Blindgänger
von Mirfineth
Kurzbeschreibung
Jeremy Stinger, 31 Jahre, ist die Hauptperson dieser Geschichte. Er hat von seinen verstorbenen Eltern reich geerbt und bewohnt ganz allein eine Villa am Rand irgendeiner Metropole in den USA. Er hat eine Abneigung gegenüber behinderten Menschen, weil er sich selbst, an Leib und Seele gesund, für etwas Besseres hält. Ohne für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, lebt er sorglos in den Tag hinein und beschäftigt sich hauptsächlich mit Partys, Alkohol, Drogen und Sex... bis zu dieser einen bestimmten Nacht im Juni, als plötzlich ein seltsam grün funkelndes Objekt über Jeremys Vorgarten schwebt. Ein echtes UFO! ... ... ... Was ist dann passiert? Auf welche Art und Weise hat das Schicksal Jeremys bisheriges Leben zunichte gemacht? Wie lernte Jeremy seine große Liebe kennen? Und ist es wirklich zu spät, um noch einmal von vorne anzufangen? Das könnt ihr hier lesen. :-D (Jeremys Meinung über behinderte Menschen ist übrigens, das sei ganz deutlich gesagt, NICHT meine eigene Meinung.)
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
21.04.2011
11.01.2023
145
140.490
6
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29.01.2022
1.054
„Versprich uns das!“, forderte Matthew energisch. „Ich schwöre dir, dass ich ansonsten morgen im Lauf des Vormittags wieder vor deiner Haustür stehe, um mich persönlich davon zu überzeugen, dass du wohlauf bist. Es mag zwar sein, dass du im Krankenhaus schon einiges gelernt hast, was dir dein Alltagsleben erleichtern wird, aber trotzdem… Die erste Nacht als Blinder nach deiner Entlassung aus dem Krankenhaus solltest du eigentlich nicht alleine verbringen. Versprich mir, dass du mir und Nick morgen früh eine SMS schreibst, sofort nachdem du aufgestanden bist.“
„Okay“, erwiderte Jeremy. „Ich verspreche es.“
Er gab sich große Mühe, eine gewisse Coolness und Unerschrockenheit nach außen zu kehren, aber er konnte vor sich selbst nicht leugnen, dass ihm ziemlich flau im Magen wurde bei der Vorstellung, ganz alleine in seinem großen unsichtbaren Haus zurechtkommen zu müssen, ohne auch nur das mindeste bisschen sehen zu können…
Doch er hatte auch seinen Stolz, und der verbot es ihm klar und deutlich, Nicolas oder Matthew oder gar Mrs Courteney darum zu bitten, heute über Nacht hier zu bleiben, um auf ihn aufzupassen, so als sei er noch ein unselbstständiges Kleinkind. Er wollte es alleine schaffen, koste es, was es wolle. Er musste es alleine schaffen, sonst würde er es nie lernen.
Matthew gab sich anscheinend mit der Antwort zufrieden, denn er wechselte das Thema und begann, von irgendwelchen Vorfällen zu berichten, die ihm auf der Arbeit widerfahren waren – jugendliche Rowdys mit gefälschten Personalausweisen, randalierende und gewaltbereite Betrunkene, höchst zwielichtige Gestalten aus dem Rotlichtmilieu (die sich weit unterhalb des Niveaus von Matthews Nachtclub bewegten), turtelnde Liebespaare und flüchtige Affären…
Nach ein paar Minuten mischte sich Nicolas ein und erzählte von Evelyn – offenbar hatten er und Damiens Schwester, seitdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, kaum noch die Finger voneinander lassen können. Nicolas schilderte in überaus blumigen Worten, wie begeistert er von Evelyns nacktem Körper war, wie sehr Evelyn und er selbst einander verwöhnten und liebkosten, und wie glücklich er darüber war, eine derartig wunderbare Frau durch puren Zufall kennengelernt zu haben.
Jeremy saß immer noch auf seinem Bett und beteiligte sich kaum am Gespräch, höchstens durch ein ab und zu eingeworfenes „Ja“ oder „Hm“. Die schwarze Dunkelheit um ihn herum löste in ihm wieder einmal bleierne Müdigkeit aus, und obwohl er sich bemühte, den Worten seiner Freunde aufmerksam zu lauschen, konnte er dennoch diesem ganzen oberflächlichen Geschwätz nicht wirklich mehr etwas abgewinnen. Das war einfach nicht mehr seine Welt, und das würde für den Rest seines Lebens auch nicht mehr seine Welt sein, so bitter diese Erkenntnis für ihn auch sein mochte…
„Jerry?“, fragte Nicolas irgendwann. „Ich habe den Eindruck, dass es dich überhaupt nicht interessiert, was Mattie und ich hier von uns geben. Willst du lieber über was ganz anderes reden? Über deine Blindheit zum Beispiel? Oder über das Krankenhaus?“
Jeremy schüttelte den Kopf.
„Es wäre sehr nett von euch, wenn einer von euch mich ins Wohnzimmer begleiten könnte. Ich möchte meinen Anrufbeantworter abhören. Schließlich muss ich wissen, was sich während der letzten fünf Wochen dort angesammelt hat.“
Nicolas und Matthew waren sofort einverstanden, erhoben sich vom Teppichboden und führten Jeremy ins Wohnzimmer, wo auf einem niedrigen metallenen Regal neben dem Fernseher Jeremys Anrufbeantworter stand. Jeremy drückte auf denjenigen Knopf, auf den man drücken musste, um gespeicherte Nachrichten abzuhören, und wurde sofort von einer Flut an Sprachaufzeichnungen überrollt.
MASTER JEREMY, WAS IST MIT IHNEN PASSIERT? ICH KANN SIE NICHT ERREICHEN. ICH MACHE MIR GROßE SORGEN. MELDEN SIE SICH BITTE.
HALLO JEREMY, DANKE FÜR DIE WUNDERBARE NACHT, DIE WIR ZUSAMMEN ERLEBT HABEN. ICH HÄTTE NICHTS GEGEN EINE WIEDERHOLUNG EINZUWENDEN. ICH MÖCHTE DEIN BESTES STÜCK GERNE NOCH EINMAL IN MIR SPÜREN. RUF MICH AN.
JEREMY, DU BIST DOCH WIRKLICH EIN IDIOT, DASS DU MICH HAST SITZEN LASSEN! NUR WEIL ICH KEIN FLEISCH ESSE. DU WIRST NOCH EINES TAGES BEGREIFEN, WAS DIR DURCH DIE LAPPEN GEGANGEN IST…
Jeremy stöhnte erleichtert auf, als der Anrufbeantworter endlich die letzte Nachricht abgespult hatte. Er ballte die Hände zu Fäusten.
„Tu mir einen Gefallen, Nick, und lösch diese ganze Scheiße. Ich hab keine Lust, irgendwelchen Tussis, die ich entweder kaum kenne oder mit denen ich letztes Jahr irgendwann mal eine Beziehung hatte, erklären zu müssen, dass ich jetzt blind bin. Dann würden die nämlich ohnehin alle miteinander nichts mehr von mir wissen wollen. Verdammt noch mal, diese ganze verfluchte Situation geht mir tierisch auf den Sack!“
Nicolas legte Jeremy beruhigend einen Arm um die Schultern.
„Weißt du was? Wir setzen uns jetzt hier aufs Sofa und spielen Kartenspiele. So wie im Krankenhaus. Wir können auch Monopoly spielen, wenn du möchtest und wenn du auf Anhieb weißt, wo sich dein Exemplar dieses Spiels versteckt. Ich lösche jetzt die Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter, und dann machen wir uns noch einen schönen Nachmittag.“
Jeremy nickte, ohne dass ihm ein Wort über die Lippen kam, aber er wusste, dass Nicolas’ Vorschlag genau das war, was er, Jeremy, jetzt am nötigsten brauchte.
Matthew holte auf Jeremys Anweisung hin das Monopoly-Spiel aus einer Kommodenschublade in Jeremys „Arbeitszimmer“, wo sein Laptop stand, mit dem er früher während seines Studiums seine Hausarbeiten und seine Abschlussarbeit geschrieben hatte. Dann setzten sich Jeremy, Nicolas und Matthew um den Wohnzimmertisch herum und begannen, Monopoly zu spielen. Nicolas und Matthew würfelten für Jeremy und bewegten seine Spielfigur vorwärts, den Rest konnte er selbst besorgen, denn die Ereigniskarten, die Straßenbesitzkarten und die Geldscheine konnte er schließlich mit seinen von den Aliens gesegneten Fingerspitzen erkennen.
Jeremy hatte schon immer gerne Monopoly gespielt, und im Grunde genommen fühlte es sich genauso an wie früher, als er noch sehen konnte. Die drei jungen Männer lachten viel und neckten einander und alberten herum und hielten sich nicht immer hundertprozentig an die Spielregeln, aber das war vollkommen egal, weil dieses Spiel ja in diesem Moment hauptsächlich dazu dienen sollte, Jeremy von seiner Blindheit und seiner Niedergeschlagenheit und seiner Verzweiflung abzulenken.
Sie hatten sehr viel Spaß und waren mit Feuereifer bei der Sache, und zwischendurch redeten sie darüber, was sie tun würden, wenn sie in der Realität so viel Geld hätten, dass sie sich eine ganze Stadt kaufen könnten. Sie teilten alle Straßen und alle Bahnhöfe und das Wasserwerk und das Elektrizitätswerk unter sich auf, sie bauten Häuser und Hotels und versuchten einander abzuzocken, und sie merkten gar nicht, wie der Nachmittag ganz langsam vorüberging und irgendwann in den Abend hinüberglitt.
„Okay“, erwiderte Jeremy. „Ich verspreche es.“
Er gab sich große Mühe, eine gewisse Coolness und Unerschrockenheit nach außen zu kehren, aber er konnte vor sich selbst nicht leugnen, dass ihm ziemlich flau im Magen wurde bei der Vorstellung, ganz alleine in seinem großen unsichtbaren Haus zurechtkommen zu müssen, ohne auch nur das mindeste bisschen sehen zu können…
Doch er hatte auch seinen Stolz, und der verbot es ihm klar und deutlich, Nicolas oder Matthew oder gar Mrs Courteney darum zu bitten, heute über Nacht hier zu bleiben, um auf ihn aufzupassen, so als sei er noch ein unselbstständiges Kleinkind. Er wollte es alleine schaffen, koste es, was es wolle. Er musste es alleine schaffen, sonst würde er es nie lernen.
Matthew gab sich anscheinend mit der Antwort zufrieden, denn er wechselte das Thema und begann, von irgendwelchen Vorfällen zu berichten, die ihm auf der Arbeit widerfahren waren – jugendliche Rowdys mit gefälschten Personalausweisen, randalierende und gewaltbereite Betrunkene, höchst zwielichtige Gestalten aus dem Rotlichtmilieu (die sich weit unterhalb des Niveaus von Matthews Nachtclub bewegten), turtelnde Liebespaare und flüchtige Affären…
Nach ein paar Minuten mischte sich Nicolas ein und erzählte von Evelyn – offenbar hatten er und Damiens Schwester, seitdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten, kaum noch die Finger voneinander lassen können. Nicolas schilderte in überaus blumigen Worten, wie begeistert er von Evelyns nacktem Körper war, wie sehr Evelyn und er selbst einander verwöhnten und liebkosten, und wie glücklich er darüber war, eine derartig wunderbare Frau durch puren Zufall kennengelernt zu haben.
Jeremy saß immer noch auf seinem Bett und beteiligte sich kaum am Gespräch, höchstens durch ein ab und zu eingeworfenes „Ja“ oder „Hm“. Die schwarze Dunkelheit um ihn herum löste in ihm wieder einmal bleierne Müdigkeit aus, und obwohl er sich bemühte, den Worten seiner Freunde aufmerksam zu lauschen, konnte er dennoch diesem ganzen oberflächlichen Geschwätz nicht wirklich mehr etwas abgewinnen. Das war einfach nicht mehr seine Welt, und das würde für den Rest seines Lebens auch nicht mehr seine Welt sein, so bitter diese Erkenntnis für ihn auch sein mochte…
„Jerry?“, fragte Nicolas irgendwann. „Ich habe den Eindruck, dass es dich überhaupt nicht interessiert, was Mattie und ich hier von uns geben. Willst du lieber über was ganz anderes reden? Über deine Blindheit zum Beispiel? Oder über das Krankenhaus?“
Jeremy schüttelte den Kopf.
„Es wäre sehr nett von euch, wenn einer von euch mich ins Wohnzimmer begleiten könnte. Ich möchte meinen Anrufbeantworter abhören. Schließlich muss ich wissen, was sich während der letzten fünf Wochen dort angesammelt hat.“
Nicolas und Matthew waren sofort einverstanden, erhoben sich vom Teppichboden und führten Jeremy ins Wohnzimmer, wo auf einem niedrigen metallenen Regal neben dem Fernseher Jeremys Anrufbeantworter stand. Jeremy drückte auf denjenigen Knopf, auf den man drücken musste, um gespeicherte Nachrichten abzuhören, und wurde sofort von einer Flut an Sprachaufzeichnungen überrollt.
MASTER JEREMY, WAS IST MIT IHNEN PASSIERT? ICH KANN SIE NICHT ERREICHEN. ICH MACHE MIR GROßE SORGEN. MELDEN SIE SICH BITTE.
HALLO JEREMY, DANKE FÜR DIE WUNDERBARE NACHT, DIE WIR ZUSAMMEN ERLEBT HABEN. ICH HÄTTE NICHTS GEGEN EINE WIEDERHOLUNG EINZUWENDEN. ICH MÖCHTE DEIN BESTES STÜCK GERNE NOCH EINMAL IN MIR SPÜREN. RUF MICH AN.
JEREMY, DU BIST DOCH WIRKLICH EIN IDIOT, DASS DU MICH HAST SITZEN LASSEN! NUR WEIL ICH KEIN FLEISCH ESSE. DU WIRST NOCH EINES TAGES BEGREIFEN, WAS DIR DURCH DIE LAPPEN GEGANGEN IST…
Jeremy stöhnte erleichtert auf, als der Anrufbeantworter endlich die letzte Nachricht abgespult hatte. Er ballte die Hände zu Fäusten.
„Tu mir einen Gefallen, Nick, und lösch diese ganze Scheiße. Ich hab keine Lust, irgendwelchen Tussis, die ich entweder kaum kenne oder mit denen ich letztes Jahr irgendwann mal eine Beziehung hatte, erklären zu müssen, dass ich jetzt blind bin. Dann würden die nämlich ohnehin alle miteinander nichts mehr von mir wissen wollen. Verdammt noch mal, diese ganze verfluchte Situation geht mir tierisch auf den Sack!“
Nicolas legte Jeremy beruhigend einen Arm um die Schultern.
„Weißt du was? Wir setzen uns jetzt hier aufs Sofa und spielen Kartenspiele. So wie im Krankenhaus. Wir können auch Monopoly spielen, wenn du möchtest und wenn du auf Anhieb weißt, wo sich dein Exemplar dieses Spiels versteckt. Ich lösche jetzt die Nachrichten auf deinem Anrufbeantworter, und dann machen wir uns noch einen schönen Nachmittag.“
Jeremy nickte, ohne dass ihm ein Wort über die Lippen kam, aber er wusste, dass Nicolas’ Vorschlag genau das war, was er, Jeremy, jetzt am nötigsten brauchte.
Matthew holte auf Jeremys Anweisung hin das Monopoly-Spiel aus einer Kommodenschublade in Jeremys „Arbeitszimmer“, wo sein Laptop stand, mit dem er früher während seines Studiums seine Hausarbeiten und seine Abschlussarbeit geschrieben hatte. Dann setzten sich Jeremy, Nicolas und Matthew um den Wohnzimmertisch herum und begannen, Monopoly zu spielen. Nicolas und Matthew würfelten für Jeremy und bewegten seine Spielfigur vorwärts, den Rest konnte er selbst besorgen, denn die Ereigniskarten, die Straßenbesitzkarten und die Geldscheine konnte er schließlich mit seinen von den Aliens gesegneten Fingerspitzen erkennen.
Jeremy hatte schon immer gerne Monopoly gespielt, und im Grunde genommen fühlte es sich genauso an wie früher, als er noch sehen konnte. Die drei jungen Männer lachten viel und neckten einander und alberten herum und hielten sich nicht immer hundertprozentig an die Spielregeln, aber das war vollkommen egal, weil dieses Spiel ja in diesem Moment hauptsächlich dazu dienen sollte, Jeremy von seiner Blindheit und seiner Niedergeschlagenheit und seiner Verzweiflung abzulenken.
Sie hatten sehr viel Spaß und waren mit Feuereifer bei der Sache, und zwischendurch redeten sie darüber, was sie tun würden, wenn sie in der Realität so viel Geld hätten, dass sie sich eine ganze Stadt kaufen könnten. Sie teilten alle Straßen und alle Bahnhöfe und das Wasserwerk und das Elektrizitätswerk unter sich auf, sie bauten Häuser und Hotels und versuchten einander abzuzocken, und sie merkten gar nicht, wie der Nachmittag ganz langsam vorüberging und irgendwann in den Abend hinüberglitt.