Moments of Immortality (Fragmente)
von CarlisleVolturi
Kurzbeschreibung
Eine Sammlung unsterblicher und zugleich unvergesslicher Momente. Taucht ein in eine Weilt voller Liebe, Hass und Trauer. / Eine Sammlung kleiner Momente, die mir durch den Kopf gehen, teilweise Outtakes meiner anderen Storys.
GeschichteAllgemein / P18 / MaleSlash
Carlisle Cullen
Esme Cullen
07.01.2011
09.01.2022
89
149.974
11
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Dieses Kapitel
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21.03.2017
2.103
Dieses Kapitel zählt zu denjenigen, die viel zu lange halbfertig auf dem Laptop liegen, weil sie eigentlich als Einstieg in einen neuen Plot dienen sollten. Wenn ich mir aber so ansehe, was ich alles noch schreiben möchte, ist es vielleicht ratsam, das Kapitel hier doch erstmal in diese Sammlung aufzunehmen.
Leise schloss sie die Tür hinter sich, um die Stille dieses Ortes nicht zu stören. Die hohen Gewölbe, welche die ebenso hoch aufragenden Regale umfassten, ließen die Vampirin ehrfürchtig erstarren. Renata liebte diesen Ort. Sie liebte es, ziellos durch die Reihen der Regale zu wandeln und den Blick über die uralten und unzähligen Buchrücken schweifen zu lassen. Tage, wenn nicht sogar Wochen konnte sie hier verbringen, ohne, dass ihr langweilig werden würde. An diesem Ort gab es einfach immer wieder Neues und Interessantes zu entdecken, von dem sie einfach nicht genug bekommen konnte und von dem sie manchmal nicht einmal etwas geahnt hatte.
Einiges von dem, was hier an diesem Ort an Schätzen der Literatur aufbewahrt wurde, hatte sie bereits gelesen. Anderes wiederum kannte sie nur aus Gesprächen mit anderen Wächtern. Es gab Dokumentationen über vergangene Einsätze der Garde, Berichte von Wächtern, die ausgeschickt worden waren, um feindliche Vampire oder Clans auszuspionieren, Briefwechsel mit Freunden und Feinden. Diese Liste konnte man endlos fortsetzen. Diese Bibliothek hatte einfach alles zu bieten, was das Herz eines jeden höher schlagen ließ, der sich für Historie und Literatur interessierte.
Auf leisen Sohlen, um gar niemanden zu stören, der sich vielleicht hier aufhielt, lief sie einige Schritte in den Hauptgang hinein auf die Treppe zu, die auf die Galerie führte bis weit unter die Kuppel des Raumes hinauf. Wahllos bog sie in einen kleineren Gang ein, mittenhindurch zwischen Bücherreihen, die bis hinauf zur Decke zu reichen schienen. Kleine Messingschilder an den Regalen gaben Auskunft über die zeitliche Epoche der Schriftstücke, die dort gelagert waren. Irgendwann war diese Beschilderung eingeführt worden, um eine bessere Orientierung zu gewährleisten. Nicht, dass Vampire diese brauchen würden. Doch Renata fand diese Beschilderung passend, da sie dem Raum zusätzlich zu der Anordnung der Regale, Struktur verlieh.
Plötzlich hielt sie mitten im Gang inne. Was genau sie dazu veranlasst hatte, konnte sie im ersten Augenblick nicht sagen. Vielleicht war es ein Gefühl das ihr Unterbewusstsein ihr vermittelte. Ihr Blick war ziellos über die Buchrücken geglitten. Es war nichts Bestimmtes nach dem sie suchte. Einfach nur etwas Unterhaltungsliteratur, damit sie sich die freie Zeit angenehmer gestalten konnte.
Dann sah sie es, da ihr Blick fast magisch davon angezogen zu werden schien.
Ein unscheinbares Buch das so gar nicht in das Gesamtbild passen wollte. Es sah nicht so alt und abgegriffen aus, wie die anderen Exemplare drumherum. So, als ob es noch nicht lange dort stand und nachträglich platziert worden war.
Gepackt vor Neugierde nahm Renata dieses Buch an sich und suchte sich einen Platz am Fenster. Von dort aus konnte sie direkt in den Innenhof blicken. Sie sah Therasia zusammen mit Marcus am Brunnen. Täuschten sie ihre Augen, oder klebte die Kleidung der Gardistin nass an ihrem Körper? War sie etwa in den Brunnen gefallen? Oder hatte gar Marcus selbst sie hineingestoßen? Renata kicherte bei dieser Vorstellung. Manch ein Jungvampir konnte die Schnelligkeit und Kraft, die ihm zur Verfügung stand, nicht einschätzen. Da kam es vor, dass solche Missgeschicke passierten sehr zur Erheiterung der älteren Gardisten.
Sie machte es sich auf der steinernen Fensterbank bequem und betrachtete das Buch in ihren Händen genauer. Vorsichtig strich sie mit den Fingerspitzen über den Einband, aus Angst, es zu zerstören, wenn sie mehr Kraft aufwandte als notwendig war.
Der Einband des Buches war in einem schlichten Braun gehalten und ein Titel war nicht zu finden. Das Leder fühlte sich weich auf ihrer Haut an. Renata schlug die erste Seite auf.
Renata las diese Zeile immer und immer wieder, um ihren Inhalt und vor allem den Wert des Buches zu verstehen. Hielt sie wirklich ein Relikt vergangener Wächter in Händen und konnte etwas über sie erfahren? Über die tapferen Seelen, die einst dieses Schloss bevölkert hatten? Sollte sie ihrem Wunsch, mehr über die Generation vergangener Wächter zu erfahren, endlich wieder ein Stück näher gekommen sein?
Ehrfürchtig blätterte sie auf die nächste Seite um und konnte ihr Glück noch nicht so recht fassen. Ein Mädchen blickte ihr entgegen, das ihr sehr bekannt vorkam. Jedes Detail war genau getroffen angefangen von den Augen bis hin zur letzten Haarsträhne. Die Mimik wirkte nachdenklich, so als versuche sie, einen Gedanken zu fassen, der im Begriff war, sich zu verflüchtigen. Diese Zeichnung war ein Meisterwerk. Das sah die Wächterin auf den ersten Blick. Eine Widmung oder ein Kürzel des Künstlers oder der Künstlerin suchte man vergebens. Ebenso war keine Jahreszahl angegeben, die auf das Alter der Zeichnung schließen ließ. Wie alt mochte diese Zeichnung sein? Und wie alt mochte demzufolge dieses Buch sein?
Die Wächterin grübelte, wo sie das Gesicht schon einmal gesehen hatte. War es auf einem Gemälde gewesen? Oder doch woanders? Es gab zahlreiche Gemälde im Schloss, die sie nicht alle im Gedächtnis hatte. Nicht nur die Meister waren mit Ölfarben auf Leinwand in goldenen Rahmen festgehalten worden. Auch Wächtern war dieses Privileg vergönnt, wenn sie große Taten vollbracht hatten.
Kaum jemand wusste von der Galerie der Helden, wie sie auch genannt wurde. Vor Monaten war sie auf diesen geheimen Ort gestoßen und hatte bis dahin noch nicht einmal gewusst, dass solche Gemälde überhaupt existierten.
Dort konnte Renata ihre Recherche beginnen. Und vielleicht kam sie ja schneller zu einer plausiblen Erklärung, als sie dachte. Ihre Neugierde war geweckt worden und so hatte sie gleich eine Beschäftigung, der sie nachgehen konnte. Was eignete sich besser bei strahlendem Sonnenschein, als genau das?
Vielleicht gab es ja jemanden im Schloss, der diese geheimnisvolle Unbekannte sogar kannte. Die Meister konnten ihr sicherlich etwas über sie erzählen, aber warum die Herren des Schlosses damit behelligen, wenn sie Wichtigeres zu tun hatten? Sicherlich schienen sie prädestiniert dafür, ihr Antworten zu geben und doch scheute sie sich davor, gleich sie zu fragen. Erst einmal würde sie selbst Nachforschungen anstellen. Sie hatte Zeit und konnte diese so sinnvoll nutzen.
Vielleicht aber, erklärte auch dieses Buch einige Fragen, die der Wächterin keine Ruhe mehr ließen. Wen sollte sie fragen, wo anfangen, mehr über vergangene Zeiten herauszufinden? Die Galerie der Helden bot schon einen guten Überblick und dennoch waren doch bestimmt Anekdoten und dergleichen niedergeschrieben worden, wie sie es heutzutage auch schon taten?
Zunächst würde sie eigene Recherchen anstellen. Wenn sie dann nicht weiter kam, konnte sie sich immer noch an einen Meister wenden.
Renata lief durch die langen Gänge des Schlosses auf der Suche nach einem Gemälde, das die rätselhafte Vampirin darstellte. Mittlerweile war sie sich wirklich sicher, dass es sich bei der Zeichnung um eine Vampirin handeln musste.
Sie nahm sich die Zeit, jedem Gemälde viel Aufmerksamkeit zu widmen, um etwas über die geheimnisvolle Unbekannte herauszufinden. Jedes Gemälde erzählte eine eigene Geschichte und Renata könnte diesen ewig lauschen und sich in den Schicksalen geradezu verlieren. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie diese Galerie gerade entdeckt und hatte die Zeit vergessen, wenn sie hier gesessen und die Antlitze bewundert hatte. Erst Meister Aro hatte sie in die Realität zurückgeholt und sie war nicht gerade dankbar gewesen dafür. Wochen und Monate später hatte sie ihre Wut und ihr Unverständnis darüber nur schwer verbergen können und zwangsläufig hatte er es irgendwann erfahren müssen.
Niemand wusste genau, wie viele Vampire dieses Schloss bereits bewohnt hatten, außer die hohen Herrscher selbst. Und diese wollte Renata noch nicht um Rat fragen. Sie war sich nicht sicher, ob sie Aro überhaupt von diesem Buch erzählen sollte. Vermutlich würde er es sowieso durch ihre Gedanken erfahren, bevor sie sich dazu durchgerungen hatte, ihren Fund mit ihm zu teilen.
Vielleicht hatte er es sogar bereits selbst in der Hand gehalten und darin geblättert, in Gedanken an längst vergangene Zeiten versunken. Vielleicht hatte er sich genau die gleichen Fragen gestellt, wie sie. Vielleicht wusste er bereits die Antwort, die sie vergeblich suchte.
Vielleicht …
„Renata. So geschäftig wie eh und je. Ich werde wohl nie verstehen, warum du dir so selten einen freien Tag fernab von deinen Pflichten zugestehst. Oder gönnt Aro dir das etwa nicht?“
Sie hatte nicht damit gerechnet, gerade ihm über den Weg zu laufen. Caius.
„Da irrt Ihr euch“, erwiderte sie. „Gerade heute habe ich einen freien Tag, wenn man ihn denn so nennen will“, entgegnete sie.
„Dann genieße ihn Renata.“ Sein Blick fiel auf das Buch in ihren Händen. „Sich die Zeit mit einem guten Buch zu vertreiben, ist immer eine gute Wahl. Zu lange schon habe ich mich nicht mehr in der Bibliothek umgesehen. Es wird Zeit, dass ich es wieder tue.“
Sollte sie die Chance nutzen und ihn fragen, ob er ihr etwas über die Vampirin erzählen konnte? Wann bot sich wieder so eine Chance?
„Das werde ich. Vielleicht können Sie mir sogar helfen Meister. Ich bin auf eine Zeichnung gestoßen. Die Vampirin darauf kommt mir sehr bekannt vor. Nur kann ich sie nicht einordnen und ich wüsste gern, wer sie war.“
Sie schlug die Seite des Buches auf und zeigte ihm die Zeichnung, ohne auf eine Antwort seinerseits zu warten.
Ihr war, als würde sie ein mitleidiges Seufzen von dem Herrscher vernehmen, dessen Augen einen traurigen Zug annahmen, als er das Bild eingehend betrachtete. „Sie war eine sehr treue und tapfere Wächterin und bewohnte dieses Schloss vor sehr langer Zeit. Ich kann mich noch sehr gut an ihr fröhliches Wesen erinnern. Viel zu früh ist sie von uns gegangen. Gefallen in einem Kampf, der für lange Zeit als der grausamste unserer Geschichte galt. Ein tragisches Schicksal.“
„Wie war ihr Name?“
„Lukretia.“
Nach dem Gespräch mit Caius suchte Renata erneut die Bibliothek auf. Jetzt, wo sie einen Namen hatte, konnte sie weiter recherchieren. Der Herrscher hatte nur Andeutungen gemacht und Renata hatte nicht zu neugierig erscheinen wollen. Deshalb hatte sie nicht weiter nachgefragt. Sie würde schon noch selbst auf die richtigen Antworten kommen. Ihre Neugierde und der Ehrgeiz waren geweckt.
Es existierte eine Chronik des Schlosses. Irgendwo in diesem Raum. Renata selbst wusste zwar von der Existenz dieses Schriftstückes, hatte es jedoch noch nie in Händen gehalten. Dort waren, soweit sie sich erinnern konnte, sämtliche Gardisten aufgeführt, die jemals der Garde beigetreten waren. Und wenn Lukretia im Kampf gefallen war, dann würde sich etwas über sie in dieser Chronik finden lassen. Da war sie sich sicher. Im Kampf gefallenen Gardisten galten oft in der jüngeren Wächtergeneration als Helden und diese waren innerhalb des Schlosses in der Galerie der Helden verewigt worden. Und Renata hatte so ein Gefühl, dass sich jemand hingesetzt und die Geschichte einiger tapferer Wächter niedergeschrieben hatte, damit sie Jahrhunderte überdauern konnte.
Die Sonne war bereits untergegangen und Renata hatte völlig die Zeit vergessen so sehr war sie von dem Gedanken eingenommen, eine Chronik der Wächter zu finden.
Sie hatte schon einmal von diesem Schriftstück gehört, doch noch nie einen Blick hinein geworfen. Ob diese Chronik überhaupt existierte, oder nur ein Mythos war, wusste sie ebenfalls nicht.
Was für Geschichten würden sie in dieser Chronik erwarten? Über wie viele Gardisten würde sie etwas darin finden? Was war dort alles dokumentiert? Und wenn sie wirklich existierte, wo wurde sie aufbewahrt? Wirklich in der Bibliothek, oder einem doch ganz anderen, wohlmöglich sicheren, Ort?
Renata hatte immer noch das kleine Büchlein in Händen und lief in Gedanken versunken durch die Bibliothek. Irgendwo musste es doch einen Hinweis geben!
Und plötzlich wusste sie ganz genau, wo sie suchen musste.
*
Immer und immer wieder las Renata die Zeilen auf dem Pergament, welches sie vorsichtig auf dem Tisch vor sich ausgebreitete hatte. Es schien eine Art Vorwort zu sein zu einem Werk, was wirklich sehr schwer zu finden gewesen war. Sie hatte die Hoffnung schon so gut wie aufgegeben gehabt und sich schweren Herzens mit dem Gedanken abgefunden, dass die Chronik nur ein Mythos sein musste.
„In Erinnerung an all jene die im Kampf für die Gerechtigkeit ihr Leben ließen. Ihr werdet immer ein Teil von uns sein, auch wenn wir nie die Gelegenheit hatten, euch für euren Mut und eure Tapferkeit zu danken. Die Wächter des Jahres 1578.“
Diese wenigen Zeilen riefen eine tiefe Zuneigung und zugleich Traurigkeit in Renata hervor. Dieses Buch das sie in Händen hielt, war allem Anschein nach ein Werk, das über viele Jahrzehnte hinweg gut gepflegt und immer weiter von Wächtern des Schlosses vervollständigt worden war.
Ein Schatz unter Vielen von unschätzbarem Wert.
Ein Schatz unter vielen
Leise schloss sie die Tür hinter sich, um die Stille dieses Ortes nicht zu stören. Die hohen Gewölbe, welche die ebenso hoch aufragenden Regale umfassten, ließen die Vampirin ehrfürchtig erstarren. Renata liebte diesen Ort. Sie liebte es, ziellos durch die Reihen der Regale zu wandeln und den Blick über die uralten und unzähligen Buchrücken schweifen zu lassen. Tage, wenn nicht sogar Wochen konnte sie hier verbringen, ohne, dass ihr langweilig werden würde. An diesem Ort gab es einfach immer wieder Neues und Interessantes zu entdecken, von dem sie einfach nicht genug bekommen konnte und von dem sie manchmal nicht einmal etwas geahnt hatte.
Einiges von dem, was hier an diesem Ort an Schätzen der Literatur aufbewahrt wurde, hatte sie bereits gelesen. Anderes wiederum kannte sie nur aus Gesprächen mit anderen Wächtern. Es gab Dokumentationen über vergangene Einsätze der Garde, Berichte von Wächtern, die ausgeschickt worden waren, um feindliche Vampire oder Clans auszuspionieren, Briefwechsel mit Freunden und Feinden. Diese Liste konnte man endlos fortsetzen. Diese Bibliothek hatte einfach alles zu bieten, was das Herz eines jeden höher schlagen ließ, der sich für Historie und Literatur interessierte.
Auf leisen Sohlen, um gar niemanden zu stören, der sich vielleicht hier aufhielt, lief sie einige Schritte in den Hauptgang hinein auf die Treppe zu, die auf die Galerie führte bis weit unter die Kuppel des Raumes hinauf. Wahllos bog sie in einen kleineren Gang ein, mittenhindurch zwischen Bücherreihen, die bis hinauf zur Decke zu reichen schienen. Kleine Messingschilder an den Regalen gaben Auskunft über die zeitliche Epoche der Schriftstücke, die dort gelagert waren. Irgendwann war diese Beschilderung eingeführt worden, um eine bessere Orientierung zu gewährleisten. Nicht, dass Vampire diese brauchen würden. Doch Renata fand diese Beschilderung passend, da sie dem Raum zusätzlich zu der Anordnung der Regale, Struktur verlieh.
Plötzlich hielt sie mitten im Gang inne. Was genau sie dazu veranlasst hatte, konnte sie im ersten Augenblick nicht sagen. Vielleicht war es ein Gefühl das ihr Unterbewusstsein ihr vermittelte. Ihr Blick war ziellos über die Buchrücken geglitten. Es war nichts Bestimmtes nach dem sie suchte. Einfach nur etwas Unterhaltungsliteratur, damit sie sich die freie Zeit angenehmer gestalten konnte.
Dann sah sie es, da ihr Blick fast magisch davon angezogen zu werden schien.
Ein unscheinbares Buch das so gar nicht in das Gesamtbild passen wollte. Es sah nicht so alt und abgegriffen aus, wie die anderen Exemplare drumherum. So, als ob es noch nicht lange dort stand und nachträglich platziert worden war.
Gepackt vor Neugierde nahm Renata dieses Buch an sich und suchte sich einen Platz am Fenster. Von dort aus konnte sie direkt in den Innenhof blicken. Sie sah Therasia zusammen mit Marcus am Brunnen. Täuschten sie ihre Augen, oder klebte die Kleidung der Gardistin nass an ihrem Körper? War sie etwa in den Brunnen gefallen? Oder hatte gar Marcus selbst sie hineingestoßen? Renata kicherte bei dieser Vorstellung. Manch ein Jungvampir konnte die Schnelligkeit und Kraft, die ihm zur Verfügung stand, nicht einschätzen. Da kam es vor, dass solche Missgeschicke passierten sehr zur Erheiterung der älteren Gardisten.
Sie machte es sich auf der steinernen Fensterbank bequem und betrachtete das Buch in ihren Händen genauer. Vorsichtig strich sie mit den Fingerspitzen über den Einband, aus Angst, es zu zerstören, wenn sie mehr Kraft aufwandte als notwendig war.
Der Einband des Buches war in einem schlichten Braun gehalten und ein Titel war nicht zu finden. Das Leder fühlte sich weich auf ihrer Haut an. Renata schlug die erste Seite auf.
„Geschichten über tapfere Helden die die Zeit überdauern werden und uns als Andenken an jene dienen, die den Mut hatten ihr Leben für das Anderer zu geben.“
Renata las diese Zeile immer und immer wieder, um ihren Inhalt und vor allem den Wert des Buches zu verstehen. Hielt sie wirklich ein Relikt vergangener Wächter in Händen und konnte etwas über sie erfahren? Über die tapferen Seelen, die einst dieses Schloss bevölkert hatten? Sollte sie ihrem Wunsch, mehr über die Generation vergangener Wächter zu erfahren, endlich wieder ein Stück näher gekommen sein?
Ehrfürchtig blätterte sie auf die nächste Seite um und konnte ihr Glück noch nicht so recht fassen. Ein Mädchen blickte ihr entgegen, das ihr sehr bekannt vorkam. Jedes Detail war genau getroffen angefangen von den Augen bis hin zur letzten Haarsträhne. Die Mimik wirkte nachdenklich, so als versuche sie, einen Gedanken zu fassen, der im Begriff war, sich zu verflüchtigen. Diese Zeichnung war ein Meisterwerk. Das sah die Wächterin auf den ersten Blick. Eine Widmung oder ein Kürzel des Künstlers oder der Künstlerin suchte man vergebens. Ebenso war keine Jahreszahl angegeben, die auf das Alter der Zeichnung schließen ließ. Wie alt mochte diese Zeichnung sein? Und wie alt mochte demzufolge dieses Buch sein?
Die Wächterin grübelte, wo sie das Gesicht schon einmal gesehen hatte. War es auf einem Gemälde gewesen? Oder doch woanders? Es gab zahlreiche Gemälde im Schloss, die sie nicht alle im Gedächtnis hatte. Nicht nur die Meister waren mit Ölfarben auf Leinwand in goldenen Rahmen festgehalten worden. Auch Wächtern war dieses Privileg vergönnt, wenn sie große Taten vollbracht hatten.
Kaum jemand wusste von der Galerie der Helden, wie sie auch genannt wurde. Vor Monaten war sie auf diesen geheimen Ort gestoßen und hatte bis dahin noch nicht einmal gewusst, dass solche Gemälde überhaupt existierten.
Dort konnte Renata ihre Recherche beginnen. Und vielleicht kam sie ja schneller zu einer plausiblen Erklärung, als sie dachte. Ihre Neugierde war geweckt worden und so hatte sie gleich eine Beschäftigung, der sie nachgehen konnte. Was eignete sich besser bei strahlendem Sonnenschein, als genau das?
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Vielleicht gab es ja jemanden im Schloss, der diese geheimnisvolle Unbekannte sogar kannte. Die Meister konnten ihr sicherlich etwas über sie erzählen, aber warum die Herren des Schlosses damit behelligen, wenn sie Wichtigeres zu tun hatten? Sicherlich schienen sie prädestiniert dafür, ihr Antworten zu geben und doch scheute sie sich davor, gleich sie zu fragen. Erst einmal würde sie selbst Nachforschungen anstellen. Sie hatte Zeit und konnte diese so sinnvoll nutzen.
Vielleicht aber, erklärte auch dieses Buch einige Fragen, die der Wächterin keine Ruhe mehr ließen. Wen sollte sie fragen, wo anfangen, mehr über vergangene Zeiten herauszufinden? Die Galerie der Helden bot schon einen guten Überblick und dennoch waren doch bestimmt Anekdoten und dergleichen niedergeschrieben worden, wie sie es heutzutage auch schon taten?
Zunächst würde sie eigene Recherchen anstellen. Wenn sie dann nicht weiter kam, konnte sie sich immer noch an einen Meister wenden.
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Renata lief durch die langen Gänge des Schlosses auf der Suche nach einem Gemälde, das die rätselhafte Vampirin darstellte. Mittlerweile war sie sich wirklich sicher, dass es sich bei der Zeichnung um eine Vampirin handeln musste.
Sie nahm sich die Zeit, jedem Gemälde viel Aufmerksamkeit zu widmen, um etwas über die geheimnisvolle Unbekannte herauszufinden. Jedes Gemälde erzählte eine eigene Geschichte und Renata könnte diesen ewig lauschen und sich in den Schicksalen geradezu verlieren. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte sie diese Galerie gerade entdeckt und hatte die Zeit vergessen, wenn sie hier gesessen und die Antlitze bewundert hatte. Erst Meister Aro hatte sie in die Realität zurückgeholt und sie war nicht gerade dankbar gewesen dafür. Wochen und Monate später hatte sie ihre Wut und ihr Unverständnis darüber nur schwer verbergen können und zwangsläufig hatte er es irgendwann erfahren müssen.
Niemand wusste genau, wie viele Vampire dieses Schloss bereits bewohnt hatten, außer die hohen Herrscher selbst. Und diese wollte Renata noch nicht um Rat fragen. Sie war sich nicht sicher, ob sie Aro überhaupt von diesem Buch erzählen sollte. Vermutlich würde er es sowieso durch ihre Gedanken erfahren, bevor sie sich dazu durchgerungen hatte, ihren Fund mit ihm zu teilen.
Vielleicht hatte er es sogar bereits selbst in der Hand gehalten und darin geblättert, in Gedanken an längst vergangene Zeiten versunken. Vielleicht hatte er sich genau die gleichen Fragen gestellt, wie sie. Vielleicht wusste er bereits die Antwort, die sie vergeblich suchte.
Vielleicht …
„Renata. So geschäftig wie eh und je. Ich werde wohl nie verstehen, warum du dir so selten einen freien Tag fernab von deinen Pflichten zugestehst. Oder gönnt Aro dir das etwa nicht?“
Sie hatte nicht damit gerechnet, gerade ihm über den Weg zu laufen. Caius.
„Da irrt Ihr euch“, erwiderte sie. „Gerade heute habe ich einen freien Tag, wenn man ihn denn so nennen will“, entgegnete sie.
„Dann genieße ihn Renata.“ Sein Blick fiel auf das Buch in ihren Händen. „Sich die Zeit mit einem guten Buch zu vertreiben, ist immer eine gute Wahl. Zu lange schon habe ich mich nicht mehr in der Bibliothek umgesehen. Es wird Zeit, dass ich es wieder tue.“
Sollte sie die Chance nutzen und ihn fragen, ob er ihr etwas über die Vampirin erzählen konnte? Wann bot sich wieder so eine Chance?
„Das werde ich. Vielleicht können Sie mir sogar helfen Meister. Ich bin auf eine Zeichnung gestoßen. Die Vampirin darauf kommt mir sehr bekannt vor. Nur kann ich sie nicht einordnen und ich wüsste gern, wer sie war.“
Sie schlug die Seite des Buches auf und zeigte ihm die Zeichnung, ohne auf eine Antwort seinerseits zu warten.
Ihr war, als würde sie ein mitleidiges Seufzen von dem Herrscher vernehmen, dessen Augen einen traurigen Zug annahmen, als er das Bild eingehend betrachtete. „Sie war eine sehr treue und tapfere Wächterin und bewohnte dieses Schloss vor sehr langer Zeit. Ich kann mich noch sehr gut an ihr fröhliches Wesen erinnern. Viel zu früh ist sie von uns gegangen. Gefallen in einem Kampf, der für lange Zeit als der grausamste unserer Geschichte galt. Ein tragisches Schicksal.“
„Wie war ihr Name?“
„Lukretia.“
***
Nach dem Gespräch mit Caius suchte Renata erneut die Bibliothek auf. Jetzt, wo sie einen Namen hatte, konnte sie weiter recherchieren. Der Herrscher hatte nur Andeutungen gemacht und Renata hatte nicht zu neugierig erscheinen wollen. Deshalb hatte sie nicht weiter nachgefragt. Sie würde schon noch selbst auf die richtigen Antworten kommen. Ihre Neugierde und der Ehrgeiz waren geweckt.
Es existierte eine Chronik des Schlosses. Irgendwo in diesem Raum. Renata selbst wusste zwar von der Existenz dieses Schriftstückes, hatte es jedoch noch nie in Händen gehalten. Dort waren, soweit sie sich erinnern konnte, sämtliche Gardisten aufgeführt, die jemals der Garde beigetreten waren. Und wenn Lukretia im Kampf gefallen war, dann würde sich etwas über sie in dieser Chronik finden lassen. Da war sie sich sicher. Im Kampf gefallenen Gardisten galten oft in der jüngeren Wächtergeneration als Helden und diese waren innerhalb des Schlosses in der Galerie der Helden verewigt worden. Und Renata hatte so ein Gefühl, dass sich jemand hingesetzt und die Geschichte einiger tapferer Wächter niedergeschrieben hatte, damit sie Jahrhunderte überdauern konnte.
Die Sonne war bereits untergegangen und Renata hatte völlig die Zeit vergessen so sehr war sie von dem Gedanken eingenommen, eine Chronik der Wächter zu finden.
Sie hatte schon einmal von diesem Schriftstück gehört, doch noch nie einen Blick hinein geworfen. Ob diese Chronik überhaupt existierte, oder nur ein Mythos war, wusste sie ebenfalls nicht.
Was für Geschichten würden sie in dieser Chronik erwarten? Über wie viele Gardisten würde sie etwas darin finden? Was war dort alles dokumentiert? Und wenn sie wirklich existierte, wo wurde sie aufbewahrt? Wirklich in der Bibliothek, oder einem doch ganz anderen, wohlmöglich sicheren, Ort?
Renata hatte immer noch das kleine Büchlein in Händen und lief in Gedanken versunken durch die Bibliothek. Irgendwo musste es doch einen Hinweis geben!
Und plötzlich wusste sie ganz genau, wo sie suchen musste.
*
Immer und immer wieder las Renata die Zeilen auf dem Pergament, welches sie vorsichtig auf dem Tisch vor sich ausgebreitete hatte. Es schien eine Art Vorwort zu sein zu einem Werk, was wirklich sehr schwer zu finden gewesen war. Sie hatte die Hoffnung schon so gut wie aufgegeben gehabt und sich schweren Herzens mit dem Gedanken abgefunden, dass die Chronik nur ein Mythos sein musste.
„In Erinnerung an all jene die im Kampf für die Gerechtigkeit ihr Leben ließen. Ihr werdet immer ein Teil von uns sein, auch wenn wir nie die Gelegenheit hatten, euch für euren Mut und eure Tapferkeit zu danken. Die Wächter des Jahres 1578.“
Diese wenigen Zeilen riefen eine tiefe Zuneigung und zugleich Traurigkeit in Renata hervor. Dieses Buch das sie in Händen hielt, war allem Anschein nach ein Werk, das über viele Jahrzehnte hinweg gut gepflegt und immer weiter von Wächtern des Schlosses vervollständigt worden war.
Ein Schatz unter Vielen von unschätzbarem Wert.