Blindgänger
von Mirfineth
Kurzbeschreibung
Jeremy Stinger, 31 Jahre, ist die Hauptperson dieser Geschichte. Er hat von seinen verstorbenen Eltern reich geerbt und bewohnt ganz allein eine Villa am Rand irgendeiner Metropole in den USA. Er hat eine Abneigung gegenüber behinderten Menschen, weil er sich selbst, an Leib und Seele gesund, für etwas Besseres hält. Ohne für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen, lebt er sorglos in den Tag hinein und beschäftigt sich hauptsächlich mit Partys, Alkohol, Drogen und Sex... bis zu dieser einen bestimmten Nacht im Juni, als plötzlich ein seltsam grün funkelndes Objekt über Jeremys Vorgarten schwebt. Ein echtes UFO! ... ... ... Was ist dann passiert? Auf welche Art und Weise hat das Schicksal Jeremys bisheriges Leben zunichte gemacht? Wie lernte Jeremy seine große Liebe kennen? Und ist es wirklich zu spät, um noch einmal von vorne anzufangen? Das könnt ihr hier lesen. :-D (Jeremys Meinung über behinderte Menschen ist übrigens, das sei ganz deutlich gesagt, NICHT meine eigene Meinung.)
GeschichteRomance, Schmerz/Trost / P16 / Het
21.04.2011
11.01.2023
145
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6
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Dieses Kapitel
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12.10.2021
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Na gut, dachte er. Es mag sein, dass diese wertlosen behinderten Menschen der letzte Abschaum der Gesellschaft sind, aber so ganz hundertprozentig sicher bin ich mir da nicht mehr. Für Damien mache ich auf jeden Fall eine Ausnahme. Und für mich selber auch. Und wenn ich wirklich diese Blindenhilfsorganisation anrufe, die Dr Williac mir empfohlen hat, wenn ich mir wirklich einen Termin geben lasse und dort hingehe, dann lerne ich vielleicht andere Leute kennen, die auch blind sind. Diese Leute sind natürlich nicht durch die Explosion eines UFOs erblindet, aber vielleicht sind sie mit ihrem Motorrad gegen einen Baum geknallt oder von irgendjemandem mit Salzsäure attackiert worden, oder sie hatten ganz einfach irgendeine degenerative Krankheit… Egal was mit ihnen passiert ist, sie müssen nicht automatisch dümmer oder unsympathischer oder hässlicher sein als ich selber. Sie können eine Ehefrau oder einen Ehemann haben, und sie können Kinder und ein Haus und eine Arbeitsstelle und viel Geld haben. Warum nicht? Wenn Damien seine Unterschenkel verliert und wenn ich meine Augen verliere, dann ist das eben so, okay, aber der Rest von unserem Leben ist immer noch da. Es gibt offenbar auch behinderte Menschen, die nicht den ganzen Tag nur in einer Ecke sitzen und Pappschachteln zusammenfalten oder mit Schraubenziehern herumfuhrwerken.
Was um alles in der Welt hat mich früher geritten, dass ich so viele Jahre lang einen solchen Unsinn geglaubt habe?
Jetzt im Nachhinein wurde sich Jeremy zu seinem eigenen Erstaunen dessen bewusst, dass es ihm noch nie etwas ausgemacht hatte, dass Damien zu diesen wertlosen behinderten Menschen gehörte – im Gegenteil, Damien war ihm immer außerordentlich sympathisch gewesen, schon vom ersten Tag an, als er zu Damien ins Zimmer auf der normalen Station verlegt worden war. Er hatte nie Verachtung oder Abscheu gegenüber Damien empfunden, sondern Zuneigung und Freundschaft und sogar Mitgefühl. Damien hatte es wie durch Zauberhand geschafft, Jeremys Antipathie gegenüber behinderten Menschen immer kleiner und durchsichtiger werden zu lassen, langsam und schleichend, Tag für Tag und Woche für Woche, ohne dass Jeremy selbst etwas davon gemerkt hatte.
Ich mag Damien, obwohl er eine Behinderung hat, dachte Jeremy. Ich mag seine stabile Persönlichkeit und seine unerschütterliche Lebensbejahung und seine Tapferkeit angesichts seines eigenen schlimmen Schicksals. Damien hat mir beigebracht, dass ich auch mich selbst wieder mag, trotz meiner zerstörten Augen und meiner vernarbten Augenlider und der schwarzen Finsternis um mich herum. Ich glaube, Damien hatte Recht mit dem, was er gestern zu mir gesagt hat, nämlich dass nichts im Leben umsonst ist und dass man immer etwas hergeben muss, um etwas anderes dafür geschenkt zu bekommen.
Ich habe mein Augenlicht verloren, aber dafür habe ich einen guten Freund hinzugewonnen…
In Jeremys Kopf erschien ein Bild von einer großen Waage mit zwei Waagschalen. In der einen Waagschale lagen seine Augen, so wie sie früher gewesen waren, vor der Explosion des UFOs, zwei gesunde hellbraune Augen, und in der anderen Waagschale saß Damien, baumelte mit seinen Unterschenkelprothesen und lachte.
Und Jeremy stellte sich vor, wie sich diejenige Waagschale, in der Damien saß, langsam aber sicher nach unten senkte, bis sie eindeutig tiefer hing als die Waagschale mit seinen Augen.
Jeremy wusste genau, was das zu bedeuten hatte.
Es war wirklich nicht das Ende der Welt, blind zu sein, so lange man mit Damien Griseau befreundet war…
Das Handy auf Jeremys Nachtschränkchen vibrierte leise. Jeremy griff danach und schaltete es ein. Mit seinen tastenden Fingerspitzen, die über den Bildschirm strichen, konnte er lesen, dass Nicolas ihm eine SMS geschrieben hatte.
DAS WURDE ABER AUCH HÖCHSTE ZEIT. *GRINS* ALLES KLAR, ICH BIN MORGEN UM 11 UHR BEI DIR UND HOLE DICH AB. GUTE NACHT UND VIELE FEUCHTE TRÄUME WÜNSCHT DIR NICK.
Jeremy musste laut kichern und stopfte sich einen Zipfel seiner Bettdecke in den Mund, um Damien nicht aufzuwecken. Dann schaltete er das Handy aus und legte es wieder auf sein Nachtschränkchen zurück. Genüsslich seufzend suchte er eine möglichst bequeme Stelle auf seinem Kopfkissen und beschloss, den heutigen Tag nun endgültig für erledigt zu erklären.
Während Jeremy allmählich einschlief, sah er sich selbst zusammen mit Xerenade über die sandigen Wege eines großen Tierparkgeländes spazieren. Xerenade hielt einen Erdbeer-Milchshake in der rechten Hand, aus dem sie mit einem Strohhalm trank, Jeremy trug ein knallrotes ärmelloses T-Shirt und rauchte eine Zigarette. Hand in Hand schlenderten sie an den Gehegen, Volieren und Käfigen vorbei, beobachteten die Affen, Löwen, Seehunde, Elefanten, Tiger, Papageien und Pinguine. Es war ein wunderschöner Sommertag, die Sonne schien, und es war sehr warm. Die Luft roch nach blühenden Blumen und nach Zuckerwatte und ein wenig auch nach schwitzenden Tieren.
Jeremy und Xerenade blieben vor einem eingezäunten Bereich stehen, welcher der afrikanischen Savanne nachempfunden war und in dem sich Zebras, Antilopen und Giraffen befanden. Die beiden ließen ihre Blicke über die schlanken Huftiere schweifen. Ein kleines Zebrafohlen hoppelte mit staksigen Schritten hinter seiner Mutter her und machte dabei seltsame leise, wiehernde Geräusche, so lange, bis die Mutter stehenblieb, sich umdrehte und mit ihren Lippen zärtlich die Ohren ihres Kindes liebkoste.
„Morgen wirst du nach Hause entlassen“, sagte Xerenade unvermittelt. Sie hob den Kopf und sah Jeremy direkt in die Augen. „Du darfst wieder nach Hause gehen. Endlich.“
Jeremy erwiderte Xerenades Blick und nickte.
„Ich kann es im Grunde genommen noch gar nicht richtig begreifen – ich hab mich schon so sehr an das Krankenhaus gewöhnt!“
„Deine Zeit im Krankenhaus ist aber jetzt vorbei“, sagte Xerenade. „Du musst nun zu Hause lernen, mit deiner Blindheit zu leben. Das wird natürlich nicht immer einfach sein, aber du wirst es schaffen. Das verspreche ich dir.“
Jeremy legte seinen rechten Arm um Xerenade und zog sie an sich. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und schloss die Augen. Jeremy berührte sanft mit seiner Nase ihre Stirn und streichelte ihre langen, leicht lockigen, rötlichen Haare. Passend zu ihrem Erdbeer-Milchshake trug sie heute ein dunkelgrünes, bis knapp über die Knie reichendes Kleid, auf dem mehrere saftige rote Erdbeeren abgebildet waren. Jeremy konnte nur mit Mühe dem Drang widerstehen, so zu tun, als würde er in diese leckeren Erdbeeren hineinbeißen, und dabei leidenschaftlich an Xerenades Brustwarzen zu knabbern. Damit wäre die nächste Erektion vorprogrammiert.
Nicolas hatte in seiner SMS anscheinend Recht behalten…
„Was gäbe ich alles dafür, wenn ich dir nur ein einziges Mal in der Realität begegnen könnte, anstatt immer nur im Traum!“, murmelte Jeremy sehnsüchtig. „Arbeitest du immer noch in der McDonald’s-Filiale im Einkaufszentrum in der Innenstadt? Ich schwöre dir, ich werde dorthin kommen, sobald ich wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden bin, vielleicht schon morgen Nachmittag…“
Xerenade unterbrach ihn.
Was um alles in der Welt hat mich früher geritten, dass ich so viele Jahre lang einen solchen Unsinn geglaubt habe?
Jetzt im Nachhinein wurde sich Jeremy zu seinem eigenen Erstaunen dessen bewusst, dass es ihm noch nie etwas ausgemacht hatte, dass Damien zu diesen wertlosen behinderten Menschen gehörte – im Gegenteil, Damien war ihm immer außerordentlich sympathisch gewesen, schon vom ersten Tag an, als er zu Damien ins Zimmer auf der normalen Station verlegt worden war. Er hatte nie Verachtung oder Abscheu gegenüber Damien empfunden, sondern Zuneigung und Freundschaft und sogar Mitgefühl. Damien hatte es wie durch Zauberhand geschafft, Jeremys Antipathie gegenüber behinderten Menschen immer kleiner und durchsichtiger werden zu lassen, langsam und schleichend, Tag für Tag und Woche für Woche, ohne dass Jeremy selbst etwas davon gemerkt hatte.
Ich mag Damien, obwohl er eine Behinderung hat, dachte Jeremy. Ich mag seine stabile Persönlichkeit und seine unerschütterliche Lebensbejahung und seine Tapferkeit angesichts seines eigenen schlimmen Schicksals. Damien hat mir beigebracht, dass ich auch mich selbst wieder mag, trotz meiner zerstörten Augen und meiner vernarbten Augenlider und der schwarzen Finsternis um mich herum. Ich glaube, Damien hatte Recht mit dem, was er gestern zu mir gesagt hat, nämlich dass nichts im Leben umsonst ist und dass man immer etwas hergeben muss, um etwas anderes dafür geschenkt zu bekommen.
Ich habe mein Augenlicht verloren, aber dafür habe ich einen guten Freund hinzugewonnen…
In Jeremys Kopf erschien ein Bild von einer großen Waage mit zwei Waagschalen. In der einen Waagschale lagen seine Augen, so wie sie früher gewesen waren, vor der Explosion des UFOs, zwei gesunde hellbraune Augen, und in der anderen Waagschale saß Damien, baumelte mit seinen Unterschenkelprothesen und lachte.
Und Jeremy stellte sich vor, wie sich diejenige Waagschale, in der Damien saß, langsam aber sicher nach unten senkte, bis sie eindeutig tiefer hing als die Waagschale mit seinen Augen.
Jeremy wusste genau, was das zu bedeuten hatte.
Es war wirklich nicht das Ende der Welt, blind zu sein, so lange man mit Damien Griseau befreundet war…
Das Handy auf Jeremys Nachtschränkchen vibrierte leise. Jeremy griff danach und schaltete es ein. Mit seinen tastenden Fingerspitzen, die über den Bildschirm strichen, konnte er lesen, dass Nicolas ihm eine SMS geschrieben hatte.
DAS WURDE ABER AUCH HÖCHSTE ZEIT. *GRINS* ALLES KLAR, ICH BIN MORGEN UM 11 UHR BEI DIR UND HOLE DICH AB. GUTE NACHT UND VIELE FEUCHTE TRÄUME WÜNSCHT DIR NICK.
Jeremy musste laut kichern und stopfte sich einen Zipfel seiner Bettdecke in den Mund, um Damien nicht aufzuwecken. Dann schaltete er das Handy aus und legte es wieder auf sein Nachtschränkchen zurück. Genüsslich seufzend suchte er eine möglichst bequeme Stelle auf seinem Kopfkissen und beschloss, den heutigen Tag nun endgültig für erledigt zu erklären.
Während Jeremy allmählich einschlief, sah er sich selbst zusammen mit Xerenade über die sandigen Wege eines großen Tierparkgeländes spazieren. Xerenade hielt einen Erdbeer-Milchshake in der rechten Hand, aus dem sie mit einem Strohhalm trank, Jeremy trug ein knallrotes ärmelloses T-Shirt und rauchte eine Zigarette. Hand in Hand schlenderten sie an den Gehegen, Volieren und Käfigen vorbei, beobachteten die Affen, Löwen, Seehunde, Elefanten, Tiger, Papageien und Pinguine. Es war ein wunderschöner Sommertag, die Sonne schien, und es war sehr warm. Die Luft roch nach blühenden Blumen und nach Zuckerwatte und ein wenig auch nach schwitzenden Tieren.
Jeremy und Xerenade blieben vor einem eingezäunten Bereich stehen, welcher der afrikanischen Savanne nachempfunden war und in dem sich Zebras, Antilopen und Giraffen befanden. Die beiden ließen ihre Blicke über die schlanken Huftiere schweifen. Ein kleines Zebrafohlen hoppelte mit staksigen Schritten hinter seiner Mutter her und machte dabei seltsame leise, wiehernde Geräusche, so lange, bis die Mutter stehenblieb, sich umdrehte und mit ihren Lippen zärtlich die Ohren ihres Kindes liebkoste.
„Morgen wirst du nach Hause entlassen“, sagte Xerenade unvermittelt. Sie hob den Kopf und sah Jeremy direkt in die Augen. „Du darfst wieder nach Hause gehen. Endlich.“
Jeremy erwiderte Xerenades Blick und nickte.
„Ich kann es im Grunde genommen noch gar nicht richtig begreifen – ich hab mich schon so sehr an das Krankenhaus gewöhnt!“
„Deine Zeit im Krankenhaus ist aber jetzt vorbei“, sagte Xerenade. „Du musst nun zu Hause lernen, mit deiner Blindheit zu leben. Das wird natürlich nicht immer einfach sein, aber du wirst es schaffen. Das verspreche ich dir.“
Jeremy legte seinen rechten Arm um Xerenade und zog sie an sich. Sie lehnte ihren Kopf gegen seine Schulter und schloss die Augen. Jeremy berührte sanft mit seiner Nase ihre Stirn und streichelte ihre langen, leicht lockigen, rötlichen Haare. Passend zu ihrem Erdbeer-Milchshake trug sie heute ein dunkelgrünes, bis knapp über die Knie reichendes Kleid, auf dem mehrere saftige rote Erdbeeren abgebildet waren. Jeremy konnte nur mit Mühe dem Drang widerstehen, so zu tun, als würde er in diese leckeren Erdbeeren hineinbeißen, und dabei leidenschaftlich an Xerenades Brustwarzen zu knabbern. Damit wäre die nächste Erektion vorprogrammiert.
Nicolas hatte in seiner SMS anscheinend Recht behalten…
„Was gäbe ich alles dafür, wenn ich dir nur ein einziges Mal in der Realität begegnen könnte, anstatt immer nur im Traum!“, murmelte Jeremy sehnsüchtig. „Arbeitest du immer noch in der McDonald’s-Filiale im Einkaufszentrum in der Innenstadt? Ich schwöre dir, ich werde dorthin kommen, sobald ich wieder aus dem Krankenhaus entlassen worden bin, vielleicht schon morgen Nachmittag…“
Xerenade unterbrach ihn.