Blindgänger
von Mirfineth
Kurzbeschreibung
Jeremy Stinger, 31 Jahre, ist die Hauptperson dieser Geschichte. Er hat von seinen verstorbenen Eltern reich geerbt und bewohnt ganz allein eine Villa am Rand irgendeiner Metropole in den USA. Er hat eine Abneigung gegenüber behinderten Menschen, weil er sich selbst, an Leib und Seele gesund, für etwas Besseres hält. Ohne für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, lebt er sorglos in den Tag hinein und beschäftigt sich hauptsächlich mit Partys, Alkohol, Drogen und Sex... bis zu dieser einen bestimmten Nacht im Juni, als plötzlich ein seltsam grün funkelndes Objekt über Jeremys Vorgarten schwebt. Ein echtes UFO! ... ... ... Was ist dann passiert? Auf welche Art und Weise hat das Schicksal Jeremys bisheriges Leben zunichte gemacht? Wie lernte Jeremy seine große Liebe kennen? Und ist es wirklich zu spät, um noch einmal von vorne anzufangen? Das könnt ihr hier lesen. :-D (Jeremys Meinung über behinderte Menschen ist übrigens, das sei ganz deutlich gesagt, NICHT meine eigene Meinung.)
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
21.04.2011
11.01.2023
145
140.490
6
Alle Kapitel
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Dieses Kapitel
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19.11.2022
1.134
Leider wurde Jeremy nur wenige Sekunden später mit der nächsten Hürde konfrontiert, die das Alltagsleben für einen blinden Menschen bereithielt. Er stellte fest, dass es überaus problematisch war, die Toastscheiben unter Zuhilfenahme des Messers mit Margarine zu bestreichen, ohne etwas sehen zu können. Die Margarine landete bei weitem nicht ausschließlich auf den Toastscheiben, sondern auch auf dem Griff des Messers, auf dem Frühstücksbrettchen sowie auf Jeremys Fingerspitzen. Er verwendete wesentlich mehr Margarine, als nötig gewesen wäre, und es gelang ihm kaum, die Margarine gleichmäßig auf den Toastscheiben zu verteilen. Hinzu kam, dass die Margarine auf den warmen Toastscheiben schmolz und sich in eine fettige, glitschige Soße verwandelte.
„So ein verdammter, beschissener Mist!!“, fluchte Jeremy laut vor sich hin, während er sich die Margarine von den Fingerspitzen leckte. Er war sich beinahe sicher, dass inzwischen sogar ein wenig Margarine auf den Fußboden getropft war und dort darauf wartete, von Mrs Courteney mit einem feuchten Lappen oder mit einem Küchentuch aufgewischt zu werden.
Als Jeremys Hände vor Frustration begannen zu zittern, schob er die Dose Margarine beiseite, riss die Packung Salami mit Chiligeschmack auf, klatschte zwei Scheiben Salami auf jede Toastscheibe, hob die erste Toastscheibe hoch und biss hinein.
Der scharfe Chiligeschmack prickelte angenehm in Jeremys Mund, und als beide Toastscheiben Bissen für Bissen in seinem Magen verschwunden waren, hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt. Vorsichtig, damit die Flüssigkeit nicht aus der Öffnung herausquoll, zog er am Verschluss des Energy-Drinks, setzte die Dose an und machte sich genüsslich über das erfrischende Getränk her. Als dies geschehen war, änderte Jeremy seinen ursprünglichen Plan und beschloss, auf eine dritte und vierte Scheibe Toast zu verzichten. Stattdessen erhob er sich von seinem Stuhl und tastete sich hinüber zu einem Regal, welches schräg hinter dem Esstisch stand und auf dem normalerweise einige Äpfel, Bananen und Orangen lagen. Jeremy war zwar kein besonders großer Liebhaber von Obst, aber hin und wieder mochte er es doch recht gerne, als Abschluss einer Hauptmahlzeit noch ein Stück Obst zu sich zu nehmen, sozusagen als Nachtisch. Immer nur von Salzstangen, Fruchtgummi und Paprikachips zu leben, war schließlich keine Dauerlösung, auch wenn Jeremy nicht allzu sehr auf eine gesunde Ernährung achtete.
Jeremy fand eine Banane, schälte sie und verspeiste sie innerhalb kurzer Zeit. Dann entsorgte er die Bananenschale im Mülleimer, legte die Dose Margarine und die Packung Salami wieder in den Kühlschrank zurück und räumte das Frühstücksbrettchen und das Messer in die Spülmaschine. Währenddessen versuchte er, nicht darüber nachzudenken, was genau er tat und wie er es tat, sondern einfach an gar nichts zu denken und so zu tun, als sei damals vor fünf Wochen nichts Wichtiges passiert, und es sei alles in bester Ordnung, und seine Augen seien gesund und lebendig und funktionstüchtig…
Wehmütig seufzend verließ Jeremy die Küche, um in sein Schlafzimmer zurückzukehren und die Visitenkarte der TAB an sich zu nehmen, die immer noch auf seinem Nachtschränkchen lag. Er wusste, dass er einen Anruf bei der TAB wirklich nicht noch länger hinauszögern konnte. Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund, warum er nicht dort anrufen sollte, jetzt, wo er gewaschen, rasiert, angezogen und gesättigt war. Schritt für Schritt hatte er alle alltäglichen Handlungen abgearbeitet, die noch zwischen ihm und einem Anruf bei der TAB gestanden hatten. Obwohl er sich so erschöpft fühlte, dass er sich am liebsten sofort wieder ins Bett verkrochen hätte, hörte er ein ums andere Mal die Stimme von Dr Williac in seinem Hinterkopf:
„… Und wenn Sie wieder zu Hause sind, suchen Sie so schnell wie möglich die TAB auf. Damit tun Sie sich selbst einen Gefallen. Wenn Sie Ihre Situation so annehmen, wie sie nun ist, dann wird das Schicksal in Kürze wieder gut zu Ihnen sein…“
Jeremy starrte in die finstere, trostlose, leere Dunkelheit um ihn herum.
Für seine stolze, unabhängige, freiheitsliebende Persönlichkeit war es mit viel Überwindung verbunden, sich einzugestehen, dass er Hilfe brauchte, aber er hatte keine andere Wahl. Vermutlich wäre sein Leben erst recht nichts mehr wert, wenn er sich weigern würde, die TAB anzurufen und sich auf blindenspezifische Art und Weise helfen zu lassen. Er war nicht der erste frisch erblindete Mensch, der sich an die TAB wandte, und er würde auch nicht der letzte sein.
Jeremy setzte sich auf seine Bettkante und griff nach seinem Handy, das, ebenso wie die Visitenkarte der TAB, auf seinem Nachtschränkchen lag. Er schaltete es ein und stellte fest, dass er drei neue SMS bekommen hatte. Eine von Nicolas, eine von Matthew und eine von Linda.
ICH HÄTTE AUCH NICHTS ANDERES ERWARTET, schrieb Nicolas. ICH KENNE DICH DOCH, JERRY. ICH WEIß, DASS DU DICH VON DEINER BLINDHEIT NICHT FIX UND FERTIG MACHEN LÄSST. WENN DU MICH BRAUCHST, BIN ICH FÜR DICH DA.
DAS FREUT MICH, schrieb Matthew. ICH DRÜCKE DIR DIE DAUMEN, DASS DU WEITERHIN GUT ZURECHTKOMMST, AUCH OHNE ETWAS SEHEN ZU KÖNNEN. BLEIB TAPFER. ICH WÜNSCHE DIR NOCH EINEN SCHÖNEN TAG.
NA SO WAS! DAS IST JA EINE ÜBERRASCHUNG – EINE SMS VON JEREMY. DASS ICH DAS NOCH ERLEBEN DARF. *GRINS*, schrieb Linda. NICHTS ZU DANKEN. WIE SCHÖN, DASS DIE UHR DIR GEFÄLLT. ICH HABE SCHON DAMIT GERECHNET, DASS ICH DEINEN GESCHMACK GETROFFEN HABE. DU KANNST DICH JEDERZEIT GERNE WIEDER BEI MIR MELDEN, WENN DU MÖCHTEST.
Die liebevollen Worte seiner Freunde und seiner Cousine ermutigten Jeremy, gedanklich über seinen Schatten zu springen und seinen Plan, die TAB anzurufen, nun endlich in die Tat umzusetzen. Er atmete noch einmal tief durch, dann strich er mit seinen Fingerspitzen über die Visitenkarte, um die dort aufgedruckte Telefonnummer zu lesen. Er gab die Telefonnummer Ziffer für Ziffer in sein Handy ein, und dabei war er so aufgeregt und nervös, dass sein Herz rasend schnell klopfte und seine Eingeweide zu vibrieren schienen.
Das Freizeichen ertönte. Zumindest war die Leitung nicht besetzt. Vielleicht war heute ja ein kleiner Glückstag in Jeremys Leben. Hoffentlich würde es genauso positiv weitergehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Es sei denn, er würde einfach wieder auflegen, noch bevor sich jemand von der TAB gemeldet hatte…
Es klingelte einmal, zweimal, dreimal…
Ein Rascheln. Ein Knacken.
„Rezeption der Travis Association for the Blind, Sie sprechen mit Beatrice Lomsdearn. Was kann ich für Sie tun?“
Die Stimme einer älteren Frau, vielleicht fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt. Englisch mit leichtem skandinavischen Akzent, vielleicht war sie vor vielen Jahren aus Norwegen oder Schweden in die USA eingewandert. Freundlich und warmherzig, ein bisschen wie Mrs Courteney oder wie die Mutter von Damien.
Jeremy gab sich einen Ruck.
„Wissen Sie, ich bin blind, und ich brauche jemanden, der mir den Umgang mit dem Blindenstock beibringt. Und wie man einkaufen geht. Und wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Und wie man sich in seiner eigenen Wohnung zurechtfindet, ohne etwas sehen zu können. Solche Sachen halt. Der Arzt, der mich im Krankenhaus behandelt hat, meinte, dass ich mich so schnell wie möglich an Sie wenden soll.“
„So ein verdammter, beschissener Mist!!“, fluchte Jeremy laut vor sich hin, während er sich die Margarine von den Fingerspitzen leckte. Er war sich beinahe sicher, dass inzwischen sogar ein wenig Margarine auf den Fußboden getropft war und dort darauf wartete, von Mrs Courteney mit einem feuchten Lappen oder mit einem Küchentuch aufgewischt zu werden.
Als Jeremys Hände vor Frustration begannen zu zittern, schob er die Dose Margarine beiseite, riss die Packung Salami mit Chiligeschmack auf, klatschte zwei Scheiben Salami auf jede Toastscheibe, hob die erste Toastscheibe hoch und biss hinein.
Der scharfe Chiligeschmack prickelte angenehm in Jeremys Mund, und als beide Toastscheiben Bissen für Bissen in seinem Magen verschwunden waren, hatte er sich wieder einigermaßen beruhigt. Vorsichtig, damit die Flüssigkeit nicht aus der Öffnung herausquoll, zog er am Verschluss des Energy-Drinks, setzte die Dose an und machte sich genüsslich über das erfrischende Getränk her. Als dies geschehen war, änderte Jeremy seinen ursprünglichen Plan und beschloss, auf eine dritte und vierte Scheibe Toast zu verzichten. Stattdessen erhob er sich von seinem Stuhl und tastete sich hinüber zu einem Regal, welches schräg hinter dem Esstisch stand und auf dem normalerweise einige Äpfel, Bananen und Orangen lagen. Jeremy war zwar kein besonders großer Liebhaber von Obst, aber hin und wieder mochte er es doch recht gerne, als Abschluss einer Hauptmahlzeit noch ein Stück Obst zu sich zu nehmen, sozusagen als Nachtisch. Immer nur von Salzstangen, Fruchtgummi und Paprikachips zu leben, war schließlich keine Dauerlösung, auch wenn Jeremy nicht allzu sehr auf eine gesunde Ernährung achtete.
Jeremy fand eine Banane, schälte sie und verspeiste sie innerhalb kurzer Zeit. Dann entsorgte er die Bananenschale im Mülleimer, legte die Dose Margarine und die Packung Salami wieder in den Kühlschrank zurück und räumte das Frühstücksbrettchen und das Messer in die Spülmaschine. Währenddessen versuchte er, nicht darüber nachzudenken, was genau er tat und wie er es tat, sondern einfach an gar nichts zu denken und so zu tun, als sei damals vor fünf Wochen nichts Wichtiges passiert, und es sei alles in bester Ordnung, und seine Augen seien gesund und lebendig und funktionstüchtig…
Wehmütig seufzend verließ Jeremy die Küche, um in sein Schlafzimmer zurückzukehren und die Visitenkarte der TAB an sich zu nehmen, die immer noch auf seinem Nachtschränkchen lag. Er wusste, dass er einen Anruf bei der TAB wirklich nicht noch länger hinauszögern konnte. Es gab überhaupt keinen vernünftigen Grund, warum er nicht dort anrufen sollte, jetzt, wo er gewaschen, rasiert, angezogen und gesättigt war. Schritt für Schritt hatte er alle alltäglichen Handlungen abgearbeitet, die noch zwischen ihm und einem Anruf bei der TAB gestanden hatten. Obwohl er sich so erschöpft fühlte, dass er sich am liebsten sofort wieder ins Bett verkrochen hätte, hörte er ein ums andere Mal die Stimme von Dr Williac in seinem Hinterkopf:
„… Und wenn Sie wieder zu Hause sind, suchen Sie so schnell wie möglich die TAB auf. Damit tun Sie sich selbst einen Gefallen. Wenn Sie Ihre Situation so annehmen, wie sie nun ist, dann wird das Schicksal in Kürze wieder gut zu Ihnen sein…“
Jeremy starrte in die finstere, trostlose, leere Dunkelheit um ihn herum.
Für seine stolze, unabhängige, freiheitsliebende Persönlichkeit war es mit viel Überwindung verbunden, sich einzugestehen, dass er Hilfe brauchte, aber er hatte keine andere Wahl. Vermutlich wäre sein Leben erst recht nichts mehr wert, wenn er sich weigern würde, die TAB anzurufen und sich auf blindenspezifische Art und Weise helfen zu lassen. Er war nicht der erste frisch erblindete Mensch, der sich an die TAB wandte, und er würde auch nicht der letzte sein.
Jeremy setzte sich auf seine Bettkante und griff nach seinem Handy, das, ebenso wie die Visitenkarte der TAB, auf seinem Nachtschränkchen lag. Er schaltete es ein und stellte fest, dass er drei neue SMS bekommen hatte. Eine von Nicolas, eine von Matthew und eine von Linda.
ICH HÄTTE AUCH NICHTS ANDERES ERWARTET, schrieb Nicolas. ICH KENNE DICH DOCH, JERRY. ICH WEIß, DASS DU DICH VON DEINER BLINDHEIT NICHT FIX UND FERTIG MACHEN LÄSST. WENN DU MICH BRAUCHST, BIN ICH FÜR DICH DA.
DAS FREUT MICH, schrieb Matthew. ICH DRÜCKE DIR DIE DAUMEN, DASS DU WEITERHIN GUT ZURECHTKOMMST, AUCH OHNE ETWAS SEHEN ZU KÖNNEN. BLEIB TAPFER. ICH WÜNSCHE DIR NOCH EINEN SCHÖNEN TAG.
NA SO WAS! DAS IST JA EINE ÜBERRASCHUNG – EINE SMS VON JEREMY. DASS ICH DAS NOCH ERLEBEN DARF. *GRINS*, schrieb Linda. NICHTS ZU DANKEN. WIE SCHÖN, DASS DIE UHR DIR GEFÄLLT. ICH HABE SCHON DAMIT GERECHNET, DASS ICH DEINEN GESCHMACK GETROFFEN HABE. DU KANNST DICH JEDERZEIT GERNE WIEDER BEI MIR MELDEN, WENN DU MÖCHTEST.
Die liebevollen Worte seiner Freunde und seiner Cousine ermutigten Jeremy, gedanklich über seinen Schatten zu springen und seinen Plan, die TAB anzurufen, nun endlich in die Tat umzusetzen. Er atmete noch einmal tief durch, dann strich er mit seinen Fingerspitzen über die Visitenkarte, um die dort aufgedruckte Telefonnummer zu lesen. Er gab die Telefonnummer Ziffer für Ziffer in sein Handy ein, und dabei war er so aufgeregt und nervös, dass sein Herz rasend schnell klopfte und seine Eingeweide zu vibrieren schienen.
Das Freizeichen ertönte. Zumindest war die Leitung nicht besetzt. Vielleicht war heute ja ein kleiner Glückstag in Jeremys Leben. Hoffentlich würde es genauso positiv weitergehen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Es sei denn, er würde einfach wieder auflegen, noch bevor sich jemand von der TAB gemeldet hatte…
Es klingelte einmal, zweimal, dreimal…
Ein Rascheln. Ein Knacken.
„Rezeption der Travis Association for the Blind, Sie sprechen mit Beatrice Lomsdearn. Was kann ich für Sie tun?“
Die Stimme einer älteren Frau, vielleicht fünfzig bis fünfundfünfzig Jahre alt. Englisch mit leichtem skandinavischen Akzent, vielleicht war sie vor vielen Jahren aus Norwegen oder Schweden in die USA eingewandert. Freundlich und warmherzig, ein bisschen wie Mrs Courteney oder wie die Mutter von Damien.
Jeremy gab sich einen Ruck.
„Wissen Sie, ich bin blind, und ich brauche jemanden, der mir den Umgang mit dem Blindenstock beibringt. Und wie man einkaufen geht. Und wie man mit öffentlichen Verkehrsmitteln fährt. Und wie man sich in seiner eigenen Wohnung zurechtfindet, ohne etwas sehen zu können. Solche Sachen halt. Der Arzt, der mich im Krankenhaus behandelt hat, meinte, dass ich mich so schnell wie möglich an Sie wenden soll.“