Blindgänger
von Mirfineth
Kurzbeschreibung
Jeremy Stinger, 31 Jahre, ist die Hauptperson dieser Geschichte. Er hat von seinen verstorbenen Eltern reich geerbt und bewohnt ganz allein eine Villa am Rand irgendeiner Metropole in den USA. Er hat eine Abneigung gegenüber behinderten Menschen, weil er sich selbst, an Leib und Seele gesund, für etwas Besseres hält. Ohne für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, lebt er sorglos in den Tag hinein und beschäftigt sich hauptsächlich mit Partys, Alkohol, Drogen und Sex... bis zu dieser einen bestimmten Nacht im Juni, als plötzlich ein seltsam grün funkelndes Objekt über Jeremys Vorgarten schwebt. Ein echtes UFO! ... ... ... Was ist dann passiert? Auf welche Art und Weise hat das Schicksal Jeremys bisheriges Leben zunichte gemacht? Wie lernte Jeremy seine große Liebe kennen? Und ist es wirklich zu spät, um noch einmal von vorne anzufangen? Das könnt ihr hier lesen. :-D (Jeremys Meinung über behinderte Menschen ist übrigens, das sei ganz deutlich gesagt, NICHT meine eigene Meinung.)
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
21.04.2011
11.01.2023
145
140.490
6
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Dieses Kapitel
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06.11.2022
1.119
Mit meiner Blindheit zurechtkommen zu müssen, ist im Prinzip mit Sex vergleichbar, dachte Jeremy, während er eine Flasche Duschgel, eine Flasche Shampoo und einen Waschlappen in der Duschkabine platzierte. Von Sex verstehe ich schließlich etwas. Je mehr man sich innerlich verkrampft und je angespannter und nervöser man ist, desto weniger funktioniert es. Mit der Orientierung hier in meinem Badezimmer, ohne etwas sehen zu können, ist es genau dasselbe.
Dieser Gedanke tröstete Jeremy, zumindest ein bisschen, und er entkleidete sich vollständig, legte sich ein sauberes Handtuch für später zum Abtrocknen zurecht und betrat mit einem erleichterten Seufzer die Duschkabine.
Als er endlich das warme Wasser auf seiner Haut spürte, erwachten seine Lebensgeister wieder, und er versuchte, sich zu entspannen und den „Ich-werde-für-immer-blind-sein“-Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Er strich mit dem schaumigen Waschlappen energisch über seinen unsichtbaren Körper, genauso wie er es im Krankenhaus viele Male getan hatte. Er seifte seinen gesamten Körper gründlich ein, und anschließend wusch er sich die Haare.
Dabei fühlte es sich für ihn so an, als würde er sein Leben, welches er bisher geführt hatte, während der einunddreißig Jahre bis zu der Explosion des UFOs, sein früheres Leben als sehender Mensch, zusammen mit dem Schweiß, Staub und Schmutz von seinem Körper herunterwaschen und es im Abfluss der Duschkabine verschwinden lassen, wie etwas Wertloses, das nicht mehr benötigt wird, weil etwas Neues an seine Stelle getreten ist…
Der Duschvorgang schien auch eine reinigende Wirkung auf seine Seele zu haben, und obwohl ihm die Panik und Mutlosigkeit, die er wenige Minuten zuvor verspürt hatte, noch in den Knochen steckte, wollte er nun in sein neues Leben als blinder Mensch aufbrechen, so zuversichtlich, wie es ihm nur irgendwie möglich war…
Jeremy spülte den Schaum von seinem Körper ab, stieg aus der Duschkabine heraus und griff nach seinem Handtuch. In Gedanken war er bereits einen oder zwei Schritte weiter, nämlich beim Rasieren, welches als nächster Punkt auf seiner Tagesordnung stand. Er erinnerte sich daran, dass Schwester Andrea ihn im Krankenhaus dazu aufgefordert hatte, seinen Angehörigen zu sagen, dass sie ihm seinen eigenen Rasierapparat von zu Hause mitbringen sollten. Doch dieser Aufforderung war er nicht nachgekommen, weil er es wenige Minuten später völlig vergessen hatte. Von dem Tag an, als er im Krankenhaus zum ersten Mal alleine hatte duschen dürfen, bis zu seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, hatte er sich stets mit dem Rasierapparat rasiert, welchen das Krankenhaus ihm zur Verfügung gestellt hatte, und niemand vom Krankenhauspersonal hatte dagegen protestiert.
Jeremy zuckte die Schultern, legte das Handtuch wieder beiseite und schlüpfte in die Unterhose, die kurze Jeanshose und das T-Shirt. Dann suchte er seinen Rasierapparat, und es dauerte nicht lange, bis er ihn gefunden hatte, da Mrs Courteney während Jeremys Krankenhausaufenthalt zum Glück nicht auf die Idee gekommen war, den Rasierapparat irgendwo anders unterzubringen als an seinem angestammten Platz.
Ebenso wie das Duschen stellte auch das Rasieren Jeremy vor keine unlösbaren Herausforderungen. Die Handbewegungen, die er dabei zu verrichten hatte, waren ihm vertraut, und er hatte es im Krankenhaus schließlich oft genug geübt, sich zu rasieren, ohne etwas sehen zu können. Er musste Geduld mit sich selbst haben, und seine Hände mussten viel langsamer und vorsichtiger und behutsamer mit dem Rasierapparat und der Haut umgehen als früher, aber daran hatte er sich während der letzten Wochen schon ein bisschen gewöhnt.
Heute rasierte er sich noch gründlicher, als es eigentlich notwendig war, weil er plötzlich das Bedürfnis danach hatte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen am Beginn dieser frischen, neuen Lebenssituation, ohne Augenlicht, in seinen eigenen vier Wänden…
So ein Quatsch!, sagte Jeremy innerlich zu sich selbst. Du hast doch heute noch nicht einmal vor, das Haus zu verlassen!
Aber er lächelte dabei.
Jetzt hatte er es so gut wie geschafft. Nur noch den Waschlappen, das Duschgel und das Shampoo wegräumen und das Fenster des Badezimmers öffnen. Als dies erledigt war, trat Jeremy auf den Korridor hinaus, holte tief Luft und wappnete sich für die nächste Runde des Kampfes „Jeremy vs. Blindheit“ – nämlich in die Küche zu gehen und sich ein Frühstück zuzubereiten.
Mit seiner linken Hand tastete er sich an der Wand des Korridors entlang, bis er die Küchentür gefunden hatte. Einmal landete er mit seinen Fingern in einer großen Topfpflanze, und einmal wunderte er sich darüber, dass er die Teppichkante unter seinen Füßen zu einem früheren Zeitpunkt spürte, als er erwartet hatte, aber zu guter Letzt lag seine Hand doch wohlbehalten auf der Türklinke der Küchentür, und er ging in die Küche.
Seit dem Tod seiner Eltern und dem damit verbundenen Beginn grenzenloser Freiheit und Unbeschwertheit war Jeremy oft so spät aufgestanden, dass sein Frühstück mit dem Mittagessen der arbeitenden Bevölkerung zusammenfiel. Dann hatte er sich meistens darauf verlassen können, dass Mrs Courteney für ihn gekocht hatte und er das fertig zubereitete Gericht nur noch in der Mikrowelle aufzuwärmen brauchte. Unzählige Male hatte er sich auch ein Mittagessen vom Lieferservice irgendeines Fast-Food-Restaurants oder irgendeiner Pizzeria zu sich nach Hause liefern lassen.
Und wenn er aufgrund irgendwelcher Verabredungen, mit wem auch immer, doch deutlich früher aufgestanden war als üblich, dann hatte er vier Scheiben Toast gegessen, die er mit Wurst oder Käse belegt hatte. So wollte er es auch heute halten, zumal sein Magen an diesem Tag nicht besonders anspruchsvoll zu sein schien. Die leckeren Köstlichkeiten, die Mrs Courteney gestern Mittag und gestern Abend gezaubert hatte, hätte er ohnehin nicht überbieten können.
Jeremy fand in der Brottrommel eine noch verschlossene Tüte mit Toastscheiben, die Mrs Courteney neu gekauft haben musste, während er im Krankenhaus gelegen hatte. Er holte zwei Toastscheiben heraus und steckte sie in den Toaster, der direkt neben der Brottrommel stand. Während der Toast vor sich hin brutzelte, öffnete Jeremy den Kühlschrank und machte sich mit der Ordnung vertraut, die Mrs Courteney den dortigen Lebensmitteln gegeben hatte. Jeremy betastete die Plastikpackungen, die Plastikbecher, das lose Obst und Gemüse, die Getränkeflaschen und überhaupt jeden Gegenstand in seinem Kühlschrank, und dabei versuchte er angestrengt, sich zu merken, wo sich was befand und wie viel von jedem Lebensmittel vorhanden war. Mit seinen Fingerspitzen las er die Aufschriften und erfühlte die Farben, und er war darin so vertieft, dass er ein bisschen zusammenzuckte, als plötzlich die zwei Toastscheiben mit einem lauten klackenden Geräusch wieder aus dem Toaster heraussprangen.
Jeremy stellte nach und nach ein Frühstücksbrettchen mit den zwei darauf liegenden Toastscheiben, ein Schmiermesser, eine Dose Margarine, eine Packung Salami mit Chiligeschmack sowie einen Energy-Drink auf den Küchentisch. Dieser Vorgang nahm zwar deutlich mehr Zeit in Anspruch und verlangte Jeremy deutlich mehr Konzentration ab, als es bei einem sehenden Menschen der Fall gewesen wäre, doch dann hatte er es geschafft, konnte sich an den Küchentisch setzen und sich sein Frühstück schmecken lassen.
Dieser Gedanke tröstete Jeremy, zumindest ein bisschen, und er entkleidete sich vollständig, legte sich ein sauberes Handtuch für später zum Abtrocknen zurecht und betrat mit einem erleichterten Seufzer die Duschkabine.
Als er endlich das warme Wasser auf seiner Haut spürte, erwachten seine Lebensgeister wieder, und er versuchte, sich zu entspannen und den „Ich-werde-für-immer-blind-sein“-Gedanken aus seinem Kopf zu vertreiben. Er strich mit dem schaumigen Waschlappen energisch über seinen unsichtbaren Körper, genauso wie er es im Krankenhaus viele Male getan hatte. Er seifte seinen gesamten Körper gründlich ein, und anschließend wusch er sich die Haare.
Dabei fühlte es sich für ihn so an, als würde er sein Leben, welches er bisher geführt hatte, während der einunddreißig Jahre bis zu der Explosion des UFOs, sein früheres Leben als sehender Mensch, zusammen mit dem Schweiß, Staub und Schmutz von seinem Körper herunterwaschen und es im Abfluss der Duschkabine verschwinden lassen, wie etwas Wertloses, das nicht mehr benötigt wird, weil etwas Neues an seine Stelle getreten ist…
Der Duschvorgang schien auch eine reinigende Wirkung auf seine Seele zu haben, und obwohl ihm die Panik und Mutlosigkeit, die er wenige Minuten zuvor verspürt hatte, noch in den Knochen steckte, wollte er nun in sein neues Leben als blinder Mensch aufbrechen, so zuversichtlich, wie es ihm nur irgendwie möglich war…
Jeremy spülte den Schaum von seinem Körper ab, stieg aus der Duschkabine heraus und griff nach seinem Handtuch. In Gedanken war er bereits einen oder zwei Schritte weiter, nämlich beim Rasieren, welches als nächster Punkt auf seiner Tagesordnung stand. Er erinnerte sich daran, dass Schwester Andrea ihn im Krankenhaus dazu aufgefordert hatte, seinen Angehörigen zu sagen, dass sie ihm seinen eigenen Rasierapparat von zu Hause mitbringen sollten. Doch dieser Aufforderung war er nicht nachgekommen, weil er es wenige Minuten später völlig vergessen hatte. Von dem Tag an, als er im Krankenhaus zum ersten Mal alleine hatte duschen dürfen, bis zu seiner Entlassung aus dem Krankenhaus, hatte er sich stets mit dem Rasierapparat rasiert, welchen das Krankenhaus ihm zur Verfügung gestellt hatte, und niemand vom Krankenhauspersonal hatte dagegen protestiert.
Jeremy zuckte die Schultern, legte das Handtuch wieder beiseite und schlüpfte in die Unterhose, die kurze Jeanshose und das T-Shirt. Dann suchte er seinen Rasierapparat, und es dauerte nicht lange, bis er ihn gefunden hatte, da Mrs Courteney während Jeremys Krankenhausaufenthalt zum Glück nicht auf die Idee gekommen war, den Rasierapparat irgendwo anders unterzubringen als an seinem angestammten Platz.
Ebenso wie das Duschen stellte auch das Rasieren Jeremy vor keine unlösbaren Herausforderungen. Die Handbewegungen, die er dabei zu verrichten hatte, waren ihm vertraut, und er hatte es im Krankenhaus schließlich oft genug geübt, sich zu rasieren, ohne etwas sehen zu können. Er musste Geduld mit sich selbst haben, und seine Hände mussten viel langsamer und vorsichtiger und behutsamer mit dem Rasierapparat und der Haut umgehen als früher, aber daran hatte er sich während der letzten Wochen schon ein bisschen gewöhnt.
Heute rasierte er sich noch gründlicher, als es eigentlich notwendig war, weil er plötzlich das Bedürfnis danach hatte, wie aus dem Ei gepellt auszusehen am Beginn dieser frischen, neuen Lebenssituation, ohne Augenlicht, in seinen eigenen vier Wänden…
So ein Quatsch!, sagte Jeremy innerlich zu sich selbst. Du hast doch heute noch nicht einmal vor, das Haus zu verlassen!
Aber er lächelte dabei.
Jetzt hatte er es so gut wie geschafft. Nur noch den Waschlappen, das Duschgel und das Shampoo wegräumen und das Fenster des Badezimmers öffnen. Als dies erledigt war, trat Jeremy auf den Korridor hinaus, holte tief Luft und wappnete sich für die nächste Runde des Kampfes „Jeremy vs. Blindheit“ – nämlich in die Küche zu gehen und sich ein Frühstück zuzubereiten.
Mit seiner linken Hand tastete er sich an der Wand des Korridors entlang, bis er die Küchentür gefunden hatte. Einmal landete er mit seinen Fingern in einer großen Topfpflanze, und einmal wunderte er sich darüber, dass er die Teppichkante unter seinen Füßen zu einem früheren Zeitpunkt spürte, als er erwartet hatte, aber zu guter Letzt lag seine Hand doch wohlbehalten auf der Türklinke der Küchentür, und er ging in die Küche.
Seit dem Tod seiner Eltern und dem damit verbundenen Beginn grenzenloser Freiheit und Unbeschwertheit war Jeremy oft so spät aufgestanden, dass sein Frühstück mit dem Mittagessen der arbeitenden Bevölkerung zusammenfiel. Dann hatte er sich meistens darauf verlassen können, dass Mrs Courteney für ihn gekocht hatte und er das fertig zubereitete Gericht nur noch in der Mikrowelle aufzuwärmen brauchte. Unzählige Male hatte er sich auch ein Mittagessen vom Lieferservice irgendeines Fast-Food-Restaurants oder irgendeiner Pizzeria zu sich nach Hause liefern lassen.
Und wenn er aufgrund irgendwelcher Verabredungen, mit wem auch immer, doch deutlich früher aufgestanden war als üblich, dann hatte er vier Scheiben Toast gegessen, die er mit Wurst oder Käse belegt hatte. So wollte er es auch heute halten, zumal sein Magen an diesem Tag nicht besonders anspruchsvoll zu sein schien. Die leckeren Köstlichkeiten, die Mrs Courteney gestern Mittag und gestern Abend gezaubert hatte, hätte er ohnehin nicht überbieten können.
Jeremy fand in der Brottrommel eine noch verschlossene Tüte mit Toastscheiben, die Mrs Courteney neu gekauft haben musste, während er im Krankenhaus gelegen hatte. Er holte zwei Toastscheiben heraus und steckte sie in den Toaster, der direkt neben der Brottrommel stand. Während der Toast vor sich hin brutzelte, öffnete Jeremy den Kühlschrank und machte sich mit der Ordnung vertraut, die Mrs Courteney den dortigen Lebensmitteln gegeben hatte. Jeremy betastete die Plastikpackungen, die Plastikbecher, das lose Obst und Gemüse, die Getränkeflaschen und überhaupt jeden Gegenstand in seinem Kühlschrank, und dabei versuchte er angestrengt, sich zu merken, wo sich was befand und wie viel von jedem Lebensmittel vorhanden war. Mit seinen Fingerspitzen las er die Aufschriften und erfühlte die Farben, und er war darin so vertieft, dass er ein bisschen zusammenzuckte, als plötzlich die zwei Toastscheiben mit einem lauten klackenden Geräusch wieder aus dem Toaster heraussprangen.
Jeremy stellte nach und nach ein Frühstücksbrettchen mit den zwei darauf liegenden Toastscheiben, ein Schmiermesser, eine Dose Margarine, eine Packung Salami mit Chiligeschmack sowie einen Energy-Drink auf den Küchentisch. Dieser Vorgang nahm zwar deutlich mehr Zeit in Anspruch und verlangte Jeremy deutlich mehr Konzentration ab, als es bei einem sehenden Menschen der Fall gewesen wäre, doch dann hatte er es geschafft, konnte sich an den Küchentisch setzen und sich sein Frühstück schmecken lassen.