Blindgänger
von Mirfineth
Kurzbeschreibung
Jeremy Stinger, 31 Jahre, ist die Hauptperson dieser Geschichte. Er hat von seinen verstorbenen Eltern reich geerbt und bewohnt ganz allein eine Villa am Rand irgendeiner Metropole in den USA. Er hat eine Abneigung gegenüber behinderten Menschen, weil er sich selbst, an Leib und Seele gesund, für etwas Besseres hält. Ohne für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, lebt er sorglos in den Tag hinein und beschäftigt sich hauptsächlich mit Partys, Alkohol, Drogen und Sex... bis zu dieser einen bestimmten Nacht im Juni, als plötzlich ein seltsam grün funkelndes Objekt über Jeremys Vorgarten schwebt. Ein echtes UFO! ... ... ... Was ist dann passiert? Auf welche Art und Weise hat das Schicksal Jeremys bisheriges Leben zunichte gemacht? Wie lernte Jeremy seine große Liebe kennen? Und ist es wirklich zu spät, um noch einmal von vorne anzufangen? Das könnt ihr hier lesen. :-D (Jeremys Meinung über behinderte Menschen ist übrigens, das sei ganz deutlich gesagt, NICHT meine eigene Meinung.)
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
21.04.2011
11.01.2023
145
140.490
6
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29.01.2022
1.103
„Wollt ihr eigentlich noch zum Abendessen bleiben?“, fragte Jeremy, als er gerade über „Los“ gezogen war und darauf wartete, dass Matthew ihm Geld aus der Bank gab. „Mrs Courteney würde bestimmt wieder etwas Leckeres für uns kochen.“
Nicolas grinste.
„Was mich betrifft, so würde ich diese Frage mit Nein beantworten. Ich werde heute Abend schon von Evelyn bekocht. Deswegen muss ich jetzt allmählich nach Hause, denn ich möchte sie nicht unnötig warten lassen.“
Auch Matthew erklärte, er habe nicht das Bedürfnis danach, das Abendessen bei Jeremy einzunehmen. Nicolas und Matthew erhoben sich von ihren Stühlen, gingen in die Küche und verabschiedeten sich von Mrs Courteney, die am Küchentisch saß und strickte. Jeremy begleitete seine Freunde in den Hausflur, wo sie ihm abermals einschärften, er möge ihnen morgen früh unmittelbar nach dem Aufstehen eine SMS schreiben.
Eine letzte Umarmung, ein scherzhaftes Auf-die-Schulter-Klopfen, ein paar ermutigende Worte – dann fiel die Haustür hinter Nicolas und Matthew ins Schloss. Jeremy blieb alleine im Hausflur zurück und wartete, bis er die Motorengeräusche von draußen hörte, die ihm mitteilten, dass Nicolas und Matthew in ihre Autos gestiegen und abgefahren waren.
Er atmete tief durch und versuchte seine hochschießende Panik im Zaum zu halten, während er sich sehr vorsichtig und im Schneckentempo durch den Korridor tastete und versuchte, die Küchentür wiederzufinden. Plötzlich schien er seltsame Geräusche von überall her zu hören, die ihm früher, als er noch sehen konnte, nie aufgefallen waren, und die in ihm die Angst weckten, irgendein Unbekannter könne die Absicht haben, in diesem Moment in sein Haus einzubrechen. Ein Rascheln, Knacken und Knistern, so als ob das gesamte Haus ein lebendes Wesen sei, und er selbst in den Eingeweiden dieses Wesens gefangen, in völliger Dunkelheit, noch nicht einmal von einem schwachen Sonnenstrahl erhellt…
Jeremy war sehr erleichtert, als er endlich die Klinke der Küchentür unter seinen Fingern spürte. Er betrat die Küche, räusperte sich und wandte sich an Mrs Courteney.
„Nick und Mattie sind jetzt nach Hause gefahren. Und ich habe Hunger. Was gibt es zum Abendessen?“
„Kartoffelsalat mit Würstchen“, antwortete Mrs Courteney. „Sie können sich gerne schon an den Tisch setzen, Master Jeremy. Möchten Sie ein Glas Rotwein trinken? Im Getränkemarkt zwei Straßen weiter war nämlich letzte Woche welcher im Angebot.“
Jeremy nickte, machte noch ein paar zaghafte Schritte und setzte sich an den Küchentisch. Mrs Courteney stellte kurze Zeit später ein Glas Rotwein vor ihm ab, und Jeremy trank das ganze Glas in einem Zug leer, weil er sich mit einem Mal dessen bewusst wurde, dass dieser Rotwein der erste Alkohol war, den er seit knapp fünf Wochen zu trinken bekommen hatte.
„Übrigens habe ich neue Lebensmittel für Ihren Kühlschrank gekauft und diese so angeordnet, dass Sie sich leicht merken können, was was ist“, sagte Mrs Courteney und schaufelte aus einer großen Porzellanschüssel Kartoffelsalat auf einen Teller. „Es gibt jetzt ein Kühlschrankfach nur für Wurst, eins nur für Käse, eins nur für Joghurt und Pudding, eins nur für Obst und Gemüse, und so weiter. Damit Sie sich auch dann in Ihrem Kühlschrank zurechtfinden, wenn ich gerade nicht hier bin. Ordnung muss sein, vor allem dann, wenn Sie nichts mehr sehen können.“
Jeremy seufzte. Was Mrs Courteney sagte, hörte sich gar nicht gut an. Er war nicht besonders ordentlich. Schon sein gesamtes bisheriges Leben lang war er es gewohnt, dass Mrs Courteney das Chaos beseitigte, das er angerichtet hatte, und dass er sich um so etwas nicht selbst zu kümmern brauchte. Aber Mrs Courteney hatte natürlich Recht. Sie konnte unmöglich vierundzwanzig Stunden am Tag darauf aufpassen, dass er, Jeremy, nicht zum Opfer seiner eigenen Unordnung wurde. Ob er nun wollte oder nicht, er würde sich die Anordnung der Lebensmittel in seinem Kühlschrank merken müssen, sonst hatte er von vornherein verloren. Zwar würden ihm seine übernatürlichen Fähigkeiten dabei helfen, aber ganz allein darauf konnte er sich auch nicht verlassen.
„Na gut, dann werfe ich mal einen Blick in den Kühlschrank und schaue mir an, was Sie dort fabriziert haben“, sagte Jeremy mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. Er erhob sich von seinem Stuhl und drehte sich ruckartig um, weil sich der Kühlschrank hinter ihm befand –
– und in diesem Moment hörte er es laut klirren.
Das leere Rotweinglas, welches er anscheinend viel zu nah an der Tischkante abgestellt hatte, war durch eine unbedachte Armbewegung Jeremys vom Tisch heruntergefallen und auf dem Fußboden in Dutzende Splitter zerschellt.
Jeremy zuckte heftig zusammen, gab einen erschrockenen Laut von sich und blieb sofort stocksteif stehen, weil er befürchtete, in die Scherben hineinzutreten. Als ihm nach ein paar Sekunden klar wurde, was passiert sein musste, begann er laut zu fluchen.
„Was ist das nur wieder für eine verfickte Scheiße hier?! Ich weiß ganz genau, dass ich dieses bescheuerte Glas niemals runtergeschmissen hätte, wenn ich noch sehen könnte! Verdammt noch mal, ich will nicht blind sein! Hörst du mich, Schicksal: ICH WILL NICHT BLIND SEIN!“
Mrs Courteney griff unterdessen ungerührt zu einem Kehrblech und einem kleinen Handfeger.
„Grämen Sie sich nicht, Master Jeremy! Scherben bringen Glück!“
Sie ging neben Jeremy in die Hocke und machte sich daran, das zersprungene Glas zusammenzufegen.
„Oh ja!“, zischte Jeremy verbittert. „Glück könnte ich wirklich gut gebrauchen!“
Mrs Courteney streichelte Jeremys rechte Hand, die vor Wut und Verzweiflung zitterte.
„Es wird nicht das letzte Mal in Ihrem Leben sein, dass Sie versehentlich etwas umstoßen und es dabei kaputtgeht. Aber Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen. Gläser und Tassen und Teller kann man ersetzen. Sie dürfen auf keinen Fall so viel Angst davor haben, Ihnen könnte irgendein Missgeschick passieren, dass Sie gänzlich damit aufhören, in Ihrer Küche herumzuhantieren. Ihr Leben ist nämlich nicht ersetzbar, Master Jeremy. Sie können Ihr jetziges Leben nicht einfach gegen ein anderes eintauschen, nur weil Sie unzufrieden sind. Wenn Sie aus Angst versäumen, etwas zu tun, dann können Sie es manchmal nicht mehr so einfach nachholen. Wenn Sie das nächste Mal ein Glas vom Tisch werfen, dann dürfen Sie darüber den Kopf schütteln, aber dann müssen Sie das Ganze wieder vergessen, sonst tun Sie sich selbst damit keinen Gefallen. Einverstanden?“
Jeremy beruhigte sich wieder etwas. Er setzte sich zurück an den Küchentisch, ohne hinüber zum Kühlschrank zu gehen, und wartete, bis Mrs Courteney sämtliche Glassplitter zusammengefegt und entsorgt hatte.
„Danke!“, sagte er nach einer Weile mit leiser Stimme. „Ich stehe jetzt noch mehr dazu, was ich im Krankenhaus zu Ihnen gesagt habe. Sie haben eine saftige Gehaltserhöhung mehr als verdient.“
„Dafür habe ich Ihnen zu danken“, erwiderte Mrs Courteney. „Behalten Sie die Worte in Ihrem Herzen, die ich vorhin zu Ihnen gesagt habe. Und jetzt hole ich Ihr Abendessen, damit es wenigstens Ihrem Magen gut geht.“
Nicolas grinste.
„Was mich betrifft, so würde ich diese Frage mit Nein beantworten. Ich werde heute Abend schon von Evelyn bekocht. Deswegen muss ich jetzt allmählich nach Hause, denn ich möchte sie nicht unnötig warten lassen.“
Auch Matthew erklärte, er habe nicht das Bedürfnis danach, das Abendessen bei Jeremy einzunehmen. Nicolas und Matthew erhoben sich von ihren Stühlen, gingen in die Küche und verabschiedeten sich von Mrs Courteney, die am Küchentisch saß und strickte. Jeremy begleitete seine Freunde in den Hausflur, wo sie ihm abermals einschärften, er möge ihnen morgen früh unmittelbar nach dem Aufstehen eine SMS schreiben.
Eine letzte Umarmung, ein scherzhaftes Auf-die-Schulter-Klopfen, ein paar ermutigende Worte – dann fiel die Haustür hinter Nicolas und Matthew ins Schloss. Jeremy blieb alleine im Hausflur zurück und wartete, bis er die Motorengeräusche von draußen hörte, die ihm mitteilten, dass Nicolas und Matthew in ihre Autos gestiegen und abgefahren waren.
Er atmete tief durch und versuchte seine hochschießende Panik im Zaum zu halten, während er sich sehr vorsichtig und im Schneckentempo durch den Korridor tastete und versuchte, die Küchentür wiederzufinden. Plötzlich schien er seltsame Geräusche von überall her zu hören, die ihm früher, als er noch sehen konnte, nie aufgefallen waren, und die in ihm die Angst weckten, irgendein Unbekannter könne die Absicht haben, in diesem Moment in sein Haus einzubrechen. Ein Rascheln, Knacken und Knistern, so als ob das gesamte Haus ein lebendes Wesen sei, und er selbst in den Eingeweiden dieses Wesens gefangen, in völliger Dunkelheit, noch nicht einmal von einem schwachen Sonnenstrahl erhellt…
Jeremy war sehr erleichtert, als er endlich die Klinke der Küchentür unter seinen Fingern spürte. Er betrat die Küche, räusperte sich und wandte sich an Mrs Courteney.
„Nick und Mattie sind jetzt nach Hause gefahren. Und ich habe Hunger. Was gibt es zum Abendessen?“
„Kartoffelsalat mit Würstchen“, antwortete Mrs Courteney. „Sie können sich gerne schon an den Tisch setzen, Master Jeremy. Möchten Sie ein Glas Rotwein trinken? Im Getränkemarkt zwei Straßen weiter war nämlich letzte Woche welcher im Angebot.“
Jeremy nickte, machte noch ein paar zaghafte Schritte und setzte sich an den Küchentisch. Mrs Courteney stellte kurze Zeit später ein Glas Rotwein vor ihm ab, und Jeremy trank das ganze Glas in einem Zug leer, weil er sich mit einem Mal dessen bewusst wurde, dass dieser Rotwein der erste Alkohol war, den er seit knapp fünf Wochen zu trinken bekommen hatte.
„Übrigens habe ich neue Lebensmittel für Ihren Kühlschrank gekauft und diese so angeordnet, dass Sie sich leicht merken können, was was ist“, sagte Mrs Courteney und schaufelte aus einer großen Porzellanschüssel Kartoffelsalat auf einen Teller. „Es gibt jetzt ein Kühlschrankfach nur für Wurst, eins nur für Käse, eins nur für Joghurt und Pudding, eins nur für Obst und Gemüse, und so weiter. Damit Sie sich auch dann in Ihrem Kühlschrank zurechtfinden, wenn ich gerade nicht hier bin. Ordnung muss sein, vor allem dann, wenn Sie nichts mehr sehen können.“
Jeremy seufzte. Was Mrs Courteney sagte, hörte sich gar nicht gut an. Er war nicht besonders ordentlich. Schon sein gesamtes bisheriges Leben lang war er es gewohnt, dass Mrs Courteney das Chaos beseitigte, das er angerichtet hatte, und dass er sich um so etwas nicht selbst zu kümmern brauchte. Aber Mrs Courteney hatte natürlich Recht. Sie konnte unmöglich vierundzwanzig Stunden am Tag darauf aufpassen, dass er, Jeremy, nicht zum Opfer seiner eigenen Unordnung wurde. Ob er nun wollte oder nicht, er würde sich die Anordnung der Lebensmittel in seinem Kühlschrank merken müssen, sonst hatte er von vornherein verloren. Zwar würden ihm seine übernatürlichen Fähigkeiten dabei helfen, aber ganz allein darauf konnte er sich auch nicht verlassen.
„Na gut, dann werfe ich mal einen Blick in den Kühlschrank und schaue mir an, was Sie dort fabriziert haben“, sagte Jeremy mit einem sarkastischen Unterton in der Stimme. Er erhob sich von seinem Stuhl und drehte sich ruckartig um, weil sich der Kühlschrank hinter ihm befand –
– und in diesem Moment hörte er es laut klirren.
Das leere Rotweinglas, welches er anscheinend viel zu nah an der Tischkante abgestellt hatte, war durch eine unbedachte Armbewegung Jeremys vom Tisch heruntergefallen und auf dem Fußboden in Dutzende Splitter zerschellt.
Jeremy zuckte heftig zusammen, gab einen erschrockenen Laut von sich und blieb sofort stocksteif stehen, weil er befürchtete, in die Scherben hineinzutreten. Als ihm nach ein paar Sekunden klar wurde, was passiert sein musste, begann er laut zu fluchen.
„Was ist das nur wieder für eine verfickte Scheiße hier?! Ich weiß ganz genau, dass ich dieses bescheuerte Glas niemals runtergeschmissen hätte, wenn ich noch sehen könnte! Verdammt noch mal, ich will nicht blind sein! Hörst du mich, Schicksal: ICH WILL NICHT BLIND SEIN!“
Mrs Courteney griff unterdessen ungerührt zu einem Kehrblech und einem kleinen Handfeger.
„Grämen Sie sich nicht, Master Jeremy! Scherben bringen Glück!“
Sie ging neben Jeremy in die Hocke und machte sich daran, das zersprungene Glas zusammenzufegen.
„Oh ja!“, zischte Jeremy verbittert. „Glück könnte ich wirklich gut gebrauchen!“
Mrs Courteney streichelte Jeremys rechte Hand, die vor Wut und Verzweiflung zitterte.
„Es wird nicht das letzte Mal in Ihrem Leben sein, dass Sie versehentlich etwas umstoßen und es dabei kaputtgeht. Aber Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen. Gläser und Tassen und Teller kann man ersetzen. Sie dürfen auf keinen Fall so viel Angst davor haben, Ihnen könnte irgendein Missgeschick passieren, dass Sie gänzlich damit aufhören, in Ihrer Küche herumzuhantieren. Ihr Leben ist nämlich nicht ersetzbar, Master Jeremy. Sie können Ihr jetziges Leben nicht einfach gegen ein anderes eintauschen, nur weil Sie unzufrieden sind. Wenn Sie aus Angst versäumen, etwas zu tun, dann können Sie es manchmal nicht mehr so einfach nachholen. Wenn Sie das nächste Mal ein Glas vom Tisch werfen, dann dürfen Sie darüber den Kopf schütteln, aber dann müssen Sie das Ganze wieder vergessen, sonst tun Sie sich selbst damit keinen Gefallen. Einverstanden?“
Jeremy beruhigte sich wieder etwas. Er setzte sich zurück an den Küchentisch, ohne hinüber zum Kühlschrank zu gehen, und wartete, bis Mrs Courteney sämtliche Glassplitter zusammengefegt und entsorgt hatte.
„Danke!“, sagte er nach einer Weile mit leiser Stimme. „Ich stehe jetzt noch mehr dazu, was ich im Krankenhaus zu Ihnen gesagt habe. Sie haben eine saftige Gehaltserhöhung mehr als verdient.“
„Dafür habe ich Ihnen zu danken“, erwiderte Mrs Courteney. „Behalten Sie die Worte in Ihrem Herzen, die ich vorhin zu Ihnen gesagt habe. Und jetzt hole ich Ihr Abendessen, damit es wenigstens Ihrem Magen gut geht.“