Motivé: Il Est Là
von SGreenD
Kurzbeschreibung
(LAW AND ORDER) Ein neuer One-Shot zu Detective Lupo aus meiner Motivé-Reihe, diesmal eine Whump-Story, und es treten jetzt auch mal andere Figuren auf als nur Lupo, Bernard und Van Buren. Ich hoffe, es gefällt. --- Leichte Spoiler für Folge 20.02, "Just a girl in the world", spielt unmittelbar nach dieser Folge.
GeschichteAllgemein / P12 / Gen
12.12.2010
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3.405
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Und hier ist mein nächster One-Shot über meinen geliebten Det. Cyrus Lupo^^ Ich muss dazu sagen, ich expertiere nicht in Whumpage, was man sicher auch merkt, ich schätze, mein Problem damit, auch, wenn ich es wahnsinnig gern lese, ist, dass es so kurzweilig ist, was mir Probleme beim Schreiben bereitet, aber ich wollte unbedingt eine Whump-Story über Lupo schreiben, deswegen ist hier mein Versuch.
Also, der Titel ist, wie beim letzten Mal, wieder von den Irie Révoltés inspiriert, wieder von „Motivé“, und diesmal auch von „Il Est Là“, ein wunderschönes Lied. Ist aber keine Songfic. Wollt ich nur mal klarstellen. Zeitlich ist es angesiedelt ganz kurze Zeit nach Folge 20.02 („Just a girl in the world“, ihr erinnert euch). Ganz leichte Spoiler für ebendiese Episode.
Disclaimer: Was WÜRDE ich für Sachen anstellen, wenn Law and Order und Cyrus Lupo meins wären… aber sie sind es nicht, und ich verdiene hiermit auch kein Geld.
Viel Spaß!!!
Motivé: Il Est Là
Manhattan, 80ste Ecke 12.
Dienstag, 21. August
Percival Henry, 45, hatte an zahlreiche junge Frauen, darunter auch einige unter 21 Jahren, Drogen verteilt, um sie dann zu Sex mit ihm zu überreden und anschließend mit einem Kissen zu ersticken. Nach eingehender Zeugenvernahme hatten Lupo und Bernard genug Indizien, um Henry festzunehmen, und weil schließlich entschieden wurde, dass der Mordaspekt schwerer wog als der sexuelle und deswegen sie den Fall behandeln würden und nicht Special Victims, warteten sie seit geraumer Zeit im Auto ca. 40 m von seinem Haus entfernt darauf, dass er auftauchte.
Die Klimaanlage im Wagen lief auf Hochtouren, es herrschte brütende Hitze in diesem späten New Yorker Sommer, und Bernard konnte Zeichen dafür sehen, wie sehr das seinem Partner zu schaffen machte.
„Alles klar, Lupes?“, fragte er zum zehnten Mal in der letzten Stunde.
„Mmmh“, machte Lupo zustimmend, ebenfalls zum zehnten Mal in der letzten Stunde, während er seine Augen geschlossen hielt und seinen Handballen gegen seine schweißüberströmte Stirn drückte, in der Hoffnung, die Kopfschmerzen, die ihn quälten, seit er die letzte Nacht durchgearbeitet hatte, würden auf wundersame Weise verschwinden. Ihm war schlecht und schwindelig, und dass sein Schädel sich anfühlte, als hätte ihm jemand eine Axt hineingehauen, half nicht gerade dabei, aber er hatte nicht vor, Bernard das auf die Nase zu binden. Oder irgendjemandem, wirklich. Es ging ihm gut.
„Mh“, machte Bernard, wenig überzeugt.
Sie schwiegen wieder für einige Minuten, bis Bernard seufzte und sich wieder seinem leidenden Partner zuwandte.
„Okay, jetzt mal ehrlich, Lupes“, begann er genervt. „Ich kann SEHEN, dass es dir mies geht; scheiße, ein Blinder könnte das sehen. Wenn du krank bist, Mann, dann solltest du dir einen Tag freinehmen, das ist keine Schande.“
„Ich BIN aber nicht krank“, widersprach Lupo. Dann erfasste eine besonders heftige Schmerzenswelle seinen Kopf, und er verstummte wieder, konnte aber ein kurzes „Gnngh“ nicht unterdrücken, und er kniff die Augen mit aller Macht zusammen.
„Siehst du, genau das meine ich! Du hast richtig Schmerzen, Lupes, du solltest im Bett sein oder beim Arzt, nicht hier, wo ungefähr 40 Grad im Schatten sind. Du schaffst es doch gar nicht, diesen Mistkerl Henry zu verhaften; du kannst kaum gerade stehen.“
„Kann ich wohl“, sagte Lupo und kam sich im selben Moment vor wie ein störrisches Kind. Aber er hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln, da Bernard kurz aufsah und dann sagte:
„Okay? Beweis es.“
Widerstrebend öffnete Cyrus seine Augen und sah durch den blendenden Sonnenschein, wie Henry mit einer jungen Frau im Arm auf seinen Apartmentblock zuging. Wut brodelte in ihm auf, sie hatten ihn schon gewarnt, dass sie ihn bald würden verhaften können, und er ließ es trotzdem nicht sein! Er fischte seine Sonnenbrille aus seiner Tasche und öffnete die Autotür.
„Na dann los.“
„Bist du sicher?“, fragte Bernard vorsichtig. „Ich meine, ich kann ihn auch übernehmen, und dann fahren wir zusammen zurück zum Revier-“
„Mach dich nicht lächerlich“, unterbrach Lupo seinen Partner unwirsch, bevor er aufstand.
Die Hitze und der plötzliche Wechsel von Sitzend zu Stehend trafen ihn unvorbereitet; schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und er hielt sich am Autodach fest, unsicher, ob er jetzt in Ohnmacht fallen oder sich übergeben sollte. Das Gefühl der Übelkeit ließ nach, und er konnte wieder sehen, aber das Gefühl der Schwäche, das in seinen Gliedern saß und ihn sich so fühlen ließ, als wäre er gerade nach einer schlaflosen Woche aus dem Bett gerollt, blieb. Er schüttelte kurz den Kopf, um seine Gedanken und seinen Blick zu klären, und hörte die besorgte Stimme Bernards.
„Mir geht’s gut“, sagte er automatisch. Bernard rollte genervt mit den Augen.
„Ja, sicher doch. Was auch immer. Wir sollten den Mistkerl jetzt verhaften, oder was meinst du?“
Sie gingen los, auf Henry und sein nächstes Opfer zu, und Lupo versuchte, den drückenden Schmerz in seinem Kopf und den Schwindel zu ignorieren, so gut es ging. Heute Abend konnte er zusammenbrechen, wenn er wollte, oder sonst etwas, vielleicht nahm er sich wirklich einen Tag frei, aber jetzt musste er sich zusammenreißen und seinen Job machen, und zwar, diesen Dreckskerl hinter Gitter zu bringen.
„…und dann könnten wir ja noch einen Film – Detectives!“ Henry hatte sie gerade entdeckt, wie sie auf ihn zukamen, und er setzte schnell ein falsches Grinsen auf, das Lupos Übelkeit noch verstärkte. „Wie, äh, schön, Sie wieder zu sehen.“
„Perce, wer sind diese Leute?“, fragte die junge Frau nichtsahnend; sie war nicht älter als 18.
„Wir retten Ihnen den Arsch, junge Dame“, sagte Bernard gereizt, und Lupo fischte seine Handschellen hervor und ging um Henry herum.
„Percival Henry, Sie sind verhaftet wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Tateinheit mit sexueller Nötigung in acht, Vergewaltigung in fünf und Mord in sieben Fällen. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was-“
„Das ist ein Irrtum!“, rief Henry aus. „Sie wollen mir doch was anhängen, Bullenschweine! Keine Sorge, Liebes“, sagte er an die junge Frau gewandt, „in ein paar Stunden bin ich wieder draußen, dann-“
„Das wage ich zu bezweifeln, Henry“, unterbrach Bernard ihn.
„Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“ Unbeirrt fuhr Lupo fort, Henry seine Rechte zu verlesen, während er ihm die Handschellen anlegte und ihn dann, mit Bernards Hilfe, in Richtung ihres Wagens schob. „Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen vom Gericht ein Pflichtverteidiger gestellt.“
„Und wie ich mir einen Anwalt leisten kann!“ Henry wurde immer lauter, aber Bernard öffnete die hintere Autotür und drückte Henry nach unten auf den Sitz. „Passen Sie auf Ihren Kopf auf, Sir.“
„Ficken Sie sich ins Knie!“, war Henrys wenig charmante Antwort, und die Strafe folgte auf dem Fuße, als sein Kopf mit dem Rahmen des Autos kollidierte.
„Ups, war ich das etwa?“, fragte Bernard ganz unschuldig, bevor er die Tür hinter Henry schloss und um den Wagen herum ging. Lupo saß bereits wieder auf dem Beifahrersitz, froh, dass er nicht mehr aufrecht stehen musste. Er sah auf seine Armbanduhr: 10 Uhr morgens.
Das würde noch ein langer Tag werden.
xxxxxxxxxxxxxxx
NYPD Polizeirevier
Dienstag, 21. August
„Hey, Lupes.“
…
„Lupes.“
…
„Lupes?“
…
„Hey, MANN!“
Lupo öffnete die Augen, als ein zu einem Ball zusammengeknülltes Blatt Papier ihn an der Stirn traf; sein Ellbogen rutschte von der Tischkante, was beinahe darin resultierte, dass sein Kopf auf seinen Schreibtisch aufschlug. Verwirrt sah er seinen Partner an.
„WAS?“
„Sag mal, Lupes, hast du gerade geschlafen? Du weißt schon, dass du das während der Arbeit nicht tun sollest, oder?“
„Ich habe nicht geschlafen.“ Er hatte nur seine Augen ausgeruht, vielleicht ein wenig gedöst… in den letzten zwei Stunden hatten die Hitze und seine Kopfschmerzen weiter zugenommen, und er konnte sich kaum noch auf irgendetwas konzentrieren. Momentan war sowieso nichts zu tun, der ganze Papierkram konnte noch etwas warten, also was war schon dabei?
Bernard sah weiterhin wenig überzeugt aus. „Du siehst noch schlimmer aus als vorhin, obwohl ich nicht gedacht hätte, dass das möglich ist. Ich hoffe, du erinnerst dich daran, dass wir gleich noch mit Cutter reden müssen, wegen dieser Jugendbande, die wir vorgestern hochgenommen haben.“
„Jaja, er will uns in den Zeugenstand rufen, ich weiß.“ Lupo massierte seine Schläfen. „Warum sollte ich das vergessen?“
„Ich meine ja nur, Mann. Du siehst aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen, und-“
Entnervt schlug Cyrus mit der flachen Hand auf den Tisch. „Es. Geht. Mir. Gut. Die Hitze macht mir ein wenig zu schaffen, sonst nichts. Es wird bei Cutter in seinem klimatisierten Büro alles wunderbar laufen, und es stimmt, ich bin müde, weil ich die letzte Nacht durchgearbeitet habe-“
„Nur letzte Nacht?“, unterbrach Kevin ihn. „Oh nein, nein, nein, du hast die letzten DREI Nächte durchgemacht! Seit der Prozess gegen Em-“
„Sag diesen Namen nicht“, warf Lupo gereizt ein. „Erwähne sie bitte nie wieder. Mir geht es so schon mies genug.“
„Aha!“ Bernard zeigte mit dem Finger auf ihn. Ob dieses Ausbruches drehten sich mehrere verwunderte Köpfe zu den Schreibtischen der beiden Detectives um. „Du gibst es also zu, es GEHT dir schlecht.“
Lupo rollte nur mit den Augen. „Werd erwachsen.“
„Was auch immer, Lupes. Ich hol mir ein Wasser, willst du auch was?“
Lupo hätte jetzt gerne einen Kaffee getrunken, in der Hoffnung, das Koffein würde ihn wieder wacher machen, aber er war sich nicht sicher, ob er den Kaffe drinbehalten würde, wenn er seinen derzeitigen Zustand bedachte. Er hatte tatsächlich die letzten drei Nächte durchgearbeitet, sich immer nur eine halbe Stunde Schlaf erlaubt, wenn er kurz nach Hause fuhr, um zu duschen, und heute morgen hatte er nach der allmorgentlichen Dusche den allmorgentlichen Kaffe wieder ausgebrochen. Das war kein gutes Zeichen, soviel war ihm klar.
„Bringst du mir ein Wasser mit?“, fragte er daher nur.
„Sicher doch.“ Bernard stand auf und ging in Richtung Pausenraum, und Lupo wandte seinen Blick wieder den Unterlagen zu, die da auf seinem Schreibtisch lagen und geduldig darauf warteten, von ihm bearbeitet zu werden. ‚Einsatzbericht THL. Einsatzdatum: 25. Mai. Meldung um 23:57 Uhr durch (01.02.) Notruf 911, Polizei…‘ Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen, und er seufzte und lehnte sich zurück. Es war erst 12 Uhr, er hatte gleich eine halbe Stunde Zeit, um zu Mittag zu essen, bevor er und Bernard zu Cutter in sein Büro fahren würden, um ihre Aussagen für das Verfahren in sechs Tagen zu besprechen. Er hatte definitiv keinen Hunger, aber vielleicht konnte er die halbe Stunde ja nutzen, um im Ruheraum ein kurzes Nickerchen zu machen. Ja, das klang durchaus verlockend.
Bernard kam wieder und stellte ihm eine Flasche Wasser vor die Nase. „Danke.“
„Kein Problem.“ Kevin setzte sich und nahm eine weitere Akte in Angriff. „Hey, hör mal, gleich ist Mittagspause, sollen wir ins Dheli um die Ecke gehen?“
„Oh, nein, ich glaub nicht, dass ich Hunger habe, ich dachte, ich mach nen kurzen Stopp im Ruheraum…“
„Gute Idee. Vielleicht geht’s dir dann besser.“
„Besser?“
Überrascht drehte Lupo sich um und sah Lt. Van Buren schräg hinter sich stehen.
„Oh, hey, Lieutenant“, grüßte er, und Bernard nickte.
„Geht es Ihnen nicht gut, Detective?“
Lupo winkte ab. „Es ist nicht so schlimm, ich bin ziemlich müde, aber ich hau mich gleich kurz aufs Ohr, dann geht’s wieder.“
Zu seinem Leidwesen sah Van Buren nicht sehr überzeugt aus; sie musterte ihn eingehend, und bevor er wusste, was geschah, hatte sie schon einen Schritt auf ihn zugemacht und ihren Handrücken auf seine Stirn gelegt. Er zuckte zurück, aber der Schaden war schon angerichtet.
„Detective, Sie haben Fieber. Und zwar nicht zu knapp.“
„Ach, kommen Sie schon. Hier sinds doch mindestens 30 Grad.“
„Zu Ihrer Information, Lupo, ich habe zwei Söhne großgezogen, ich weiß, wie es aussieht, wenn jemand krank ist, und SIE, Mister, sind krank, und deswegen werden Sie nicht in den Ruheraum gehen, sondern nach Hause.“
„Das geht nicht.“
Van Buren zog eine Braue hoch. „Das war nicht bloß ein gut gemeinter Ratschlag, Detective.“
„Kevin und ich haben eine Verabredung mit Cutter in einer Stunde. Es geht um unsere Aussagen in dem Mordfall mit den Arruinados, dieser puerto-ricanischen Jugendgang, das ist wichtig, das kann ich nicht sausen lassen, weil ich nicht ganz auf der Höhe bin.“
Anita Van Buren ließ sich das durch den Kopf gehen, und schließlich nickte sie. „Also gut, Sie gehen zu Cutter, reden mit ihm, dann kommen Sie hierher zurück und melden sich persönlich bei mir ab, und DANN gehen Sie nach Hause, haben wir uns verstanden.“
Resigniert seufzend nickte Lupo. Was blieb ihm auch anderes übrig. Zumindest auf das Nickerchen konnte er sich freuen.
Aber daraus wurde leider nichts. Zwei Minuten, bevor Lupo seine Mittagspause endlich nehmen wollte, kam ein neuer Fall rein, anscheinend hatte eine Frau auf der 2nd Avenue ihren Mann mit einem Auto überfahren, und Lupo und Bernard waren die einzigen Detectives, die sofort zur Verfügung standen. Als die beiden in die sengende Hitze hinaus auf den Einsatzwagen zutraten, war Lupo danach zumute, jemanden zu schlagen – noch mieser konnte dieser Tag wirklich nicht werden.
Die stickige flimmernde Luft, die im Auto herrschte, weil Bernard notgedrungen direkt in der Sonne geparkt hatte, schien ihn zu erdrücken. Er hatte die Beifahrertür bereits geschlossen, öffnete sie jedoch wieder, da er einen Augenblick lang wirklich glaubte, sich übergeben zu müssen. Es war Gott sei dank falscher Alarm gewesen, aber besser ging es ihm dadurch nicht gerade. Er hatte das Gefühl, kaum atmen zu können, und jetzt war ihm auch im Sitzen schwindelig. Einen Augenblick lang wünschte er sich, er hätte einfach auf seinen Lieutenant gehört und wäre nach Hause gegangen, wen interessierten schon Cutter und sein blöder Baseballschläger…
Aber das konnte er natürlich nicht tun. Seine Aussage war wichtig, damit diese Jungen die gerechte Strafe für den Mord an dieser alten Frau bekamen. Und abgesehen davon, er konnte sich noch nicht einmal einen freien Tag leisten, also brachte das ganze Grübeln sowieso nichts. Er würde heute früh Schluss machen, und morgen wäre er so gut wie neu, da war er sich sicher.
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Büro des Stellvertretenden Bezirksstaatsanwaltes
Michael Cutter
Dienstag, 21. August
Dank der äußerst aufgebrachten Ehefrau kamen sie eine halbe Stunde zu spät zu dem Termin mit Cutter und Connie Rubirosa. Das Gebäude war, wie Lupo unendlich dankbar feststellte, tatsächlich hervorragend klimatisiert, und aus der Hitze heraus zu sein, empfanden sowohl er als auch sein Partner als eine große Erleichterung.
„Sie sind zu spät“, begrüßte Cutter sie missgelaunt. Offensichtlich bin ich nicht der einzige, der einen schlechten Tag hat, dachte Lupo, als Cutter seinen Baseballschläger ein letztes Mal schwang, bevor er ihn an seinen Platz in der Ecke stellte.
„Ja, wir wurden aufgehalten“, sagte Bernard nur. „Counselor“, begrüßte er Connie, die auf der Kante von Cutters Schreibtisch saß und lächelte, als die Detectives eintraten.
„Hallo, Detectives! Schlimme Hitze heute, was?“ Lupo gab sein bestes, um zurückzulächeln.
„Sie sehen fertig aus“, sagte Cutter. Daraufhin schenkte Cyrus ihm nur einen äußerst genervten Blick. Connie räusperte sich.
„Kommen wir doch am besten gleich zur Sache“, lenkte sie ein. Lupo hätte sich nur zu gerne gesetzt, aber der einzige Sitzplatz war Cutters Schreibtischstuhl, den Cutter selbst auch gleich besetzte. Er klappte eine der Akten auf und räusperte sich.
„Also“, seufzte er. „Fangen wir an. Der Verteidiger der Arruinados ist ein gewisser Peter Davidson-Orwell, ein Möchtegern, gegen den vor zwei Jahren ein Verfahren wegen Korruption lief, also nehmen Sie sich in Acht, er schreckt vor nichts zurück. Okay, Bernard“, er sah Kevin an, „schildern Sie mir doch bitte genau den Hergang der Verhaftung.“
Bernard begann zu reden, und Lupo schaffte es irgendwann nicht mehr, zuzuhören; irgendwann wurden Bernards und Cutters Stimmen zu einem leisen Grummeln im Hintergrund, während das Kratzen von Connies Bleistift, mit dem sie sich Notizen machte, immer lauter zu werden schien. Er wischte sich Schweiß von der Stirn. Es war kühl hier drin, also warum hörte er nicht auf, zu schwitzen? Mit jeder Sekunde, die verging, wurde ihm schwindeliger, und er kämpfte immer mehr mit der Übelkeit; er hatte das Gefühle, als wolle ihn eine unsichtbare Kraft zu Boden drücken, und er hörte es nicht, als Cutter ihn ansprach.
„Detective?“, Cutter sah den Betroffenen fragend und etwas genervt an. Dann sprang er plötzlich auf. „Lupo!“
Connie und Bernard wussten erst nicht, was diese Reaktion in dem Staatsanwalt provoziert hatte, aber dann sahen sie beide, wie Lupo gefährlich zu schwanken begann; Bernard sah noch, wie die Augen seines Partners zurück in seinen Kopf rollten, bevor er zusammenbrach.
„Scheiße!“, rief Cutter, als er um seinen Schreibtisch herum rannte, um neben Lupos regungslosem Körper zu knien. Bernard kniete auf Lupos anderer Seite und fühlte seinen Puls, der viel zu schnell ging.
„Idiot“, murmelte er. „Ich hatte ihm doch gesagt, er solle sich den Tag freinehmen.“
„Um Gottes Willen.“ Connie Rubirosa stand der Schock noch ins Gesicht geschrieben, als Cutter sie energisch aufforderte, doch einen Krankenwagen zu rufen. Sie wachte aus ihrer Starre auf und schnappte sich ihr Handy.
Cutter bemerkte, wie erhitzt Lupo war, und legte ihm eine Hand auf die Stirn. „Verdammt! Er hat bestimmt 40 Grad Fieber, warum läuft er denn in diesem Zustand noch in der Gegend rum?“
„Fragen Sie mich was leichteres“, knurrte Bernard. Connie klappte ihr Handy zu.
„Hilfe ist unterwegs.“
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New York Presbyterian Hospital
Überwachungsstation
Dienstag, 21. August
Anita Van Buren war gelinde gesagt sehr überrascht gewesen, als um 13:45 Uhr plötzlich die Stellvertretende Bezirksstaatsanwältin Rubirosa in ihrem Büro anrief und sagte, es wäre sehr dringend, Det. Lupo sei im Krankenhaus, sie solle doch bitte so schnell wie möglich ins Presbyterian kommen. Sie war zugegebenermaßen auch ein wenig schuldbewusst, denn hätte sie sich durchgesetzt und Lupo sofort nach Hause geschickt, als sie merkte, dass er krank war, wäre das vielleicht nicht passiert. Aber den Kopf zerbrechen konnte sie sich später noch, jetzt galt es erst einmal, sicher zu stellen, dass Lupo nichts ernstes fehlte.
Als sie an der Rezeption ankam, wartete Connie schon auf sie, und zusammen gelangten sie in den zweiten Stock, und Ms. Rubirosa führte sie zu einem Zimmer, vor dessen verschlossener Tür Cutter hin und her lief.
Als er den Lieutenant sah, hielt er kurz inne und begrüßte sie.
„Anita. Hallo.“ Er nickte in Richtung Tür. „Bernard ist noch drin.“
„Was genau ist denn passiert?“, wollte Van Buren wissen.
„Es ging ihm nicht gut“, erklärte Connie. „Ich hab es sofort gesehen, als er reinkam, er war ganz blass, und… plötzlich hat er einfach die Augen verdreht und ist zusammen gebrochen.“
„Die Ärzte sagen, er hatte einen durch die Hitze und Erschöpfung induzierten Kreislaufzusammenbruch, und dass er wieder in Ordnung kommt“, fügte Cutter hinzu.
„Okay, okay…“ Van Buren nickte. Dass er wieder gesund werden würde, freute sie natürlich sehr, nur… sie musste das jetzt erst einmal verdauen.
In diesem Moment ging die Tür auf und Bernard trat auf den Flur. Er schloss leise die Tür hinter sich, bevor er den Lieutenant begrüßte.
„Hey, Lieu“, sagte er und wischte sich mit der Hand durch sein rundes Gesicht. „Er ist okay, er schläft jetzt. Sie wollen ihn für die nächsten zwei Tage hier behalten.“
Wieder konnte Anita nur nicken. Ein kurzer Moment des Schweigens trat ein, bevor Cutter auf seine Uhr sah und seufzte. „Also, es tut mir Leid, aber wir haben noch einiges zu erledigen, deswegen…“
„Gehen Sie ruhig“, sagte Van Buren. „Es führt doch zu nichts, wenn wir hier einen Auflauf veranstalten. Die Hauptsache ist, Lupo wird wieder.“
Die Staatsanwälte verabschiedeten sich und ließen Van Buren und einen schweigenden Det. Bernard zurück.
„Sie können ruhig kurz rein zu ihm“, meinte er schließlich. „Solange Sie leise sind.“
„Ja, das wäre keine so schlechte Idee“, erwiderte Van Buren, aber als sie ihre Hand auf die kalte metallene Klinke legte, hielt er sie noch kurz zurück.
„Wissen Sie, Lieutenant, seit dieser… seit dieser Sache mit Emma Kimm setzt Lupes sich selbst unter so einen wahnsinniges Druck… er will unbedingt seinen Fehler wieder gut machen. Bitte…“
Van Buren legte ihm eine Hand auf den Arm. „Schon gut“, sagte sie nur. „Ich verstehe.“
Und wieder ein One-Shot beendet. Obwohl mir diese Fic gar nicht wie ein One-Shot vorkommt, so viele Ortswechsel, wie ich vorgenommen habe. Nun ja, ich schätze, dafür, dass das meine allererste Whump-Story ist, ist sie ganz gut geworden. Mein armer, armer Lupo. Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser^^
Was die Locations angeht, ich habe so gut recherchiert, wie ich nur konnte, vielleicht bessere ich demnächst auch noch etwas nach. Bis dahin hoffe ich einfach, dass es gefällt und dass mir vielleicht jemand ein Review da lässt. Danke sehr!
Der nächste Motivé-One Shot folgt auf dem Fuße, huahahahaaaaa^^
Also, der Titel ist, wie beim letzten Mal, wieder von den Irie Révoltés inspiriert, wieder von „Motivé“, und diesmal auch von „Il Est Là“, ein wunderschönes Lied. Ist aber keine Songfic. Wollt ich nur mal klarstellen. Zeitlich ist es angesiedelt ganz kurze Zeit nach Folge 20.02 („Just a girl in the world“, ihr erinnert euch). Ganz leichte Spoiler für ebendiese Episode.
Disclaimer: Was WÜRDE ich für Sachen anstellen, wenn Law and Order und Cyrus Lupo meins wären… aber sie sind es nicht, und ich verdiene hiermit auch kein Geld.
Viel Spaß!!!
Motivé: Il Est Là
Manhattan, 80ste Ecke 12.
Dienstag, 21. August
Percival Henry, 45, hatte an zahlreiche junge Frauen, darunter auch einige unter 21 Jahren, Drogen verteilt, um sie dann zu Sex mit ihm zu überreden und anschließend mit einem Kissen zu ersticken. Nach eingehender Zeugenvernahme hatten Lupo und Bernard genug Indizien, um Henry festzunehmen, und weil schließlich entschieden wurde, dass der Mordaspekt schwerer wog als der sexuelle und deswegen sie den Fall behandeln würden und nicht Special Victims, warteten sie seit geraumer Zeit im Auto ca. 40 m von seinem Haus entfernt darauf, dass er auftauchte.
Die Klimaanlage im Wagen lief auf Hochtouren, es herrschte brütende Hitze in diesem späten New Yorker Sommer, und Bernard konnte Zeichen dafür sehen, wie sehr das seinem Partner zu schaffen machte.
„Alles klar, Lupes?“, fragte er zum zehnten Mal in der letzten Stunde.
„Mmmh“, machte Lupo zustimmend, ebenfalls zum zehnten Mal in der letzten Stunde, während er seine Augen geschlossen hielt und seinen Handballen gegen seine schweißüberströmte Stirn drückte, in der Hoffnung, die Kopfschmerzen, die ihn quälten, seit er die letzte Nacht durchgearbeitet hatte, würden auf wundersame Weise verschwinden. Ihm war schlecht und schwindelig, und dass sein Schädel sich anfühlte, als hätte ihm jemand eine Axt hineingehauen, half nicht gerade dabei, aber er hatte nicht vor, Bernard das auf die Nase zu binden. Oder irgendjemandem, wirklich. Es ging ihm gut.
„Mh“, machte Bernard, wenig überzeugt.
Sie schwiegen wieder für einige Minuten, bis Bernard seufzte und sich wieder seinem leidenden Partner zuwandte.
„Okay, jetzt mal ehrlich, Lupes“, begann er genervt. „Ich kann SEHEN, dass es dir mies geht; scheiße, ein Blinder könnte das sehen. Wenn du krank bist, Mann, dann solltest du dir einen Tag freinehmen, das ist keine Schande.“
„Ich BIN aber nicht krank“, widersprach Lupo. Dann erfasste eine besonders heftige Schmerzenswelle seinen Kopf, und er verstummte wieder, konnte aber ein kurzes „Gnngh“ nicht unterdrücken, und er kniff die Augen mit aller Macht zusammen.
„Siehst du, genau das meine ich! Du hast richtig Schmerzen, Lupes, du solltest im Bett sein oder beim Arzt, nicht hier, wo ungefähr 40 Grad im Schatten sind. Du schaffst es doch gar nicht, diesen Mistkerl Henry zu verhaften; du kannst kaum gerade stehen.“
„Kann ich wohl“, sagte Lupo und kam sich im selben Moment vor wie ein störrisches Kind. Aber er hatte keine Zeit, darüber nachzugrübeln, da Bernard kurz aufsah und dann sagte:
„Okay? Beweis es.“
Widerstrebend öffnete Cyrus seine Augen und sah durch den blendenden Sonnenschein, wie Henry mit einer jungen Frau im Arm auf seinen Apartmentblock zuging. Wut brodelte in ihm auf, sie hatten ihn schon gewarnt, dass sie ihn bald würden verhaften können, und er ließ es trotzdem nicht sein! Er fischte seine Sonnenbrille aus seiner Tasche und öffnete die Autotür.
„Na dann los.“
„Bist du sicher?“, fragte Bernard vorsichtig. „Ich meine, ich kann ihn auch übernehmen, und dann fahren wir zusammen zurück zum Revier-“
„Mach dich nicht lächerlich“, unterbrach Lupo seinen Partner unwirsch, bevor er aufstand.
Die Hitze und der plötzliche Wechsel von Sitzend zu Stehend trafen ihn unvorbereitet; schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen und er hielt sich am Autodach fest, unsicher, ob er jetzt in Ohnmacht fallen oder sich übergeben sollte. Das Gefühl der Übelkeit ließ nach, und er konnte wieder sehen, aber das Gefühl der Schwäche, das in seinen Gliedern saß und ihn sich so fühlen ließ, als wäre er gerade nach einer schlaflosen Woche aus dem Bett gerollt, blieb. Er schüttelte kurz den Kopf, um seine Gedanken und seinen Blick zu klären, und hörte die besorgte Stimme Bernards.
„Mir geht’s gut“, sagte er automatisch. Bernard rollte genervt mit den Augen.
„Ja, sicher doch. Was auch immer. Wir sollten den Mistkerl jetzt verhaften, oder was meinst du?“
Sie gingen los, auf Henry und sein nächstes Opfer zu, und Lupo versuchte, den drückenden Schmerz in seinem Kopf und den Schwindel zu ignorieren, so gut es ging. Heute Abend konnte er zusammenbrechen, wenn er wollte, oder sonst etwas, vielleicht nahm er sich wirklich einen Tag frei, aber jetzt musste er sich zusammenreißen und seinen Job machen, und zwar, diesen Dreckskerl hinter Gitter zu bringen.
„…und dann könnten wir ja noch einen Film – Detectives!“ Henry hatte sie gerade entdeckt, wie sie auf ihn zukamen, und er setzte schnell ein falsches Grinsen auf, das Lupos Übelkeit noch verstärkte. „Wie, äh, schön, Sie wieder zu sehen.“
„Perce, wer sind diese Leute?“, fragte die junge Frau nichtsahnend; sie war nicht älter als 18.
„Wir retten Ihnen den Arsch, junge Dame“, sagte Bernard gereizt, und Lupo fischte seine Handschellen hervor und ging um Henry herum.
„Percival Henry, Sie sind verhaftet wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz in Tateinheit mit sexueller Nötigung in acht, Vergewaltigung in fünf und Mord in sieben Fällen. Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was-“
„Das ist ein Irrtum!“, rief Henry aus. „Sie wollen mir doch was anhängen, Bullenschweine! Keine Sorge, Liebes“, sagte er an die junge Frau gewandt, „in ein paar Stunden bin ich wieder draußen, dann-“
„Das wage ich zu bezweifeln, Henry“, unterbrach Bernard ihn.
„Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht gegen Sie verwendet werden.“ Unbeirrt fuhr Lupo fort, Henry seine Rechte zu verlesen, während er ihm die Handschellen anlegte und ihn dann, mit Bernards Hilfe, in Richtung ihres Wagens schob. „Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, wird Ihnen vom Gericht ein Pflichtverteidiger gestellt.“
„Und wie ich mir einen Anwalt leisten kann!“ Henry wurde immer lauter, aber Bernard öffnete die hintere Autotür und drückte Henry nach unten auf den Sitz. „Passen Sie auf Ihren Kopf auf, Sir.“
„Ficken Sie sich ins Knie!“, war Henrys wenig charmante Antwort, und die Strafe folgte auf dem Fuße, als sein Kopf mit dem Rahmen des Autos kollidierte.
„Ups, war ich das etwa?“, fragte Bernard ganz unschuldig, bevor er die Tür hinter Henry schloss und um den Wagen herum ging. Lupo saß bereits wieder auf dem Beifahrersitz, froh, dass er nicht mehr aufrecht stehen musste. Er sah auf seine Armbanduhr: 10 Uhr morgens.
Das würde noch ein langer Tag werden.
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NYPD Polizeirevier
Dienstag, 21. August
„Hey, Lupes.“
…
„Lupes.“
…
„Lupes?“
…
„Hey, MANN!“
Lupo öffnete die Augen, als ein zu einem Ball zusammengeknülltes Blatt Papier ihn an der Stirn traf; sein Ellbogen rutschte von der Tischkante, was beinahe darin resultierte, dass sein Kopf auf seinen Schreibtisch aufschlug. Verwirrt sah er seinen Partner an.
„WAS?“
„Sag mal, Lupes, hast du gerade geschlafen? Du weißt schon, dass du das während der Arbeit nicht tun sollest, oder?“
„Ich habe nicht geschlafen.“ Er hatte nur seine Augen ausgeruht, vielleicht ein wenig gedöst… in den letzten zwei Stunden hatten die Hitze und seine Kopfschmerzen weiter zugenommen, und er konnte sich kaum noch auf irgendetwas konzentrieren. Momentan war sowieso nichts zu tun, der ganze Papierkram konnte noch etwas warten, also was war schon dabei?
Bernard sah weiterhin wenig überzeugt aus. „Du siehst noch schlimmer aus als vorhin, obwohl ich nicht gedacht hätte, dass das möglich ist. Ich hoffe, du erinnerst dich daran, dass wir gleich noch mit Cutter reden müssen, wegen dieser Jugendbande, die wir vorgestern hochgenommen haben.“
„Jaja, er will uns in den Zeugenstand rufen, ich weiß.“ Lupo massierte seine Schläfen. „Warum sollte ich das vergessen?“
„Ich meine ja nur, Mann. Du siehst aus, als würdest du gleich in Ohnmacht fallen, und-“
Entnervt schlug Cyrus mit der flachen Hand auf den Tisch. „Es. Geht. Mir. Gut. Die Hitze macht mir ein wenig zu schaffen, sonst nichts. Es wird bei Cutter in seinem klimatisierten Büro alles wunderbar laufen, und es stimmt, ich bin müde, weil ich die letzte Nacht durchgearbeitet habe-“
„Nur letzte Nacht?“, unterbrach Kevin ihn. „Oh nein, nein, nein, du hast die letzten DREI Nächte durchgemacht! Seit der Prozess gegen Em-“
„Sag diesen Namen nicht“, warf Lupo gereizt ein. „Erwähne sie bitte nie wieder. Mir geht es so schon mies genug.“
„Aha!“ Bernard zeigte mit dem Finger auf ihn. Ob dieses Ausbruches drehten sich mehrere verwunderte Köpfe zu den Schreibtischen der beiden Detectives um. „Du gibst es also zu, es GEHT dir schlecht.“
Lupo rollte nur mit den Augen. „Werd erwachsen.“
„Was auch immer, Lupes. Ich hol mir ein Wasser, willst du auch was?“
Lupo hätte jetzt gerne einen Kaffee getrunken, in der Hoffnung, das Koffein würde ihn wieder wacher machen, aber er war sich nicht sicher, ob er den Kaffe drinbehalten würde, wenn er seinen derzeitigen Zustand bedachte. Er hatte tatsächlich die letzten drei Nächte durchgearbeitet, sich immer nur eine halbe Stunde Schlaf erlaubt, wenn er kurz nach Hause fuhr, um zu duschen, und heute morgen hatte er nach der allmorgentlichen Dusche den allmorgentlichen Kaffe wieder ausgebrochen. Das war kein gutes Zeichen, soviel war ihm klar.
„Bringst du mir ein Wasser mit?“, fragte er daher nur.
„Sicher doch.“ Bernard stand auf und ging in Richtung Pausenraum, und Lupo wandte seinen Blick wieder den Unterlagen zu, die da auf seinem Schreibtisch lagen und geduldig darauf warteten, von ihm bearbeitet zu werden. ‚Einsatzbericht THL. Einsatzdatum: 25. Mai. Meldung um 23:57 Uhr durch (01.02.) Notruf 911, Polizei…‘ Die Buchstaben verschwammen vor seinen Augen, und er seufzte und lehnte sich zurück. Es war erst 12 Uhr, er hatte gleich eine halbe Stunde Zeit, um zu Mittag zu essen, bevor er und Bernard zu Cutter in sein Büro fahren würden, um ihre Aussagen für das Verfahren in sechs Tagen zu besprechen. Er hatte definitiv keinen Hunger, aber vielleicht konnte er die halbe Stunde ja nutzen, um im Ruheraum ein kurzes Nickerchen zu machen. Ja, das klang durchaus verlockend.
Bernard kam wieder und stellte ihm eine Flasche Wasser vor die Nase. „Danke.“
„Kein Problem.“ Kevin setzte sich und nahm eine weitere Akte in Angriff. „Hey, hör mal, gleich ist Mittagspause, sollen wir ins Dheli um die Ecke gehen?“
„Oh, nein, ich glaub nicht, dass ich Hunger habe, ich dachte, ich mach nen kurzen Stopp im Ruheraum…“
„Gute Idee. Vielleicht geht’s dir dann besser.“
„Besser?“
Überrascht drehte Lupo sich um und sah Lt. Van Buren schräg hinter sich stehen.
„Oh, hey, Lieutenant“, grüßte er, und Bernard nickte.
„Geht es Ihnen nicht gut, Detective?“
Lupo winkte ab. „Es ist nicht so schlimm, ich bin ziemlich müde, aber ich hau mich gleich kurz aufs Ohr, dann geht’s wieder.“
Zu seinem Leidwesen sah Van Buren nicht sehr überzeugt aus; sie musterte ihn eingehend, und bevor er wusste, was geschah, hatte sie schon einen Schritt auf ihn zugemacht und ihren Handrücken auf seine Stirn gelegt. Er zuckte zurück, aber der Schaden war schon angerichtet.
„Detective, Sie haben Fieber. Und zwar nicht zu knapp.“
„Ach, kommen Sie schon. Hier sinds doch mindestens 30 Grad.“
„Zu Ihrer Information, Lupo, ich habe zwei Söhne großgezogen, ich weiß, wie es aussieht, wenn jemand krank ist, und SIE, Mister, sind krank, und deswegen werden Sie nicht in den Ruheraum gehen, sondern nach Hause.“
„Das geht nicht.“
Van Buren zog eine Braue hoch. „Das war nicht bloß ein gut gemeinter Ratschlag, Detective.“
„Kevin und ich haben eine Verabredung mit Cutter in einer Stunde. Es geht um unsere Aussagen in dem Mordfall mit den Arruinados, dieser puerto-ricanischen Jugendgang, das ist wichtig, das kann ich nicht sausen lassen, weil ich nicht ganz auf der Höhe bin.“
Anita Van Buren ließ sich das durch den Kopf gehen, und schließlich nickte sie. „Also gut, Sie gehen zu Cutter, reden mit ihm, dann kommen Sie hierher zurück und melden sich persönlich bei mir ab, und DANN gehen Sie nach Hause, haben wir uns verstanden.“
Resigniert seufzend nickte Lupo. Was blieb ihm auch anderes übrig. Zumindest auf das Nickerchen konnte er sich freuen.
Aber daraus wurde leider nichts. Zwei Minuten, bevor Lupo seine Mittagspause endlich nehmen wollte, kam ein neuer Fall rein, anscheinend hatte eine Frau auf der 2nd Avenue ihren Mann mit einem Auto überfahren, und Lupo und Bernard waren die einzigen Detectives, die sofort zur Verfügung standen. Als die beiden in die sengende Hitze hinaus auf den Einsatzwagen zutraten, war Lupo danach zumute, jemanden zu schlagen – noch mieser konnte dieser Tag wirklich nicht werden.
Die stickige flimmernde Luft, die im Auto herrschte, weil Bernard notgedrungen direkt in der Sonne geparkt hatte, schien ihn zu erdrücken. Er hatte die Beifahrertür bereits geschlossen, öffnete sie jedoch wieder, da er einen Augenblick lang wirklich glaubte, sich übergeben zu müssen. Es war Gott sei dank falscher Alarm gewesen, aber besser ging es ihm dadurch nicht gerade. Er hatte das Gefühl, kaum atmen zu können, und jetzt war ihm auch im Sitzen schwindelig. Einen Augenblick lang wünschte er sich, er hätte einfach auf seinen Lieutenant gehört und wäre nach Hause gegangen, wen interessierten schon Cutter und sein blöder Baseballschläger…
Aber das konnte er natürlich nicht tun. Seine Aussage war wichtig, damit diese Jungen die gerechte Strafe für den Mord an dieser alten Frau bekamen. Und abgesehen davon, er konnte sich noch nicht einmal einen freien Tag leisten, also brachte das ganze Grübeln sowieso nichts. Er würde heute früh Schluss machen, und morgen wäre er so gut wie neu, da war er sich sicher.
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Büro des Stellvertretenden Bezirksstaatsanwaltes
Michael Cutter
Dienstag, 21. August
Dank der äußerst aufgebrachten Ehefrau kamen sie eine halbe Stunde zu spät zu dem Termin mit Cutter und Connie Rubirosa. Das Gebäude war, wie Lupo unendlich dankbar feststellte, tatsächlich hervorragend klimatisiert, und aus der Hitze heraus zu sein, empfanden sowohl er als auch sein Partner als eine große Erleichterung.
„Sie sind zu spät“, begrüßte Cutter sie missgelaunt. Offensichtlich bin ich nicht der einzige, der einen schlechten Tag hat, dachte Lupo, als Cutter seinen Baseballschläger ein letztes Mal schwang, bevor er ihn an seinen Platz in der Ecke stellte.
„Ja, wir wurden aufgehalten“, sagte Bernard nur. „Counselor“, begrüßte er Connie, die auf der Kante von Cutters Schreibtisch saß und lächelte, als die Detectives eintraten.
„Hallo, Detectives! Schlimme Hitze heute, was?“ Lupo gab sein bestes, um zurückzulächeln.
„Sie sehen fertig aus“, sagte Cutter. Daraufhin schenkte Cyrus ihm nur einen äußerst genervten Blick. Connie räusperte sich.
„Kommen wir doch am besten gleich zur Sache“, lenkte sie ein. Lupo hätte sich nur zu gerne gesetzt, aber der einzige Sitzplatz war Cutters Schreibtischstuhl, den Cutter selbst auch gleich besetzte. Er klappte eine der Akten auf und räusperte sich.
„Also“, seufzte er. „Fangen wir an. Der Verteidiger der Arruinados ist ein gewisser Peter Davidson-Orwell, ein Möchtegern, gegen den vor zwei Jahren ein Verfahren wegen Korruption lief, also nehmen Sie sich in Acht, er schreckt vor nichts zurück. Okay, Bernard“, er sah Kevin an, „schildern Sie mir doch bitte genau den Hergang der Verhaftung.“
Bernard begann zu reden, und Lupo schaffte es irgendwann nicht mehr, zuzuhören; irgendwann wurden Bernards und Cutters Stimmen zu einem leisen Grummeln im Hintergrund, während das Kratzen von Connies Bleistift, mit dem sie sich Notizen machte, immer lauter zu werden schien. Er wischte sich Schweiß von der Stirn. Es war kühl hier drin, also warum hörte er nicht auf, zu schwitzen? Mit jeder Sekunde, die verging, wurde ihm schwindeliger, und er kämpfte immer mehr mit der Übelkeit; er hatte das Gefühle, als wolle ihn eine unsichtbare Kraft zu Boden drücken, und er hörte es nicht, als Cutter ihn ansprach.
„Detective?“, Cutter sah den Betroffenen fragend und etwas genervt an. Dann sprang er plötzlich auf. „Lupo!“
Connie und Bernard wussten erst nicht, was diese Reaktion in dem Staatsanwalt provoziert hatte, aber dann sahen sie beide, wie Lupo gefährlich zu schwanken begann; Bernard sah noch, wie die Augen seines Partners zurück in seinen Kopf rollten, bevor er zusammenbrach.
„Scheiße!“, rief Cutter, als er um seinen Schreibtisch herum rannte, um neben Lupos regungslosem Körper zu knien. Bernard kniete auf Lupos anderer Seite und fühlte seinen Puls, der viel zu schnell ging.
„Idiot“, murmelte er. „Ich hatte ihm doch gesagt, er solle sich den Tag freinehmen.“
„Um Gottes Willen.“ Connie Rubirosa stand der Schock noch ins Gesicht geschrieben, als Cutter sie energisch aufforderte, doch einen Krankenwagen zu rufen. Sie wachte aus ihrer Starre auf und schnappte sich ihr Handy.
Cutter bemerkte, wie erhitzt Lupo war, und legte ihm eine Hand auf die Stirn. „Verdammt! Er hat bestimmt 40 Grad Fieber, warum läuft er denn in diesem Zustand noch in der Gegend rum?“
„Fragen Sie mich was leichteres“, knurrte Bernard. Connie klappte ihr Handy zu.
„Hilfe ist unterwegs.“
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New York Presbyterian Hospital
Überwachungsstation
Dienstag, 21. August
Anita Van Buren war gelinde gesagt sehr überrascht gewesen, als um 13:45 Uhr plötzlich die Stellvertretende Bezirksstaatsanwältin Rubirosa in ihrem Büro anrief und sagte, es wäre sehr dringend, Det. Lupo sei im Krankenhaus, sie solle doch bitte so schnell wie möglich ins Presbyterian kommen. Sie war zugegebenermaßen auch ein wenig schuldbewusst, denn hätte sie sich durchgesetzt und Lupo sofort nach Hause geschickt, als sie merkte, dass er krank war, wäre das vielleicht nicht passiert. Aber den Kopf zerbrechen konnte sie sich später noch, jetzt galt es erst einmal, sicher zu stellen, dass Lupo nichts ernstes fehlte.
Als sie an der Rezeption ankam, wartete Connie schon auf sie, und zusammen gelangten sie in den zweiten Stock, und Ms. Rubirosa führte sie zu einem Zimmer, vor dessen verschlossener Tür Cutter hin und her lief.
Als er den Lieutenant sah, hielt er kurz inne und begrüßte sie.
„Anita. Hallo.“ Er nickte in Richtung Tür. „Bernard ist noch drin.“
„Was genau ist denn passiert?“, wollte Van Buren wissen.
„Es ging ihm nicht gut“, erklärte Connie. „Ich hab es sofort gesehen, als er reinkam, er war ganz blass, und… plötzlich hat er einfach die Augen verdreht und ist zusammen gebrochen.“
„Die Ärzte sagen, er hatte einen durch die Hitze und Erschöpfung induzierten Kreislaufzusammenbruch, und dass er wieder in Ordnung kommt“, fügte Cutter hinzu.
„Okay, okay…“ Van Buren nickte. Dass er wieder gesund werden würde, freute sie natürlich sehr, nur… sie musste das jetzt erst einmal verdauen.
In diesem Moment ging die Tür auf und Bernard trat auf den Flur. Er schloss leise die Tür hinter sich, bevor er den Lieutenant begrüßte.
„Hey, Lieu“, sagte er und wischte sich mit der Hand durch sein rundes Gesicht. „Er ist okay, er schläft jetzt. Sie wollen ihn für die nächsten zwei Tage hier behalten.“
Wieder konnte Anita nur nicken. Ein kurzer Moment des Schweigens trat ein, bevor Cutter auf seine Uhr sah und seufzte. „Also, es tut mir Leid, aber wir haben noch einiges zu erledigen, deswegen…“
„Gehen Sie ruhig“, sagte Van Buren. „Es führt doch zu nichts, wenn wir hier einen Auflauf veranstalten. Die Hauptsache ist, Lupo wird wieder.“
Die Staatsanwälte verabschiedeten sich und ließen Van Buren und einen schweigenden Det. Bernard zurück.
„Sie können ruhig kurz rein zu ihm“, meinte er schließlich. „Solange Sie leise sind.“
„Ja, das wäre keine so schlechte Idee“, erwiderte Van Buren, aber als sie ihre Hand auf die kalte metallene Klinke legte, hielt er sie noch kurz zurück.
„Wissen Sie, Lieutenant, seit dieser… seit dieser Sache mit Emma Kimm setzt Lupes sich selbst unter so einen wahnsinniges Druck… er will unbedingt seinen Fehler wieder gut machen. Bitte…“
Van Buren legte ihm eine Hand auf den Arm. „Schon gut“, sagte sie nur. „Ich verstehe.“
Und wieder ein One-Shot beendet. Obwohl mir diese Fic gar nicht wie ein One-Shot vorkommt, so viele Ortswechsel, wie ich vorgenommen habe. Nun ja, ich schätze, dafür, dass das meine allererste Whump-Story ist, ist sie ganz gut geworden. Mein armer, armer Lupo. Hoffentlich geht es ihm bald wieder besser^^
Was die Locations angeht, ich habe so gut recherchiert, wie ich nur konnte, vielleicht bessere ich demnächst auch noch etwas nach. Bis dahin hoffe ich einfach, dass es gefällt und dass mir vielleicht jemand ein Review da lässt. Danke sehr!
Der nächste Motivé-One Shot folgt auf dem Fuße, huahahahaaaaa^^