
„Der ganze Part ist zu lang, aber der Abschnitt passt zu dir.“, antwortete Todd während Neil den Part einmal im stillen durchlas, ehe er sich in Pose stellte, das Skript von sich weisend und aus dem Gedächtnis sprach:
„Mein Aug´ lieh´ Euren Blick, die Zunge lieh´ / Von Eurer Zunge Wort und Melodie.“ er wandte den Blick zu Todd herüber, gestikulierte gen Höhlendecke und verkündete: „Wär´ mein die Welt, ich ließ damit Euch schalten“, er wies auf Todd, „Nur diesen Mann wollt´ ich mir vorbehalten. / Oh lehrt mich, wie ihr blickt! Durch welche Kunst“, sein Blick wurde leicht schmachtend, er war vollkommen in seiner Rolle. „Hängt so Demetrius an Eurer Gunst?“
Doch ehe Neil von seiner Rolle ablassen konnte, warf sich Todd theatralisch die Hände an die Brust. „Je mehr gehaßt, je mehr verfolgt er mich.“
Neil erfasste die Gelegenheit die Todd ihm aus dieser Situation heraus anbot, schielte kurz ins Skript und antwortete. „Je mehr geliebt, je ärger haßt er mich.“
„Soll ich denn Schuld an seiner Torheit sein?“, fragte Todd und wies auf Neil.
Doch das ließ dieser nicht auf sich sitzen, kam näher heran, wohl wissend das Helena mit dem nächsten Satz eigentlich Demetrius meint, aber angestachelt von der ganzen Situation ergriff er Todds dargebotene Hand und antwortete: „Nur Eure Schönheit wär´ die Schuld doch mein!“
Erschrocken prallte Todd einen halben Schritt zurück, stieß gegen einen Stein und kam ins wanken. Das er nicht fiel verdankte er Neil, der ihn immer noch mit einer Hand festhielt. „Nicht loslassen, Todd.“ und fügte hinzu, als er in dessen panisch aufgerissenen Augen sah und er versuchte sich loszureißen „Es ist nur Spiel, es ist nur ein Spiel.“
Allmählich beruhigte sich Todd wieder, die Panik verschwand aus seinem Gesicht und er entspannte sich wieder. Neil ließ seine Hand los, lächelte und wich einen Schritt zurück. „Tut mir Leid, da sind wohl die Pferde mit mir durchgegangen.“ meinte er. „Aber du warst wirklich gut.“ fügte er hinzu ohne Todd anzusehen, kratzte sich nervös am Hinterkopf. „So gut, dass es mich mit hineingezogen hat.“
„Ja...“, entwich es Todd, es war eher ein erleichtertes Seufzen als ein klares Ja, aber immer noch besser als stummes dastehen. Er schielte auf seine Hände, die jetzt Schweißnass waren. Immerhin war ihm jetzt nicht mehr kalt, soviel stand fest. Auch hätte er es nie für möglich gehalten so eine Reaktion bei einer anderen Person hervor zu rufen. Dies war eine gänzlich neue Erfahrung für ihn. Und auch wenn er es nie laut ausgesprochen hätte, aber es gefiel ihm.
Vor sich bemerkte er, wie sich Neil schwer auf einen Stein niederließ und das Skript neben sich legte. Ergeben sah er zu Todd empor. „Ich glaube wir machen wohl hier lieber Schluß für heute.“
Jetzt einfach aufhören? Hatte Todd sich verhört? Erst schleppte Neil ihn mitten in der kältesten Herbstnacht diesen Jahres bis hierher und macht einen Rückzieher wenn es endlich mal gut lief? Ärger schoss in ihm empor, dem wollte er es zeigen!
„Und das entscheidest du, oder was? Ich habe hier wohl gar nichts zu melden, oder wie darf ich das verstehen?“, Todd war selbst überrascht wie fest seine Stimme klang als er sich in Neils Richtung bewegte und das Skript an sich nahm, ehe dieser es verhindern konnte. „Wo wir so weit gekommen sind?“, er begann zu blättern. „Nie im Leben, nicht jetzt.“
Neil war viel zu perplex um wirklich darauf reagieren zu können. Statt dessen starrte er Todd an der seinen Blick erwiderte. „Du hast mir gesagt, im sitzen kann man nicht vorlesen, also steh wieder auf.“
„Himmel, was ist denn nur in dich gefahren? Hier wohnt wohl am Ende doch ein Geist in dieser Höhle und der ist jetzt vollkommen in dich gefahren, was?“ Neil klopfte, zur Bekräftigung seiner Worte, auf den Felsen neben sich ehe er aufstand.
„Die Geister die du hast geweckt, wirst du wohl jetzt nicht mehr los, was?“, meinte Todd grinsend ehe er sich neben Neil stellte und auf eine Passage wies. „Wieder abwechselnd, ich nehme die Passage darüber, dann du und dann wieder ich.“
Neil nickte während Todd sich den Satz noch einmal durchlas und empor sah, direkt in Neils Augen und mit ernster Miene sagte:
„Ein Rasen dien´ als Kissen für uns zwei / Ein Herz, ein Bett, zwei Busen, einer Treu´.“, während Todd es vortrug, rückte er passend zur entsprechenden Passage näher an Neil heran.
Jetzt war es Neil, der etwas abrückte und meinte: „Jetzt willst dus´ aber wissen, oder?“
„Spielst du nun mit, oder nicht? Schließlich ist das doch ein Spiel.“, war alles was Neil als Antwort bekam. So beleckte er die Lippen, räusperte sich und sah ins Skript hinein, auf Hermias Part.
„Ich bitt Euch sehr! Um meinetwillen, Lieber!“, Todd kam wieder näher, passend zum Part, doch Neil, sich langsam in seiner Rolle zurecht findend, schob ihn ein wenig beiseite. „Liegt nicht so nah! Liegt weiter dort hinüber!“
„Verkettet hat zwei Busen unser Schwur“, Todd rückte wieder näher heran. „So wohnt in zweien eine Treue nur. / Erlaubet denn, dass ich mich zu Euch füge“, nun griff er nach Neils Hand und sah ihm fest in die Augen.
„Denn, Herz, ich lüge nicht, wenn ich so liege.“
Neil sah in Todds Augen die alles andere waren, nur nicht passend zur Passage. „Glaubst du wirklich so schaut ein verliebter Lysander seine Hermia an?“, fragte er deshalb, auch weil er Hermias Part vergessen hatte zu lesen. Schließlich spielte er den Puck, da war der Part der Athener freilig nicht ganz so wichtig für seine Rolle wie die von Oberon, die er wesentlich besser drauf hatte.
Todd schloss für einen kurzen Moment die Augen, atmete einmal tief durch und ließ Neils´ Hand los ehe er sich von ihm entfernte. Wütend starrte er Neil nun an, der die Welt nicht mehr verstand.
„Erst schleifst du mich hierher, aber wenn ich aus mir herauskomme, ist das auch wieder nicht Richtig. Zeige mir keine neuen Möglichkeiten, wenn du sie nicht weiter mit mir beschreiten willst.“ und mit diesen Worten schleuderte er das Skript auf Neil, der es hastig auffing.
„Hey, das Skript gehört nicht mir, das ist nur geliehen, klar?“, rief er wütend zu Todd herüber, der sich umgedreht hatte und Neil den Rücken zukehrte. „Ach sehr schön, machen wir wieder einen auf „Ich verkrieche mich in mir selbst? Ich lasse keinen an mich heran?“ Du kannst genauso wenig mit Entgrenzungen umgehen.“
Doch Todd gab keine Antwort, er starrte auf den dunklen, zuckenden Schatten den sein Körper auf die Höhlenwand warf, strich sich mit einer Hand über die Stirn und wünschte sich, seine Gedanken würden endlich mal zur Ruhe kommen. Waren sie so hochgepeitscht worden durch dieses Theaterstück? Oder war es weil es Neil war? Weil es immer Neil war, der ihn nie in Ruhe ließ, der ihn immer integrieren wollte und sich jetzt davor fürchtete was er mit seiner ausgestreckten Hand ergriffen hatte. Er hörte hinter sich Neil mit Papier rascheln, doch er versuchte nicht darauf zu achten. Seine Gedanken waren zu sehr am routieren... genauso wie in Keatings Unterricht, vor ein paar Wochen, als dieser seine Hand auf seine Augen gelegt hatte, ihn zur Dunkelheit verdammte, ihn zwang sich seinen Dämonen zu stellen und sie in Worte zu kleiden. Dieses Mal waren es andere Dämonen, dieses Mal wollte er sie nicht in Worte kleiden und doch geschah es ganz automatisch. Seine Hand rutschte über seine Augen als Neil begann zu sprechen:
„Amen! So holder Bitte stimm ich bei / Mein Herz soll brechen, bricht es meine Treu´. / Mög´ alle Ruh´ des Schlafes bei dir wohnen!“
Todd riss die Augen auf, die Hand glitt von seinem Gesicht und er drehte sich zu Neil herum, der dastand und ihn mit einem seltsamen Blick bedachte, ihm das Stück hinhielt.
Mit einem großen Schritt überwandt Todd den Abstand zwischen ihnen, nahm das Skript in die Hand und ließ es, ohne auch nur einen Blick hinein zu werfen, auf den Boden fallen. Die Kerze verlöschte, Neils ärgerlicher Gesichtsausdruck verschwand in der Dunkelheit. Schnell wollte er sich hinab beugen und nach seinem Skript tasten, doch dazu ließ Todd es nicht kommen. Zielsicher hielt er ihn am Handgelenk fest. Neil setzte an etwas zu sagen, doch Todd schnitt ihm das Wort entzwei, ehe Neil es vollständig über die Lippen brachte, indem Todd selbst anfing zu sprechen:
„Mein Herz, es bricht so oft entzwei. / Alle schneiden darin, jeder nimmt sich wies´ beliebt / Die Dämonen, sie quälen mich, den Ungeliebten / Ich möchte Schlafen, so lang und frei / Doch du lässt mich nicht schlafen, lässt mich nicht ruhn / Ich bitt´ dich, hör nicht auf, gib meiner Seel´ mehr zu tun / Alles was ich dir kann geben, ist meiner Treu´.“
Dies hatte Todd alles abverlangt, er spürte, dass seine Wangen glühten und seine Atemzüge hatten sich beschleunigt. So.stand er da, in der Dunkelheit, konnte Neils Gesicht eher erahnen als erkennen, gerade mal durch das spärliche Vollmondlicht, dass in die Höhle hinein drang und erst ganz langsam wurde er sich bewusst, was er da gesagt hatte.
Allmählich lockerte er seinen Griff um Neils Handgelenk, senkte beschämt den Blick in der Hoffnung, das Neil es nicht sah als er vor sich eine Bewegung in der Dunkelheit bemerkte, es war Neil, der näher heranrückte, Todd an der Schulter festhielt und ihn so daran hinderte wegzulaufen. Erschrocken erstarrte dieser in seinen Bewegungen und starrte mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit.
„Es … es ist...“, stammelte Todd flüsternd, doch wurde jäh unterbrochen als Neil einen Finger auf dessen Lippen legte und seine Lippen folgen ließ.
Todd ließ einen erstickten Laut durch seine Nase entweichen, kralle sich erschrocken und vollkommen desorientiert an Neil fest, während seine andere Hand versuchte ihn von sich zu stoßen. Doch Neil ließ ihn, wie so oft, nicht entkommen, verstärkte seinen Griff um Todds Schulter und nahm nun noch seine andere Hand zur Hilfe um seinen Arm festzuhalten.
Todds Gegenwehr wurde schwächer und erstarb, obwohl er sich immer noch mit einer Hand am Mantel festhielt.
Der Kuss war nicht lang und schließlich löste Neil sich von Todd. Ihrer beider Atem ging stoßweise und hinterließ in der kalten Nachtluft weiße Kondenswolken die sofort verblassten. Dieser Kuss war nicht von tiefer Leidenschaft oder abgöttischer Liebe, über die sie sonst in ihren Gedichten lasen. Dieser war eher ein wenig scheu und ungelenk, und dennoch war es für beide etwas neues und zugleich Schönes.
„Jetzt hast du mich schon wieder mitgerissen.“, flüsterte Neil, senkte den Kopf. Er bereute nicht was er getan hatte. Doch die Angst hielt ihn ob Todd es genauso sah.
„Dieses Mal kannst du es aber nicht auf Shakespeare schieben.“, meinte Todd um überhaupt etwas zu sagen.
Neil lachte leise und die Erleichterung war deutlich zu spüren. „Nein, das war von dir und es war wunderbar.“, dann zog er Todd in eine innige Umarmung, die Todd wieder mit anfänglicher Gegenwehr quittierte, sich aber allmählich entspannte. „Mach bitte weiter, hör nicht auf mit dem Schreiben. Das steht dir gut.“, flüsterte er in Todds Ohr. Langsam löste er sich von ihm und entließ ihn. „Beim nächsten Mal wendest du das bei einem Mädchen an. Wenn du sogar mich damit rumkriegst...“
Still standen sie sich nun in der Dunkelheit gegenüber, jegliche Berührungspunkte waren aufgehoben, die Kälte kroch in ihre Glieder, die Nacht schritt voran. Dieser Moment des Schweigens war wichtig, es war die stille Übereinkunft, das keiner je ein Wort über das Verlieren würde, was heute Nacht hier geschehen war.
„Wir sollten zur Schule zurück“, flüsterte Todd. Seit dem Kuss schien es ihm wie eine Entweihung jetzt laut zu sprechen.
Er hörte keine Widerworte, aber bekam mit wie Neil sich an ihm vorbei schob und niederkniete um sein Skript aufzusammeln. Todd hielt es einfacher, nahm seine Taschenlampe aus der Innenseite seines Mantels und schaltete sie ein. So fand er die Kerze sehr schnell, nahm sie von ihren Platz und steckte sie ein. Neils Taschenlampe leuchtete auf, spendete nun kaum einen Meter neben ihm weiteres Licht. Todd vermied es Neil direkt ins Gesicht zu sehen, bekam aber mit, dass dieser seinen Kopf wieder ins Skript geneigt hatte.
„Mein Elfenfürst, wir müssen eilig machen. / Die Nacht teilt das Gewölk mit schnellen Drachen / Auch schimmert schon Auroras Herold dort, / Und seine Näh´ scheucht irre Geister fort / Zum Totenacker, banger Seelen Heere, / Am Scheideweg begraben und im Meere, / Man sieht ins wurmbenagte Bett sie gehen. / Aus Angst, der Tag möcht´ ihrer Schande sehn, / Verbannt vom Lichte sie ihr eigner Wille, / Und ihnen dient die Nacht zur ew´gen Hülle.“
Er hob den Kopf und sah Todd herausfordernd an, der ihm Licht spendete indem er ihm mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete. „Ein schönes Schlusswort.“
Triumphierend verstaute Neil es in der Innenseite seines Mantels. „Der gute alte Puck weiß halt ein gutes Schlußwort zu gebrauchen.“
„Dann bist ja du genau der Richtige für diese Rolle.“
„Einen besseren Puck als mich gibt es gar nicht.“ führte Neil aus und wies mit der Taschenlampe zum Ausgang der Höhle.
Gemeinsam verließen sie die Höhle. Für diese Nacht war es genug.