Persepolis
von Kid X
Kurzbeschreibung
330 v. Chr., Frühjahr: Alexander jagt den persischen König Dareios und trachtet nach Vergeltung. Die Städte des Persischen Reiches fallen einer nach der anderen, der Alexanderfeldzug kennt keine Gnade. Auch die altpersische Residenzstadt Persepolis erleidet eine Niederlage – der makedonische König brandschätzt die Palaststadt.
GeschichteDrama / P18 / MaleSlash
Alexander
Cassander
Hephaestion
20.02.2011
23.09.2011
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20.02.2011
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Part I – And my eyes, they don’t see you no more
Alles war auf einmal außer Kontrolle zu geraten.
Beherrschung wurde etwas Fremdes, etwas Abstoßendes.
Der Menschenverstand, einst von Göttern gesegnet, war in dieser Nacht ein Verdammnis für jeden.
Es kam mir vor, als hätte die sternlose Nacht uns die Sinne geraubt, sie verschlungen.
Wir siegten.
Wir tranken.
Wir feierten.
Wir fielen.
Wir schlugen auf, ohne es auch nur zu merken.
Es war die Nacht in Persepolis – duftig, feurig. Eine atemberaubende Würze lag in der Luft, legte sich auf meine Haut und biss sich in mein offenes Haar ein. Durchtränkt von Wein- und Zedergeruch klebten die Kleider an meinem Leibe. Der Palast strahlte und war erfüllt von unbändigem Lachen. Man brachte viele, immer unverständlicher werdende Toaste auf Alexanders Wohl aus.
Ja, wir feierten. Alexander feierte, großzügig und prächtig. Mit peinlicher Maßlosigkeit kostete er den Wein, rot wie das Perserblut, und beachtete kein einziges Mal meine warnenden Blicke. Dabei war ich einer der Wenigen, die ihre Nüchternheit aufbewahrten und kaltblütig blieben, während der Rest in einem diabolischen Rauschdelirium versank.
Innerlich dankte ich den Göttern für ihre Gnade zu mir, denn ich sah nur allzu deutlich, wie die anderen Generäle und Strategen ihre Würde und ihren Stolz verloren. Von Huren umgeben, palaverten sie. Kameraden… ich verabscheute sie. Sobald des Königs Fuß Persepolis‘ Erde betrat, plünderten und schädigten sie wie Vandalen. Sie waren wie Tiere, gierige Tiere, deren Verlangen nur mit dem Schmerz anderer zu stillen war.
Mein Herz bekam Risse, als ich daran dachte, dass Alexander es ihnen gestattet hatte. Ohne zu zögern. Überzeugt von der makellosen Richtigkeit seiner Taten, verstand er nicht mehr, was er überhaupt tat und erlaubte. Er verlor den Focus, entwich den ursprünglichen Wünschen und Zielen, hielt sich nur noch an die unehrenhaften Vorstellungen seiner Gefolgsleute, versuchte sie mit verhängnisvollen Genüssen zu ködern, bei Laune zu halten. Immer mehr stütze er sich auf ihre Belange, fand Gefallen an den Freuden der östlichen Welt, driftete mit einer schrecklichen Schnelle von seinem ehrgeizigen Feldzug und seiner eigenen Vernunft ab.
Diese Dekadenz, der des Philipps so ähnlich, entriss ihn mir. Zum ersten Mal in meinem Leben an seiner Seite spürte ich eine Kluft zwischen uns aufgehen und klaffen. Es machte mir eine Angst, die mit nichts zu vergleichen war.
Und je betrunkener und zügelloser Alexander wurde, umso mehr verwandelte er sich in eine andere Person, die ich nicht mehr zu durchschauen, zu kennen vermochte.
Und je mehr seine Gelüste den königlichen Werten und Normen obsiegten, umso fremder wurde ich auch für ihn.
Ich zog mich freiwillig zurück und beobachtete ihn mit schmerzender Wachsamkeit aus der Ferne. Ich konnte nicht anders; ich war sein letzter Schutzmechanismus, ein Ersatz, da sein eigener in solchen Augenblicken unerreichbar zu sein schien. Ich war stets da, war stets sein persönliches Phantom, sein Schatten, selbst wenn die Sonne sich nicht mehr zu scheinen traute.
Eine der leicht bekleideten Frauen setzte sich an Alexanders Seite, die Hand vertraulich an seine linke Brust gepresst. Sie sprach zu ihm, ein betrunkenes Lächeln auf den Lippen. Die Art, wie sie ihren Mund bewegte, war stechend und unangenehm. Alexander lachte mit erhobenen Augenbrauen, warf die gelockte Blondmähne zurück und trank, trank, trank. Sein Adamapfel war wie ein zweites Herz – stets in Bewegung. Jene Szene verletzte und empörte mich auf eine verbotene Art und Weise. Alexander schien zugänglich und beeinflussbar, anfällig für Torheit und Verrat. Ich hatte das Gefühl, mich vor ihn zu stellen und jeden, der ihm auch nur zu nahe kam mit dem Schwerte daran zu hindern, aber ich traute mich nicht in seine Nähe, denn ich wusste, dass er mich auch weiterhin wenig beachten würde. Ich und meine Vernunft. Welch eine unpassende Mixtur! Er brauchte mich nicht, wenn er trunken war.
So dauerte es eine ganze Weile, bis die Hure plötzlich auflachte – laut, höhnisch. Alexanders Gesicht schien zunächst ausdruckslos, dann verzerrt von ungehemmter Wut.
Meine Muskeln wurden drahtig und ich witterte den unvermeidlichen Höhepunkt, welchen jede Rauschorgie haben musste. Eine fatale Wendung, wie der wechselhafte Kurs des Herbstwindes.
Alexander sprang ruckartig auf und schleuderte seinen Kelch ziellos in die feiernde Menge, welche daraufhin zu lachen und pfeifen begann. Niemand außer mir schien seinen Jähzorn zu bemerken oder gar ernst zu nehmen. Aber ich sah die Veränderung ganz deutlich.
Er rannte um den kantigen Tisch, strauchelte, rannte weiter bis zu der Wand. Wuchtig riss er die brennende Fackel aus dem Halter und starrte mit grimmiger Stummheit auf uns alle herab. Die Zornesröte breitete sich auf seinem Gesicht aus. Und endlich war es still geworden, alle beäugten den König im ehrfürchtigen Abwarten. Mein Körper war wie versteinert, der Kopf gefüllt mit diversen Vorahnungen. Und mit wachsender Angst.
„Verbrennt es, hört ihr?! Verbrennt diesen Palast! Diesen Ort der Schande und des Unheils!“ rief er schließlich mit wilder Stimme, schwang die Fackel und die helle Flamme machte einen grellen Bogen über seinem Haupt.
Ich spürte, wie mein Körper sich sprunghaft nach vorne stürzte und mich durch die schweigende Menge zu ihm trug. Mein Verstand nahm währenddessen seine Worte auf und versuchte, sie zu begreifen. Alexander schrie etwas von wohlverdienter Rache. Er war vollkommen von Sinnen; seine Stimme flog an die Decke wie ein spitzer Pfeil. Nach einer kurzen Weile erwiderte die Menge seine Rufe mit frenetischer Zustimmung und triumphierte mit dem König.
„Alexander!“ schrie ich aus allen Kräften, als mir klar wurde, dass ich ihn nicht mehr erreichen konnte. Ich wurde geschubst und nach hinten gedrängt. „Alexander, nein!“
Mein Ruf ertrank im heftigen Wirbel der anderen Geräusche, die entstanden, als die Menge dem König aus dem Palast folgte. Viele taten es ihm gleich und suchten nach weiteren Fackeln – die zierlichen Flammen tanzten vernichtend über ihren Schultern und Köpfen wie giftige Schlangenzungen. Die Luft wurde hitzig und pochend wie der Atem der Chimäre.
Ich erkämpfte meinen Weg nach draußen; mein Gewand war hinten zerrissen und das Haar klebte mir in der Stirn und an den Wangen. Ich stieß jemanden achtlos mit dem Ellbogen zur Seite und suchte mit den Augen nach Alexander, welcher viel zu schnell aus meinem Sichtfeld geschwunden war. Der Schlag meines Herzens widerhallte schwer in meinem Kopf, während ich umherirrte und den Kopf suchend herumdrehte. Es schien so, als würden meine Augen nur noch sein Gesicht erfassen wollen; die Gesichter der Anderen waren nur noch lichtlose Flecken.
Ich fand ihn nicht.
Der Palast entflammte sich hinter mir und brannte lichterloh und unermüdlich, wie ein gigantisches Ungeheuer. Das Zedernholz der Wände und Decken nährte das hungrige Feuer, und ich war erfüllt von ehrfürchtigem Entsetzen, als ich es sah und spürte. Die Hitze wehte mir ins Gesicht, peitschte mir förmlich entgegen; ich trat zurück, schaute jedoch nicht weg. Die Soldaten und Diener aus dem Lager, welches sich außerhalb der Stadt befand, kamen angerannt und starrten ebenfalls. Viele von ihnen lachten und jauchzten, denn auch sie waren unter einem mächtigen Weineinfluss. Das bestialische Feuer gehörte für sie vermutlich zum Fest, war eine Art ausgefallenes Attribut, und niemand machte sich die Mühe, die Flammen zu ersticken.
Die hohen Sohlen des Palasts bröckelten und schmetterten auf die Erde nieder, wo Menschen mit Schreckensschreien davonliefen. Meine Selbstbeherrschung bröckelte ebenfalls.
Ich taumelte zurück, die Augen feucht und säuerlich. Der Feueratem glühte und jagte den Rauch unaufhaltsam in die Lungen. Mit einer geschwollenen Leere im Kopf preschte ich zum nahe gelegenen Pferdestall, wo sich unter vielen anderen Pferden auch Alexanders Bukephalos befand. Es kostete mich viel Zeit und Anstrengung, bis ich ihn herauslocken konnte. Das Streitross wieherte furchterfüllt und widerspenstig, das tückische Feuerspiel spiegelte sich in seinen tiefschwarzen Augen wider. Er spürte den Tod stärker als ich es tat. Dennoch schaffte ich es, Bukephalos in eine sichere Ferne zu führen, indem ich beruhigend auf ihn einredete und sachte durch seine dichte Mähne strich – früher waren Alexander und ich oft in die Felder ausgeritten und ich schaute ihm aufmerksam zu, wie er den Hengst besänftigte, als dieser sich aufbrauste.
Ich sah die persischen Einheimischen weinend in der staubigen Erde knien und liegen und hörte ihre kehligen Schreie, die in meinen Ohren echoten. Sie verfluchten Alexander. Sie verfluchten die Götter und somit sich selbst. Ich drehte mich um und blieb stehen – eine hohe Feuerwand war entstanden, welche die reiche Hauptstadt des Persischen Reiches umzingelte und langsam verschluckte. Menschen rannten an mir vorbei, unter ihnen auch die Gäste aus dem Palast und Soldaten unseres Zuges. Blind griff ich nach jemandem von ihnen und zog ihn zu mir, die Finger in seine Schulter gekrallt.
„Ist der König in Sicherheit? Ist Alexander in Sicherheit?!“ schrie ich in sein, von Panik verzerrtes, Gesicht. Seine Augen waren dumpf und hohl, sein Körper bebte und er starrte mich wortlos an. Ich ließ ihn wieder los; es hatte keinen Zweck, ihn zu befragen.
Eine Woge der Angst und Unsicherheit übermannte mich, als ich wie gelähmt auf die brennende Stadt starrte. Wenn Alexander sich immer noch darin befand, war der Tod unsagbar nah. Vielleicht sogar näher als je zuvor.
Meine Gedanken verstrickten sich ineinander, für einen Sekundenbruchteil war ich hin- und her gerissen. Mein Selbstschutz kämpfte mit dem Drang, den liebsten Menschen auf dieser Welt dem sicheren Tod zu entreißen.
Ich sah zu Bukephalos, welcher ungeduldig neben mir tänzelte und schnaubte. Noch einmal streichelte ich seine glatte Seite, dann schwang ich mich in den leder beschlagenen Sattel, spornte das Pferd vorwärts. Anfangs weigerte sich das Streitross, umgeben vom panischen Kreischen und Heulen, gewann dann jedoch an Mut und trabte in die von mir angewiesene Richtung – auf das Feuer zu.
Immer wieder musterte ich die Landschaft hinter mir, um sicherzugehen, dass kein Feuerverschluss entstand, der mir den Rückweg unmöglich machte. Das Herz schlug kampflustig in meiner Brust, meine Augen waren zusammengekniffen und die Lippen aufeinander gepresst, damit keine Rauchwolken eindringen konnte. Trotzdem überwältigte mich röchelndes Husten und Ächzen, als Bukephalos mit stattlicher Geschwindigkeit in die Stadt hinein galoppierte. Gerade noch rechtzeitig hielt ich ihn davon ab, an einer brennenden Bude vorbei zu sputen, die immer wieder glühende Funken empor spuckte. Ich zog kräftig an den Riemen und hatte schon befürchtet, der Hengst würde mich wutentbrannt abwerfen, aber Bukephalos blieb artig und schritt zurück.
Der Rauch wölbte sich bis zum schwarzen Himmel und verdichtete sich; es war äußerst schwierig, irgendeine Figur eines Menschen auszuzeichnen und erst recht zu erkennen. Ich sah nur formenlose Silhouetten, die umher schwankten und um Hilfe bettelten. Ich schob den dünnen Stoff meines Gewandes hoch und hielt ihn vor meinem Gesicht. Bukephalos schnaubte und wieherte, schlug seinen massiven Kopf von Seite zur Seite, versuchte der giftigen Luft zu entweichen. Ich wusste, dass ich ihn umbringen würde, wenn ich noch weiter hineinritt.
Ich glitt aus dem Sattel, die beiden Riemenstreifen fest in der Hand umklammert. Ich hatte keine andere Wahl, keinen anderen Ausweg.
„Alexander!“ schrie ich bellend. Ich hustete, atmete mehrmals fieberhaft ein und aus, dann rief ich erneut, befahl meiner Stimme, möglichst laut und durchdringend zu sein.
Zu meiner Linken schnarrte und purzelte etwas, die Flammen waberten gewaltsam und ich erschrak so sehr, dass ich gegen Bukephalos stieß und aufschrie. Das Pferd spürte meine Panik und begann, unruhig nach hinten zu traben. Mein Handgriff war durch den Schock gelockert worden und so entglitten mir die Riemen mit einer peinlichen Leichtigkeit. Bukephalos realisierte seine Freiheit schneller, als ich es tun konnte.
„Nein, nein…“ krächzte ich, als ich Alexanders Streitross im Rauchnebel verschwinden sah.
Ich stand allein da und das Inferno um mich herum schien untröstlich und ewig. Ich wirbelte herum, unter Schock, und stolperte nach vorne, rief noch einmal Alexanders Namen – halb erstickt.
Ich musste kämpfen, wie ich es schon so oft getan hatte. Für Alexander kämpfen und siegen. Aber mein Körper schwächte, ich konnte kaum noch atmen und meine Sicht flimmerte und pulsierte. Ich hörte tausende Geräusche, konnte sie nicht einordnen, meine Orientierung ließ mich völlig im Stich. Ich lief geradeaus, stolperte und landete mit den Knien auf der heißen Erde. Dort verharrte ich, in der grotesken Unwissenheit, ob ich mich wieder aufrichten konnte oder nicht.
Plötzlich stach einer der Laute deutlicher hervor als alle anderen – es war das vertraute Trampen der Pferdehufen und es kam näher. Ich hob den Kopf an und suchte mit den Augen nach dem Reiter.
„Hephaistion?“ hallte eine bekannte Stimme aus dem Rauch und ich erblickte die dunkle Silhouette eines riesigen Pferdes auf mich zuschreiten. Ich erkannte Ptolemaios, welchem die Locken verschwitzt in der Stirn klebten.
Statt einer Antwort, hustete ich würgend und ließ meinen Kopf wieder sinken. Vor meinen Augen öffnete sich ein bodenloses schwarzes Loch in der sandigen Erde – Ohnmacht.
„Was treibst du hier noch, Hephaistion?“ hörte ich die entrüstete Frage Ptolemaios‘ und spürte Arme unter meinen Achseln, die mich barsch hochzerrten.
„Aaa~“, kam es ächzend aus meinem Mund. „Al…“
„Kannst du mich hören? Hörst du meine Stimme, Kamerad?“
Ich nickte, das Haar fiel mir ins Gesicht. „Jaah.“
„Wir müssen hier schnellstens hinaus! Das Feuer vernichtet alles und jeden, die Götter kennen keine Gnade!“ rief Ptolemaios und schüttelte mich, sodass meine Beine nahezu erneut nachzugeben drohten.
„Der König… Alexander…“, hauchte ich, schluckte den bitteren Geschmack der Asche. „Wo… ist er?“
Ptolemaios drückte seine Hände an meine Ohren und fixierten meinen Blick.
„Er ist außerhalb der Stadt, im Lager. Philotas und Nikanor haben ihn fortgebracht, noch bevor der Palast-“ Er musste husten und kniff die Augen schützend zusammen. „-noch bevor der Palast gänzlich in Flammen stand.“
Mir wurde beinah schwindelig vor Erleichterung und ich sackte in mir zusammen. „Den… Göttern sei Dank.“
Ptolemaios half mir auf das Pferd, da ich entkräftet schien. Wir galoppierten hinaus, ließen Persepolis in Flammen und Asche hinter uns.
Dareois‘ Stadt verschwamm und wurde Eins mit dem Sand, beugte sich ergebend der Erde entgegen.
Fort vom Feuer, kostete ich gierig die klare Nachtluft. Sie schmeckte wie Wein – herb und doch zart. Ich hatte das Gefühl, sie zum ersten Mal einzuatmen.
Die Lichter des Lagers flackerten in der Ferne und verliehen der kriegerischen Absicht etwas Heimisches.
Alexander war dort, in seinem Gemach. Wahrscheinlich schlafend. Sicher. In einer wohltuenden Finsternis.
Am Leben.
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Das erste Mal, dass ich in diese Kategorie was poste, ich hoffe, man ist nicht zu hart zu mir.
Reviews sind gern gesehen, traut euch bitte und seid offen zu mir. :)
Kleine Info - insgesammt wird's ein Threeshot, zwei weitere Kapitel folgen also noch.
UND - natürlich, wie auch anders - ein großes Dankeschön an meine treue GeeWay für's Betan. ♥