Der Erzähler und seine Perspektiven
von Feael Silmarien
Kurzbeschreibung
Eine hochsubjektive Einführung in die Erzählperspektive literarischer Texte in der modernen Erzähltheorie.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
21.01.2011
28.01.2011
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21.01.2011
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Kapitel 2: Der Wohnsitz des Erzählers
Nach einer allgemeinen Einleitung und Definition des Erzählers wollen wir uns nun mit der Frage beschäftigen, wo sich der Erzähler im Werk denn genau befindet. Und dazu müssen wir für den Anfang ein wenig philosophisch werden:
Ein kluger Mann namens Paul Watzlawick sagte einmal: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Kommunikation ist Verhalten und Verhalten hat kein Gegenteil. Und was kein Gegenteil hat, hat auch keine Abstufungen. Man kann nicht sagen, jemand sei mehr oder weniger kommunikativ*, denn selbst wenn man sich vor der Welt zurückzieht und kein Wort zu einem lebenden Wesen sagt, teilt man der Welt doch allermindestens permanent mit, dass man mit ihr nicht interagieren möchte, und ist daher genauso kommunikativ wie das schlimmste Plappermaul der Welt. Kommunikation ist etwas, das zur Natur eines jeden Lebewesens gehört. Wir senden permanent Botschaften aus, ob nun verbal oder nonverbal. Also: Entweder sind wir in höchstem Grade kommunikativ oder tot.
(* Okay, es ist üblich, "kommunikativ" synonym zu "gesprächig" zu benutzen. Allerdings habe ich persönlich eine Allergie gegen sowas, denn hier wird der Sinn einfach verzerrt. Eine Synekdoche, schon klar, aber ich finde es nicht gerade witzig, jemandem, der andere Kommunikationsformen dem Smalltalk vorzieht, die Kommunikativität abzusprechen. Mag sein, dass es nicht wortwörtlich gemeint ist, aber es ist einfach ein grottenschlechter Witz, finde ich. Nun ja. Sorry, ich MUSSTE es einfach loswerden. ;) )
Was heißt das nun für uns: Erzählen ist eine Form von Kommunikation. Generell ist alles, was mit Zeichen zu tun hat - also auch die Schriftsprache -, Kommunikation. Und Kommunikation hat viele Ebenen. Welche Ebenen speziell für die Erzählkommunikation charakteristisch sind, hat Wolf Schmid, Professor an der Uni Hamburg, im folgenden Modell zusammengefasst:
Kommunikationsebenen.jpg
(Gemopst aus: Wolf Schmid: Elemente der Narratologie, Berlin & New York ²2008, S. 44.)
Wie ich in Kapitel 1 bereits schrieb, will ich nicht auf alles eingehen und das Modell nicht in allen Einzelheiten erläutern, das würde viel zu weit vom Thema dieses Aufsatzes wegführen bzw. es wäre für einen sehr groben Überblick viel zu kompliziert. Wer Interesse hat, kann ja selbst einen Blick in das Buch werfen. Ist sehr zu empfehlen. Sehr strukturiert, klare Sprache, anschauliche Beispiele ... ein Traum! ;)
Was wir aber festhalten sollten: Auf der äußersten Ebene ist ein erzählendes Werk Kommunikation zwischen konkreten Menschen, die jedoch nicht als konkrete Menschen auftreten. Wenn ich Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" lese, führe ich (leider) keine Konversation mit der historischen Persönlichkeit Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Ist ja auch schlecht möglich, wenn der Autor seit über 100 Jahren tot ist. Aber ich kommuniziere mit dem Autor Fjodor Michailowitsch Dostojewski, denn als solcher ist er unsterblich. Ein Autor "lebt" so lange wie seine Werke existieren. Um genauer zu sein: der abstrakte Autor. Das Bild, das der Urheber von sich in dem Werk bewusst und unbewusst verewigt hat. Und dieses Bild steckt in jedem Ausdruck, in jedem Wort, im Plot ... Hm ... Kennt ihr alle Fimo? Also wenn ich aus Fimo eine kleine Katze knete, dann verewige ich mich durch die Entscheidung, eine Katze zu formen, die Wahl der Farbe, die Knettechnik, die Körperhaltung der Figur, meine Fingerabdrücke etc. Ein Werk ist von vorn bis hinten ein Bild des Urhebers und dieses Bild ist der abstrakte Autor. Wobei wir noch ausdrücklich betonen sollten, dass der abstrakte Autor NICHT identisch ist mit dem konkreten Autor, da er zwar auf Anhaltspunkten beruht, die der konkrete Autor selbst gibt, aber nach wie vor ein Konstrukt im Kopf des Lesers bleibt, an dem es letztendlich liegt, die vom konkreten Autor bewusst und unbewusst eingeflochtenen Puzzleteile zusammenzufügen. Somit gibt es so viele Konstruktionen des abstrakten Autors wie Leser.
Ferner - und jetzt kommen wir zum Thema - gibt es einen Erzähler. Sofern ich nicht von meinem letzten Urlaub berichte, ist der Erzähler fiktiv und nicht mit dem Autor identisch. Die Ansichten des Erzählers sind nicht zwangsläufig die des Autors, was jedoch kein Freifahrtschein ist für Aufrufe zum Nationalsozialismus oder zu anderen Amoralitäten, denn die Verantwortung lastet ironischerweise immer auf einer real existierenden Person und das ist für gewöhnlich der Autor. (Sprich: Wenn sich im Werk Äußerungen finden, die nicht politisch korrekt oder anderweitig nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen bzw. falsch verstanden werden könnten, sollte man auch etwas wie eine Gegenstimme einbinden, denn mit der Behauptung, man würde die Ansichten des Erzählers nicht teilen, kommt man nicht davon.)
Schwierig wird es bei dem, was wir nach Stanzels typologischem Modell als auktoriale Erzählsituation bezeichnen. "Auktorial" kommt von lateinisch "auctor", also "Urheber". Mit anderen Worten ist der auktoriale Erzähler so schlau wie der Autor selbst. Seine Aussagen werden nicht hinterfragt (sollen sie zumindest nicht), weil sie (im Idealfall) im Konsens mit dem Wertesystem des Lesers stehen (sollen), weil Autor und Leser sich in selben Kreisen bewegen (äh, ja, idealerweise, gell?). Der auktoriale Erzähler hat immer recht und somit verschmilzt er mit dem abstrakten Autor, zumindest wird davon meistens ohne große Umschweife ausgegangen.
Autor und Erzähler sind nicht identisch, aber die Grenze zwischen ihnen ist je nach Erzähler schwammig. Manchmal ist die Grenze rasiermesserscharf - wie im Falle des "Stationsaufsehers" -, manchmal existiert sie nur nominell. In jedem Fall aber hat der Erzähler eine vermittelnde Funktion, er ist das Medium, doch er steht prinzipiell näher am Autor als am Leser (nicht etwa in der Mitte oder so), auch wenn die genaue Nähe von Erzähler zu Erzähler variiert.
Nun haben wir den ungefähren Standpunkt des Erzählers in Bezug auf Autor und Leser, aber es existiert auch eine andere "Achse", nämlich die der Diegese. Jo. Was ist die Diegese? ... Ich bin mir nicht sicher, ob man es ins Fanfiction-Deutsch einfach als Universum übersetzen kann, aber ich denke, das trifft es am meisten. Die Diegese besteht aus den im Canon beschriebenen Ereignissen und allem, was diese Ereignisse implizieren. Die Diegese ist die Welt, die in einem Werk dargestellt wird. Und nebenbei: Man kann sich streiten, aber ich neige zu der Ansicht, dass die Diegese IMMER fiktiv ist, selbst wenn die Geschichte in der "realen" Welt spielt. Es hat nie eine Welt gegeben, in der ein Student namens Rodion Raskolnikow gelebt und eine Pfandhändlerin namens Aljona Iwanowna aus moralisch-juristisch-philosophischen Überlegungen heraus mit einem Beil erschlagen hat. Raskolnikow existiert nur innerhalb der Fiktion von "Verbrechen und Strafe". Auch geht es in Annemarie Selinkos Roman "Désirée" keineswegs um die reale Ex-Verlobte Napoléons Désirée Clary, sondern Selinkos Désirée ist nur eine Möglichkeit, wie Désirée Clary gewesen sein könnte. Wir können nicht beweisen, dass sie wirklich bis in den letzten Knochen republikanisch gesinnt war, selbst nachdem sie Königin von Schweden wurde, aber wir können es auch nicht widerlegen. Reale historische Persönlichkeiten gibt es nur in historischen Quellen und selbst die sind "nur" erzählend und deswegen zu hinterfragen.
Okay, nach dieser kleinen philosophischen Abschweifung zurück zur Diegese. Der Erzähler kann Teil der Diegese sein, muss es aber nicht. Gérard Genette unterscheidet hier den homodiegetischen und heterodiegetischen Erzähler. Der homodiegetische Erzähler ist einer, der homogen ist mit der Diegese. Sprich: Er ist Teil der Diegese. Ob es sich nun um ein Tagebuch handelt, einen einfühlsamen Romantiker, der im auktorialen Stil von der tragischen Geschichte eines Freundes berichtet, oder um jemanden, der ein Geschehen eher unbeteiligt mitverfolgt, ist dabei völlig gleichgültig. Solange der Erzähler eine Figur der narrativen Welt darstellt, ist er homodiegetisch. Und dass er IMMER ein Ich-Erzähler ist, versteht sich von selbst, denn alles andere wäre ja unlogisch.
Eine Sonderform des homodiegetischen Erzählers ist das von Genette auf den Namen autodiegetischer Erzähler getaufte Phänomen. Allerdings muss der Erzähler Protagonist der Handlung sein, um sich als autodiegetischer Erzähler betiteln zu können.
Der heterodiegetische Erzähler ist das Gegenteil des homodiegetischen Erzählers: Jemand, der NICHT Teil der Diegese ist. Er ist heterogen zur Diegese, er entstammt einer anderen Welt, nämlich der Exegese. Dieser Erzähler kann nach den Stanzelschen Begriffen auktorial/Gott sein, er darf sich uneingeschränkt personal verhalten, ja, es kann auch ein Ich-Erzähler sein (aber niemals ein autodiegetischer, weil er ja heterodiegetisch ist).
Wem diese Begriffe zu kompliziert sind, dem sei die Terminologie Wolf Schmids vorgeschlagen: einen homodiegetischen Erzähler nennt er diegetisch, einen heterodiegetischen nichtdiegetisch. Es ist sicherlich auch eine Frage des subjektiven Geschmacks. Aus unerklärlichen Gründen benutze ich persönlich lieber die Begriffe von Genette, habe aber nichts gegen die Verwendung der Bezeichnungen von Schmid.
Um das noch weiter zu verkomplizieren, erinnern wir uns, dass es gelegentlich vorkommt, dass ein Werk mehrere Erzähler hat. Das ist der Fall, wenn die Handlung im buchstäblichen Sinne verschachtelt ist. Ich hoffe, ihr habt alle in eurer Kindheit den Trickfilm "Balto" gesehen? Er hat nämlich zwei Ebenen: Es gibt einerseits die eigentliche Handlung mit Balto, Boris, Jenna, Steele und der Epidemie in Nome und andererseits die als Realfilm gedrehte Rahmenhandlung, in der Rosie, die als kleines Mädchen von Balto gerettet wurde, ihrer Enkelin diese Geschichte erzählt. Die Geschichte von Balto ist ganz klar die eigentliche Diegese, aber was ist die Rahmenhandlung? Offenbar handelt es sich in diesem Fall um zwei Ebenen der Diegese, eine intradiegetische und eine extradiegetische, eine eigentliche innere Handlung und eine äußere Rahmenhandlung. Um aber zum Erzähler zurückzukehren: Die intradiegetische und die extradiegetische Ebene haben verschiedene Erzähler, wobei der eine natürlich durch den anderen wiedergegeben wird, wodurch eine Hierarchie entsteht, die manchmal zwar irrelevant ist, in anderen Fällen aber nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Es kommt auch vor, dass eine Figur der intradiegetischen Ebene etwas erzählt, wodurch eine dritte Schachtel zustande kommt, nämlich die metadiegetische Erzählebene. Die nächste Erzählebene wäre dementsprechend die metametadiegetische Ebene, die Schachtel in der metameta-Schachtel hieße dann metametametadiegetische Ebene usw.
Also alles nochmal geordnet, ganz dreist übernommen aus "Einführung in die Erzähltheorie" von Martinez/Scheffel:
extradiegetisch = Erzählen
intradiegetisch = erzähltes Erzählen
metadiegetisch = erzähltes erzähltes Erzählen
metametadiegetisch = erzähltes erzähltes erzähltes Erzählen
etc.
Alles klar? Wie gesagt: Ziemlich verschachtelt, nicht wahr? Hehe.
Wolf Schmid schlägt hier wieder eine einfachere Terminologie vor als die von Genette (ja, auch diese Begriffe kommen ursprünglich von ihm): Statt der extra-, intra- und metadiegetischen Ebene hat er die primäre, sekundäre und tertiäre Erzählebene und somit einen primären, einen sekundären, und einen tertiären Erzähler. Welche Terminologie ihr bevorzugt, sei auch hier euch überlassen.
Zum guten Schluss, in der Hoffnung, ein wenig mehr Klarheit zu schaffen, möchte ich versuchen, zu den sich ergebenden Erzählertypen konkrete Beispiele anzuführen:
Extradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler (primärer nichtdiegetischer Erzähler): Der Erzähler tritt nicht als Figur auf, er ist nicht Teil der Handlung, meistens deutet er dem Leser gegenüber seine Präsenz nicht einmal an.
Das ist zum Beispiel im "Herrn der Ringe" der Fall und in "Harry Potter". Letzteres wird einfach erzählt, existiert quasi für sich, die Erzählinstanz bleibt unsichtbar. Bei "Der Herr der Ringe" wird es etwas schwieriger, da das Werk über eine Einführung verfügt, in der der Erzähler in Erscheinung tritt, aber eindeutig fiktiv ist. Gleich die ersten Worte der Einführung lauten: "Das Buch handelt weitgehend von Hobbits, und aus seinen Seiten kann ein Leser viel über ihren Charakter und ein wenig über ihre Geschichte erfahren. Weitere Einzelheiten sind auch in der Auswahl aus dem Roten Buch der Westmark zu finden, die unter dem Titel 'Der Hobbit' bereits veröffentlicht wurde." Es wird so getan, als gäbe es die Hobbits tatsächlich und beim "Hobbit" und beim "Herrn der Ringe" handele es sich um eine "Auswahl aus dem Roten Buch der Westmark". Die Einführung wird somit als Teil der narrativen Welt gekennzeichnet. Die Präsenz des Erzählers wird dadurch deutlich, dass eine "Auswahl" einen "Auswähler" voraussetzt, der im Übrigen auch für die "wissenschaftliche" Abhandlung über die Hobbits verantwortlich ist. Dass der Erzähler sich mehr oder weniger direkt an die Leser wendet, ist ebenfalls ein klarer Hinweis auf seine Existenz. Im Text finden sich sogar angedeutete Selbstbeschreibungen des Erzählers, beispielsweise: "Selbst in den alten Zeiten empfanden sie in der Regel Scheu vor dem 'Großen Volk', wie sie uns nennen, und heute meiden sie uns voll Schrecken und sind nur noch schwer zu finden." Dass der Erzähler hier von "uns" spricht, ist ein Hinweis darauf, dass es sich um einen Menschen handelt.
Extradiegetisch-homodiegetischer Erzähler (primärer diegetischer Erzähler): Der Erzähler ist eine Figur innerhalb der Erzählung und gibt die äußerste Ebene der Handlung wieder.
Heutzutage wohl berühmtestes Beispiel: Bis(s). Die Geschichte wird durch die Protagonistin Bella Swan erzählt, sodass wir hier sogar den Sonderfall eines autodiegetischen Erzählers haben. Ein extradiegetisch-homodiegetischer Erzähler, der nicht autodiegetisch ist, wäre der pseudo-romantische Erzähler in Puschkins "Stationsaufseher" (siehe Kapitel 1).
Intradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler (sekundärer nichtdiegetischer Erzähler): Eine Figur innerhalb der (extradiegetisch-hetero- oder homodiegetischen) Erzählung erzählt von Ereignissen, an denen sie selbst aber nicht beteiligt war.
Es gäbe da zig tausend Beispiele, genannt sei "Der geheime Garten" von Frances H. Burnett. Innerhalb der Erzählung des extradiegetisch-heterodiegetischen Erzählers tauchen Charaktere auf, die der Protagonistin Mary Lennox nach und nach erzählen, was vor zehn Jahren geschehen ist: Nachdem die Schwester ihrer Mutter gestorben ist, ist ihr Ehemann in eine tiefe Depression gestürzt, hat ihren Rosengarten abgeschlossen und den Schlüssel vergraben. Die eigentliche Handlung besteht darin, dass Mary den Garten sucht, findet und dort ihre eigene Welt aufbaut. Mrs. Medlock, Martha und andere, falls ich noch jemanden vergessen habe, liefern ihr die Hintergrundgeschichte des Gartens, aber sie selbst waren daran nicht beteiligt. So weit ich mich erinnere. Martha auf jeden Fall nicht, da sie vor zehn Jahren noch nicht zum Personal des Anwesens gehörte.
Intradiegetisch-homodiegetischer Erzähler (sekundärer diegetischer Erzähler): Eine Figur innerhalb der (extradiegetisch-hetero- oder homodiegetischen) Erzählung erzählt von Ereignissen, an denen sie beteiligt war.
Um beim Beispiel zu bleiben: Während Martha noch nicht da war, als Marys Tante starb, ist der Beitrag des Gärtners Ben Weatherstaff zur Hintergrundgeschichte durchaus homodiegetisch, als er Mary erzählt, wie ihre Tante ihm aufgetragen hatte, die Rosen in ihrem Garten zu pflegen. Als intradiegetisch-homodiegetischer Erzähler tritt im "Stationsaufseher" der Stationsaufseher Samson Vyrin selbst auf, als er dem extradiegetisch-homodiegetischen Erzähler vom Verlust seiner Tochter berichtet. Während die Erzählung von Ben Weatherstaff jedoch wörtlich dasteht (durch die Anführungsstiche/wörtliche Rede hat sie zumindest den Anspruch, ein Original-Zitat zu sein, hinterfragen kann man aber prinzipiell und immer ;) ), wird Vyrins Erzählung größtenteils durch den extradiegetischen Erzähler wiedergegeben (erlebte Rede), was explizit heißt, dass das Geschehen von gleich zwei Erzählperspektiven "bearbeitet" wurde.
Den metadiegetisch-heterodiegetischen Erzähler (tertiären nichtdiegetischen Erzähler) und den metadiegetisch-homodiegetischen (tertiären diegetischen Erzähler) spare ich mir, da es hier für einen groben Überblick mal wieder zu kompliziert und zu verzweigt wird und ich zudem annehme, dass der geneigte Leser das Prinzip längst verstanden hat. Außerdem ist es höchste Zeit, dieses Kapitel anzuschließen und Zeit zum Verdauen der Termini-Flut zu geben. Deswegen mache ich an dieser Stelle abrupt Schluss mit der Anmerkung, dass wir uns im nächsten und letzten Kapitel endlich der Perspektive an sich widmen werden.
Nach einer allgemeinen Einleitung und Definition des Erzählers wollen wir uns nun mit der Frage beschäftigen, wo sich der Erzähler im Werk denn genau befindet. Und dazu müssen wir für den Anfang ein wenig philosophisch werden:
Ein kluger Mann namens Paul Watzlawick sagte einmal: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Kommunikation ist Verhalten und Verhalten hat kein Gegenteil. Und was kein Gegenteil hat, hat auch keine Abstufungen. Man kann nicht sagen, jemand sei mehr oder weniger kommunikativ*, denn selbst wenn man sich vor der Welt zurückzieht und kein Wort zu einem lebenden Wesen sagt, teilt man der Welt doch allermindestens permanent mit, dass man mit ihr nicht interagieren möchte, und ist daher genauso kommunikativ wie das schlimmste Plappermaul der Welt. Kommunikation ist etwas, das zur Natur eines jeden Lebewesens gehört. Wir senden permanent Botschaften aus, ob nun verbal oder nonverbal. Also: Entweder sind wir in höchstem Grade kommunikativ oder tot.
(* Okay, es ist üblich, "kommunikativ" synonym zu "gesprächig" zu benutzen. Allerdings habe ich persönlich eine Allergie gegen sowas, denn hier wird der Sinn einfach verzerrt. Eine Synekdoche, schon klar, aber ich finde es nicht gerade witzig, jemandem, der andere Kommunikationsformen dem Smalltalk vorzieht, die Kommunikativität abzusprechen. Mag sein, dass es nicht wortwörtlich gemeint ist, aber es ist einfach ein grottenschlechter Witz, finde ich. Nun ja. Sorry, ich MUSSTE es einfach loswerden. ;) )
Was heißt das nun für uns: Erzählen ist eine Form von Kommunikation. Generell ist alles, was mit Zeichen zu tun hat - also auch die Schriftsprache -, Kommunikation. Und Kommunikation hat viele Ebenen. Welche Ebenen speziell für die Erzählkommunikation charakteristisch sind, hat Wolf Schmid, Professor an der Uni Hamburg, im folgenden Modell zusammengefasst:
Kommunikationsebenen.jpg
(Gemopst aus: Wolf Schmid: Elemente der Narratologie, Berlin & New York ²2008, S. 44.)
Wie ich in Kapitel 1 bereits schrieb, will ich nicht auf alles eingehen und das Modell nicht in allen Einzelheiten erläutern, das würde viel zu weit vom Thema dieses Aufsatzes wegführen bzw. es wäre für einen sehr groben Überblick viel zu kompliziert. Wer Interesse hat, kann ja selbst einen Blick in das Buch werfen. Ist sehr zu empfehlen. Sehr strukturiert, klare Sprache, anschauliche Beispiele ... ein Traum! ;)
Was wir aber festhalten sollten: Auf der äußersten Ebene ist ein erzählendes Werk Kommunikation zwischen konkreten Menschen, die jedoch nicht als konkrete Menschen auftreten. Wenn ich Dostojewskis "Verbrechen und Strafe" lese, führe ich (leider) keine Konversation mit der historischen Persönlichkeit Fjodor Michailowitsch Dostojewski. Ist ja auch schlecht möglich, wenn der Autor seit über 100 Jahren tot ist. Aber ich kommuniziere mit dem Autor Fjodor Michailowitsch Dostojewski, denn als solcher ist er unsterblich. Ein Autor "lebt" so lange wie seine Werke existieren. Um genauer zu sein: der abstrakte Autor. Das Bild, das der Urheber von sich in dem Werk bewusst und unbewusst verewigt hat. Und dieses Bild steckt in jedem Ausdruck, in jedem Wort, im Plot ... Hm ... Kennt ihr alle Fimo? Also wenn ich aus Fimo eine kleine Katze knete, dann verewige ich mich durch die Entscheidung, eine Katze zu formen, die Wahl der Farbe, die Knettechnik, die Körperhaltung der Figur, meine Fingerabdrücke etc. Ein Werk ist von vorn bis hinten ein Bild des Urhebers und dieses Bild ist der abstrakte Autor. Wobei wir noch ausdrücklich betonen sollten, dass der abstrakte Autor NICHT identisch ist mit dem konkreten Autor, da er zwar auf Anhaltspunkten beruht, die der konkrete Autor selbst gibt, aber nach wie vor ein Konstrukt im Kopf des Lesers bleibt, an dem es letztendlich liegt, die vom konkreten Autor bewusst und unbewusst eingeflochtenen Puzzleteile zusammenzufügen. Somit gibt es so viele Konstruktionen des abstrakten Autors wie Leser.
Ferner - und jetzt kommen wir zum Thema - gibt es einen Erzähler. Sofern ich nicht von meinem letzten Urlaub berichte, ist der Erzähler fiktiv und nicht mit dem Autor identisch. Die Ansichten des Erzählers sind nicht zwangsläufig die des Autors, was jedoch kein Freifahrtschein ist für Aufrufe zum Nationalsozialismus oder zu anderen Amoralitäten, denn die Verantwortung lastet ironischerweise immer auf einer real existierenden Person und das ist für gewöhnlich der Autor. (Sprich: Wenn sich im Werk Äußerungen finden, die nicht politisch korrekt oder anderweitig nicht den gesellschaftlichen Normen entsprechen bzw. falsch verstanden werden könnten, sollte man auch etwas wie eine Gegenstimme einbinden, denn mit der Behauptung, man würde die Ansichten des Erzählers nicht teilen, kommt man nicht davon.)
Schwierig wird es bei dem, was wir nach Stanzels typologischem Modell als auktoriale Erzählsituation bezeichnen. "Auktorial" kommt von lateinisch "auctor", also "Urheber". Mit anderen Worten ist der auktoriale Erzähler so schlau wie der Autor selbst. Seine Aussagen werden nicht hinterfragt (sollen sie zumindest nicht), weil sie (im Idealfall) im Konsens mit dem Wertesystem des Lesers stehen (sollen), weil Autor und Leser sich in selben Kreisen bewegen (äh, ja, idealerweise, gell?). Der auktoriale Erzähler hat immer recht und somit verschmilzt er mit dem abstrakten Autor, zumindest wird davon meistens ohne große Umschweife ausgegangen.
Autor und Erzähler sind nicht identisch, aber die Grenze zwischen ihnen ist je nach Erzähler schwammig. Manchmal ist die Grenze rasiermesserscharf - wie im Falle des "Stationsaufsehers" -, manchmal existiert sie nur nominell. In jedem Fall aber hat der Erzähler eine vermittelnde Funktion, er ist das Medium, doch er steht prinzipiell näher am Autor als am Leser (nicht etwa in der Mitte oder so), auch wenn die genaue Nähe von Erzähler zu Erzähler variiert.
Nun haben wir den ungefähren Standpunkt des Erzählers in Bezug auf Autor und Leser, aber es existiert auch eine andere "Achse", nämlich die der Diegese. Jo. Was ist die Diegese? ... Ich bin mir nicht sicher, ob man es ins Fanfiction-Deutsch einfach als Universum übersetzen kann, aber ich denke, das trifft es am meisten. Die Diegese besteht aus den im Canon beschriebenen Ereignissen und allem, was diese Ereignisse implizieren. Die Diegese ist die Welt, die in einem Werk dargestellt wird. Und nebenbei: Man kann sich streiten, aber ich neige zu der Ansicht, dass die Diegese IMMER fiktiv ist, selbst wenn die Geschichte in der "realen" Welt spielt. Es hat nie eine Welt gegeben, in der ein Student namens Rodion Raskolnikow gelebt und eine Pfandhändlerin namens Aljona Iwanowna aus moralisch-juristisch-philosophischen Überlegungen heraus mit einem Beil erschlagen hat. Raskolnikow existiert nur innerhalb der Fiktion von "Verbrechen und Strafe". Auch geht es in Annemarie Selinkos Roman "Désirée" keineswegs um die reale Ex-Verlobte Napoléons Désirée Clary, sondern Selinkos Désirée ist nur eine Möglichkeit, wie Désirée Clary gewesen sein könnte. Wir können nicht beweisen, dass sie wirklich bis in den letzten Knochen republikanisch gesinnt war, selbst nachdem sie Königin von Schweden wurde, aber wir können es auch nicht widerlegen. Reale historische Persönlichkeiten gibt es nur in historischen Quellen und selbst die sind "nur" erzählend und deswegen zu hinterfragen.
Okay, nach dieser kleinen philosophischen Abschweifung zurück zur Diegese. Der Erzähler kann Teil der Diegese sein, muss es aber nicht. Gérard Genette unterscheidet hier den homodiegetischen und heterodiegetischen Erzähler. Der homodiegetische Erzähler ist einer, der homogen ist mit der Diegese. Sprich: Er ist Teil der Diegese. Ob es sich nun um ein Tagebuch handelt, einen einfühlsamen Romantiker, der im auktorialen Stil von der tragischen Geschichte eines Freundes berichtet, oder um jemanden, der ein Geschehen eher unbeteiligt mitverfolgt, ist dabei völlig gleichgültig. Solange der Erzähler eine Figur der narrativen Welt darstellt, ist er homodiegetisch. Und dass er IMMER ein Ich-Erzähler ist, versteht sich von selbst, denn alles andere wäre ja unlogisch.
Eine Sonderform des homodiegetischen Erzählers ist das von Genette auf den Namen autodiegetischer Erzähler getaufte Phänomen. Allerdings muss der Erzähler Protagonist der Handlung sein, um sich als autodiegetischer Erzähler betiteln zu können.
Der heterodiegetische Erzähler ist das Gegenteil des homodiegetischen Erzählers: Jemand, der NICHT Teil der Diegese ist. Er ist heterogen zur Diegese, er entstammt einer anderen Welt, nämlich der Exegese. Dieser Erzähler kann nach den Stanzelschen Begriffen auktorial/Gott sein, er darf sich uneingeschränkt personal verhalten, ja, es kann auch ein Ich-Erzähler sein (aber niemals ein autodiegetischer, weil er ja heterodiegetisch ist).
Wem diese Begriffe zu kompliziert sind, dem sei die Terminologie Wolf Schmids vorgeschlagen: einen homodiegetischen Erzähler nennt er diegetisch, einen heterodiegetischen nichtdiegetisch. Es ist sicherlich auch eine Frage des subjektiven Geschmacks. Aus unerklärlichen Gründen benutze ich persönlich lieber die Begriffe von Genette, habe aber nichts gegen die Verwendung der Bezeichnungen von Schmid.
Um das noch weiter zu verkomplizieren, erinnern wir uns, dass es gelegentlich vorkommt, dass ein Werk mehrere Erzähler hat. Das ist der Fall, wenn die Handlung im buchstäblichen Sinne verschachtelt ist. Ich hoffe, ihr habt alle in eurer Kindheit den Trickfilm "Balto" gesehen? Er hat nämlich zwei Ebenen: Es gibt einerseits die eigentliche Handlung mit Balto, Boris, Jenna, Steele und der Epidemie in Nome und andererseits die als Realfilm gedrehte Rahmenhandlung, in der Rosie, die als kleines Mädchen von Balto gerettet wurde, ihrer Enkelin diese Geschichte erzählt. Die Geschichte von Balto ist ganz klar die eigentliche Diegese, aber was ist die Rahmenhandlung? Offenbar handelt es sich in diesem Fall um zwei Ebenen der Diegese, eine intradiegetische und eine extradiegetische, eine eigentliche innere Handlung und eine äußere Rahmenhandlung. Um aber zum Erzähler zurückzukehren: Die intradiegetische und die extradiegetische Ebene haben verschiedene Erzähler, wobei der eine natürlich durch den anderen wiedergegeben wird, wodurch eine Hierarchie entsteht, die manchmal zwar irrelevant ist, in anderen Fällen aber nicht außer Acht gelassen werden sollte.
Es kommt auch vor, dass eine Figur der intradiegetischen Ebene etwas erzählt, wodurch eine dritte Schachtel zustande kommt, nämlich die metadiegetische Erzählebene. Die nächste Erzählebene wäre dementsprechend die metametadiegetische Ebene, die Schachtel in der metameta-Schachtel hieße dann metametametadiegetische Ebene usw.
Also alles nochmal geordnet, ganz dreist übernommen aus "Einführung in die Erzähltheorie" von Martinez/Scheffel:
extradiegetisch = Erzählen
intradiegetisch = erzähltes Erzählen
metadiegetisch = erzähltes erzähltes Erzählen
metametadiegetisch = erzähltes erzähltes erzähltes Erzählen
etc.
Alles klar? Wie gesagt: Ziemlich verschachtelt, nicht wahr? Hehe.
Wolf Schmid schlägt hier wieder eine einfachere Terminologie vor als die von Genette (ja, auch diese Begriffe kommen ursprünglich von ihm): Statt der extra-, intra- und metadiegetischen Ebene hat er die primäre, sekundäre und tertiäre Erzählebene und somit einen primären, einen sekundären, und einen tertiären Erzähler. Welche Terminologie ihr bevorzugt, sei auch hier euch überlassen.
Zum guten Schluss, in der Hoffnung, ein wenig mehr Klarheit zu schaffen, möchte ich versuchen, zu den sich ergebenden Erzählertypen konkrete Beispiele anzuführen:
Extradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler (primärer nichtdiegetischer Erzähler): Der Erzähler tritt nicht als Figur auf, er ist nicht Teil der Handlung, meistens deutet er dem Leser gegenüber seine Präsenz nicht einmal an.
Das ist zum Beispiel im "Herrn der Ringe" der Fall und in "Harry Potter". Letzteres wird einfach erzählt, existiert quasi für sich, die Erzählinstanz bleibt unsichtbar. Bei "Der Herr der Ringe" wird es etwas schwieriger, da das Werk über eine Einführung verfügt, in der der Erzähler in Erscheinung tritt, aber eindeutig fiktiv ist. Gleich die ersten Worte der Einführung lauten: "Das Buch handelt weitgehend von Hobbits, und aus seinen Seiten kann ein Leser viel über ihren Charakter und ein wenig über ihre Geschichte erfahren. Weitere Einzelheiten sind auch in der Auswahl aus dem Roten Buch der Westmark zu finden, die unter dem Titel 'Der Hobbit' bereits veröffentlicht wurde." Es wird so getan, als gäbe es die Hobbits tatsächlich und beim "Hobbit" und beim "Herrn der Ringe" handele es sich um eine "Auswahl aus dem Roten Buch der Westmark". Die Einführung wird somit als Teil der narrativen Welt gekennzeichnet. Die Präsenz des Erzählers wird dadurch deutlich, dass eine "Auswahl" einen "Auswähler" voraussetzt, der im Übrigen auch für die "wissenschaftliche" Abhandlung über die Hobbits verantwortlich ist. Dass der Erzähler sich mehr oder weniger direkt an die Leser wendet, ist ebenfalls ein klarer Hinweis auf seine Existenz. Im Text finden sich sogar angedeutete Selbstbeschreibungen des Erzählers, beispielsweise: "Selbst in den alten Zeiten empfanden sie in der Regel Scheu vor dem 'Großen Volk', wie sie uns nennen, und heute meiden sie uns voll Schrecken und sind nur noch schwer zu finden." Dass der Erzähler hier von "uns" spricht, ist ein Hinweis darauf, dass es sich um einen Menschen handelt.
Extradiegetisch-homodiegetischer Erzähler (primärer diegetischer Erzähler): Der Erzähler ist eine Figur innerhalb der Erzählung und gibt die äußerste Ebene der Handlung wieder.
Heutzutage wohl berühmtestes Beispiel: Bis(s). Die Geschichte wird durch die Protagonistin Bella Swan erzählt, sodass wir hier sogar den Sonderfall eines autodiegetischen Erzählers haben. Ein extradiegetisch-homodiegetischer Erzähler, der nicht autodiegetisch ist, wäre der pseudo-romantische Erzähler in Puschkins "Stationsaufseher" (siehe Kapitel 1).
Intradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler (sekundärer nichtdiegetischer Erzähler): Eine Figur innerhalb der (extradiegetisch-hetero- oder homodiegetischen) Erzählung erzählt von Ereignissen, an denen sie selbst aber nicht beteiligt war.
Es gäbe da zig tausend Beispiele, genannt sei "Der geheime Garten" von Frances H. Burnett. Innerhalb der Erzählung des extradiegetisch-heterodiegetischen Erzählers tauchen Charaktere auf, die der Protagonistin Mary Lennox nach und nach erzählen, was vor zehn Jahren geschehen ist: Nachdem die Schwester ihrer Mutter gestorben ist, ist ihr Ehemann in eine tiefe Depression gestürzt, hat ihren Rosengarten abgeschlossen und den Schlüssel vergraben. Die eigentliche Handlung besteht darin, dass Mary den Garten sucht, findet und dort ihre eigene Welt aufbaut. Mrs. Medlock, Martha und andere, falls ich noch jemanden vergessen habe, liefern ihr die Hintergrundgeschichte des Gartens, aber sie selbst waren daran nicht beteiligt. So weit ich mich erinnere. Martha auf jeden Fall nicht, da sie vor zehn Jahren noch nicht zum Personal des Anwesens gehörte.
Intradiegetisch-homodiegetischer Erzähler (sekundärer diegetischer Erzähler): Eine Figur innerhalb der (extradiegetisch-hetero- oder homodiegetischen) Erzählung erzählt von Ereignissen, an denen sie beteiligt war.
Um beim Beispiel zu bleiben: Während Martha noch nicht da war, als Marys Tante starb, ist der Beitrag des Gärtners Ben Weatherstaff zur Hintergrundgeschichte durchaus homodiegetisch, als er Mary erzählt, wie ihre Tante ihm aufgetragen hatte, die Rosen in ihrem Garten zu pflegen. Als intradiegetisch-homodiegetischer Erzähler tritt im "Stationsaufseher" der Stationsaufseher Samson Vyrin selbst auf, als er dem extradiegetisch-homodiegetischen Erzähler vom Verlust seiner Tochter berichtet. Während die Erzählung von Ben Weatherstaff jedoch wörtlich dasteht (durch die Anführungsstiche/wörtliche Rede hat sie zumindest den Anspruch, ein Original-Zitat zu sein, hinterfragen kann man aber prinzipiell und immer ;) ), wird Vyrins Erzählung größtenteils durch den extradiegetischen Erzähler wiedergegeben (erlebte Rede), was explizit heißt, dass das Geschehen von gleich zwei Erzählperspektiven "bearbeitet" wurde.
Den metadiegetisch-heterodiegetischen Erzähler (tertiären nichtdiegetischen Erzähler) und den metadiegetisch-homodiegetischen (tertiären diegetischen Erzähler) spare ich mir, da es hier für einen groben Überblick mal wieder zu kompliziert und zu verzweigt wird und ich zudem annehme, dass der geneigte Leser das Prinzip längst verstanden hat. Außerdem ist es höchste Zeit, dieses Kapitel anzuschließen und Zeit zum Verdauen der Termini-Flut zu geben. Deswegen mache ich an dieser Stelle abrupt Schluss mit der Anmerkung, dass wir uns im nächsten und letzten Kapitel endlich der Perspektive an sich widmen werden.